Spurgeon, Charles Haddon - Das Halten Gottes

Spurgeon, Charles Haddon - Das Halten Gottes

Gehalten am Sonntag, den 7. Oktober 1877

„Niemand ruft deinen Namen oder macht sich auf, dass er dich halte.“ – Jesaja 64,7

Jesaja beschreibt in dem vorliegenden Kapitel einen sehr traurigen Zustand des Volkes Gottes. Er sieht ihn als so verzweifelt an, dass er nach einer göttlichen Dazwischenkunft seufzt: „Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab.“ Er sieht, die Leute waren so in Schlummer versunken, so gänzlich unter der Herrschaft ihrer Sünden, dass, wenn nicht Gott selbst mit aller Macht und allem Schrecken den Sinai herabkäme, das Volk ganz in seinen Missetaten verderben würde, wie dürres Laub von starkem Winde hinweggeweht wird. Er sehnte sich nach einem schmelzenden Feuer, um ihre harten Herzen zu erweichen; nach einer raschen Flamme, wie sie das Gebüsch am Bergabhang verzehrt, um ihrem falschen Vertrauen ein schnelles Ende zu machen; und nach einer brennenden Hitze, wie sie das Wasser siedend macht, um die Lauheit derer zu besiegen, die den Herrn zu verehren behaupteten.

Ich meine nicht, dass der Zustand der Kirche Gottes in der Gegenwart ganz so schlecht ist, wie der hier beschriebene. Es würde unrecht sein, uns unseres Zustandes zu rühmen, aber es wäre schlimmer, daran zu verzweifeln. Es wäre nicht ehrlich, die Worte des Textes auf die Kirche des heutigen Tages anzuwenden. Gott sei gelobt, wir können nicht sagen: „Niemand ruft deinen Namen an oder macht sich auf, dass er dich halte“; denn es gibt viele, die Tag und Nacht für das Wohlergehen Zions flehen. Doch bis zu einem gewissen Grad sind wir ungefähr in derselben Verfassung wie die, welche der Prophet hier beschreibt, und es ist vieles da, worüber man trauern muss. Das Gebet ist matt in vielen Kirchen, kräftige Fürbitte ist keineswegs eine häufige Gabe und Betstunden sind in der Regel schwach besucht und nicht hoch geschätzt. Sünde ist reichlich, leeres Bekenntnis ist häufig, Heuchelei ist viel da und das Leben Gottes in der Seele ist nur wenig geachtet.

Beachtet sorgfältig, dass nach unserem Text der Prophet viel von diesem Übel, das er beklagt, auf den Mangel an Gebet zurückführt. Nachdem er all ihre Gerechtigkeit einem unflätigen Kleide verglichen hat, fügt er hinzu: „Niemand ruft deinen Namen an oder macht sich auf, dass er dich halte.“ Wo eine Entartung der öffentlichen Sitte ist, könnt ihr gewiss sein, da ist auch eine ernste Abnahme verborgener Andacht. Wenn der äußere Gottesdienst einer Kirche abnimmt und ihre Heiligkeit sich verringert, seid gewiss, da ist ihr Umgang mit Gott in trauriger Weise unterbrochen worden. Andacht wird als die Grundlage der Heiligkeit und die Stütze der Rechtlichkeit erfunden werden. Wenn ihr im Verborgenen vor Gott rückfällig werdet, werdet ihr bald öffentlich vor Menschen irren. Ihr mögt euch selber richten, meine lieben Hörer, was euren Seelenzustand betrifft nach der Stellung eures Herzens im Gebet. Wie seid ihr vor dem Gnadenstuhl? Denn s o seid ihr wirklich. Habt ihr der Tröstungen Gottes wenige? Das ist eine geringere Sache; blickt tiefer – ist nicht ein Mangel an Gebet da vor dem lebendigen Gott? Findet ihr euch schwach in der Versuchung? Das ist wichtig; aber forscht unter der Oberfläche und ihr werdet finden, dass ihr träge im Beten geworden seid und die beständige Gemeinschaft mit Gott nicht aufrecht gehalten habt.

Der Prophet enthüllt hier auch das wahre Wesen und die wahre Seele des Gebets. Es ist ein Sich-Aufmachen, um Gott zu halten. Wenn wir im Gebet nicht Gott halten, so haben wir nur schwach gebetet, wenn überhaupt. Die Seele der Andacht liegt in der Empfindung der göttlichen Gegenwart, in dem Verkehr mit Gott als mit einer wirklichen Person, in fester Zuversicht auf seine Treue – mit einem Wort – in dem „Halten“ seiner. Die Menschen halten nicht einen Schatten, sie können nicht das unwirkliche Gebilde eines Traumes ergreifen. Halten setzt etwas Wirkliches voraus, das wir erfassen; und um das Gebet wahrhaft und vor Gott annehmbar zu machen, bedarf es des Ergreifens und Erfassens eines ausdauernden Glaubens, der die Tatsache glaubt, dass Gott ist und dass er denen vergibt, die ihn mit Ernst suchen. Halten deutet eine ehrfurchtsvolle Vertraulichkeit mit dem Herrn an, durch welche wir einen heiligen Zwang gebrauchen, um einen Segen von seiner Hand zu gewinnen. Weil so wenig von diesem in Israel war, geriet das Volk in solch verlorenen Zustand; und wenn ihr die Übel der Kirche heutigentags bis auf ihre Quelle verfolgt, so wird es dies sein, dass so Wenige sind, die sich aufmachen, den lebendigen Gott zu halten, so Wenige, die um geistliche Dinge in vollem Ernste kämpfen und sie mit entschlossenem Glauben vor den Herrn bringen. Ein Elias ist heutzutage selten und ein Jakob schwer zu finden. Seht ihr nicht, wie Viele es gibt, deren Religion nichts als äußeres Werk ist, sie besteht in dem Besuche des Gottesdienstes so und so viele Male am Sonntag, dem Lesen von Gebeten in der Familie, der Wiederholung einer Andachtsform Abends und Morgens und vielleicht in dem mechanischen Lesen eines Kapitels der Bibel; aber es ist kein Bewusstsein der Nähe Gottes, kein Umgang mit ihm; kein Halten seiner. Das „Du, Gott, siehest mich“ der Hagar in der Wüste kam nie über ihre Lippen, noch riefen sie je mit David: „An dir allein habe ich gesündigt und Übel vor dir getan.“ Gott ist weit weg von ihnen, selbst wenn sie beten; es kommt ihnen nie in den Sinn, dass sie in sein Ohr sprechen. Sie glauben, dass ein Gott ist, aber sie handeln, als wäre keiner. Er beeinflusst sie nicht, ihr Leben ist nicht von seiner Gegenwart beseelt oder durch sein Lächeln veredelt. Ihre Religion ist, so weit es ihr Tun betrifft, gottlos und deshalb wertlos. Vergeblich ist’s, dass sie regelmässig beim Gottesdienst sind und aufmerksam bei den Predigten, wenn ihre Herzen nicht Gott selber erreichen. Ihr Gottesdienst mag in jeder Hinsicht ordentlich und gebührend sein, aber wenn kein Halten Gottes da ist, so ist er leblos und nutzlos; ein verziertes Grab und nicht ein Tempel. „Gott mit uns“, durch seinen Geist beweist, dass wir errettet sind.

