1. Könige, Kapitel 19

19:1 Und Ahab sagte Isebel alles an, was Elia getan hatte und wie er hatte alle Propheten Baals mit dem Schwert erwürgt.

19:2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter tun mir dies und das, wo ich nicht morgen um diese Zeit deiner Seele tue wie dieser Seelen einer.

19:3 Da er das sah, machte er sich auf und ging hin um seines Lebens willen und kam gen Beer-Seba in Juda und ließ seinen Diener daselbst.

19:4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise und kam hinein und setzte sich unter einen Wacholder und bat, daß seine Seele stürbe, und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser denn meine Väter.
Es ist merkwürdig, dass der Mann, der nie sterben sollte, welchem Gott ein unendlich besseres Los verordnet hatte, der Mann, der in einem feurigen Wagen mit feurigen Rossen sollte gen Himmel fahren und verwandelt wer- den, so dass er den Tod nicht sah, - es ist merkwürdig, dass dieser Knecht Gottes beten musste: „Nimm, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser, denn meine Väter.“
Wir haben hier einen auffallenden Beweis, dass Gott die Gebete nicht immer in der gewünschten Weise, aber immer nach der heilsamen Wirkung erfüllt. Er gab dem Elias etwas Besseres, als was er erflehte, und erhörte ihn also wirklich. Es ist sonderbar, dass der löwenartige Elias von der Drohung Isebels so niedergeschlagen war, dass er zu sterben wünschte; und köstlich war die Güte unsers himmlischen Vaters, dass Er seinen verzweifelnden Knecht nicht beim Wort nahm. Die Lehre vom Gebet des Glaubens hat ihre Grenzen. Wir dürfen nicht erwarten, dass Gott uns alles gibt, um was wir bitten; wir wissen, dass wir manchmal bitten und nicht empfangen, weil wir übel bitten. Wenn wir um etwas bitten, was keine Verheißung hat; wenn wir dem Geist, nach dem uns der Herr trachten heißt, entgegen stehen; wenn wir etwas gegen seinen Willen oder gegen den Ratschluss seiner Vorsehung suchen; wenn wir nur um unsertwillen bitten und nicht im Hinblick auf seine Verherrlichung, so dürfen wir auf keine Erhörung zählen. Wenn wir aber im Glauben bitten und nicht zweifeln, und wir nicht gerade das empfangen, was wir meinten, so empfangen wir etwas andres und Besseres dafür. Wie einer sich ausdrückt: „Bezahlt der Herr nicht in Silber, so bezahlt Er in Gold, und bezahlt Er nicht in Gold, so bezahlt Er in Diamanten.“ Wenn Er auch nicht das gewährt, warum ihr bittet, so gibt Er euch das, was ihm an Wert gleichkommt, und worüber ihr euch mehr freut, als über das Begehrte. Darum, liebe gläubige Seele, pflege das Gebet, und mache diesen Abend zu einer Stunde ernstlicher Fürbitte; aber habe acht, was du bittest. (Charles Haddon Spurgeon)


Wir bewundern oft die Treue Gottes in Elias Leben, die sich in der Erhörung seiner Gebete zeigt. Auf sein Gebet wird der Himmel geschlossen, dass es nicht regnet, und wieder geöffnet, dass die Dürre aufhört (Jak. 5,17+18). Auf sein Gebet bekommt ein Vater seinen Sohn wieder (1. Kön. 17,22) und fällt Feuer auf das Opfer herab (Kap. 18,38). Aber nicht nur im Erhören, sondern auch im Abschlagen seiner Bitte zeigt sich die große Treue Gottes bei Elia. Nicht immer geht es nach dem Wort: „Und der Herr erhörte die Stimme Elias“ (1. Kön. 17,22). Auch die großen Männer im Reiche Gottes erlebten es, dass ihre Bitten abgelehnt wurden. Ein Mose durfte trotz seines Gebets nicht in das gute Land hineinkommen. (5. Mos. 3,23-26). Einem Paulus blieb trotz dreimaligen Flehens der Pfahl im Fleisch (2. Kor. 12,7-9). So durfte auch Elia nicht so früh abscheiden, wie er es in trüber Zeit gern getan hätte.
Lasst uns aber bei dieser Aliasbitte nicht nur auf den äußeren Wunsch, sondern auch auf das innerste Sehnen des Beters achten. Sein Gebet enthielt allerdings den Wunsch, hier in der Wüste sterben zu dürfen. Sein innerstes Verlangen aber, das sich in diesem Seufzer äußerte, war doch auf das Aufhören der trüben Erfahrungen und auf das Schauen göttlicher Herrlichkeit gerichtet. Dieses tiefste Sehnen, das seiner Bitte zugrunde lag, stille Gott durch die wunderbare Kraft, die er ihm bei dem Horeb zeigte. So ist sein Seufzen im Grunde dennoch erhört.
„Wenn unser Herze seufzt und schreit.
Wirst du gar leicht erweicht
und gibst uns, was uns hoch erfreut
und dir zur Ehr' gereicht.“
(Alfred Christlieb)


