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Psalm 73

Psalm 73

73:1 Ein Psalm Asaphs. Israel hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist.

73:2 Ich aber hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten.

73:3 Denn es verdroß mich der Ruhmredigen, da ich sah, daß es den Gottlosen so wohl ging.
Bei unseren gegenwärtigen Zuständen erschüttert diese Versuchung jeden in unserem Volk. Denn es wird unter uns in hellem Umfang und großem Maßstab der Tatbeweis geführt, dass man auch ohne Gott leben und nicht nur leben, sondern gedeihen kann. Wozu soll ich nun zu Jesus gehen und von ihm sein Joch empfangen, das mich zum Wettbewerb mit den anderen unfähig macht? Nun ist mir der Griff nach der Macht, der keine Rücksicht kennt, und der Rausch des ungehemmten Genießens versagt. Aber solche Gedanken können mich nicht nur dann packen, wenn ich in meinem innersten Denken und Wollen schon gottlos wäre. Nur dann könnte es mir scheinen, dass die Frage, ob ich für mich selbst oder für Gott leben wolle, durch eine Berechnung meiner Gewinne zu entscheiden sei. Wenn ich meinen Entschluss von meinem Vorteil abhängig mache, dann habe ich Gott verleugnet; dann ist er mir nicht mehr die Wirklichkeit, an die ich glaube, nicht mehr der Schöpfer, durch den ich bin, nicht mehr der Herr, dessen Willen ich tue, nicht mehr der Gute, dessen Gnade meine Freude ist. Glück oder Unglück, Macht oder Misserfolg, das scheidet völlig aus, wenn ich nach Gott frage, und hat meinem Christenstand nichts zu tun. Gottes Wahrheit und Gerechtigkeit, das ist das Einzige, wonach ich zu fragen habe, und wenn diese Frage mit ihrem heiligen Ernst in mir erwacht ist, dann hat der Erfolg der Gottlosen den versuchlichen Reiz verloren. Aber ich muss mich aus der schwülen Luft unseres öffentlichen Lebens immer wieder in die Nähe Jesu flüchten, damit ich unverwundbar werde, und muss seiner Mahnung gehorchen: bleib in meinem Wort; dann wirst du die Wahrheit erkennen; dann blendet dich kein prunkender Schein eines solchen Glücks.
Ich fürchte mich, Herr, Gott, vor mir und meiner Begehrlichkeit. Unsere Seele ist ein unzufriedenes Ding; sie will nicht unten bleiben, sondern stürmt nach oben, und mag nicht entbehren, sondern ist hungrig nach Genuss. Aus dem Lärm der Welt trete ich in Deine uns stille machende Gegenwart. Nun wird das Auge klar und die Seele froh und der Dank flammt auf, der Dank dafür, dass ich Dich kenne, weil Du mich erkannt hast. Amen. (Adolf Schlatter)

73:4 Denn sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest wie ein Palast.

73:5 Sie sind nicht in Unglück wie andere Leute und werden nicht wie andere Menschen geplagt.

73:6 Darum muß ihr Trotzen köstlich Ding sein, und ihr Frevel muß wohl getan heißen.

73:7 Ihre Person brüstet sich wie ein fetter Wanst; sie tun, was sie nur gedenken.

73:8 Sie achten alles für nichts und reden übel davon und reden und lästern hoch her.

73:9 Was sie reden, daß muß vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das muß gelten auf Erden.

73:10 Darum fällt ihnen ihr Pöbel zu und laufen ihnen zu mit Haufen wie Wasser

73:11 und sprechen: „Was sollte Gott nach jenen fragen? Was sollte der Höchste ihrer achten?“

73:12 Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich.

73:13 Soll es denn umsonst sein, daß mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche,

73:14 ich bin geplagt täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da?

73:15 Ich hätte auch schier so gesagt wie sie; aber siehe, damit hätte ich verdammt alle meine Kinder, die je gewesen sind.

73:16 Ich dachte ihm nach, daß ich's begreifen möchte; aber es war mir zu schwer,

73:17 bis daß ich ging in das Heiligtum Gottes und merkte auf ihr Ende.