Gott zu halten ist nicht die Tat eines toten Menschen, noch eines, dem es an geistlicher Empfindung mangelt; es ist die Tat eines, der lebendig gemacht und lebendig erhalten wird durch die innewohnende Kraft des Heiligen Geistes. Die, welche in Feindschaft mit Gott leben, können und wollen ihn nicht halten, denn sie sagen zu Gott: „Hebe dich von uns; wir wollen von deinen Wegen nichts wissen.“

Die Menschen tun dies andere eher, als sich aufmachen, um Gott zu halten: sie bauen Kirchen und errichten Altäre und lesen Messen und unternehmen Pilgerfahrten und tausend andere Dinge, aber sie brauchen Gott nicht und wollen ihn nicht haben. Eine Reihe von äußeren Handlungen vollbringen ist sehr leichtes Werk, verglichen mit Denken, Betrachtung und Übergabe des Herzens. Du kannst dich in religiösen Dingen dem blinden Pferde des Ziegelbrenners gleich machen, das in seiner Mühle beständig in der Runde geht, aber nichts davon weiß, was es tut. Solche Verehrung achtet Gott nicht: ebensowohl könnten wir Automaten hinsetzen, um zu beten und Wachsfiguren in der Kirche aus- und eingehen lassen. Gott ist ein Geist, und einen Geist ergreifen ist kein Alltagswerk. Nur ein geistlicher Mensch kann etwas von der Art tun oder wissen, was es bedeutet. Ein Mensch muss sich aufmachen und alle seine Fähigkeiten müssen aufgeweckt sein, und seine ganze geistige und geistliche Natur muss zu energischem Handeln erregt werden, ehe er dieses Geheimnis verstehen und ihn halten kann, der Himmel und Erde machte, der von dem Auge nicht gesehen und vom Ohr nicht gehört wird, und nur von dem innern Geist des Menschen zu erfassen ist. Ich bitte Gott, dass ich helfen möge, wenn es ihm gefällt, viele anzuspornen, den Herrn zu halten von ganzer Seele, ganzem Herzen und Gemüte. Wenn das der Fall wäre, würde es ein großer Segen für die Kirchen sein, zu denen ihr gehört und die Kreise, in denen ihr euch bewegt.

Für jetzt will ich nicht mehr versuchen als die Beschreibung verschiedener Weisen, in denen zu dieser Zeit es sehr erwünscht ist, Gott zu halten. Dieselbe Sache wird auf den verschiedenen Stufen des geistlichen Lebens in verschiedenen Formen gesehen, lasst mich vier der nötigsten bezeichnen; und möge der Heilige Geist einige von uns befähigen, sich aufzumachen für das heilige Bemühen.

I.

Die erste Form des Haltens, welche im Text gemeint ist, ist die, in welcher der erweckte Sünder Gott hält; und hier hoffe ich, zu vielen unter euch hier Gegenwärtigen zu reden, die aufrichtig verlagen, jetzt Errettung zu finden. Wenn ihr wirklich wünscht, mit Gott versöhnt zu werden und Vergebung von dem großen Vater zu erlangen, hört mir mit Fleiß zu und hört, auf dass eure Seele lebe. Eure einzige Hoffnung liegt in dem Halten Gottes. Fahrt nicht zurück, sondern hört und gehorcht. Es ist eine große Herablassung von des Herrn Seite, dass er es so gestattet, aber es ist so, wenn er seinen rechten Arm erhebt, euch zu schlagen, so liegt eure Sicherheit darin, eben diese Hand zu ergreifen, die anscheinend zu eurem Verderben ausgestreckt ist. Er spricht durch den Mund des Propheten: „Lass ihn mich halten bei meiner Kraft und lass ihn Frieden mit mir machen.“ Wie ein Kind, wenn der Vater im Begriff ist, es zu züchtigen, oft seine Hand ergreift und mit vielen Tränen ihn bittet, die Rute wegzulegen, so werdet ihr tun, wenn ihr weislich handelt. Ihr müsst, sozusagen, in Gott hineinlaufen, und in demselben Felsen Schutz suchen, der euch droht. Obgleich er ein Verderber scheint, so werdet ihr in ihm euren Heiland finden, sobald ihr ihm nur trauen könnt. Ihr müsst sagen wie John Bunyan einst, „ich war so voll Angst, dass ich zu Christo gelaufen wäre, selbst wenn er da gestanden mit einer Pike in der Hand, ja, ich wäre lieber gerade auf die Spitze derselben gelaufen, als dass ich noch länger geblieben, was ich war.“ Es ist ein so elendes Ding, ohne Gott zu sein, dass man fröhlich jedes Leiden wagen kann, um ihm nahe zu kommen, obgleich in Wahrheit nichts zu fürchten ist. Es hat Gott gefallen, sich in der Person seines lieben Sohnes Jesu Christi zu offenbaren, der für das Heil der Menschen lebte und starb; und wer Gott trauen will, wie er in Jesu Christo geoffenbart ist, wird die Vergebung für alle seine Sünden finden, eine neue Natur erhalten, in ein neues Leben eintreten und der Erbe einer seligen Unsterblichkeit sein. Dies ist der Weg des Heils, den Gott vorschreibt, nämlich, dass ihr sogleich von ganzem Herzen seinem Sohne [ver]traut.