So betete der Prophet Elia in der Wüste, in welche er wegen der Drohung der Königin Isabel geflohen war. Er hatte vorher, weil die zehn Stämme Israels auf den Baalsdienst verfallen waren, um den HErrn, den Gott Israel, geeifert und in seinem Eifer um eine viereinhalbjährige Dürre gebeten, damit das Volk dadurch gedemühtigt und zum heilsamen Nachdenken gebracht werden möchte. Hernach that er ein Wunder auf dem Berg Carmel, wobei das versammelte Volk schrie: Jehovah ist Gott, Jehovah ist Gott, und hieß die Propheten Baals nach dem Gesetzt Mosis (5 Mos. 8,20.) tödten. Hierauf bat er um einen Regen, welcher auch kam, und lief sodann in die königliche Residenz Jesreel, um da das Weitere zur Zerstörung der Abgötterei und Anrichtung des wahren Gottesdienstes vorzunehmen. Indem er aber mit diesen Gedanken umging, ließ ihm die Königin Isabel mit einer Betheurung sagen: sie wolle ihn tödten lassen, und der König Ahab, der vorher gerührt schien, ja der ganze Hof und das ganze Volk entzogen ihm ihren Schutz. Nun floh Elia, und ging in die arabische Wüste eine Tagreise hinein, setzte sich unter einen Wachholder, und bat, daß seine Seele stürbe. Er stellte sich nämlich vor, sein Eifer um den HErrn Zebaoth sei vergeblich gewesen, und seine angefangene Reformation, die ihm so sehr am Herzen lag, sei in’s Stocken gerathen. Daß sein Gemüth von dieser traurigen Vorstellung eingenommen gewesen sei, beweist seine Rede V. 10., worin er sagte: ich habe geeifert um den HErrn, den Gott Zebaoth; denn die Kinder Israel haben Deinen Bund verlassen, und Deine Altäre zerbrochen, und Deine Propheten mit dem Schwert erwürget, und ich bin allein überblieben, und sie stehen darnach, daß sie mir da Leben nehmen. Er redete also, wie hernach der Messias einmal in der Absicht auf Sein prophetisches Amt gedacht hat: Ich arbeite vergeblich, und bringe Meine Kraft umsonst und unnützlich zu; wiewohl Meine Sache des HErrn und Mein Amt Meines Gottes ist, Jes. 49,4. Hätte Elia eine Frucht seiner Arbeit vor sich gesehen, so hätte er gern noch länger gelebt, und sich die Arbeit, Armuth und Schmach nicht verdrießen lassen: nun aber sagte er: es ist genug, so nimm nun meine Seele. Er bat also um seinen Tod, weil er dachte, er sei auf Erden nichts nütze: allein Gott nahm seine Seele damals nicht weg, und hieß ihn durch einen Engel essen, trinken, und bis an den Berg Sinai gehen, wo Er ihm neue Anweisungen gab, nach welchen er voraus sahe, daß Hasael, Jehu und Elisa nach verschiedenen Weisen die angefangene Reformation unter Israel befördern werden. Auch bekam er V. 18. eine Anzeige von einer schon gegenwärtigen Frucht seines Eifers. Auch jetzt kann ein Knecht Gottes leichtlich in die Vorstellung hinein gerathen, er arbeite vergeblich, und dabei wünschen, aufgelöset zu werden. Allein Gott verbirgt zuweilen vor Seinen Knechten die Frucht ihrer Arbeit, und überhaupt sind Seine Gedanken nicht unsere Gedanken. Wenn ich auch heute bäte: nimm HErr meine Seele, so nähme Er sie vielleicht noch nicht. Er wird sie aber zu der von Ihm selbst erwählten Stunde nehmen; indessen gefällt Ihm doch mein kindisches Verlangen, bald bei Ihm zu sein. (Magnus Friedrich Roos)

19:5 Und er legte sich und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß!