73:18 Ja, du setzest sie aufs Schlüpfrige und stürzest sie zu Boden.
Assaph bekennt Ps. 73.: ich hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen, mein Tritt hätte beinahe geglitten; denn es verdroß mich auf die Ruhmredigen, da ich sahe, daß es den Gottlosen so wohl ging, denn sie sind in keiner Gefahr des Todes, sondern stehen fest, wie ein Palast. Sie sind nicht in Unglück, wie andere Leute, und werden nicht, wie andere Menschen, geplaget. Darum muß ihr Trotzen köstlich Ding sein, und ihr Frevel muß wohl gethan heißen. – Sie vernichten Alles, und reden übel davon, und reden und lästern hoch her u.s.w. Dieses Alles verdroß den Assaph desto mehr, da er von sich selbst sagen mußte: ich bin geplaget täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da; wobei er dann versucht wurde zu gedenken: soll’s denn umsonst sein, daß mein Herz unsträflich lebet, und ich meine Hände in Unschuld wasche? Aus dieser Verwirrung konnte sich Assaph nicht heraus helfen, bis er in das Heiligthum oder in die Stiftshütte ging, wo man die Gegenwart Gottes vorzüglich fühlen konnte, um da zu beten. Plötzlich fiel ihm da ein, er solle auf das Ende der Gottlosen merken. Es kam auch so viel Licht in seine Seele, daß er zu Gott sagen konnte, was v. 18-28. steht, und wovon ein Theil dieses ist: Du setzest die Gottlosen auf’s Schlüpfrige, und stürzest sie zu Boden. Sie gehen unter, und nehmen ein Ende mit Schrecken u.s.w.
Weil nun dasjenige, was Assaph in diesem Psalmen beschreibt, noch immer in der Welt vorgeht, so ist’s billig, daß wir die Bekenntniß und Erkenntniß dieses heiligen Propheten wohl zu Herzen nehmen. Was insonderheit das Setzen der Gottlosen auf’s Schlüpfrige anlangt, so wird dadurch ein göttliches Verhängniß angedeutet, nach welchem sie in den scheinbaren, aber gefährlichen Glücksstand gesetzt werden, der v. 3-12. beschrieben ist; wiewohl er nicht bei Allen so völlig entsteht. Hiebei muß man aber den heiligen Gott nicht beschuldigen, als ob Er an der Gefahr und dem Untergang der Gottlosen schuldig sei. Er setzet sie auf’s Schlüpfrige, weil sie es mit Gewalt so haben wollen. Sie reißen Aemter an sich, zu deren rechter Verwaltung sie weder Treue noch Gaben haben. sie sammeln mit einem geizigen Bestreben einen Reichthum, zu dessen guter Anwendung weder ein guter Wille, noch ein guter Verstand bei ihnen ist. Sie heirathen nach ihrer Lust, und verwickeln sich dadurch in Schlingen, welche sie in die Sünde und Hölle hineinziehen. Sie mengen sich in Geschäfte, welche man nicht anders als durch schlimme Ränke durchsetzen kann. Sie schwingen sich in eine Gewalt hinein, und haben keine Fähigkeit, dieselbe mäßiglich zu gebrauchen. Alles dieses unternehmen sie ohne Gott. Sie fragen Ihn nicht im Gebet. Sie empfehlen Ihm ihre Wege nicht. Sie merken nicht auf Seine warnenden und unterweisenden Winke. Sie fahren durstiglich zu und versuchen Gott; da dann Gott sie auch in Versuchung führt, und sie durch Seine zulassende und mit Zorn vermengte Vorsehung auf das schlüpfrige Eis setzt, nach welchem sie mit Gewalt streben. Kein Gottloser wird Gott deßhalb an jenem Tage beschuldigen, weil einem jeden sein Gewissen sagen wird: er habe sich sein schlüpfriges Eis selber gewählt, und Gott sei nach vorhergegangenen treuen Warnungen nicht schuldig gewesen, sein Vornehmen mit Gewalt zu hindern. Besser ist’s, wenn man mit Assaph sagt: Du, o Gott, leitest mich nach Deinem Rath, und nimmst mich endlich mit Ehren an.(Magnus Friedrich Roos)

73:19 Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken.

73:20 Wie ein Traum, wenn einer erwacht, so machst du, Herr, ihr Bild in der Stadt verschmäht.