Wie seltsam dieser Weg euch dünken mag, richtet nicht nach dem Augenschein, sondern nehmt an, was der Herr euch bietet. Was Gott für euch am besten hält, muss das Beste für euch sein; wenn es euren Schöpfer befriedigt, so kann es euch befriedigen. Aber in Wahrheit habt ihr keine Wahl: euch ist nur diese eine Weise der Erlösung offen. Vertrauen auf Christus wird euch erretten, aber „es ist kein anderer Name den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden“. Versteht ihr mich? Der Weg des Lebens ist, Gott zu halten in Christo Jesu. Ihr seid der Sünde beschuldigt, leugnet sie nicht, denn das würde euer Verderben sein: ergreift die Anklage und bekennt sie. Steht, wo die Anklage euch hinstellt, in bewusster Schuld und tut Buße: dann wendet euch zu Gott und sagt zu ihm: „Es steht in deinem eigenen Wort geschrieben: Das ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen. Herr, d u weißt, dass ich ein Sünder bin und fühle es auch. Ich werfe mich auf dies gewisslich wahre Wort und vertraue mich, dass du mich durch Jesum Christum, deinen Sohn errettest.“ Dies heißt Gott halten, und wenn du das getan hast, wirst du Errettung finden, ja, du bist errettet.

Ich meine, ich höre dich sagen: „Aber wie soll ich Gott halten? Ich bin so schlecht, so schwach, so fern von ihm.“ Er hat dir viele Punkte gegeben, bei denen du ihn fassen kannst. Du kannst einige seiner Eigenschaften ergreifen, besonders seine Barmherzigkeit. „Er hat Gefallen an Barmherzigkeit.“ Kannst du dem Gott nicht trauen, der bereit ist zu vergeben, und sich sehnt, sein rückkehrendes Kind zu empfangen? Gedenke an sein liebreiches Erbarmen, an die Menge seiner Wohltaten und rufe dir die Tatsache ins Gedächtnis, dass er erklärt hat, er habe keinen Gefallen am Tode dessen, der da stirbt, sondern dass er sich bekehre und lebe. Kannst du nicht Anker werfen in dem Hafen der grenzenlosen Barmherzigkeit, wie sie in dem Kommen des göttlichen Heilandes gesehen wird? Kann dein Glaube nicht festen Fuß fassen auf jenem gesegneten und gewissen Worte: „Seine Güte währet ewiglich?“ Dies ist der Stern in der Nacht des Sünders, das Morgenrot seiner Hoffnung. Es ist Vergebung bei Gott, dass man sich fürchte; bei ihm ist viel Erlösung. O, arme, sinkende Seele, ergreife dies, glaube, dass Gott um Christi willen den Schuldigen begnadigen kann und bitte ihn, dies bei dir zu tun. Berufe dich hierauf und es wird dir nicht misslingen.

Vielleicht kann deine Seele besser auf eine Verheissung bauen. Wohl, es macht wenig aus, welche von ihnen es ist, denn obgleich ihrer sehr viele sind, so sind sie doch alle gleich sicher; aber versuche, den Herrn zu ergreifen bei der einen oder anderen jener Handhaben, die er besonders für suchende Seelen gegeben hat. Halte ihn bei einem Worte wie diesem: „Der Gottlose lasse von seinem Wege, und der Übeltäter seine Gedanken, und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen; und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung.“ Oder ergreife jene andere gnädige Aufforderung: „So kommt denn und lasst uns miteinander rechten“, spricht der Herr. „Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden; und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden.“ Es gibt viele solcher Gnadenworte, und wie ich schon sagte, sie sind alle gleich gewiss. Wie die großen Landstraßen, die alle in der Hauptstadt zusammentreffen, so wird jede Verheißung euch zu Gott führen. Ergreift mit eurer Glaubenshand diejenige, welche eurem Charakter und Zustand am besten zusagt und ihr seid sogleich in Berührung mit Gott: aber ergreift sie wirklich und spielt nicht mit der Verheißung und zweifelt nicht an ihr. O Sünder, erhebe dich, um das liebevolle Wort zu hören; nimm es ernst, Mann, denn es ist dein Leben, und wenn du es einmal erfasst hast, so lass deinen Griff sein wie ein eiserner Schraubstock und ziehe die Verheißung zu dir wie mit Haken und Stahl. Bitte: „Du hast es gesagt, o Gott, und ich glaube es und ich blicke vertrauend auf dich, du wirst dein Wort halten. Auf deine Verheißung verlasse ich mich und bin überzeugt, du wirst sie wahr machen.“

Vielleicht wird die Person Jesu Christi dir einen Halt darbieten. Bedenke, wer und was er war, und bedenke, was immer Christus war, das ist Gott auch, denn er selber bezeugt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Erinnert euch, wie Jesus diese Liebesbotschaft ausdrückt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Könnt ihr nicht dem Sanftmütigen und von Herzen Demütigen trauen? Sagt, könnt ihr nicht bereitwillig Jesus trauen? Fürchtet ihr Immanuel oder schreckt ihr vor dem Lamm Gottes zurück? Blutend am Holz, keinen Donner in seiner Hand, keinen Schrecken auf seiner Stirn, könnt ihr nicht auf ihn eure Zuversicht stellen? Sein sterbender Leib ladet die Menschenkinder durch jede Wunde ein, in dem gespaltenen Felsen Zuflucht zu finden. Ergreift Gott sogleich mit fester Hand. Der Leib seines menschgewordenen Sohnes und all sein Tun und Leiden stehen vor euch wie Anziehungspunkte. Wendet euch nicht ab, sondern lasst den Gott der Liebe euer Gott jetzt und auf ewig sein.

