Spurgeon, Charles Haddon - Obadja, oder: frühe Frömmigkeit, hohe Frömmigkeit.

Spurgeon, Charles Haddon - Obadja, oder: frühe Frömmigkeit, hohe Frömmigkeit.

Dein Knecht fürchtet den Herrn von seiner Jugend auf.

1 Kön. 18, 12.

Ich befürchte, dass Elia nicht hoch von Obadja dachte. Er behandelt ihn nicht mit besonders großer Rücksicht, sondern redet ihn schärfer an, als man von einem Mitgläubigen erwarten sollte. Elia war der Mann der Tat: kühn, immer an der Front, nichts war da, was er zu verhehlen hatte; Obadja war ein stiller Gläubiger, wahr und standhaft, aber in einer sehr schwierigen Stellung, und deshalb gezwungen, seine Pflicht in einer weniger offenen Weise zu erfüllen. Sein Glaube an den Herrn beherrschte sein Leben, aber er trieb ihn nicht vom Hofe hinweg. Ich bemerke, dass Elia, selbst nachdem er bei dieser Zusammenkunft mehr von ihm erfahren hatte, doch von dem Volk Gottes spricht, als ob er nicht viel auf Obadja und andre seinesgleichen gäbe. Er sagt: „Sie haben Deine Altäre zerbrochen und Deine Propheten mit dem Schwert erwürget; und ich bin allein übriggeblieben, und sie stehen danach, dass sie mir mein Leben nehmen.“ Er wusste sehr wohl, dass Obadja übriggeblieben war, der, obwohl nicht gerade ein Prophet, doch ein Mann von Ansehen war; aber er scheint ihn gar nicht zu beachten, als wenn er ein Mann von wenig Bedeutung in dem großen Kampfe wäre. Ich nehme an, dass dieser Mann von Eisen, dieser Prophet von Feuer und Donner, dieser mächtige Knecht des Höchsten wenig Gewicht auf jeden legte, der nicht in die Front treten und gleich ihm selber fechten konnte. Ich weiß, es ist die Neigung tapferer und eifriger Gemüter, stille und zurückgezogene Frömmigkeit etwas zu unterschätzen. Wahre und aufrichtige Diener Gottes mögen ihr Bestes tun unter großen Nachteilen, im Kampf mit heftigem Widerstand, aber sie sind vielleicht kaum bekannt oder scheuen selbst die geringste Anerkennung; deshalb sind Männer, die in dem hellen Licht der Öffentlichkeit leben, leicht geneigt, sie zu gering zu schätzen. Diese kleineren Sterne verlieren sich in dem Glänze des Mannes, den Gott gleich einer neuen Sonne anzündet, die durch die Finsternis flammt. Elia zuckte über dem Himmel Israels wie ein Donnerkeil aus der Hand des Ewigen, und natürlich ward er etwas ungeduldig über die, deren Bewegungen langsamer und weniger sichtbar waren. Es ist in mancher Hinsicht hier gleich Martha und Maria.

Der Herr liebt es nicht, dass seine Diener, wie groß sie auch sind, geringschätzig von ihren niederen Gefährten denken, und mir kommt der Gedanke, dass Er deshalb die Sachen so ordnete, dass Obadja dem Elia wichtig wurde, als er dem zornigen König Israels gegenüberzutreten hatte. Dem Propheten ist geboten, hinzugehen und sich Ahab zu zeigen, und er tut dies; aber er hält es für besser, damit zu beginnen, dass er sich dem Hofmeister seines Palastes zeigt, damit dieser seinem Herrn die Nachricht überbringe und ihn auf die Zusammenkunft vorbereite. Ahab war durch die furchtbaren Folgen der langen Dürre sehr erbittert und hätte in plötzlicher Wut versuchen können, den Propheten zu töten; deshalb sollte er Zeit zum Überlegen haben, um ein wenig abzukühlen.

Elia hat eine Zusammenkunft mit Obadja und heißt ihn gehen und Ahab sagen: „Sieh, Elia.„ Es mag zuweilen der nächste Weg zu unsrem Ziele sein, einen kleinen Umweg zu machen. Aber es ist merkwürdig, dass Obadja einem solchen Manne, der so viel höher stand als er, nützlich wurde. Er, der niemals das Angesicht der Könige fürchtete, brauchte nichtsdestoweniger als seinen Helfer einen, der sehr viel schüchterner war. Der Herr mag dich, mein lieber Bruder, der du so hervorragend, so nützlich, so mutig, vielleicht so strenge bist, in eine Lage bringen, in welcher der geringere und ängstlichere Gläubige, der nicht halb so viel Gnade und nicht halb so viel Mut hat wie du, nichtsdestoweniger für dein Amt wichtig wird; und wenn Er dieses tut, so will Er, dass du die Lehre lernst, und lerne sie gut, dass der Herr einen Platz für alle seine Diener hat und dass Er nicht will, dass wir den Geringsten von ihnen verachten, sondern sie schätzen, und das Gute, das in ihnen ist, lieben sollen. Das Haupt muss nicht zum Fuße sagen: ich bedarf deiner nicht. Jene Glieder des Leibes Christi, die am schwächsten sind, sind doch für den ganzen Organismus notwendig. Der Herr verachtet nicht „den Tag geringer Dinge“ (Sach. 4, 10) und will auch nicht, dass sein Volk das tue. Elia darf nicht hart gegen Obadja sein. Ich wollte, Obadja hätte mehr Mut gehabt: ich wollte, er hätte für den Herrn, seinen Gott, ebenso offen gezeugt wie Elia; aber dennoch, ein jeder in seiner eignen Ordnung; seinem Herrn muss jeder Knecht stehen oder fallen. Alle Lichter sind nicht Mond, einige sind nur Sterne; und sogar ein Stern ist von dem andren an Glanz verschieden. Gott hat sein Lob auch aus den am wenigsten bekannten heiligen Charakteren der Schrift, eben wie die Nacht ihr Licht aus jenen schimmernden Körpern hat, die nicht als einzelne Sterne unterschieden werden können, sondern Teile von nebelhaften Massen sind, in denen Miriaden weit entfernter Sterne in eins verschmolzen sind.

