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1. Mose, Kapitel 32

1. Mose, Kapitel 32

31:55 [32:1] Des Morgens aber stand Laban früh auf, küßte seine Kinder und Töchter und segnete sie und zog hin und kam wieder an seinen Ort. 32:1 [32:2] Jakob aber zog seinen Weg; und es begegneten ihm die Engel Gottes.

32:2 [32:3] Und da er sie sah, sprach er: Es sind Gottes Heere; und hieß die Stätte Mahanaim.

32:3 [32:4] Jakob aber schickte Boten vor sich her zu seinem Bruder Esau ins Land Seir, in die Gegend Edoms,

32:4 [32:5] und befahl ihnen und sprach: Also sagt meinem Herrn Esau: Dein Knecht Jakob läßt dir sagen: Ich bin bis daher bei Laban lange außen gewesen

32:5 [32:6] und habe Rinder und Esel, Schafe, Knechte und Mägde; und habe ausgesandt, dir, meinem Herrn, anzusagen, daß ich Gnade vor deinen Augen fände.

32:6 [32:7] Die Boten kamen wieder zu Jakob und sprachen: Wir kamen zu deinem Bruder Esau; und er zieht dir auch entgegen mit vierhundert Mann.

32:7 [32:8] Da fürchtete sich Jakob sehr, und ihm ward bange; und teilte das Volk, das bei ihm war, und die Schafe und die Rinder und die Kamele in zwei Heere

32:8 [32:9] und sprach: So Esau kommt auf das eine Heer und schlägt es, so wird das übrige entrinnen.

32:9 [32:10] Weiter sprach Jakob: Gott meines Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak, HERR, der du zu mir gesagt hast: Zieh wieder in dein Land und zu deiner Freundschaft, ich will dir wohltun!

32:10 [32:11] ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast; denn ich hatte nicht mehr als diesen Stab, da ich über den Jordan ging, und nun bin ich zwei Heere geworden.
Also sprach der fromme Erzvater Jakob aus demüthigem, dankerfülltem Herzen, als er Labans Dienst verlassen hatte und das Land seiner Väter wieder betrat. Der Herr hatte Großes an ihm gethan. Mit keiner andern Habe, als dem Stab, den er jetzt noch zum Gedächtnis, seiner vorigen Armuth trug, war er vor der Rache seines Bruders Esau aus dem väterlichen Hause über den Jordan nach Haran geflohen; und nun war durch Gottes Gnade und Segen sein Reichthum an Knechten und Thieren schon so groß geworden, daß es war, als kämen zwei Heere herangezogen. Herr, ich bin viel zu geringe aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mW gethan hast. Dies ist die Sprache aller Frommen in der heiligen Geschichte. Die demüthige Anerkennung der zahllosen unverdienten Wohlthaten Gottes verbindet sich mit jeder Erhebung des Geistes zu dem Vater der ewigen Liebe. Ueberall sieht der Fromme sich umgeben von dem Werke Gottes; in Allem, was geschieht, erblickt er die starke gnädige Hand des Herrn; Alles verwandelt sich für ihn in eine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. Darum erkennt er in jeder Gabe den freundlichen Geber, der seine milde Hand aufthut und Alles erquicket mit Wohlgefallen. Dabei kann er sich's nicht verhehlen, wie unverdient all diese Wohlthaten Gottes sind, wie oft er sich ihrer durch Leichtsinn, Thorheit und Sünden unwürdig gemacht hat. Mit tiefer Beschämung legt er das Bekenntniß ab: durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. „Meinest du, daß es dem Allmächtigen gefalle, wenn du mich fromm machst? Dem Demüthigen giebt er Gnade.“ Hiob 22, 3 u. 9.
Ach, ich lege noch einen viel zu hohen Werth auf meine Tugend und lasse mich durch meine Eigenliebe verblenden, mehr von mir zu halten, als sich zu halten gebühret. Viel zu wenig erkenne ich Gottes Gnade und meine Unwürdigkeit, seine segnende Liebe und meine Kälte und Undankbarkeit, seine große Majestät und Herrlichkeit, und meine Ohnmacht und gänzliche Abhängigkeit von ihm. O daß ich Alles, was mir Gutes widerfährt, mit tiefer Rührung, mit christlicher Demuth und kindlicher Dankbarkeit empfangen möchte. Ich will den Reichthum seiner Güte, Geduld und Langmüthigkeit nicht verachten. Ich will ihn lieben von ganzem Herzen, denn er hat mich zuerst geliebt. Seine Güte soll mich zur Buße leiten. Ich liege, o Herr, vor dir mit meinem Gebete, nicht auf meine Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit (Dan. 9, 18). Meine Tugend ist wie ein beflecktes Kleid. Das Dichten und Trachten meines Herzens ist böse von Jugend auf und immerdar. Christus aber, der gute Hirte, sucht das Verlorne, bringt wieder das Verirrte, verbindet das Verwundete und wartet des Schwachen. Ihm, dem barmherzigen Heiland sei dafür Preis und Dank in Ewigkeit. Amen! (Christian Wilhelm Spieker)

32:11 [32:12] Errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus; denn ich fürchte mich vor ihm, daß er nicht komme und schlage mich, die Mütter samt den Kindern.