Könnt ihr ihn nicht halten durch das Evangelium; das Evangelium, welches den Gottlosesten Heil anbietet? Was sagt ihr hierzu: „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du selig.“ „Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“ „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“ Wie viele haben Gott ergriffen durch dieses köstliche Wort! Es steht wie eine offene Tür, weit genug, um selbst einen Riesen der Sünde einzulassen. Einige, die nirgends anders Ruhe finden konnten, haben dadurch Ermutigung gefunden und sogleich Frieden mit Gott. Warum solltet ihr nicht? Merke dir auch dies: „Wer zu mir kommt, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Im Namen Jesu bitt ich jeden schuldbeladenen Sünder, Gott zu halten bei der einen oder anderen Erklärung des Evangeliums. Wieder sage ich euch, lauft nicht von ihm weg oder von der Tatsache eures traurigen Zustandes; versucht nicht zu vergessen, was ihr vor ihm seid, oder was er euch sein muss, wenn ihr in euren Sünden beharrt, sondern kommt in redlicher Weise und seht der Wahrheit ins Angesicht. Macht dies zu eurem festen Entschluss, dass ihr nicht länger eurem Gott fremd bleiben wollt. Sprecht in eurem Herzen: „Ich will Gott heute erfassen, da er sich mir in seinem Worte anbietet.“ Streckt eure Hand aus und rührt den Saum von Jesu Gewand an, er wird euch nicht fortjagen, sondern unmittelbare Errettung geben.

Der Text redet davon, dass ein Mensch sich aufmachen solle, um Gott zu halten, und das ist der Punkt, zu dem ich euch bringen möchte. Ich wünschte, jeder Unbekehrte hier würde in diesem Augenblick aus seinem tödlichen Schlummer aufgeweckt. Du wirst Gott nicht ergreifen, während du in dem Daunenbett der Sünde schläfst. Glaube mir, kein Sünder wird errettet, so lange seine Seele in einem träumerischen, schwankenden, schläfrigen Zustand ist. Ihr müsst euch aufraffen, um euren Beruf und eure Erwählung fest zu machen. Gewiss, ein solches Geschäft sollte mit Ernst betrieben werden. Lasst euer Gedächtnis aufgerüttelt werden, eurer Sünde zu gedenken, und eure Seele, sie zu bereuen. Lasst euer Gewissen aufgerüttelt werden, euch an die Schuld eurer Sünde zu erinnern, und euer Herz, sie völlig mit tiefer Scham und bitterem Schmerz zu bekennen. Lasst eure Furcht aufgerüttelt werden, den zukünftigen Zorn zu empfinden, und eure Hoffnung euch an die Möglichkeit des ewigen Lebens und der Herrlichkeit erinnern. Lasst eure Wünsche heute morgen erweckt werden und fangt an, nach Gnade zu verlangen und zu schreien; und mit euren Wünschen lasst euren Willen erwachen, aber nicht, wie er es gewohnt gewesen, in schändlicher Hartnäckigkeit, sich wider Gott auflehnend, sondern willig zu gehorchen an dem Tage der Macht des Herrn. Möge sein Heiliger Geist Verstand und Gedanken, Vernunft und Neigungen aufregen, ja, euren ganzen Menschen. Wie ihr euch zusammennehmt, wenn ihr in eurem Geschäft etwas recht Wichtiges tun wollt, und versucht, alle eure Kräfte anzuspannen, so kommt nun zu diesem großen Geschäft der Errettung eurer Seele mit all eurem Denken und all eurer Tatkraft in höchster Erregung, denn es bedarf all diesem. Ist es nicht eine Sache von dem höchsten Gewicht? Da der Preis des Gewinnens wert ist, und der Verlust unerträglich ist, so ermannt euch mit festem Entschluss, dass, wenn Gnade und Barmherzigkeit zu haben sind durch das Ergreifen Gottes, ihr sie haben wollt, jetzt zur Stunde.

Brüder, Geliebte, wenn keine unter uns sind, die Gott erfassen, so ist unsere Kirche in einem sehr traurigen Zustand; eine Kirche ohne Neubekehrte ist eine Wolke ohne Regen, ein Fluss ohne Wasser. Ich danke Gott, dass wir nicht in solcher Verfassung sind, sondern viele an diesem Ort haben, die kürzlich den Herrn ergriffen und Gnade vor seinen Augen gefunden haben. Dies ist ein Gnadenmittel für uns alle gewesen; die Ältesten und Gefördertsten sind durch diese Neubekehrten erfrischt worden. Ihr Kommen zu uns ist ein Tau vom Herrn gewesen; wir haben sie bewillkommnet, wie man die Schwalben im Frühling willkommen heißt. Ihre Hinzufügung zu unserer Zahl hat neue Sterne an unserem Himmel angezündet. Betet, meine Brüder, dass viele solche in allen Kirchen sein mögen, denn es ist sehr wünschenswert, dass jeder erweckte Sünder sich aufmache, Gott zu halten.

II.