19:6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und eine Kanne mit Wasser. Und da er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.

19:7 Und der Engel des HERRN kam zum andernmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! denn du hast einen großen Weg vor dir.

19:8 Er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft derselben Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes Horeb
Alle Kraft, die uns unser gnädiger Gott verleiht, schenkt Er uns zu seinem Dienst, nicht zu Mutwillen oder um Rühmens willen. Als der Przoup hseeitn demas geröstete Brot und die Kanne mit Wasser zu seinen Häupten liegen sah, da er unter dem Wachholder saß, da wurde es ihm nicht bequem gemacht, und er fand keine behagliche Ruhe, um sich zu erholen; vielmehr empfing er den Befehl, durch Kraft derselben Speise vierzig Tage und vierzig Nächte zu gehen bis an den Berg Gottes Horeb. Als der Meister seine Jünger zum Essen einlud mit den Worten: „Kommet und haltet das Mahl,“ sprach Er nach gehaltener Mahlzeit zu Petro: „Weide meine Schafe,“ und fügte dann hinzu: „Folge mir nach.“ So verhält sich‘s auch mit uns; wir essen das Brot des Himmels, damit wir unsre Kraft in des Herrn Dienst verzehren sollen. Wir kommen zum Abendmahl und essen das Osterlamm, die Lenden gegürtet und den Stab in der Hand, so dass wir alsobald aufstehen können, wenn wir unsern Hunger gestillt haben. Manche Christen leben gern von Christo, aber sie sind nicht so sehr darauf bedacht, für Christum zu leben. Die Erde sollte eine Vorbereitung für den Himmel sein; und der Himmel ist gerade der Ort, wo die Heiligen am köstlichsten gespeist werden und am meisten zu tun bekommen. Sie setzen sich nieder zum Tische unsers Herrn und dienen Ihm Tag und Nacht in seinem Tempel. Sie genießen himmlische Speise und dienen dem Herrn in Vollkommenheit. Lieber gläubiger Christ, arbeite in der Kraft, die du Tag für Tag von Christo empfängst, für Ihn, deinen Herrn. Manche unter uns müssen noch vieles lernen in Beziehung auf die Absicht unsers Herrn, um deretwillen Er uns seine Gnade schenkt. Wir sollen die köstlichen Körner der Wahrheit nicht zurückhalten, wie die ägyptische Mumie den Weizen Jahrtausende zurückhielt, ohne ihm Gelegenheit zum Wachstum zu geben: wir müssen die Wahrheit ausstreuen und bewässern. Wozu sendet der Herr den Regen herab auf die lechzende Erde, wozu gibt Er den belebenden Sonnenschein? Tut Er‘s nicht darum, damit dies alles die Früchte der Erde im Wachstum fördere und sie dem Menschen zur Nahrung wohl gedeihen lasse? So nährt und stärkt der Herr auch unsre Seelen, damit wir nachher unsre erneuerten Kräfte zur Förderung seiner Verherrlichung verwenden. (Charles Haddon Spurgeon)


Als Elia die vom Engel gewiesene Speise genommen hatte, konnte er 40 Tage und 40 Nächte die Wüste durchwandern bis zum Horeb. Diese Tatsache zeigt uns so recht, welche Kraft eine göttliche Speise verleihen kann. Lasst uns nach 3 Seiten die Wirkung derselben beachten:

  1. Sie gab dem Propheten Kraft, einen öden, menschlich gesprochen, langweiligen Weg zu machen. Denn wenn auch viele Pfade an Israels Wüstenzug dort erinnerten, so war es doch bis auf wenige Ausnahmen immer ein sandiger und eintöniger Weg.
  2. Sie gab ihm auch Kraft, in der Dunkelheit zu wandern; denn er wanderte nicht nur 40 Tage, sondern auch 40 Nächte. Mit der Nacht verbanden sich auch allerlei Gefahren, z.B. die der Raubtiere (Ps. 104,20).
  3. Endlich gab sie ihm Kraft, einen sehr langen, weiten Weg zurückzulegen; denn die Entfernung von Beer-Seba bis zum Horeb beträgt 40 bis 45 deutsche Meilen, deren Zahl gewiss durch mancherlei Umwege wie einst bei Israels Zug vermehrt wurde.