32:12 [32:13] Du hast gesagt ich will dir wohltun und deinen Samen machen wie den Sand am Meer, den man nicht zählen kann vor der Menge.
Als Jakob jenseits der Furt Jabbok war, und Esau ihm entgegenzog mit vierhundert Mann, da flehte er inbrünstig um den Schutz Gottes und hielt Gott seine Verheißung vor: „Du hast gesagt: Ich will dir wohl tun.“ Ach, welche Kraft liegt nicht in diesem flehen! Er hielt sich an die Zusage Gottes: „Du hast gesagt.“ Die Eigenschaft der Treue Gottes ist ein herrliches Horn an seinem Altar, an das wir uns anklammern können; aber die Verheißung, welche diese Treue und noch mehr dazu in sich begreift, ist noch ein mächtigerer Halt: „Du hast gesagt: Ich will dir wohl tun.“ Er hat es gesagt, sollte Er es nicht tun? „Das sei ferne! Es bleibe vielmehr also, daß Gott sei wahrhaftig, und alle Menschen falsch.“ Sollte Er nicht wahrhaftig sein? Sollte Er nicht halten, was Er verspricht? Steht denn nicht jedes Wort, das von seinem Munde kommt, unerschütterlich fest und muß sich erfüllen? Als Salomo den Tempel zu Jerusalem einweihte, stützte er sich auf denselben kräftigen Grund: er flehte zu Gott, Er wolle sein Wort lassen wahr werden, das Er seinem Knechte David geredet habe, und wolle sein Haus segnen. Wenn ein Mensch ein Versprechen gibt, so ist seine Ehre verpfändet; er unterzeichnet seinen Namen, und muß sein Wort lösen, wenn die gesetzte Frist kommt, sonst verliert er alles Zutrauen. Es wird nie heißen, daß Gott seine Zusagen nicht hält. Das Ansehen des Höchsten ist noch nie befleckt worden, und nie wird ein Makel darauf fallen. Er ist zuverlässig auf den bestimmten Augenblick, nie kommt Er vor der rechten Zeit, aber auch nie zu spät. Durchforsche Gottes Wort und prüfe es an den Erfahrungen seines Volkes, so wirst du Ihn in beidem pünktlich finden von Anfang bis zu Ende. Mancher silberhaarige Greis hat mit Josua den Seinen bezeugt: „Es fehlte nichts an allem Guten, das der Herr eurem Hause geredet hatte; es kam alles.“ Wenn du eine göttliche Verheißung hast, so brauchst du dich nicht mit einem „Wenn“ darauf zu berufen; eigne sie dir an, als etwas unfehlbar Gewisses. Der Herr will alle Verheißungen erfüllen, Er hätte sie ja sonst nicht gegeben. Gott gibt uns sein Wort nicht bloß, um uns mit Hoffnungen hinzuhalten; sondern wenn Er redet, so will Er auch erfüllen, was Er verspricht. (Charles Haddon Spurgeon)

32:13 [32:14] Und er blieb die Nacht da und nahm von dem, das er vor Handen hatte, ein Geschenk für seinen Bruder Esau:

32:14 [32:15] zweihundert Ziegen, zwanzig Böcke, zweihundert Schafe, zwanzig Widder

32:15 [32:16] und dreißig säugende Kamele mit ihren Füllen, vierzig Kühe und zehn Farren, zwanzig Eselinnen mit zehn Füllen,

32:16 [32:17] und tat sie unter die Hand seiner Knechte, je eine Herde besonders, und sprach zu ihnen: Gehet vor mir hin und lasset Raum zwischen einer Herde nach der andern;

32:17 [32:18] und gebot dem ersten und sprach: Wenn dir mein Bruder Esau begegnet und dich fragt: Wem gehörst du an, und wo willst du hin, und wes ist's, was du vor dir treibst?

32:18 [32:19] sollst du sagen: Es gehört deinem Knechte Jakob zu, der sendet Geschenk seinem Herrn Esau und zieht hinter uns her.

32:19 [32:20] Also gebot er auch dem andern und dem dritten und allen, die den Herden nachgingen, und sprach: Wie ich euch gesagt habe, so sagt zu Esau, wenn ihr ihm begegnet;

32:20 [32:21] und sagt ja auch: Siehe, dein Knecht Jakob ist hinter uns. Denn er gedachte: Ich will ihn versöhnen mit dem Geschenk, das vor mir her geht; darnach will ich ihn sehen, vielleicht wird er mich annehmen.