Wir wollen nun einen andern Seelenzustand nehmen, der dem andern weit voraus ist, in dem man sich auch aufmacht, Gott zu halten. Wir bedürfen es sehr, unter uns recht Gläubige zu haben, die Gott halten durch ihre Treue gegen ihn. Ich habe auf Calvin den Spruch anwenden hören: „Er hielt fest.“ Wenn je ein Mensch unsichtbare Dinge festhielt, so war es dieser berühmte Reformator. Was er ergriff, hielt er mit der Kraft klarer Überzeugung, verstandesmässigen Begriffes und frommer Ehrfurcht. Ich möchte sehr gern, dass jedes Mitglied dieser Kirche jetzt auf sich selbst, gesondert und deutlich, blickte und versuchte, mir zu folgen in der Beschreibung eines Gläubigen, der Gott hält. Er ist tief aufrichtig und gründlich in allem, was er tut. Schein und Nachäffung verabscheut er. Er fühlt die ernste Notwendigkeit, mit Gott im Geist und in Wahrheit zu verkehren und ihn selber zu halten, nicht bloße Namen, Worte und Formen. Er spricht zu sich: „Ich bin ein Christ und ich will durch Gottes Gnade es nicht bloß dem Namen nach, sondern in Wahrheit und Tat sein. Ich weiß, die äußere Form der Religion ist nur eine Schale und ich will mich von dem Kern nähren. Das Wesen der Religion will ich haben und nicht den Schatten. Ich will alles Äußere erfassen, was Gott offenbart hat, aber ich will hauptsächlich auf das Innere blicken und Seele und Geist sollen mit dem lebendigen Gott verkehren. Wenn ich lebe, will ich ihm leben, nichts anderes soll mich zufrieden stellen.“ Ein solcher öffnet seine Bibel, entschlossen, herauszufinden, was Gottes Wille ist, und urteilt für sich selber, denn er weiß, dass er persönliche Rechenschaft abzulegen haben wird. Er beabsichtigt, jede geoffenbarte Wahrheit selbst zu halten, denn er wünscht nicht nur von Menschen gelehrt zu werden, sondern von Gott. Er strengt all seinen Verstand an, die Lehren und Vorschriften des Wortes Gottes zu verstehen; denn er ist ein Jünger geworden und wünscht deshalb zu lernen. Sein Schrei ist: „Ich wünsche gründlich zu sein, ich wünsche in die Seele und den Mittelpunkt der Dinge einzudringen und die Wahrheit durch die Unterweisung des Geistes Gottes in meinem eigenen Herzen zu lernen.“ Nicht zufrieden mit dem bloßen Forschen im Worte Gottes, bringt er alles, was er da findet, vor Gott und spricht: „Herr, ich möchte dich ergreifen in dieser Wahrheit. Ich wünsche nicht nur von Christo zu wissen, sondern ihn selber zu kennen. Nicht nur die Lehre von dem Heiligen Geist zu glauben, sondern die Kraft des Heiligen Geistes in meiner Seele zu fühlen, denn ich habe in meinem Herzen gesagt: Mein Gott, ich möchte dich lieben und mit dir Gemeinschaft haben, dich lieben und dir dienen. Meine Seele folgt dir nach, wann werde ich dahin kommen, dass ich dein Angesicht sehe?“ Ein solcher Mensch, liebe Brüder und Schwestern, wenn er einmal den Willen des Herrn kennt, hat beschlossen, schnell nach dem zu handeln, was er weiß; sein Wille ist in den Worten jenes Mannes ausgedrückt, der sprach: „Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“ Es ist ihm einerlei, was andere tun, ausgenommen, dass er bedauert, wenn sie fehl gehen. Er setzt seinen Fuß nieder und will nicht mit der großen Menge gehen, um Übel zu tun. Er hat das Wort Gottes zum Führer seines Lebens gemacht und will nicht davon weichen. Sein Glaube ist kein geborgter; er hat die Wahrheit Jesu für sich selbst angenommen und ist entschlossen, ihm auf alle Fälle zu folgen; und so weit er kann, will er seinen Haushalt so geordnet haben, dass alle, die zu ihm kommen, sehen mögen, Jesus sei sein Herr. Komme Freude oder Leid, sein Stand ist genommen und er will ihn nicht aufgeben.

Solch ein Mann geht darauf aus, das Reich Christi auszubreiten, getrieben von inwendigem Eifer. Nachdem er einen festen Stützpunkt gewisser Erkenntnis erlangt, beginnt er seinen Hebel zu brauchen und auf andere zu wirken. Wo immer die Vorsehung ihm seinen Wohnplatz anweist, sucht er eine Kirche für seinen Herrn zu gründen. Er ist froh, Mitglied einer zahlreichen Kirche zu sein, um der christlichen Gemeinschaft willen, aber wenn er an einen einsamen Ort verschlagen wird, kann er auch da festhalten, denn sein Halt sind nicht Menschen, sondern Gott. Er kann zeugen in der Mitte von anderen, die Gott nicht fürchten; er würde zeugen in der Mitte von Heiden, wenn er dazu berufen würde, denn Widerstand und Verfolgung können ihn nicht erschüttern. Er hält Gott; nicht die Kirche, nicht den Prediger, nicht die Formel des Bekenntnisses; er ist über das alles hinausgekommen zu dem Herrn selber und seine Zuversicht ist so über den Himmeln. Er weiß, dass er nirgends hingestellt werden kann, wo Gott nicht ist, und deshalb fühlt er, dass sein bester Freund stets nahe ist. Das Auge der Menschen ist ihm nichts, die Gegenwart Gottes ist das Erste und Letzte für ihn.