Auch in unserem Lebenswege kann es Abschnitte geben, die uns gar öde und eintönig, oder finster und gefährlich oder weit und beschwerlich vorkommen. In eigener Kraft können wir solche Wege nicht machen. Aber in Kraft einer Gottesspeise, die wir vor allen Dingen im Worte empfangen, die uns der Herr aber auch auf andere Weise, etwa im Kämmerlein oder in der Gemeinschaft geben kann, vermögen wir die von Gott uns befohlenen Wege zurückzulegen, auch wenn sie noch so schwierig erscheinen. Die Gottesoffenbarung am Horeb. (Alfred Christlieb)

19:9 und kam daselbst in eine Höhle und blieb daselbst über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm und sprach zu ihm: Was machst du hier, Elia?
Elia war ein Knecht Gottes, der ein ganzes Volk in Gottes Wegen unterwies. In der Höhle des Horeb sehen wir, wie dieser Lehrer eines Volkes im Verborgenen selbst vom Herrn unterwiesen wurde. Ein Arbeiter im göttlichen Weinberge bedarf immer wieder, besonders nach Zeiten wichtigen göttlichen Hervortretens, solcher Stunden, wo er in der Stille selbst göttlichen Unterricht empfängt. Elia hatte noch nicht ausgelernt. Er blieb ein Schüler. Er hatte Zeichen und Wunder getan, Gerichts- und Gnadenzeit in Gottes Auftrag verkündigt. Mancher Israelit jener Zeit hätte wohl denken können: Dieser Mann ist in Gottes Wegen so bewandert, dass er keiner neuen Belehrung bedarf. Solche Gedanken sind Torheit.
Auch der heiligste Gottesknecht, der im Wetter heimgeholt wird, hört in seinem Pilgerstand nicht auf zu lernen. Auch er muss noch eigene Gedanken fahren lassen und neue göttliche Gedanken in sich aufnehmen.
Kein wahrer Christ wird sich einbilden, dass er Elia gleichkomme. So wird auch kein wahrer Christ, wenn er der Schrift folgt, glauben, dass er ausgelernt habe auf seinem Erdenwege. Ein Petrus nimmt noch im Alter Belehrung von Paulus an (Gal. 2,14). Ein bewährter Paulus lässt sich noch von Jüngern in Ephesus raten (Apg. 19,30). Ein Johannes muss sich noch im letzten Kapitel der Bibel von einem Irrtum abbringen lassen (Off. 22,9).Auch wenn jemand die herrlichsten Erfolge in der Arbeit gehabt haben sollte, dürfte er sich nie in der göttlichen Schule für fertig ansehen. Der Anblick Elias in der Höhle am Horeb soll uns zurufen: Wir bleiben Schüler, solange wir wallen (Phil. 3,12-14). (Alfred Christlieb)

19:10 Er sprach: Ich habe geeifert um den HERRN, den Gott Zebaoth; denn die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert erwürgt, und ich bin allein übriggeblieben, und sie stehen darnach, daß sie mir mein Leben nehmen.
In unserer Zeit gibt es viele Menschen, denen es schwer wird, sich in die Ereignisse hineinzufinden, die sie betroffen haben. Sie vermögen Gottes Führungen nicht zu verstehen. Unser Text enthält gerade für solche Menschen einen Wink. Auch Elia wurde es schwer, sich in den Erlebnissen, die hinter im lagen, zurechtzufinden.
Gott weiß das rechte Heilmittel für diesen Zustand seines treuen Knechtes. Durch die Frage, was er hier mache, bewegt er ihn, sein Herz ganz vor ihm auszuschütten. Dieses Erzählen seines Kummers vor Gott war gerade das, was Elia Not tat.
Dies ist auch für alle Menschen, die in ähnlicher Lage sind, ein treffliches Mittel. Es gilt den Rat des Psalmisten zu befolgen: „Liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus“ (Ps. 62,9). Wenn die traurigen Emmausjünger dem Heiland die Ursache ihrer Niedergeschlagenheit erzählen (Luk. 24,17-19), wenn der angefochtene Johannes der Täufer seine Fragen vor Jesus kundwerden lässt (Mat. 11,3), wenn Moses so manches Mal zu Gott schreit und ihm seinen Druck sagt (2. Mos. 15,25 und 17,4; 4. Mos. 16,4), wenn Hiskia seinen Brief vor Gott ausbreitet (2. Kön. 19,14), so sind diese alle auf dem richtigen Wege. Wie mancher fühlt sich schon erleichtert, wenn er einem treuen Gottesknecht seine Not erzählt. Wie viel mehr wird dies der Fall sein, wenn er dem göttlichen Vaterherz alles offenbart. Lasst uns wie Elia unsere Not vor Gott hinlegen, damit wir, wie jener Gottesknecht, das uns nötige Licht empfangen. (Alfred Christlieb)