Wir lernen ferner aus der vorliegenden Erzählung, dass Gott sich nie ohne Zeugen in dieser Welt lassen wird. Ja, und Er wird sich nie ohne Zeugen lassen an den schlechtesten Orten dieser Welt. Was für eine schreckliche Wohnstätte für einen wahren Gläubigen muss Ahabs Hof gewesen sein! Wenn kein Sünder dagewesen wäre außer jenem Weibe Isebel, sie war genug, um den Palast zu einem Pfuhl von Lastern zu machen. Diese starkgeistige, stolze sidonische Königin wickelte den armen Ahab um ihren Finger gerade wie es ihr gefiel. Er wäre vielleicht niemals der Verfolger geworden, der er war, wenn sein Weib ihn nicht aufgestachelt hätte; aber sie hasste die Verehrung Jehovahs aufs äußerste, und verachtete die Einfachheit Israels im Vergleich mit der prunkvolleren Art Sidons. Ahab musste ihren gebieterischen Forderungen nachgeben, denn sie wollte keinen Widerspruch ertragen, und wenn ihr Stolz erregt war, trotzte sie allem Widerstand. Doch war an demselben Hofe, wo Isebel die Herrin war, der Kämmerer ein Mann, der den Herrn sehr fürchtete. Seid nie überrascht, wenn ihr irgendwo einen Gläubigen antrefft. Die Gnade kann leben, wo ihr nie gedacht hättet, sie eine Stunde lebendig bleiben zu sehen.

Joseph fürchtete Gott am Hofe des Pharao, Daniel war ein vertrauter Ratgeber des Nebukadnezar, Mardachai saß im Tor des Ahasverus, das Weib des Pilatus legte Fürbitte ein für das Leben Jesu, und es waren Heilige in des römischen Kaisers Hause. Denkt daran, man fand Diamanten reinsten Wassers auf solchem Dunghaufen wie Neros Palast. Die, welche in Rom Gott fürchteten, waren nicht nur Christen, sondern sie waren Muster für alle andren Christen in ihrer brüderlichen Liebe und ihrer Freigebigkeit. Gewiss, es ist kein Platz in diesem Lande, wo nicht etwas Licht ist, die dunkelste Höhle der Laster hat ihre Fackel. Fürchtet euch nicht; ihr mögt Nachfolger Jesu in den Vorhöfen des Pandämoniums finden. Im Palast des Ahab findet ihr einen Obadja, der sich freut, mit verachteten Heiligen Gemeinschaft zu haben und das lever eines Monarchen verlässt, um zu Versteckplätzen verfolgter Prediger zu gehen..

Ich nehme wahr, dass die Zeugen Gottes oft Männer sind, die in ihrer Jugend bekehrt wurden. Es scheint Gottes Freude zu sein, diese zu seinen besonderen Bannerträgern am Tage der Schlacht zu machen.. Seht auf Samuel! Als das ganze Israel Abscheu hatte vor der Gottlosigkeit der Söhne Elis, diente das Kind Samuel vor dem Herrn. Seht auf David! Als er nur noch ein Hirtenknabe ist, weckt er das Echo der einsamen Hügel mit seinen Psalmen und der begleitenden Musik seiner Harfe. Seht Josia! Als Israel sich empört hatte, da war es ein Kind, Josia mit Namen, das die Altäre Baals niederriss und die Gebeine seiner Priester verbrannte. Daniel war nur ein Jüngling, als er für Reinheit und für Gott auftrat. Der Herr hat heute, ich weiß nicht wo, irgend einen kleinen Luther auf seiner Mutter Schoß, einen jungen Calvin, der in unserer Sonntagsschule lernt, einen jugendlichen Zwingli, der Christo ein Lied singt. Dies Zeitalter mag schlechter und schlechter werden; ich denke zuweilen, dass es dies wird, denn viele Zeichen deuten darauf hin; aber der Herr bereitet dafür vor. Die Tage sind dunkel und unglückverheißend; und diese Abendzeit mag sich zu einer noch schwärzeren Nacht, als je zuvor gekannt ist, verfinstern; aber Gottes Sache ist sicher in Gottes Hand. Sein Werk wild nicht verzögert werden aus Mangel an Männern. Streckt nicht Usas Hand aus, um die Lade des Herrn zu halten; sie wird in Sicherheit weiter gehen auf Gottes vorherbestimmtem Wege. Christus wird nicht verzagt oder entmutigt werden. Gott begräbt seine Arbeiter, aber seine Arbeit geht weiter. Wenn in dem Palast sich kein König findet, der Gott ehrt, so soll doch ein Oberhofmeister dort sein, der den Herrn von seiner Jugend auf fürchtet, und der für des Herrn Propheten sorgt und sie verbirgt, bis bessere Tage kommen. Deshalb seid guten Mutes und hoffet auf glücklichere Stunden. Nichts von wirklichem Wert ist in Gefahr, so lange Jehovah auf dem Throne sitzt. Des Herrn Reserven ziehen herauf und ihre Trommeln schlagen Sieg.

Über Obadja wünsche ich heute morgen mit euch zu sprechen. Seine Frömmigkeit ist das Thema der Rede, und wir wünschen es zu gebrauchen, um den Eifer derjenigen anzufeuern, welche die Jugend lehren.

I.

Wir wollen erstens beachten, dass Obadja frühe Frömmigkeit besaß: „Dein Knecht fürchtet den Herrn von Jugend auf..„ O, dass all unsre jungen Leute, wenn sie zu Männern und Frauen herangewachsen, imstande sein möchten, dies zu sagen. Glücklich sind die, die sich in solchem Falle befinden!