32:21 [32:22] Also ging das Geschenk vor ihm her, aber er blieb dieselbe Nacht beim Heer

32:22 [32:23] und stand auf in der Nacht und nahm seine zwei Weiber und die zwei Mägde und seine elf Kinder und zog an die Furt des Jabbok,

32:23 [32:24] nahm sie und führte sie über das Wasser, daß hinüberkam, was er hatte,

32:24 [32:25] und blieb allein. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.

32:25 [32:26] Und da er sah, daß er ihn nicht übermochte, rührte er das Gelenk seiner Hüfte an; und das Gelenk der Hüfte Jakobs ward über dem Ringen mit ihm verrenkt. 1)

32:26 [32:27] Und er sprach: Laß mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber er antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. 2) 3) 4)
Das nächtliche Ringen Jakobs, welches 1 Mos. 32. beschrieben ist, gehört unter die außerordentlichen Dinge, durch welche Gott lehren wollte, was in der Führung glaubiger Seelen auf dem schmalen Weg gewöhnlicher Weise vorzugehen pflege; denn wenn man dasjenige, was bei diesem Ringen sichtbar und leiblich war, auf die Seite setzt, so ist es nichts Anderes als das anhaltende Beten und Hoffen einer glaubigen Seele, welche Gott Seine heilige Strenge eine Zeit lang fühlen läßt, und dadurch in die Enge treibt und tief demüthigt. Jakob hat, wie Hosea K. 12,4.5. sagt, von allen Kräften mit Gott gekämpft. Er hat mit dem Engel (der Gott war) gekämpft und gesiegt; denn er weinte und bat Ihn. Jakob war damals wegen seines Bruders Esau in einem großen Gedränge; da er aber bei Nacht sich von seinen Weibern, Kindern und Heerden abgesondert hatte, um genug zu beten, so rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröthe anbrach. So kommt zuweilen eine Noth zu der andern, eine innerliche zu der äußerlichen, wiewohl diese Noth bei dem Jakob auch äußerlich, dabei aber das Bild einer innerlichen Anfechtung war. Der Mann, der mit dem Jakob rang, war Gott, wie Hosea sagt, nämlich das wesentliche Wort, welches hier in einer menschlichen Gestalt erschienen war, und deßwegen der Engel oder Gesandte des HErrn genannt wird. Jakob hat Ihn vermuthlich zuerst nicht gekannt, sondern überhaupt nur gemeint, es überfalle ihn ein Feind, der ihn tödten wolle. Er wehrte sich mit dem Leib, aber auch mit Thränen und mit Flehen. Hier wurde sein Glaube geprüft, ob er sich noch fest an die Verheißung Gottes halte, die 1 Mos. 28,13.14.15. geschrieben steht, und auf die er sich 1 Mos. 32,12. berufen hatte. Weil nun der Glaube Jakobs in der Probe wohl bestand, so ließ Gott, der ihn ohnehin nicht zu tödten, sondern nur zu prüfen vorhatte, von ihm ab, und vergönnte ihm die Ehre, der Sieger bei diesem Ringen zu sein. Jakob sahe bei dem Schein der Morgenröthe das ehrwürdige Angesicht dessen, der mit ihm rang, und erkannte wenigstens damals, daß er eine göttliche Person sei. Diese göttliche Person aber hatte Lust, Sich zu stellen, als ob sie überwunden und schwach sei, und sagte zu Jakob: laß Mich gehen, denn die Morgenröthe bricht an; aber er antwortete: ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn. Es war also dem Jakob nicht genug, dem Verderben entronnen zu sein, welches ihm zuerst gedroht ward, sondern er wollte auch noch einen Segen davon tragen, und bat mit einer großen Dreistigkeit um denselben. So muthig war sein Glaube unter dem Ringen geworden! Er bekam auch einen Segen, nämlich den neuen Namen Israel, und mit demselben ohne Zweifel eine neue Glaubenskraft, damit er diesen Namen wahrhaftig führen, und nach der Bedeutung desselben ein Fürst Gottes oder ein siegreicher Glaubensheld sein könnte. Auch wir sollen in schweren Prüfungsstunden mit glauben und Beten anhalten, bis wir einen neuen Segen erlangen. (Magnus Friedrich Roos)

32:27 [32:28] Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. 5)

32:28 [32:29] Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und bist obgelegen. 6) 7)

32:29 [32:30] Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst. 8) 9)

32:30 [32:31] Und Jakob hieß die Stätte Pniel; denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen.

32:31 [32:32] Und als er an Pniel vorüberkam, ging ihm die Sonne auf; und er hinkte an seiner Hüfte. 10) 11)

32:32 [32:33] Daher essen die Kinder Israel keine Spannader auf dem Gelenk der Hüfte bis auf den heutigen Tag, darum daß die Spannader an dem Gelenk der Hüfte Jakobs angerührt ward.

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