Er arbeitet mit ernstem Eifer dahin, die Wahrheiten, welche wir glauben, zu verteidigen und aufrecht zu halten und auch zu verbreiten. Er ist ein Mann, der Gott anruft, nicht nur im Gebet, sondern durch das Bekenntnis zu seinem Namen und seiner Ruhe, und er macht sich auf, Gott zu halten, indem er alle diese Dinge tut. Brüder, ich wünsche ernstlich, dass jedes Mitglied dieser Kirche ein Mann von diesem Metall wäre; wir würden stark für Gott sein, wenn dies der Fall wäre. Wir haben so viele, die immer noch Kinder sind, die Saugflasche und das Gängelband nötig haben, obgleich sie 40 Jahre alt sind; was können wir mit diesen tun? Andere sind unbeständig; sie wissen etwas von der Wahrheit, aber nicht sehr viel, und was sie wissen, dessen sind sie nicht sicher und so werden sie darum geprellt. Wenn ein Mann gut reden kann, so wird er in unserer Zeit Nachfolger finden, was er auch lehre. Ich bin verwundert über einige, die sich Christen nennen und heute diesen Mann hören können und morgen jenen, obgleich die zwei sich schnurstracks entgegenstehen. Gewiss, es ist einiger Unterschiede zwischen Wahrheit und Irrtum, und bloße Begabung kann nicht falsche Lehre unschädlich machen. Unsere Vorfahren unterschieden Dinge, die verschieden waren, und wenn falsche Lehre vor sie kam, so stießen sie dieselbe fort, ungeachtet der Beredtsamkeit ihres Advokaten. Ich will nicht, dass ihr bigott sein sollt. Gott befreie uns von diesem bitteren Geiste, aber ich möchte, dass ihr gesund im Glauben wäret. Es ist ein großer Unterschied zwischen hartnäckiger Bigotterie und entschiedenem Festhalten an dem, was wir glauben. Was ist denn die Spreu für den Weizen? Es ist ein Unterschied zwischen den Lehren der Menschen und der Lehre Gottes. Keine Lüge ist aus der Wahrheit. Schmückt sie aus, wie ihr wollt, es ist doch eine Lüge. O, dass wir gewurzelt und gegründet und aufgebaut in Christo wären! Eins der wünschenswertesten Dinge in diesem unsteten Zeitalter ist es, um den Prediger Christi herum ein Volk zu sehen, welches die Wahrheit kennt und fühlt, dass die Wahrheit sie fest an ihren Gott bindet.

III.

Wir gehen noch einen Schritt weiter, wenn wir eine dritte Form des Haltens nennen. Wir brauchen eine Entwicklung in der Form des ringenden Vaters. Der Ausdruck ist, wie ihr wisst, entlehnt von Jakob am Bache Jabbok. Er hatte begonnen, allein zu beten bei dem Bache, als ein Engel ihm erschien oder vielmehr der Fürst der Engel selber. Als Jakob den Engel sah, hielt er ihn und rang mit ihm die ganze Nacht hindurch. Es war ein Anblick, wie die Erde ihn nie zuvor gesehen. Nach viel Weinen und Angst hielt er den Engel mit einem verzweifelten Griff und rief: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ In der Kirche Gottes haben wir manchen ringenden Jakob nötig. Was meint der Text, wenn er von einem Menschen spricht, der sich aufmacht, Gott zu halten? Es geschieht in dieser Weise. Der Mann fühlt, dass etwas sehr dringend not tut; der Segen, dessen es bedarf, lastet auf seinem Herzen, und er fühlt, dass er ihn haben muss. Er ist von der Notwendigkeit überzeugt und ist auch gewiss, dass er ihn nur von Gott haben kann. Dann sieht er auf die Angemessenheit der Sache und fragt: „Ist dies eine Sache, die ich vor Gott bringen darf? Ich suche es, aber kann ich von dem dreimal heiligen Gott erwarten, dass er es mir gibt? Ist es für seine Ehre? Wenn du das getan hast, lieber Freund, so hast du gut angefangen; nun geh’ ans Werk. Gehe daran in tatkräftiger, aber vernünftiger Weise und dann nimm die Bibel und sieh, ob der Herr je das versprochen hat, was du suchst. Forsche in den Verheißungen, lege sie bereit, lerne sie auswendig; dann tritt hin vor Gott, sprich deinen Wunsch aus und erkläre deine Gründe, weshalb du es wünscht. Zeige dem Herrn, dass du weißt, er habe den Segen versprochen, und beginne ihn zu bitten, sein Wort zu erfüllen. Es hilft sehr zum Halten Gottes, wenn du Gründe geltend machst. Der Herr weiß, die Sache ist gut, aber er will, dass du es wissen sollst und damit du den Wert des Guten, das du suchst, recht kennen lernst, so wünscht er, dass du deine Beweise vorbringst und deine starken Gründe. Viele Lehrer wenden das an, was wir die Sokratische Methode nennen, sie lassen den Knaben Fragen beantworten, nicht damit der Lehrer belehrt werde, sondern damit der Schüler lerne. Lege deine Sache zurecht und bringe deine Gründe vor den Herrn, als wenn du vor Gericht Beweise anführtest; lege dar, warum und weshalb es so sein sollte, und was, wie du fürchtest, geschehen werde, wenn du nicht erhört wirst. Kehre immer wieder zu dem Werke zurück, wie Abraham zu seiner Fürbitte für Sodom und jedes Mal erneuere deine Stärke. Besonders bringe die göttlichen Verheißungen vor und sage von jeder: „Tue wie du gesagt hast. Erfülle dies Wort an deinem Knecht, auf dass du mich hoffen lässt.“ Mache den Bund geltend und die Treue Gottes. Wenn das getan ist, so glaube, dass Gott seine Verheißung halten wird, und beginne, den Segen zu erwarten. Handle, als wenn du ihn erhalten, denn es steht geschrieben: „Glaubet nur, dass ihr es empfangen werdet, so wird’s euch werden.“ Wenn das Gut nicht gegeben wird, so bitte wieder, wiederhole dieselben Gründe wie vorher, verbessere sie und vergrößere ihre Kraft. Der Gebetskampf ist beinahe gleich einer Belagerung, wo ein Erdwall aufgeworfen wird und dann nach einer Weile ein anderer, der noch näher der Stadt ist. Eine Schanze nach der anderen errichten die Belagerer, bis der Ort ganz eingeschlossen ist; dann bringen sie ihre Kanonen und beginnen über die Wälle hinweg zu feuern, welche sie einnehmen wollen. So müssen wir zu Werke gehen, um den Segen zu erhalten, den wir brauchen, die göttlichen Verheißungen als unsere Wälle benutzen und unsere starken Gründe als Kanonen. Bedenkt, es ist nicht um Gottes willen, sondern um euer selbst willen, dass ihr so kämpfen sollt. Der Herr wünscht, euch von dem Wert des Gutes zu überzeugen, und wenn er es getan, so beabsichtigt er es euch zu geben.