Wie Obadja dazu kam, in seiner Jugend den Herrn zu suchten, können wir nicht sagen. Der Lehrer, durch den er zum Glauben an Jehovah geführt wurde, ist nicht genannt. Doch können wir vernünftigerweise den Schluss ziehen, dass er gläubige Eltern hatte. Unbedeutend, wie der Grund scheinen mag, halte ich ihn doch für ziemlich fest, wenn ich euch an seinen Namen erinnere. Dieser war ihm sehr natürlich von seinem Vater oder seiner Mutter gegeben, und da er „der Knecht Jehovahs“ bedeutet, so dächte ich, dass er die Frömmigkeit der Eltern anzeigt. In den Tagen, wo überall Verfolgung der Gläubigen stattfand und der Name Jehovahs verachtet war, weil die Kälber von Bethel und die Bilder von Baal überall aufgerichtet waren, denke ich, hätten Eltern ihrem Kinde nicht den Namen „Der Knecht Jehovahs„ gegeben, wenn sie nicht selber Ehrfurcht vor dem Herrn gefühlt hätten. Sie hätten nicht müßigerweise die Bemerkungen ihrer abgöttischen Nachbarn und die Feindschaft der Großen hervorgerufen. In einer Zeit, wo Namen etwas bedeuteten, hätten sie ihn „das Kind Baals“ oder: „Der Knecht des Chemosch„ genannt oder mit irgend einem andren Namen, der ihre Ehrfurcht vor den beim Volk beliebten Göttern ausdrückte, wenn die Furcht Gottes nicht vor ihren Augen gewesen wäre. Die Wahl eines solchen Namens verrät mir ihren ernsten Wunsch, dass ihr Knabe aufwachsen möge, um Jehovah zu dienen und nie sein Knie vor den verabscheuten Götzen der sidonischen Königin beugen. Ob dies so war oder nicht, es ist ganz gewiss, dass Tausende der intelligentesten Gläubigen ihre erste Anregung zur Gottesfurcht den teuren Verbindungen der Heimat verdanken. Wie viele von uns hätten gut einen solchen Namen führen können wie den des Obadja; denn nicht so bald hatten wir das Licht erblickt, als unsre Eltern suchten, uns durch das Licht der Wahrheit erleuchten zu lassen. Wir wurden dem Dienste Gottes geweiht, ehe wir noch wussten, dass ein Gott sei. Manche Träne ernstlichen Gebetes fiel auf unsre Kinderstirne und versiegelte uns für den Himmel; wir wurden in der Atmosphäre der Frömmigkeit aufgezogen; es war kaum ein Tag, an dem wir nicht angetrieben wurden, treue Diener Gottes zu sein und gebeten, so lange wir noch jung wären, Jesum zu suchen und unsre Herzen Ihm zu geben. O, was verdanken wir, viele von uns, der Vorsehung, die uns solche Eltern gab! Gelobt sei Gott für seine große Barmherzigkeit gegen die Kinder seiner Erwählten!

Wenn, er keine frommen Eltern hatte, so kann ich nicht sagen, wie Obadja dazu kam, in jenen traurigen Tagen ein Gläubiger zu werden, ausgenommen, dass er vielleicht in die Hände eines freundlichen Lehrers, einer frommen Wärterin oder eines guten Dieners in seines Vaters Hause geriet oder einen gottesfürchtigen Nachbar hatte, der es wagte, kleine Kinder um sich zu sammeln und ihnen von dem Herrn, dem Gott Israels, zu erzählen. Irgend eine heilige Frau mag seiner jungen Seele das Gesetz des Herrn eingeflößt haben, ehe die Baalspriester ihn mit ihren Lügen vergiften konnten. Niemand wird genannt in Verbindung mit der Bekehrung dieses Mannes in seiner Jugend, und es macht nichts aus, nicht wahr? Ihr und ich, wir wünschen nicht genannt zu werden, wenn wir rechtgesinnte Diener des Herrn sind. Nicht unser sei die Ehre. Wenn Seelen errettet werden, hat Gott die Ehre davon. Er weiß, was für ein Werkzeug Er gebraucht hat, und da Er es weiß, ist es genug. Die Gunst Gottes ist Ruhm genug für die Gläubigen. Alle Posaunenstöße des Ruhms sind nur vergeudeter Odem im Vergleich zu dem einen Wort aus Gottes Mund: „Wohl getan, du guter und getreuer Knecht.“ Fahrt fort, liebe Lehrer: da ihr zu dem heiligen Dienst berufen seid, die Jugend zu lehren, so werdet dessen nicht müde. Fahrt fort, ob ihr auch unbekannt sein mögt, denn euer Same, der im Dunkeln gesät ist, wird im Licht geerntet werden. Ihr mögt einen Obadja belehren, dessen Name in künftigen Jahren gehört werden wird; ihr bereitet einen Vater für die Gemeinde und einen Wohltäter für die Menschheit vor. Obwohl euer Name vergessen wird, soll euer Werk es nicht sein. Wenn jener glänzende Tag anbrechen wird, verglichen mit dem alle andren Tage trübe sind, wenn das Unbekannte dem versammelten Weltall bekannt gemacht werden wird, dann soll das, was ihr im Dunkeln gesprochen habt, im Lichte verkündet werden.

Wenn es nicht auf diese Weise war, dass Obadja dahin geführt wurde, den Herrn in seiner Jugend zu fürchten, so mögen wir an andre Mittel denken wie sie der Herr gebraucht zum Hineinführen seiner Verbannten. Es hat mich in letzter Zeit sehr erfreut, wenn ich Suchende sah, mit mehreren jungen Leuten zu sprechen, die aus ganz weltlichen Familien kamen. Ich legte ihnen die Frage vor: „Ist Ihr Vater Mitglied einer christlichen Gemeinde?„ Die Antwort war ein Kopfschütteln. „Besucht er irgend ein Gotteshaus?“ „Nein, ich weiß nicht, dass er je zu einem gegangen ist.„ „Ihre Mutter?“ „Mutter kümmert sich nicht um Religion.„ „Haben Sie einen Bruder oder eine Schwester, die gleichen Sinnes mit Ihnen ist?“ „Nein mein Herr.„ „Haben Sie irgend einen Verwandten, der den Herrn kennt?“ „Nein.„ „Wurden Sie von jemand erzogen, der Sie anleitete, die Gnadenmittel zu gebrauchen, und Sie ermahnte, an den Herrn Jesum zu glauben?“ „Nein, und doch habe ich von meiner Kindheit an immer den Wunsch gehabt, den Herrn zu kennen.„ — Ist es nicht merkwürdig, dass es so ist? Was für ein wunderbarer Beweis der Gnadenwahl! Hier wird der eine aus einer Familie angenommen, während die übrigen verlassen werden; was sagt ihr hierzu? Hier wird der eine in früher Kindheit berufen, und durch das verborgene Flüstern des Geistes Gottes angetrieben, den Herrn zu suchen, während alle übrigen der Familie in mitternächtlicher Finsternis schlummern. Wenn du in diesem Falle bist, lieber Freund, erhebe die unumschränkte Macht Gottes, und bete Ihn an, so lange du lebst, denn Er „will sich erbarmen, dessen Er sich erbarmen will.“

Doch, ich halte dafür, dass der größere Teil derer, die in ihrer Jugend den Herrn kennen lernen, Personen sind, die den Vorzug gottesfürchtiger Eltern und heiliger Erziehung gehabt haben. Lasst uns in dem Gebrauch solcher Mittel beharren, die der Herr gewöhnlich gebraucht, denn dies ist der Weg der Weisheit und der Pflicht.