19:11 Er sprach: Gehe heraus und tritt auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR ging vorüber und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, vor dem HERRN her; der HERR war aber nicht im Winde. Nach dem Winde aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben.
Fragen wir nun, was die einzelnen nacheinander folgenden Naturerscheinungen, die Elia am Horeb sah, für eine Bedeutung haben. Auf diese Frage geben uns die unmittelbar folgenden göttlichen Aufträge an Elia die richtige Antwort. Die erste Naturerscheinung des Sturmwindes wird uns durch den ersten Befehl, Hasaël zum König von Syrien zu salben, erklärt. Hasaël war der Mann, welcher später Israel mit furchtbaren Kriegen bedrängte. Die Salbung und Thronbesteigung dieses Herrschers bedeutete für das benachbarte Israel das Herannahen eines Sturmwindes, der Berge zerriss und Felsen zerbrach. Denn wie ein heftiger Orkan oft ganze Landstriche verwüstet, so kann ein Krieg die blühendsten Länder in Trümmerhaufen verwandeln. Diese schreckliche Wirkung wird ein Krieg besonders dann haben, wenn er mit der Grausamkeit eines Hasaël geführt wird, der weder Kinder noch junge Mütter schonte, alle auf entsetzliche Weise niedermachte und ganze Städte in Flammen aufgehen ließ (2. Kön. 8,12; 10,32.33; 12,18.19, resp. 17.18). Dieser Sturmwind der verwüstenden Hasaëlkriege war das erste Gericht über das abgefallene Israel, welches dem Propheten vorausgezeigt wurde (11,17a).
Es zeigt uns den Ernst Gottes gegenüber einem Volke, dem er sein Wort anvertraut hat, und mahnt uns, der Zeit zu gedenken, wo ebenfalls der Sturmwind furchtbarer Kriege vor dem Herrn hergehen wird (Mat. 24,6-8). Wohl allen, die bei dem Heranbrausen jenes Berge zerreissenden und Felsen zerbrechenden Windes auf dem einzigen Berge stehen, der festbleibt, auf Zion, und auf dem Felsen seiner Gnade, der nicht hinfällt (Jes. 54,10). (Alfred Christlieb)


Die zweite Naturerscheinung, die Elia sah, war ein Erdbeben. Was dies Erdbeben bedeutet, kann uns der zweite Auftrag von Elia zeigen: „Salbe Jehu, den Sohn Nimsis, zum König über Israel!“ Jehu war der Mann, der im Innersten des Landes eine Revolution herbeiführte. Er vollzog das gewaltige Strafgericht an dem Herrscherhause Ahabs, dessen Geschlecht er vollständig ausrottete. Die Salbung Jehus hatte in der Tat für das Land Israel die Wirkung eines Erdbebens. Denn wie ein Erdbeben feste, sichere Häuser ganz plötzlich ins Wanken bringt und zusammenstürzen lässt, so brachte diese Erhebung Jehus den wichtigsten Platz des Landes, den Königsthron, unerwartet zum Zusammensturz (2. Kön. 9). Furchtbar war dieses Erdbeben, welches das Haus Ahabs für immer vom Erdboden verschwinden ließ.
Der Anblick desselben kann uns zu treuer Fürbitte für unser Herrscherhaus und unsere Obrigkeit antreiben. Gott bewahre uns in Gnaden, wenn es sein kann, vor ähnlichen Schreckenszuständen. Zur Zeit des Königs Usia entstand einst ein Erdbeben, bei welchem die erschrockenen Einwohner aus ihren Häusern heraus in ein Bergtal flüchteten (Amos 1,1; Sach. 14,5). Nicht geringer ist der Schrecken, den solche inneren Umwälzungen in einem Lande hervorrufen können. Das wird man besonders in der letzten Zeit spüren, wo beiderlei Schrecken sich vereinigen wird, wo in der Natur draußen und im Völkerleben drinnen allerlei ins Schwanken gerät, was man für bleibend sicher gehalten hatte. (Alfred Christlieb)