73:21 Da es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meine Nieren,

73:22 da war ich ein Narr und wußte nichts; ich war wie ein Tier vor dir.
Bedenke, daß dies das Bekenntnis eines Mannes nach dem Herzen Gottes ist; und wenn er uns hier sein inneres Leben schildert, so spricht er: „Ich muß ein Narr sein, und nichts wissen.“ Das Wort: „ein Narr“ bedeutet etwas mehr, als was der gewöhnliche Gebrauch des Ausdrucks in sich faßt. Asaph schreibt in einem früheren Vers desselben Psalms: „Es verdroß mich auf die Ruhmrätigen, da ich sah, daß es den Gottlosen so wohl ging,“ woraus hervorgeht, daß die eitle Torheit, auf welche Asaph an beiden Stellen anspielt, etwas Sündliches war. Er bekennt demütig, daß er „ein Narr“ sei, und fügt ein Wörtlein bei, das die Sache noch verstärkt: „Ich muß ein Narr sein.“ Wie sehr närrisch, konnte er nicht sagen; es war eine sündliche Torheit, eine Narrheit, die in der Schwäche keine Entschuldigung finden konnte, sondern verdammlich war um ihrer Hartnäckigkeit und absichtlichen Stumpfheit willen; denn es hatte ihn verdrossen, auf das zeitliche Glück der Gottlosen zu sehen, und er hatte vergessen, welch ein schreckliches Ende ihrer harret. Und sind wir besser denn Asaph, daß wir uns weise nennen dürften? Bekennen wir etwa, daß wir der Vollkommenheit nachtrachteten, oder daß wir so gezüchtigt wurden, bis die Rute all unsren Eigenwillen ausgetrieben hatte? O, das wäre törichter Stolz! Wenn Asaph ein Narr war, wieviel närrischer müßten wir uns selber achten, wenn wir nur sehen könnten, wie's mit uns steht! Schaue rückwärts, Christ; denke daran, wie du an Gott zweifeltest, während Er so treu an dir war; denke an deinen törichten Schrei: „Nicht also, mein Vater,“ als Er dich betrübte, um dich um so reichlicher segnen zu können; gedenke der vielen Zeiten, wo du seine Schickungen mit trüben Blicken betrachtetest, wo du seine wunderbaren Führungen verkanntest, und in den Schmerzensruf ausbrachst: „Alles ist gegen mich,“ da doch alles zu deinem Besten dienen mußte! Bedenke, wie oft du die Sünde erwählt hast um ihrer vergänglichen Lust willen, da doch diese Lust dir zu einer bittern Wurzel geworden ist! Wahrlich, wenn wir unser Herz kennten, so müßten wir uns einer sündlichen Narrheit und Torheit schuldig bekennen; und wir müßten im Bewußtsein dieser Narrheit zu dem seligen Schluß kommen, wie Asaph, daß Gott allein weise ist, und ausrufen: „Du leitest mich nach Deinem Rat.“ (Charles Haddon Spurgeon)

73:23 Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,
Dennoch. - Wie wenn es trotz aller Torheit und Unwissenheit, die Asaph gerade zuvor seinem Gott bekannt hatte, nicht um ein Stäublein weniger wahr und gewiß wäre, daß er errettet und selig und angenehm gemacht sei in dem Geliebten, und daß das selige Vorrecht, in der beständigen Gnadengegenwart Gottes verweilen zu dürfen, ihm unzweifelhaft zu eigen geschenkt sei. Obgleich seines verderbten Zustandes, wie der Tücke und Bosheit seiner alten Natur sich vollkommen bewußt, singt er gleichwohl in siegesfreudigem Ausbrechen seiner Glaubenszuversicht: „Dennoch bleibe ich stets an Dir.“ Liebe Seele, mußt du in Asaphs Bekenntnis und Geständnis mit einstimmen, so trachte danach, daß du auch mit ihm ausrufen kannst: „Dennoch, dieweil ich Christo angehöre, bleibe ich stets an Gott!“ Damit ist gemeint: ich bleibe Ihm stets im Sinne; Er denkt allezeit an mich, um mein Bestes zu fördern. Stets vor seinen Augen; des Herrn Auge schläft noch schlummert nicht, sondern wacht immerdar über mir, daß es mir wohl ergehe. Stets in seiner Hand, so daß mich niemand Ihm aus seiner Hand zu reißen vermag. Stets an seinem Herzen; Er trägt mich auf seiner Brust zum Gedächtnis, gleichwie der Hohepriester die Namen der zwölf Geschlechter Israels auf seinem Brustschildlein trug, ihrer jederzeit eingedenk zu sein. Du gedenkest meiner stets, o Gott. Dein lieberfülltes Herz schlägt mir beständig entgegen. Du wirkest allezeit nach Deiner weisen Vorsehung, was mir zum Besten dienen muß. Du hast mich wie ein Siegel auf Dein Herz gesetzt und wie ein Siegel auf Deinen Arm; Deine Liebe ist stark wie der Tod, daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen. Erstaunliche Gnade! Du siehest mich in Christo, und obgleich ich in meinen eignen Augen häßlich bin, so hast Du doch Wohlgefallen an mir, weil ich gekleidet bin in Christi Gerechtigkeit und abgewaschen in seinem Blut und angenehm gemacht vor Dir in dem Geliebten. So stehe ich stets in Deiner Gunst, „ich bleibe stets an Dir.“ Hier ist Trost und Erquickung für die geängstete Seele; wenn dich der Sturm inwendig erschüttert, so schaue auf die Ruhe, die dich umgibt. „Dennoch,“ o, sprich's in deinem Herzen aus und eigne dir den Frieden an, den dies Wort dir in allen Lagen des Lebens, in Traurigkeit und Zweifeln gewährt: „Dennoch bleibe ich stets an Dir.“ (Charles Haddon Spurgeon)