Ein Mann, der Gott halten kann im Gebet, ist von größtem Wert in der Kirche. Warum sollten wir nicht diese Kunst lernen? Aber, o wie wenige sind da, die seinen Namen anrufen, die sich aufmachen, Gott zu halten. Schläfrige Gebete: Gott sei ihnen gnädig! Gebete, die nichts meinen! Gebete, von Menschen, die mit einem „Nein“ sich abweisen lassen: diese sind so häufig wie Steine auf der Straße und von weniger Wert. Wir müssen dringend sein, wieder und immer wieder an der Gnadentür anklopfen. Uns tut der unüberwindliche Entschluss not: „Ich muss es haben; es ist für Gottes Ehre, und er hat es verheißen, und ich will nicht aufhören, bis ich es erhalte.“ Uns tut es not, die Majestät des Gebets wieder unter uns zu sehen. Wenn wir Hunderte von Kirchengliedern hätten, die Gott halten könnten, so würde die Religion sich wieder beleben und wir würden nicht mehr über Unfruchtbarkeit zu klagen haben. Gott wird die Himmel zerreißen und herniederfahren und die Berge werden vor ihm zerschmelzen, wenn sein Volk ihn einmal beim Worte nimmt und betet als wenn es glaubte.

IV.

Der vierte Punkt und der letzte ist eine andere Form dieses Sich-Aufmachens, um Gott zu halten. Es ist eine, von der ich bekenne, dass ich sie nur selten gesehen habe und wünsche, ich könnte sie auf allen Seiten sehen. Ich habe in Lebensbeschreibungen davon gelesen und vergangene Zeiten haben sie gesehen und sich darüber verwundert. Sie sollte indes allgemein in der Kirche sein und in jedem Christen gesehen werden. Ich meine, das Halten Gottes durch den starken Glauben. Den, der über Zweifel und Furcht hinaus ist und die ewigen Wahrheiten ergriffen hat. Kein Zweifel nun, ob ein Gott ist oder nicht: er kennt ihn, spricht mit ihm, wandelt mit ihm. In heiliger Gemeinschaft hat der Herr ihm sein Geheimnis kundgetan und seinen Bund gezeigt. Über das Evangelium und die geoffenbarten Dinge mag er nicht streiten: er ist dieser Sachen so gewiss, als dass eine Sonne am Himmel oder Salz in der See ist. Er ist über die Beweise für diese Dinge hinaus. Ihr könnt ebenso gut versuchen, die Erde von ihrem Platz wegzurücken als ihn in seinen Überzeugungen wankend zu machen: er kennt sie und, was mehr ist, er fühlt sie im innersten Herzen. Er glaubt ebenso sehr an Gott und sein Evangelium, wie an sein eigenes Dasein: und diese Dinge haben eben solche Macht über ihn, wie die, welche gesehen und gehört werden, über die menschlichen Sinne haben. Er ist jetzt vertraut mit Gott, er redet mit Jesus; der Heilige Geist wohnt in ihm. Er ist in ein geistliches Reich hinübergegangen und hat in bewusster Weise mit geistlichen Dingen zu tun. Solcher Mann ist nun ganz gewiss, dass Gott mit ihm ist, denn er weilt in seiner Gegenwart und wagt nie zu handeln anders als unter dem Gefühl dieser Gegenwart. Er ist ganz gewiss, dass Gott seine Verheißungen hält, er wagt es nicht zu bezweifeln, denn er hat zu viele Proben schon von der Treue Gottes, um ihm zu misstrauen. Nun seht, wie sicher der Mann sich bewegt: Leiden beugen ihn nicht nieder, er erwartete sie und auch die Befreiung aus denselben. Wenn ihr mit der allerschrecklichsten Nachricht auf ihn eindringt, bringt es ihn nicht zur Verzweiflung, denn „wenn eine Plage kommen will, so fürchtet er sich nicht, sein Herz hofft unverzagt auf den Herrn“. Was für ein großartiger Charakter war Abraham und nur, weil er großartig glaubte. Wenn ja der Glaube schwach ward in Abraham, wie es dann und wann geschah, denn die besten Menschen sind nur Menschen, dann sank er auf die gewöhnliche Stufe herab, wie damals, als er sein Weib verleugnete und sprach: „Sie ist meine Schwester.“ Aber wenn sein Glaube stark ist, was für ein wunderbarer Mann ist er. Er streitet nie mit Lot darüber, wer die fetteste Weide nehmen soll. Lot mag haben, was ihm gefällt, denn Abraham hat seinen Gott. Lot mag die wohlgewässerte Ebene des Jordans nehmen, wenn er es wünscht, Abraham will lieber allein mit seinem Gott wohnen. Als Lot gefangen weggeführt wird und er es für seine Pflicht hält, seinen Verwandten zu befreien, da fragt er nicht, wie stark Kedor Laomer und die anderen drei Könige sein mögen; das ist nichts für ihn, Gott ist mit ihm und er eilt zum Kampfe. Er gebraucht die Mittel, welche zur Hand sind und bittet seine Nachbarn, ihm in der Verfolgung beizustehen, und dann zieht er zuversichtlich aus gegen Kador-Laomer und schlägt ihn und Gott lässt das plündernde Heer wie Spreu vor seinem Bogen dahin getrieben werden. Ihr findet nie Abraham voll Sorgen, er hat stets Frieden im Gemüte; er fürchtet sich nicht vor Menschen und scheut sich nicht vor Fürsten. Sein Glaube hatte ihn zum Erben der Welt gemacht und er wusste das. Sein Wandel war majestätisch, weil er gelernt hatte, an Gott zu glauben. Als Isaak geopfert werden sollte, wie bezwang der starke Mann seine Gefühle und ging schweigend, aber entschlossen, auf die dreitägige Reise mit seinem Sohn zu dem Berge, von dem Gott zu ihm gesprochen hatte. Da wäre die Handlung vollzogen worden, wäre nicht der Engel dazwischen getreten, denn es kam ihm nie in den Sinn, dem Herrn ungehorsam zu werden. Er glaubte so fest an seinen Gott, dass er entschlossen war, zu tun, was immer Gott ihn zu tun hieß. O könntet ihr zu demselben Erfahrungsglauben gelangen, wie ruhig, gelassen, stille, stark, glücklich, gesegnet würdet ihr einen solchen Mann in der Kirche haben, so ist er ein Mann der Macht in jeder Hinsicht. Wenn er spricht, so ist es beinahe wie das Wort Gottes. Andere Redner mögen euch durch Beredsamkeit blenden, aber dieser Mann überwältigt mit Gnade und verwirrt die Gegner durch seine Kühnheit. Gott gibt der Kirche dann und wann einen solchen. Ein solcher war Martin Luther, ein Mann, keineswegs frei von Fehlern, aber herrlich frei von Zweifeln. Andere denken, das Evangelium sei wahr: Erasmus ist gewiss, dass es so ist, aber Erasmus wünscht, in heiler Haut zu sterben. Luther weiß, dass die Rechtfertigung durch den Glauben das Rechte ist und er donnert es heraus, ob seine Haut beschädigt wird oder nicht. Es wird besser sein, nicht nach Worms zu gehen, sagen furchtsame Ratgeber; die Dinge sind so weit gekommen, dass Gefahr für’s Leben da sein wird: du tätest besser, den Kampf aufzugeben, Luther, ehe du darin umkommst. Künftige Zeiten mögen ihn aufnehmen, aber wenn du nach Worms gehst, so kehrst du sicher nimmer zurück! Wohl, sagt er, ich will gehen: ja, wenn da so viele Teufel wären, als Ziegel auf den Dächern, so will ich gehen, denn ich habe Christum da zu bekennen, und bekennen will ich ihn. Und wenn er gefragt wird: „Was willst du tun, wenn der Kurfürst, dein Beschützer, dich nicht länger beherbergen will?“ so spricht er: „Ich werde Zuflucht nehmen unter dem breiten Schilde des allmächtigen Gottes.“ Was sind Herzöge und Fürsten für einen solchen Mann? Er hat Gott erfasst und er fühlt sich stärker als alle Menschen und Teufel zusammen. Nichts gleicht dieser Verbindung unserer Persönlichkeit mit dem Ewigen durch den Glauben. Solch ein Mann war Calvin. Ich stelle ihn mir vor, wie er in die St. Peterskirche ging, wo die Libertiner entschlossen waren, am Abendmahl teilzunehmen, obgleich er erklärt hatte, sie sollten es nicht. Sie sind Menschen von liederlichem Leben und gottlosem Charakter, aber sie beabsichtigten zum Tisch des Herrn zu kommen und die heiligen Elemente zu nehmen, ob er es will oder nicht. Sie kümmern sich um nichts und wollen Aufruhr und Blutvergießen. Wenn er sich weigerte, haben sie ihm sagen lassen, würden sie ihn in der Kirche töten. Es geht an den Tisch und bricht das Brot und teilt es aus an das Volk Gottes und gibt keinen Bissen an die Profanen, auf die er mit solch mitleidiger Strenge blickt, dass sie eingeschüchtert durch den Mut des Mannes, sich zurückziehen, um bessere Sitten zu lernen. Wir haben in diesen Tagen ein Geschlecht von Dienern des Zeitgeistes und Wortspinnern, die auf die wirklichen Männer gefolgt sind. Es gibt Hunderte, die sagen, es ist ohne Zweifel unwahr, dass Kinder in ihrer Taufe zu Gliedern Christi, Kindern Gottes und Erben des Himmelreichs gemacht werden, aber doch wollen wir die Kinder lehren, so zu sprechen und ihnen später sagen, dass die Worte etwas anderes bedeuten. Ist dies der Weg, das Werk des Herrn zu tun?