Diese frühe Frömmigkeit Obadjas hatte besondere Kennzeichen an sich. Die Art, wie er sie beschreibt, ist nach meiner Meinung sehr lehrreich. „Dein Knecht fürchtet den Herrn von Jugend auf.„ Ich kann mich kaum erinnern, dass ich in meinem ganzen Leben die Frömmigkeit von Kindern in der täglichen Unterhaltung durch diesen Ausdruck habe beschreiben hören, obwohl er das gewöhnliche Wort der Schrift ist. Wir sagen: „Das Kind liebte Gott.“ Wir reden davon, dass es „so glücklich gemacht wäre„ u. s. w., und ich bezweifle nicht die Richtigkeit dieser Sprechweise; aber doch, der Heilige Geist spricht von „der Furcht des Herrn als der Weisheit Anfang;“ und David spricht: „Kommt her, Kinder, hört mir zu; ich will euch die Furcht des Herrn lehren.„ Kinder werden große Freude durch den Glauben an den Herrn Jesum erlangen; aber diese Freude ist, wenn echt, voll heiliger Ehrfurcht und Verehrung für den Herrn. Freude mag die liebliche Frucht des Geistes sein, aber sie kann auch eine Aufregung des Fleisches sein; denn ihr erinnert euch, dass die auf dem steinigen Boden, die nicht viel tiefe Erde hatten, das Wort aufnahmen mit Freuden, und dass der Same alsbald aufging; aber da sie keine Wurzel hatten, verwelkten sie, als die Sonne mit brennender Hitze schien. Wir können die Freude, womit Herzen das ihnen neue Evangelium aufnehmen, nicht als das Beste und sicherste Zeichen der Gnade betrachten. Es gefällt uns ferner auch, wenn wir in Kindern viel Kenntnis göttlicher Dinge sehen, denn jedenfalls ist solche Kenntnis sehr wünschenswert; doch ist sie kein entscheidender Beweis der Bekehrung. Natürlich kann diese Kenntnis eine göttliche Frucht sein; wenn sie vom Geiste Gottes gelehrt sind, so steht es in der Tat gut mit ihnen, aber da es mehr als möglich ist, dass wir selber die Schrift kennen und die ganze Lehre des Evangeliums verstehen und doch nicht errettet sind, so mag dasselbe bei der Jugend der Fall sein. Die Furcht Gottes, die so oft vernachlässigt wird, ist einer der besten Beweise aufrichtiger Frömmigkeit. Wir sollen unsre Seligkeit mit Furcht und Zittern schaffen, denn Gott ist es, der in uns wirket. Wenn ein Kind oder ein Erwachsener die Furcht Gottes vor Augen hat, so ist dies der Finger Gottes. Hiermit meinen wir nicht die knechtische Furcht, welche Schrecken und Sklaverei wirkt, sondern jene heilige Furcht, die der Majestät des Höchsten Ehrfurcht zollt und alle heiligen Dinge hoch achtet, weil Gott groß ist und hoch zu loben. Vor allem tut jungen Leuten Scheu vor dem Unrechttun, Zartheit des Gewissens und Sehnsucht, Gott zu gefallen, not. Solcher Sinn ist ein sicheres Werk der Gnade und ein gewisseres Zeichen der Arbeit des Heiligen Geistes, als alle Freude, die ein Kind fühlen, oder alle Kenntnis, die es erlangen kann. Ich bitte alle Lehrer der Jugend, hierauf wohl zu achten. Es ist eine stets wachsende Schwärmerei in der Religion unserer Tage, die mich zittern macht. Ich kann die Religion nicht ertragen, die nur in kochendem Wasser schwimmt und nur in erhitzter Luft atmet. Für mich hat das Flüstern des Geistes keine Verwandtschaft mit Blechinstrumenten, viel weniger behandelt die Gottseligkeit den großen Gott und den heiligen Erlöser als Gegenstände unehrerbietigen Lärms. Die tiefgewurzelte Furcht des Herrn ist das, was nötig ist bei Alten wie bei Jungen es ist besser, vor dem Wort des Herrn zu zittern und sich zu beugen vor der unendlichen Majestät göttlicher Liebe, als sich heiser zu schreien. O, dass wir mehr von der strengen Gerechtigkeit der Puritaner oder dem inneren Gefühl der älteren Quäker hätten! Die Menschen ziehen heutzutage ihre Schuhe an und stampfen und trampeln, und wenige scheinen die Macht des Gebotes zu fühlen, das vor alters dem Mose gegeben wurde: „Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, da du auf stehest, ist ein heiliges Land.“ Die Wahrheit Gottes ist nicht dazu da, uns aufgeblasen zu machen, sondern uns vor dem Throne zu demütigen. Obadja hatte frühe Frömmigkeit der rechten Art.

Geliebte, ihr habt nicht nötig, dass ich bei diesem Punkte weitläufig mit euch über die Vorteile früher Frömmigkeit spreche. Ich will sie deshalb nur in wenigen Worten zusammenfassen. Frühe im Leben an Gott glauben, das heißt, sich viele Reue ersparen. Ein solcher wird niemals zu sagen haben, dass er in seinen Gebeinen die Sünden seiner Jugend umherträgt. Frühe Frömmigkeit hilft uns, Verbindungen für das übrige Leben zu knüpfen, die sich als hilfreich erweisen werden, und sie bewahrt uns vor schädlichen Verbindungen. Der christliche junge Mann wird nicht in die gewöhnlichen Sünden junger Männer fallen und nicht seiner Gesundheit durch Ausschweifungen schaden. Er wird sich wahrscheinlich mit einer Christin verheiraten und so eine heilige Gefährtin auf seinem Weg zum Himmel haben. Er wird zu Kameraden die erwählen, die seine Freunde in der Kirche, nicht in der Kneipe sein werden; seine Helfer in der Tugend, nicht seine Verführer zum Laster. Verlasst euch darauf, sehr viel hängt davon ab, was für Gefährten wir uns wählen, wenn wir das Leben beginnen. Wenn wir mit schlechter Gesellschaft anfangen, so ist es sehr schwer, uns von ihr loszureißen. Der, welcher früh im Leben zu Christo gebracht wird, hat diesen ferneren Vorteil, dass ihm geholfen wird, heilige Gewohnheiten sich zu bilden, er ist davor bewahrt, der Sklave der unheiligen zu werden. Gewohnheiten werden bald eine zweite Natur; neue anzunehmen ist schwere Arbeit; aber die in der Jugend angenommenen bleiben im Alter. Es ist etwas an dem Verse:

„Weit leichter ists, den Herrn zu finden,
Wenn man Ihn sucht zur Jugendzeit;
Wenn alt geworden man in Sünden,
Bricht schwer des Herzens Härtigkeit.„

Ich bin gewiss, es ist so. Überdies habe ich sehr häufig wahrgenommen, dass die, welche jung zu Christo gebracht werden, rascher und stetiger in der Gnade wachsen, als andre es tun. Sie haben nicht so viel zu verlernen und sie haben kein so schweres Gewicht alter Erinnerungen zu tragen. Die Narben und die blutenden Wunden, die davon kommen, dass man jahrelang im Dienste des Teufels gewesen ist, haben diejenigen nicht, welche der Herr in seine Gemeinde bringt, ehe sie sich weit in die Welt verirrt haben.

Was die Wirkung früher Frömmigkeit auf andre anlangt, so kann ich sie nicht zu hoch loben. Wie anziehend ist sie! Die Gnade sieht am lieblichsten in der Jugend aus. Das, was bei einem Erwachsenen nicht bemerkt werden würde, fällt dem oberflächlichsten Beobachter in einem Kinde auf. Die Gnade in einem Kinde hat eine überzeugende Form: Der Ungläubige lässt seine Waffen fallen und bewundert. Ein von einem Kinde gesprochenes Wort bleibt im Gedächtnis, und seine ungekünstelten Töne rühren das Herz. Wo des Pastoren Predigt fehlschlägt, mag des Kindes Gebet den Sieg gewinnen. Überdies gewährt Religion in Kindern denen in reiferen Jahren Ermutigung; wenn sie ein Kind errettet sehen, so sagen sie zu sich selbst: „Warum sollten wir nicht auch den Herrn finden?“ Durch eine verborgene Gewalt öffnet sie verschlossene Türen und dreht den Schlüssel im Schloss des Unglaubens um. Wo nichts andres einen Weg für die Wahrheit gewinnen konnte, hat die Liebe eines Kindes es getan. Es ist immer noch wahr: „Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast Du eine Macht zugerichtet, um Deiner Feinde willen, dass Du vertilgest den Feind und den Rachgierigen.„ Fahrt fort, fahrt fort, liebe Lehrer, diese köstliche Sache unter dem Himmel zu fördern, wahre Religion im Herzen — besonders im Herzen der Jugend.

Ich habe vielleicht zu lange Zeit bei dieser frühen Frömmigkeit verweilt und will euch deshalb nur Winke geben im zweiten Teil über ihre Resultate.

II.

Jugendliche Frömmigkeit führt weiter zu ausharrender Frömmigkeit. Obadja konnte sagen: „Dein Knecht fürchtet den Herrn von seiner Jugend auf.“ Die Zeit hatte ihn nicht verändert: was auch sein Alter gewesen sein mag, seine Religion hatte nicht gealtert. Wir lieben alle das Neue, und ich habe einige Menschen sich zum Unrecht wenden sehen, als wenn es nur zur Veränderung wäre. Nicht das schnelle zu Tode Brennen im Märtyrertum ist das Schwere; langsames Rösten vor einem Feuer ist eine viel schrecklichere Probe der Festigkeit. Fromm bleiben während eines langen Lebens der Versuchung, das heißt in der Tat fromm sein. Wenn die Gnade Gottes einen Mann wie Paulus bekehrt, der voll Drohungen gegen die Heiligen ist, so ist das ein großes Wunder, aber wenn die Gnade Gottes einen Gläubigen zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig Jahre bewahrt, so ist das ein ebenso großes Wunder und verdient mehr Lob Gottes, als es gewöhnlich einflößt. Obadja war nicht durch den Verlauf der Zeit berührt; er ward im Alter noch als das erfunden, was er in der Jugend war.

Ebensowenig ließ er sich durch die Mode in jenen bösen Zeiten fortreißen. Ein Knecht Jehovahs zu sein, galt für etwas Gemeines, Altmodisches, Unwissendes, Veraltetes; die Verehrung Baals war das neuere Denken der damaligen Zeit. Der ganze Hof wandelte dem Gotte Sidons nach, und alle Höflinge gingen denselben Weg, Se. Exzellenz verehrte Baal, und Ihro Exzellenz verehrte Baal, denn Ihro Majestät verehrten Baal; aber Obadja sagte: „Dein Knecht fürchtet den Herrn von seiner Jugend auf.„ Selig ist der Mann, der sich nicht um die Mode kümmert, denn sie vergeht. Wenn eine Zeitlang das Böse im Schwunge ist, was hat der Gläubige zu tun, als fest beim Rechten zu bleiben? Auf Obadja wirkte nicht einmal das Fehlen der Gnadenmittel ein. Die Priester und Leviten waren nach Juda geflohen, die Propheten waren getötet oder verborgen, und es war kein öffentlicher Gottesdienst in Israel. Der Tempel war weit weg in Jerusalem; deshalb hatte Obadja keine Gelegenheit, etwas zu hören, was ihn stärken oder anregen konnte; doch war sein Gang fest geblieben. Ich möchte wissen, wie lange einige Christen ihr Bekenntnis aufrecht halten würden, wenn keine Gotteshäuser, keine christlichen Verbindungen, keine Predigten des Wortes wären; aber dieses Mannes Gottesfurcht war so tief, dass das Fehlen dessen, was gewöhnlich zur Erhaltung der Frömmigkeit nötig ist, keine Abnahme bei ihm bewirkte. Mögen ihr und ich persönlich im Verborgenen unserer Seele von dem Herrn Jesu gespeiset werden, so dass wir wachsen können, ob wir auch weit entfernt von einem fördernden Predigtamte sind. Möge der Heilige Geist uns fest und unbewegt machen immerdar.