73:24 du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich in Ehren an.
Der Psalmist fühlte, wie sehr er der göttlichen Leitung bedürftig sei. Er hatte unlängst die Torheit seines Herzens erkannt, und damit er durch dieselbe nicht beständig aufs neue möchte irre geleitet werden, faßte er den Entschluß, daß ihn von nun an Gottes Rat sollte leiten und regieren. Die Erkenntnis unsres Mangels an Einsicht ist ein großer Schritt vorwärts zum Weisewerden, wenn sie uns dazu veranlaßt, daß wir uns ganz auf die Weisheit des Herrn verlassen. Denn wir wissen bestimmt, daß auch wo wir's nicht einzusehen imstande sind, es dennoch allezeit das Beste und Sicherste für uns ist, auf den allsehenden Gott zu vertrauen. „Du leitest mich.“ Das ist ein köstlicher Ausdruck des unbedingtesten Vertrauens. David war dessen gewiß, daß der Herr sein herablassend liebevolles Werk nicht aufgeben würde. Das ist ein Wort für dich, du gläubige Seele; verlasse du dich darauf. Sei versichert, daß dein Gott will dein Ratgeber und Freund sein; Er will dich leiten; Er will alle deine Wege bereiten. In seinem geschriebenen Wort ist dir diese Zusicherung zum Teil schon in Erfüllung gegangen, denn die Heilige Schrift ist sein Rat für dich. Selig sind wir, wenn wir Gottes Wort stets lassen unsre Richtschnur und Leitung sein! Was wäre der Seemann ohne seinen Kompaß? Und was wäre der Christ ohne seine Bibel? Sie ist die untrügliche Karte, die Seekarte, auf welcher jede Untiefe verzeichnet steht, wo alle Fahrstraßen von den Sandbänken des Verderbens bis zum himmlischen Hafen des Heils angegeben und eingetragen sind von einem, der vertraut ist mit dem ganzen Seeweg. Hochgelobt seist Du, o Gott, daß wir Dir vertrauen dürfen, und daß Du uns jetzt leitest und leiten willst bis ans Ende! Nach dieser Führung durch das Leben betrachtet der Psalmist mit voraussehendem Blick die endliche göttliche Annahme: „und nimmst mich endlich mit Ehren an.“ Welch ein Gedanke, liebe gläubige Seele! Gott selber will dich mit Ehren annehmen - ja, dich! Du irrst ab, und streifst auf Abwegen hin und her und strauchelst, und dennoch will Er dich endlich wohlbehalten einbringen zur Herrlichkeit! Siehe, das ist dein Erbteil; erquicke dich heute daran, und sollten dich auch Schwierigkeiten rings umgeben, so gehe in der Kraft dieses Wortes geradeswegs hin zum Thron der Herrlichkeit. (Charles Haddon Spurgeon)