19:12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
Die dritte und letzte Naturerscheinung, die vor dem Herrn herging, war ein Feuer. Dieses Feuer vollendete das Zerstörungswerk, welches Sturmwind und Erdbeben begonnen hatten. Stellen wir uns einmal eine blühende Landschaft vor, die von einem vernichtenden Orkan heimgesucht und unmittelbar darauf von einem Erdbeben noch gründlicher zerstört und endlich von einem ausbrechenden Feuer der letzten Schönheit beraubt wird, dann haben wir das Bild des Gerichtes, welches Israel für seine Abgötterei treffen sollte. Der letzte Teil desselben sollte durch Elisa vollstreckt werden (V. 17), dessen Tätigkeit dem Feuer glich, welches dem Sturmwind und Erdbeben folgte.
Fast will es uns wundern, dass Elisa als Werkzeug des göttlichen Gerichts hingestellt wird, weil er doch ganz anders als Hasaël und Jehu wirkte, und seinem Volke in gar vielen Fällen Heil und Hilfe brachte. Wir müssen aber bedenken, dass Elisas Wirksamkeit neben der aufbauenden und helfenden auch eine gerichtliche und strafende Seite gehabt hat. Dies zeigt sich bei den spottenden Knaben zu Bethel, die auf seinen Fluch von Bären zerrissen wurden (2. Kön. 2,23,24). Es zeigt sich bei dem unaufrichtigen, habsüchtigen Gehasi, den er mit Aussatz bestrafte (2. Kön. 5,27), und bei dem Ritter, der Gottes Verheißung ungläubig verspottete und dann nach dem durch Elisa geredeten Wort zertreten wurde (2. Kön. 7,1 u. 2 und 17-20), wozu gewiss noch manche Beispiele kommen, die wir nicht kennen. So war Elisas Wort ein Feuer, ja auch ein Schwert, das manche traf, die dem Gericht durch Hasaël und Jehu entgangen waren.
Gottes Wort ist allezeit nicht nur ein Balsam, der Wunden heilt, sondern kann auch ein Feuer sein, das die Gottlosen vernichtet (Alfred Christlieb)


Gott zu schauen und seine Herrlichkeit kennen zu lernen, war von jeher das Sehnen der Männer Gottes. Hier in dieser Erscheinung offenbart sich Gott seinem Knechte Elia („und der Herr ging vorüber“). Wie einst für Mose in jener Felsspalte die Bitte erfüllt wurde: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen“ (2. Mos. 33,18 u. 34,6), so durfte auch Elia, vielleicht am gleichen Platze, Gottes Wesen näher kennen lernen. Sturmwind, Erdbeben und Feuer waren vor dem Herrn hergegangen. Nach diesem empfindet Elia Gottes Gegenwart in seinem stillen, sanften Sausen. Die Gott vorangegangenen Erscheinungen waren von vernichtender und zerstörender Wirkung. Es waren Strafen und Gerichte, welche das Land treffen sollten. In diesen zerstörenden Gerichten lernt man aber das eigentliche Wesen Gottes nicht kennen. Wohl heben diese ihren gottgewollten Zweck. Wohl machen sie Bahn für die nachfolgende Offenbarung Gottes und sind deshalb nie zu verachten.
Aber die Gegenwart des Herrn verspürt Elia erst in einem zarten Flüstern (wörtl.). Dieses ist im Vergleich mit Wind, Erdbeben und Feuer etwas unaussprechlich Wohltuendes und Erquickendes. Es hat etwas Heilendes und Beruhigendes an sich. In diesem Gnadenton, der dem Donner des Gesetzes und den Schrecken des Gerichts folgt, zeigt Gott sein eigentliches Wesen. Diese Offenbarung enthält besonders den großen Trost, dass wir die vernichtende Heimsuchungen als Anbahnung göttlicher Gnadenoffenbarung ansehen dürfen. Das gilt auch für die letzten Trübsale, die Gottes Wort „Wehen“ nennt (Mat. 24,8 wörtl.), nämlich Geburtswehen einer herrlichen Gnadenzeit, die darauf folgt. (Alfred Christlieb)