Hierzu kamen noch die Schwierigkeiten seiner Stellung. Er war Kämmerer des Palastes. Wenn er Isebel gefällig gewesen und Baal verehrt hätte, so würde er es viel leichter in seiner Stellung gehabt haben, denn er hätte ihre königliche Gönnerschaft genossen; aber da war er: Hofmeister in Ahabs Hause, und doch fürchtete er Jehovah. Er muss sehr sanft gegangen, und seine Worte sehr sorgfältig bewacht haben. Mich wunderts nicht, dass er ein sehr sorgfältiger Mann ward, und sogar vor Elia ein wenig bange war, und meinte, dieser gäbe ihm einen Auftrag, der zu seinem Verderben führen würde. Er war ungemein behutsam geworden, und sah die Dinge von allen Seiten an, um weder sein Gewissen zu verletzten, noch seine Stellung zu gefährden. Es gehört ein ungewöhnlich weiser Mann dazu, dies zu tun, aber wer es vollbringen kann, der verdient Lob. Er lief nicht aus seinem Amte fort, und trat nicht von seiner Religion zurück. Wenn er gezwungen worden wäre, Unrecht zu tun, so bin ich gewiss, er hätte es den Priestern und Leviten gleichgemacht und wäre nach Juda geflohen, wo die Verehrung Jehovahs fortdauerte; aber er fühlte, dass er, ohne der Abgötterei sich hinzugeben, in seiner günstigen Stellung etwas für Gott tun könne, und deshalb beschloss er zu bleiben, und es auszufechten. Wenn keine Hoffnung des Sieges da ist, kann man sich ebensowohl zurückziehen; aber der ist ein tapferer Mann, der, wenn das Horn zum Rückzug bläst, es nicht hört, der sein blindes Auge an das Teleskop legt, und das Signal zum Aufhören mit Feuern nicht sehen kann, sondern seine Stellung gegen alle Übermacht behauptet, und dem Feinde soviel Schaden tut, wie er nur kann. Obadja war ein Mann, der in der Tat „die Festung hielt,“ denn er fühlte, wenn alle Propheten von Isebel zum Tode verurteilt wären, so sei es seine Pflicht, in der Nähe der Tigerin zu bleiben, und das Leben von wenigstens hundert Knechten Gottes aus ihrer grausamen Gewalt zu retten. Wenn er nicht mehr tun könnte, so hätte er doch nicht vergeblich gelebt, wenn er soviel vollbracht hätte. Ich bewundere den Mann, dessen Entschiedenheit seiner Klugheit gleich kam, obgleich ich es sehr fürchten würde, einen so gefährlichen Platz einzunehmen. Sein Weg war ähnlich wie ein Gehen auf dem Seile mit Blondin. Ich möchte selbst es nicht versuchen, und möchte euch nicht empfehlen, eine so schwierige Aufgabe zu unternehmen. Die Stellung des Elia ist viel sicherer und großartiger. Des Propheten Weg war deutlich genug; er hatte Ahab nicht zu gefallen, sondern ihn zu tadeln; er hatte nicht behutsam zu sein, sondern in kühner, offener Weise für den Gott Israels zu handeln. Als ein wieviel größerer Mann erscheint er, wenn die zwei in dem Auftritte vor uns zusammenstehen. Obadja fällt auf sein Antlitz und nennt ihm „Mein Herr Elia;„ und wohl mochte er das, denn moralisch stand er weit unter ihm. Doch ich muss nicht selbst in Elias Ton fallen, damit ich mir nicht selber einen scharfen Verweis zu erteilen habe. Es war ein Großes, dass Obadja den Haushalt Ahabs leiten konnte mit Isebel darin, und doch trotz all dessen das Lob von dem Geiste Gottes gewinnen, dass er den Herrn sehr fürchtete.

Er beharrte in seiner Frömmigkeit auch ungeachtet seines Erfolges im Leben; und das spricht meiner Meinung nach sehr für ihn. Es ist nichts gefährlicher für einen Menschen, als in dieser Welt Glück zu haben und reich und angesehen zu werden. Natürlich wünschen wir es, begehren es, streben danach; aber wie mancher hat, indem er dies erlangte, an geistlichem Reichtum alles verloren! Er pflegte das Volk Gottes zu lieben, und nun sagt er: „Sie sind eine vulgäre Art Leute.“ So lange er das Evangelium hören konnte, kümmerte er sich nicht um den Baustil des Hauses; aber jetzt ist er ästhetisch geworden, muss einen Kirchturm haben, gotischen Stil, eine marmorne Kanzel, priesterlichen Putz, ein Gewächshaus in der Kirche, und alle Arten hübscher Sachen. Wie er seine Taschen gefüllt hat, so hat er seinen Kopf geleert, und insbesondere sein Herz geleert. Er ist von der Wahrheit und von Grundsätzen abgewichen in demselben Verhältnis, in dem er im Erwerben von Besitztümern fortgeschritten ist. Dies ist etwas Niedriges, er wäre einst der Erste gewesen, der es verurteilt hätte. Es ist nichts Ritterliches in solcher Aufführung, sie ist feige bis zum äußersten Grade. Gott bewahre uns davor; aber sehr viele Leute sind nicht davor bewahrt. Ihre Religion ist nicht eine Sache des Grundsatzes, sondern eine Sache des Urteils: sie ist nicht das Trachten nach Wahrheit, sondern ein Streben nach der Gesellschaft, was immer dies Wort bedeuten mag; dieser Leute Ziel ist nicht, Gott zu verherrlichen, sondern reiche Männer für ihre Töchter zu bekommen; es ist nicht das Gewissen, was sie leitet, sondern die Hoffnung, imstande zu sein, den Herrn Baron zum Diner einzuladen oder bei ihm auf seinem Schlosse zu speisen. Meint nicht, ich sei sarkastisch: ich spreche in nüchterner Traurigkeit von Dingen, die einem Scham erwecken. Ich höre täglich davon, obwohl sie mich oder diese Gemeinde nicht persönlich angehen. Dies ist ein Zeitalter der Gemeinheit, verkleidet unter dem Schein von Respektabilität. Gott sende uns Männer von dem Stoffe des John Knox, oder, wenn ihrs lieber wollt, von dem adamantnen Stoff des Elia; und wenn diese sich als zu steif und streng erweisen sollten, so könnten wir selbst mit solchen Männern wie Obadja zufrieden sein. Möglicherweise sind diese letzteren schwerer hervorzubringen als die Elia: bei Gott sind alle Dinge möglich.