Von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr glaubt mein Glaube an die Weisheit und Liebe Gottes, und ich weiß, daß ich nicht vergeblich glauben werde. Er hat nie an etwas Gutem gefehlt, das Er geredet hat, und ich bin gewiß, daß keins von seinen Worten je auf die Erde fallen wird.
Ich übergebe mich seiner Hand zur Leitung. Ich weiß nicht, welchen Weg ich wählen soll: der Herr soll mein Erbe für mich wählen. Ich brauche Rat und Beistand; denn meine Pflichten sind verwickelt, und meine Lage ist verworren. Ich suche den Herrn, wie der Hohepriester sein „Licht und Recht“ befragte. Den Rat des unfehlbaren Gottes suche ich lieber als mein eignes Urteil oder der Rat von Freunden. Glorreicher Jahwe, Du sollst mich leiten!
Bald wird das Ende kommen; ein paar Jahre mehr, und ich muß aus dieser Welt gehen zum Vater. Mein Herr wird meinem Bett nahe sein. Er wird mich an des Himmels Pforte empfangen: Er wird mich willkommen heißen im Land der Herrlichkeit. Ich werde kein Fremder im Himmel sein: mein eigner Gott und Vater wird mich in seine endlose Seligkeit aufnehmen.
Ehre sei Ihm, der mich hier leiten will und mich dereinst annehmen. Amen. (Charles Haddon Spurgeon)

73:25 Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.
Es schien der Christenheit oft vorteilhaft, wenn sie auch unter den Himmlischen Freunde habe. Kann uns ihre Fürbitte nicht beistehen und ist es nicht ein Trost, der uns den Gedanken an den Tod erleichtern kann, wenn uns drüben himmlische Helfer erwarten? Im Herzen des Psalmisten hatten solche Gedanken keinen Raum mehr. Er erwartete von denen, die im Himmel sind, keine Hilfe und keinen Trost. Noch näher liegt es, auf der Erde Helfer und Tröster zu suchen. Es gibt ja dort Macht-haber, deren Gunst uns wertvoll sein kann und Freundschaften, die uns wirksam unterstützen. Aber auch von denen, die ihm auf der Erde nahe sind, wendet sich der Psalmist ab. Er stützt sich nicht auf ihre Hilfe und sucht seinen Trost nicht bei ihnen. Warum sucht er weder im Himmel noch auf Erden einen Helfer? „Weil ich dich habe.“ Er erkennt, dass er Gott deshalb habe, damit er in ihm alles ha-be, nicht einen unter vielen Helfern, sondern den Helfer, nicht einen Herrscher neben anderen, son-dern den Herrn, nicht einen unter vielen Tröstern, sondern den, der ihm die ganze Freude gibt. Er hat es kraftvoll empfunden, dass es bei Gott immer um das Ganze geht, um die ganze Welt, so weit sie ist, mit allem, was sie enthält, nicht weniger aber auch um das ganze Herz, was immer in mein Sehfeld hineintreten mag, und um das ganze Leben, was immer mein Schicksal werden mag. Für unser Verhältnis zu Gott ist es ein wesentliches Merkmal, dass es jedes gleichwertige Verhältnis ausschließt und uns ganz an ihn bindet. Wenn ich Gott habe, so hat Er mich ganz. Wenn ich Ihm glaube, gibt es nicht noch Raum für einen anderen Glauben. Ich kann mich nicht auf Ihn und neben Ihm noch auf etwas anderes stützen. Wenn ich ihm nicht ganz glaube, so glaube ich ihm nicht. Es steht ebenso mit meiner Liebe und mit meinem Gehorsam. Eine Liebe, die ihm nicht alles gibt, ist keine Liebe Gottes, und wenn mein Gottesdienst nicht aus meinem ganzen Handeln besteht, so ist es kein Gottesdienst. Darum wendet sich der Psalmist von allen himmlischen und irdischen Helfern und Genossen weg. Wie sollte er sie neben Gott setzen? Wendet er sich zu ihnen, so verlässt er Gott. Er hat ihn aber; denn er hat ihn an seiner rechten Hand erfasst und er spürt diesen Griff Gottes, der ihn zu Gottes Eigentum macht, damit er in ihm alles habe, was er bedarf und begehren kann.
Lass mich spüren, dass Du meine Hand erfasst hast, damit ich nach nichts begehre als nach Dir. Ich will es meiner Seele sagen, dass sie Dich loben soll, Dich allein, und Dir trauen soll, Dir allein. Amen. (Adolf Schlatter)