19:13 Da das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging heraus und trat in die Tür der Höhle. Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia?
Laß doch dieses Wort Gottes auch an dein Herz kommen, o Mensch! und stehe dieser Doppelfrage offen und redlich Rede und Antwort. Was machest du hier, hier auf Erden, während deiner Lebenszeit, auf dem Wege zur Ewigkeit? worauf denkest und sinnest, wonach strebest und trachtest, wofür sorgest und arbeitest du? Gott fragt dich so, der Herr deines Lebens, der dich in diese Welt hineingestellt und dir gesagt hat, was dir gut ist, und was er, dein Herr, von dir fordert; ja, der dich berufen hat mit einem himmlischen Rufe zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit. Er hat ein Recht, dich um den Gebrauch und die Anwendung deiner Lebenszeit zu fragen, dich über all dein Thun und Lassen zur Rede zu stellen. Also was machest du hier?
Setzt dich diese Frage in Verlegenheit? Bist du einer der vielen, deren Lebenslauf sich unter die Capitel verfassen läßt: „Sie wurden geboren, sie aßen, sie tranken, sie schliefen, sie lachten, sie weinten, sie brachten ihre Jahre hin wie ein Geschwätz, und gingen von hier nach dort, ohne Bedacht zu haben, warum sie hier gewesen?“ Sammlest du Schätze, welche die Motten und der Rost fressen, und denen die Diebe nachgraben und sie stehlen? Suchst du die Ehre und den Ruhm der Welt, die da vergehet mit ihrer Lust? Suchst du nur dein zeitliches Durchkommen, ein Amt, eine Anstellung, ein Handwerk, eine Handthierung und Gewerbe? Meinst du genug zu thun, wenn du deinen Nahrungszweig hütest und wahrest, daß er dir grünet und blühet und Frucht bringt? Geht dein Streben und Wirken darüber nicht hinaus, da du doch selbst einmal da hinausgehen und hinübertreten mußt in eine höhere Ordnung der dinge, über welche dir Gott in seinem Worte genugsam Aufschluß giebt, daß du dich nicht mit Unwissenheit wirst entschuldigen können? - denn es ist dir gesagt, o Mensch, was du thun sollst, und was der Herr, dein Gott, von dir fordert. Darum fragt es nicht blos: „Was machest du hier?“ sondern auch: „Was hast du hier zu thun?“ - O bete: „Lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn. Schaffe, daß du selig werdest mit Furcht und Zittern!“ Es ist noch Zeit; aber es ist hohe Zeit, es ist die höchste Zeit. „Heute, so du Gottes Stimme hörest, verstocke dein Herz nicht.“ Es wäre dein ewiger Schade! (Carl Johann Philipp Spitta)


Eine doppelte Wirkung übte das stille, sanfte Sausen auf Elia aus: Auf der einen Seite erfüllte es ihn mit tiefer Ehrfurcht; denn er wagte nicht, mit unverhülltem Angesicht an dieser Stätte zu stehen, sondern verhüllte dasselbe mit seinem Mantel. Auf der anderen Seite ermutigte es ihn, aus seiner Höhle herauszutreten und dem zu nahen, der ihm diesem zarten Ton begegnete. Sturm, Erdbeben und Feuer ließen ihn noch in der Felsspalte zurückbleiben, das sanfte Säuseln lockte ihn hervor.
Diese doppelte Wirkung übt Gottes Gegenwart heute noch aus. Auf der einen Seite beugt sie uns, dass wir voll Ehrfurcht mit Jesaja ausrufen möchten: Weh mir ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen (Jes. 6,5). Auf der anderen Seite erhebt und ermutigt sie uns, Gott zu nahen.
Besonders offenbart sich diese Doppelwirkung bei gesalbter Verkündigung des Wortes vom Kreuz. Dort vernehmen wir das stille, sanfte Sausen am besten. Wenn in Johannis Bußpredigt Sturmwind, Erdbeben und Feuer an uns vorübergingen und nun im Hinweis auf das Lamm Gottes das innerste Wesen des Herrn sich uns offenbart, dann möchten wir unser Angesicht in Demut und Ehrfurcht verhüllen, und empfangen Freudigkeit, zu ihm zu kommen. Seine Hirtenstimme gibt Mut. (Alfred Christlieb)

19:14 Er sprach: Ich habe um den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten mit dem Schwert erwürgt, und ich bin allein übriggeblieben, und sie stehen darnach, daß sie mir das Leben nehmen.

19:15 Aber der HERR sprach zu ihm: Gehe wiederum deines Weges durch die Wüste gen Damaskus und gehe hinein und salbe Hasael zum König über Syrien,