III.

Obadja wurde bei seiner frühen Gnade und beharrlichen Entschiedenheit ein Mann von hoher Frömmigkeit, und dies ist umso merkwürdiger, wenn man erwägt, was er war und wo er war. Hohe Frömmigkeit beim Oberhofmeister an Ahabs Hof! Dies ist in der Tat ein Wunder der Gnade. Dieses Mannes Religion war stark in ihm. Wenn er nicht den offenen Gebrauch davon machte, wie Elia es tat, er war nicht zu solchem Gange berufen; aber sie wohnte tief in seiner Seele, und andre wussten es. Isebel wusste es, daran habe ich gar keinen Zweifel. Sie mochte ihn nicht, aber sie musste ihn ertragen; sie sah ihn mit scheelen Blicken an, aber sie konnte ihn nicht wegbringen. Ahab hatte gelernt, ihm zu vertrauen, und konnte ihn nicht entbehren, denn wahrscheinlich versah er ihn mit ein klein wenig Geistesstärke. Möglicherweise wollte Abhab ihn behalten, gerade um Isebel zu zeigen, dass er hartnäckig sein könnte, wenn er wollte, und immer noch ein Mann sei. Ich habe bemerkt, dass die nachgiebigsten Männer irgend eine Vorstellung davon aufrecht zu halten suchen, dass sie nicht gänzlich von ihren Frauen beherrscht werden, und es ist möglich, dass Ahab um dieser Ursache willen Obadja in seiner Stellung behielt. Jedenfalls war er da, und er gab nie Ahabs Sünde nach, und unterstützte seine Abgötterei nicht. Erklärt es, wie ihr könnt, es ist ein sonderbarer Umstand, dass im Mittelpunkt der Empörung gegen Gott einer war, dessen Verehrung Gottes innig und ausgezeichnet war. Wie es entsetzlich ist, einen Judas unter den Aposteln zu finden, so ist es groß, einen Obadja unter Ahabs Höflingen zu entdecken. Was für Gnade muss tätig gewesen sein, solch ein Feuer inmitten des Meeres, solche Gottseligkeit inmitten der schändlichsten Gottlosigkeit zu erhalten!

Und seine hohe Frömmigkeit war sehr praktisch; denn als Isebel die Propheten tötete, verbarg er hundert vor ihr. Ich weiß nicht, wie viele Diener des Herrn ihr versorget, aber ich habe nicht das Vergnügen, irgend einen Herrn zu kennen, der hundert Prediger unterhält; dieses Mannes Gastfreundschaft war in großem Maßstäbe. Er nährte sie mit dem Besten, was er für sie finden konnte, und wagte sein Leben für sie, indem er sie in Höhlen vor den Nachforschungen der Königin versteckte. Er zog nicht nur seine Börse, sondern setzte sein Leben aufs Spiel, da ein Preis auf die Köpfe dieser Männer gesetzt war. Wie viele von uns würden ihr Leben in Gefahr bringen für einen von den Dienern des Herrn? Jedenfalls brachte Obadjas Gottesfurcht köstliche Frucht hervor und erwies sich als eine mächtige Triebkraft zum Handeln.

Seine Gottseligkeit war auch eine solche, dass sie von den Gläubigen jener Zeit anerkannt wurde. Ich bin dessen gewiss, weil Obadja zu Elia sagte: „Ist es meinem Herrn nicht angesagt, wie ich des Herrn Propheten versteckt habe?„ Nun, Elia war das wohlbekannte Haupt und der Führer der Nachfolger Jehovahs in dem ganzen Volk, und Obadja war etwas erstaunt, dass nicht jemand dem großen Propheten von seinem Thun erzählt hatte; so dass seine großmütige Tat, obwohl sie der Isebel und den Baaliten verborgen geblieben, doch unter den Dienern des lebendigen Gottes wohl bekannt war. Er stand in gutem Ruf bei denen, deren gute Meinung des Habens wert ist; man flüsterte unter ihnen, dass sie einen Freund bei Hofe hätten, dass der Kämmerer auf ihrer Seite sei. Wenn jemand einen Propheten retten konnte, so konnte er es, und deshalb fühlten die Propheten sich sicher, als sie sich seiner Obhut übergaben; sie wussten, dass er sie nicht der blutdürstigen Isebel verraten würde. Ihr Kommen zu ihm und ihr Vertrauen auf ihn zeigt, dass seine Treue wohl bekannt und hoch geschätzt war. So war er stark genug in der Gnade, um als ein Führer von der gottesfürchtigen Partei betrachtet zu werden.

Er selbst kannte augenscheinlich Elia und hielt es nicht unter seiner Würde, ihm sofort die äußerste Ehrfurcht zu erzeigen. Der Prophet Gottes, der in diesem Augenblick von allen Menschen gehasst wurde um des Strafgerichtes willen, das durch ihn ergangen war, und der ganz besonders vom König verfolgt wurde, ward von diesem Manne geehrt. Frühe Frömmigkeit wird oft hohe Frömmigkeit; der Mann, der wahrscheinlich Gott sehr fürchten wird, ist der, welcher Gott frühe dient. Ihr kennt das alte Sprichwort: „Morgenstunde hat Gold im Munde.“ Es lässt sich auf die Religion wie auf alles andre anwenden. Wer das Gold der Gottseligkeit will, muss Gott in der Morgenstunde suchen. Wer großen Fortschritt auf dem Wege zum Himmel machen will, darf keinen Augenblick verlieren. Lasst mich die jungen Leute ermahnen, daran zu denken und ihr Herz eben jetzt Gott zu geben. Sonntagsschullehrer, ihr mögt heute die Männer erziehen, welche in künftigen Jahren die Wahrheit in diesem Lande lebendig erhalten werden, die Männer, welche für Gottes Diener sorgen und ihre besten Verbündeten sein werden, die Männer und Frauen, die Seelen für Christum gewinnen werden. Fahrt fort mit eurem heiligen Werk. Ihr wisst nicht, wen ihr um euch habt. Ihr mögt wohl dem Lehrer nachahmen, der seinen Hut vor den Knaben in seiner Schule abnahm, weil er nicht wusste, was noch aus ihnen werden würde. Habt eine sehr hohe Meinung von eurer Klasse; ihr könnt nicht sagen, wer darin sein mag; aber gewiss mögt ihr die darin haben, welche in künftigen Jahren Pfeiler in dem Hause Gottes sein werden.