Es ist ganz verkehrt, den Heiland nur um des Nutzens, um des Gewinnes willen zu suchen. Da begehrst du eigentlich nur die Seligkeit, aber nicht Ihn; wenn du ohne Ihn in den Himmel eingehen könntest, so wäre dir das vielleicht viel lieber. Du weißt, dass Er der Herr ist und alle Gewalt, Herrschaft und Seligkeit im Himmel und auf Erden vom Vater empfangen hat; dass du also ohne Ihn gar nichts bekommen kannst. Willst du nur seine Gaben, nicht Ihn selbst? An einem Bräutigam würdest du es verurteilen, wenn er das Erbgut der Braut liebte, nicht aber sie selbst- Viele aber begehen diese Lieblosigkeit gegen den allwissenden Gott! Seligwerden wollen so viele Leute, aber Geistesmenschen, Gottes Kinder, Nachfolger Jesu Christi werden, dahin steht nicht der Sinn, nicht das Begehren ihres Herzens. Nur Reichtümer der zukünftigen Welt, nicht Erlösung von allen Sünden suchen so manche, die sich Christen nennen. Ich möchte nun auf den Herrn selbst dein Augenmerk richten. Ist Er Dir so teuer, dass du sprechen kannst: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde!“ Wäre es dir Seligkeit, die denkbar höchste Seligkeit, Ihn so zu umgeben, wie eine Frau ihren Mann umgibt? - Wenn der Herr so deine Freude wird, wenn Seine Persönlichkeit dich ganz und gar anzieht und umgibt, dann, so glaube ich, ist der erste Schritt zu deiner Versiegelung getan, und Jesus bringt dir voll und ganz Seine Liebe entgegen. (Markus Hauser)

73:26 Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.
Die Vergänglichkeit unseres Leibes sieht jedes Auge. Wenn wir sie uns zeitweilig verbergen, so ist das immer nur kindische Eitelkeit. Der Psalmist denkt aber nicht nur an das Verwelken des Leibes. Das Altern und Kranksein wäre weit weniger schwer, wenn nur die leiblichen Organe ihre Kraft einstellten, dagegen das inwendige Leben in ungeschwächter Kraft fortbestände. Das Welken trifft aber auch unsere Seele und bei der festen Verbundenheit, die aus unserem leiblichen und seelischen Leben eine Einheit macht, muss es so sein. Wenn aber alles ermattet und versagt, was bleibt uns noch? Der Psalmist, der weder im Himmel noch auf Erden einen Helfer gesucht hat, klammert sich auch nicht an seinen Leib und an seine Seele, als umschlösse sie das, was ihm das Leben gibt. „Weil ich dich habe“, das gilt auch dann, wenn Leib und Seele vergehen. Der Eine, sagt der Psalmist, bleibt mir auch dann: Gott. Er ist auch dann meines Herzens Fels, wenn Leib und Seele kraftlos sind, und er ist auch dann meines Herzens Fels, wenn Leib und Seele kraftlos sind, und er ist auch dann mein Teil, Besitz und Reichtum, wenn mein eigenstes Eigentum, Leib und Seele, mir verloren gehen. „Weil ich dich habe“, das ist das Ende der Todesfurcht. Mit seinem Gott geht er dem Sterben entgegen als ein Lebender. So zeigt uns der Psalmist, wie wir das ewige Leben ergreifen, wie es in uns wurzelt und der Grund zur lebendigen Hoffnung in uns entsteht. Keine Naturbetrachtung, kein Studium des seelischen Lebens, kein Hochgefühl, mit dem uns eine wertvolle und gelingende Le-bensarbeit beglücken kann, kein Schluss, der aus dem, was wir von Gottes Gnade wissen, einen Anspruch an ihn ableitet, macht uns zu solchen, die des ewigen Lebens gewiss und froh sind. Dahin gibt es nur einen Weg: „weil ich dich habe“. Gott ist der Gott der Lebenden. Wenn er mich wie den Psalmisten an meiner Hand erfasst, so bedeutet das, er führt mich ins Leben.
Was Du uns gibst, Vater, hat Deine Treue in sich; darum kann unser Leib unbrauchbar werden und die Seele verwelken, so dass uns das Ende unsres Lebens wieder zu schwachen Kindlein macht. Denn Du bleibst bei uns, und was Du uns gabst, verwelkt nicht. Darum preisen wir Dich als den lebendigen Gott, der Du Dich dadurch an uns offenbarst, dass Du uns das Leben schenkst. Amen. (Adolf Schlatter)