19:16 Und Jehu, den Sohn Nimsis, zum König über Israel, und Elisa, den Sohn Saphats, von Abel-Mehola, zum Propheten an deiner Statt.
Elia verzagte unter dem Wacholder schier daran, auf Erden noch eine Aufgabe vollbringen zu können, die dem Reiche Gottes nützlich wäre. Gott aber gibt ihm in diesen Versen noch höchst wichtige Aufgaben, die er ausrichten sollte. Zwei Könige und seinen Nachfolger sollte er einsetzen, deren Wirksamkeit von größter Bedeutung für die Verwirklichung göttlicher Pläne war.
Was sagt uns dieser neue göttliche Befehl an Elia? Er erinnert uns daran, dass niemand von uns selbst bestimmen oder wissen kann, wann sein Tagewerk vollendet ist. Wir können uns irren, wenn wir meinen, dass uns doch diese oder jene Aufgabe beschieden sei, wie Jonathan glaubte, dass er als Davids Freund an seiner Regierung teilnehmen würde, während Gott ihn durch einen frühen Heldentod zu sich nehmen wollte (1. Sam. 23,17). Wir können uns aber auch irren, wenn wir unser Tagewerk schon für beendet halten. Die rechte Stellung ist die des Paulus, der froh ist, wenn Gott ihn abrufen will, aber auch freudig bereit ist, wenn Gott ihn zu weiterem Dienst gebrauchen will, um Frucht zu schaffen (Phil. 1,21-24).
Wenn es sich auch nicht um große Dinge handelt, wie bei jenem Propheten, so hat doch der Herr jedem seiner Jünger eine bestimmte Aufgabe zugewiesen, deren Begrenzung und Ausdehnung wir ihm überlassen wollen. Lasst uns nur darauf bedacht sein, dem nachzufolgen, der vor seinem Abschied sagen konnte: Ich habe vollendet das Werk, das du mir gegeben hast, dass ich es tun soll (Alfred Christlieb)

19:17 Und es soll geschehen, daß wer dem Schwert Hasaels entrinnt, den soll Jehu töten.

19:18 Und ich will übriglassen siebentausend in Israel: alle Kniee, die sich nicht gebeugt haben vor Baal, und allen Mund, der ihn nicht geküßt hat.
Wie oft gibt es Seelen, die sich in ihrer Umgebung einsam fühlen in ihrer Glaubensstellung. Auch Elia fühlte sich in seinem Eifer für Jehova einsam in seinem Lande. Gott gibt ihm einen Trost für dieses Gefühl der Vereinsamung. Er öffnet ihm die Augen über einer großen Zahl Treugebliebener, die sich nicht in den allgemeinen Götzendienst ihrer Zeit hatten hineinziehen lassen. Wie stärkend muss diese Nachricht dem Propheten gewesen sein! Wenn er auch im einzelnen nicht wusste, wo sich diese siebentausend befanden, so durfte er doch von jetzt ab mit dem Bewusstsein durch sein Land wandern, dass sich da und dort noch gläubige Beter befanden, die innerlich mit ihm auf gleichem Boden standen. Gott zeigt auch uns in seinem Worte, dass es oft auch da und dort noch Gläubige gibt, wo wir es wohl nicht gedacht hätten. Einem Abraham begegnete in einem Lande des Götzendienstes ein Melchisedek, von dem niemand bis dahin etwas wusste (1. Mos. 14,17). In der Stadt Jericho treffen die Kundschafter Josuas eine Frau, die Glauben hat an den Gott Israels (Jos. 2,1-11). Wo alle Fürsten Jeremia verhungern lassen wollen, da hört man von einem Negersklaven, der auf der Seite des Glaubens steht (Jer. 38,7-13). Am Hofe Neros kennt Paulus Gotteskinder (Phil.4,22), und im römischen Offizierkorps zu Kapernaum lernt man einen demütigen Helden des Glaubens kennen (Luk.7,9). In der üppigen Stadt Korinth hat Gott sein „großes Volk“ (Apg. 18,10); und zur Zeit, wo Isebel die Macht hat, leben 7000 in Israel, die Baal keine Verehrung erzeigen. Solcher Anblick kann einsame, angefochtene Seelen trösten und sie vor Schwarzseherei bewahren (Alfred Christlieb)

19:19 Und er ging von dannen und fand Elisa, den Sohn Saphats, daß er pflügte mit zwölf Jochen vor sich hin; und er war selbst bei dem zwölften. Und Elia ging zu ihm und warf seinen Mantel auf ihn.

19:20 Er aber ließ die Rinder und lief Elia nach und sprach: Laß mich meinen Vater und meine Mutter küssen, so will ich dir nachfolgen. Er sprach zu ihm: Gehe hin und komme wieder; bedenke, was ich dir getan habe!

19:21 Und er lief wieder von ihm und nahm ein Joch Rinder und opferte es und kochte das Fleisch mit dem Holzwerk an den Rindern und gab's dem Volk, daß sie aßen. Und machte sich auf und folgte Elia nach und diente ihm.

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