IV.

Obadjas frühe Frömmigkeit wurde ihm später tröstende Frömmigkeit. Als er glaubte, Elia sei im Begriff, ihn großer Gefahr auszusetzen, machte er seinen langen Dienst Gottes geltend und sagte: „Dein Knecht fürchtet den Herrn von Jugend auf;„ gerade wie David, als er alt wurde, sprach: „Gott, Du hast mich von Jugend auf gelehrt; darum verkündige ich Deine Wunder. Auch verlass mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde.“ Es wird ein großer Trost für euch junge Leute sein, wenn ihr alt werdet, auf ein im Dienste Gottes zugebrachtes Leben zurückzublicken. Ihr werdet nicht darauf vertrauen, ihr werdet nicht denken, dass irgend ein Verdienst darin ist; aber ihr werdet Gott dafür danken. Ein Knecht, der von Jugend auf bei seinem Herrn gewesen ist, sollte nicht hinausgestoßen werden, wenn er grau wird. Ein wohldenkender Herr achtet einen, der ihm lange und gut gedient hat. Gesetzt, in eurem Hause lebte eine alte Frau, die euch als Kind gewartet und später eure Kinder gepflegt hätte, würdet ihr sie auf die Straße hinausweisen, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr tun könnte? Nein, ihr werdet euer Bestes für sie tun; wenn es in eurer Macht steht, werdet ihr sie nicht ins Arbeitshaus gehen lassen. Nun, der Herr ist viel freundlicher und gnädiger als wir, und Er wird nicht seine alten Diener verstoßen. Ich rufe zuweilen:

„Entlass mich nicht aus Deinem Dienst.
Gib mir nach Deinem Willen
Auf Deinem großen Arbeitsfeld
Noch Pflichten zu erfüllen.
Ich will begehren keinen Lohn.
Nur Dir zu dienen, Gottes Sohn.„

Ich sehe die Zeit vorher, wo ich nicht mehr alles werde tun können, was ich jetzt tue. Ihr und ich können ein wenig vorwärts sehen auf die nahende Periode, wo wir aus den mittleren Jahren in die Zeit der abnehmenden Kräfte hinübergehen, und wir mögen versichert sein, dass unser Herr bis zuletzt für uns Sorge tragen wird, lasst uns fleißig sein, Ihm zu dienen, so lange wir Kraft und Gesundheit haben, und wir können gewiss sein, dass Er nicht so ungerecht ist, unser Glaubenswerk und unsre Liebesarbeit zu vergessen. Es ist nicht seine Art. „Wie Er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende.“ Das ward von seinem Sohne gesagt, und es kann auch vom Vater gesagt werden. O, glaubt mir, es gibt keine bessere Krücke, auf die ein Greis sich lehnen kann, als die Tatsache der Liebe Gottes zu ihm, da er jung war. Ihr könnt keine bessere Aussicht von eurem Fenster haben, wenn eure Augen trübe werden, als die Erinnerung daran, wie ihr dem Herrn in den Tagen eurer Jugend nachfolgtet und eure Kraft seinem Dienste widmetet.

Lieben jungen Leute, wenn einige von euch in Sünden leben, so bitte ich euch, daran zu gedenken, dass ihr, wenn ihr heute die Vergnügungen der Welt sucht, später dafür zu zahlen haben werdet. „Tue, was dein Herz gelüstet und deinen Augen gefällt; und wisse, dass dich Gott um dies alles wird vor Gericht führen.„ Wenn deine Kindheit Eitelkeit, und deine Jugend Gottlosigkeit ist, so werden deine späteren Tage Kummer sein. O, dass du weise wärest und Christo deine Blume in ihrer Knospe mit all ihrer Schönheit darbrächtest! Du kannst nicht zu früh heilig sein, denn du kannst nicht zu früh glücklich sein. Ein wahrhaft fröhliches Leben muss in des großen Vaters Hause beginnen.

Und ihr, Lehrer, fahrt fort, die Jugend die Wege Gottes zu lehren. In unsren Tagen gibt der Staat ihr weltlichen Unterricht den ganzen Tag lang, sechs Tage in der Woche; und religiöse Unterweisung ist sehr nötig, um das Gleichgewicht zu halten, sonst werden wir bald ein Volk von Ungläubigen werden. Weltlicher Unterricht ist sehr gut und heilsam; wir stellen uns nie irgend einer Art von Licht entgegen; aber Unterricht, mit dem nicht Religion verbunden ist, wird einfach den Menschen helfen, größere Schurken zu sein, als sie ohne denselben sein würden. Ein Spitzbube mit einem Brecheisen ist schlimm genug, aber ein Spitzbube mit einer Feder und einer Reihe falscher Rechnungsablagen beraubt hundert, wo der andre einen. Unter unsrem jetzigen System werden die Kinder mit größerer Fähigkeit, Schaden zu tun, aufwachsen, wenn nicht die Furcht des Herrn ihnen vor Augen gestellt wird, und sie die Schrift und das Evangelium unsres Herrn Jesu lernen. Statt in den Bemühungen der Sonntagsschule nachzulassen, werden wir weise sein, wenn wir sie sehr vermehren.

Zu euch, die ihr alt in Sünden geworden seid, kann ich nicht von früher Frömmigkeit sprechen; aber es ist eine Stelle in der Schrift, die euch große Hoffnung geben sollte. Denkt daran, wie der Hausvater ausging um die dritte, die sechste, die neunte und zuletzt um die elfte Stunde und immer noch einige müßig am Markt stehen fand. Es war spät, nicht wahr? Sehr spät. Aber, gelobt sei Gott, es war nicht zu spät. Sie hatten nur noch eine Stunde übrig, aber der Herr sprach: „Geht ihr auch hin in den Weinberg; und was recht sein wird, soll euch werden.“ Nun, ihr Leute der elften Stunde, ihr Leute von sechzig, fünfundsechzig, siebzig, fünfundsiebzig, achtzig, ich wollte bis hundert fortfahren, wenn ich dächte, dass hier einige von solchem Alter wären, ihr dürft immer noch kommen, und in den Dienst des gnadenreichen Herrn eintreten, der euch euren Groschen am Schlusse des Tages geben wird, wie Er ihn den übrigen Arbeitern gibt. Der Herr bringe euch heim zu seinen Füßen durch Glauben an Christum. Amen.

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