Das höchste Gut zu haben und zu besitzen ist der Menschen Verlangen zu allen Zeiten gewesen, aber darin haben die meisten gefehlt, daß sie nicht gewußt, welches das allerhöchste und allerbeste Gut sey. Das allerhöchste Gut muß beständig und vollkommen seyn und muß uns im Leiden und Tod, in Glück und Unglück aufrichten und trösten können. Nach dieser Beschreibung ist das allerhöchste Gut: 1) nicht Reichthum, welchen Viele für ihr höchstes Gut gehalten haben und noch halten, denn er verläßt uns im Tode. 2) Ehre und Glück ist auch das höchste Gut nicht, denn wie oft fällt der Gerechte in Verachtung und Schande, das Glück verwandelt sich in Jammer und Elend. 3) Weisheit und Geschicklichkeit haben zwar den Vorzug vor allen irdischen Gütern, daß man sie nicht rauben kann, aber sie verschwinden doch im Tode. Derohalben suchet ein gläubiger Christ sich ein wahres beständiges Gut, welches aber 4) allein Gott ist; hat er Gott, so hat er alles, die größte Ehre, den größten Reichthum, die größte Weisheit, und zwar in Zeit und Ewigkeit. Gott erfreuet den Menschen in glücklichen Tagen, erhält ihn in Kreuz und Trübsal, erquickt ihn im Tode, bleibt mit ihm vereinigt in Ewigkeit. Zu diesem Gut können wir gelangen, 5) durchs Gebet, Anhörung des göttlichen Worts, Betrachtung desselben, und durch Beistand des heiligen Geistes, nur 6) daß man Gott nicht wieder von sich stoße, und die Welt-Liebe, Eitelkeit und sündliche Lust sein höchstes Gut seyn lasse. (Johann Friedrich Stark)


Wohl dem, der unter den täglichen Plagen, die er leiden muß, ja auch auf den Fall, wenn ihm in einer schweren Krankheit oder auch unter einem andern harten Druck Leib und Seele verschmachten sollte, so sagen kann. Gott selbst will unsers Herzens Trost und unser Theil sein, im Gegensatz gegen die Ehre und Gewalt, gegen die Gesundheit und den Reichthum, welche Andere haben. Gott ist ewig: die irdischen Güter sind vergänglich. Gott ist allein wesentlich gut, und kann das Herz mit Sich selbst sättigen und erfreuen: die irdischen Güter sind unkräftig, und wer sich durch ihren Genuß sättigen will, ist einem Hungrigen gleich, dem es träumet, daß er ese, wenn er aber aufwacht, so ist seine Seele noch leer, oder einem Durstigen, dem es träumt, daß er trinke, wenn er aber aufwacht, so ist er matt und dürre. Zu Gott hat der Traurige wie der Fröhliche, der Arme wie der Reiche, der Verachtete wie der Gehrte einen Zugang durch Christum. Wer auch einsam ist, oder zwischen vier Mauern gefangen sitzt, kann zu seinem Trost empfinden, daß ihm Gott nahe sei. Der Genuß Seiner Liebe ist keinen ungewissen Zufällen unterworfen, und es steht in keines Tyrannen Macht, denselben zu rauben; wer aber ein zeitliches Glück sucht und erwartet, kann inne werden, daß dasselbe ein Irrwisch sei, der vor demjenigen fliehet, der ihm nachläuft, oder ein Quecksilber, das demjenigen wieder aus der Hand entrinnt, der’s erdacht hatte. Wenn Gott meines Herzens Trost sein soll, so muß ich Ihn als ein gütiges Wesen und als einen Vater kennen, und Sein wahres Wort, worin Er Sich so geoffenbart hat, glauben. Wenn ich Ihn aber für meinen Theil halten soll, so muß ich insonderheit die große Wahrheit, daß Er mein Gott sei, glauben. Gleichwie ich den Theil einer Erbschaft, der mir zugefallen ist, den meinigen heiße, also soll ich von Gott glaubig sagen: Er ist mein Gott, oder von Christo: mein Freund ist mein, und ich bin Sein. Dieses Mein wird mich in der Zeit und in der Ewigkeit reich genug machen. Freilich kann aber ein Sünder ohne die Erkenntniß Jesu als eines Mittlers und Erlöses nicht dazu gelangen, daß Gott seines Herzens Trost und sein Theil sei. War diese Erkenntniß zur Zeit des Alten Testaments, da man nur die Kerze des prophetischen Wortes hatte, dunkel, so soll sie bei uns, die wir das klare und völlige Evangelium haben, heller sein. In dieser Erkenntniß sollen wir uns täglich erneuern und gleichsam aufrichten, weil sonst unsere Seelen durch den Anblick und die Empfindung des vielen Bösen, das in der Welt ist, finster, matt, und zur Schmach unsers Gottes voll von Mißvergnügen werden. Assaph bekennt Ps. 73., er habe sich an dem Glück der Gottlosen geärgert, und klagt V. 14, er sei täglich geplagt, und seine Strafe oder Züchtigung sei alle Morgen da. Ungeachtet nun sich seine äußerlichen Umstände nicht änderten, so beruhigte er sich doch damit, daß Gott alle Zeit, folglich auch unter dem Leiden, seines Herzens Trost und sein Theil sei. Nun HErr, weß soll ich mich außer Dir trösten? Ich hoffe auf Dich. Sei Du meines Herzens Trost und mein Theil ewiglich, und laß mich in Dir ruhen, wenn mir der Genuß alles desjenigen, das in der Welt tröstlich und lieblich zu sein scheint, entzogen ist. (Magnus Friedrich Roos)

73:27 Denn siehe, die von dir weichen, werden umkommen; du bringest um, alle die von dir abfallen.

73:28 Aber das ist meine Freude, daß ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setzte auf den Herrn HERRN, daß ich verkündige all dein Tun.1)
Dies ist ein herrlicher Lehrpsalm wider das allgemeine und große Aergerniß, wenn die Gottlosen reich sind, und es ihnen wohl gehet, so daß sie dabei der armen, betrübten und frommen Leute spotten, gleich als kenne oder achte Gott dieselbigen nicht, sie aber und ihr Werk wären heilig; was sie lehren und sagen, sey köstlich Ding und lauter himmlische, göttliche Weisheit und Heiligkeit. Das thut dann wehe, wenn eine fromme Seele sieht, daß sie ein Narr seyn, das ist ein Verächter Gottes heißen muß. Allein da heißt's: Halte fest, - gehe in's Heiligthum, - höre Gott in Seinem Wort, was der von ihnen sagt, - siehe an die alten Exempel, sonderlich in den biblischen Historien, - so wirst du finden, daß sie plötzlich zu Nichte worden sind; denn es ist kein Fels noch Grund da, sondern eitel schlüpfriger Boden.
Der Hauptspruch, worauf der ganze Psalm ruhet, stehet gleich vornenan und heißt so: „Israel, - das ist das Häuflein der Frommen - hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist.“
Darauf wird weitläufig die staunenswerthe, jedoch zeitliche Glückseligkeit der Gottlosen in der Welt angeführt, woran sich oft manche fromme und geplagte Seele stößt und ärgert, - zumal wenn sie bedenkt, daß, obwohl sie sich der ungeheuchelten Gottseligkeit befleißige, sie dennoch so oft verfolgt und gedrückt werde. Da wird dann gezeigt, daß diesem schweren Aergerniß nicht besser abgeholfen werden könne, als wenn man in das Heiligthum Gottes und in die Schrift gehet und dabei der Gottlosen schreckliches Ende beherzigt. Daher soll eine fromme Seele, die sich zuvor geärgert hat, erkennen, daß sie unrecht thue, wenn sie sich an der Glückseligkeit der Bösen in der Welt ärgert; vielmehr soll sie sich fest entschließen, an Gott hängen zu bleiben und von demselben nicht zu lassen, es möge in der Welt gehen, wie es wolle.
Nun - Gott gebe uns allen einen solchen Sinn, daß wir uns entweder an dem zeitlichen Glück der Gottlosen und an dem vielfältigen Unglück der Gottseligen niemals ärgern, oder, wenn wir uns je daran geärgert haben, daß wir bald wieder in uns schlagen und gegen dergleichen Aergerniß mit Gottes Wort und mit der Betrachtung Seiner weisen Negierung uns wappnen - und dabei den Vorsatz fassen, nimmermehr von Gott zu weichen, sondern Seiner Güte und Seines Trostes in Geduld allezeit zu warten, - durch Jesum Christum. Amen. (Veit Dieterich)

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