Ist dies das Evangelium des Glaubens gemäss oder nach der Wahrheit? Eine andere große Anzahl spricht: „Ja, wir sehen all dieses, wir sehen das Papsttum zurückkommen in der Gestalt des Ritualismus, aber wir können doch nicht entschieden sein und das fluchwürdige Ding ganz von uns abschütteln. Wir können nicht wissen, was geschehen mag; wir wollen warten, vielleicht wird das Schicksal uns günstig sein.“ Ich weiß, was geschehen würde, wenn wir Gott mehr fürchteten; wir würden lieber sterben, als in irgendwelcher Gemeinschaft mit dem Papsttum bleiben. Ein jeder, der irgend Grund sähe, sich zu fürchten, er würde als Mitschuldiger des Antichrist erfunden werden, würde sogleich sagen: „Ich will nichts damit zu tun haben. Das Papsttum ist ein Gräuel vor dem Herrn, und die, welche ihm helfen, tragen das Zeichen des Tieres. Ich hasse den Antichrist und deshalb sage ich: Nieder damit, mache ihn dem Erdboden gleich.“ Alles, was vom Papst und Papsttum ist, würde bald beiseite gesetzt werden, wenn die Menschen ihrem Gewissen und ihrem Gott treu wären. Diese jetzige Zeit ist leichtgläubig und doch ungläubig. Sie wird getäuscht durch den allerdurchsichtigsten Betrug. Sie schwingt wie ein Pendel hierhin und dorthin; sie glaubt an fast alles, ausgenommen an ihren Gott, aber zum Glauben an Gott und seine Wahrheit und Gerechtigkeit kann man sie nicht bringen.

O, hätten wir nur einen John Knox! Uns tut ein fester, heldenmütiger Führer not, ein Mann, stark und kräftig, weil Gott mit ihm ist. Wer an Gott glaubt, wird machen, dass die Menschen sich für das Recht entscheiden, wo sie sonst schwanken würden. Er ist ein Feldherr unter den Menschenkindern. Seine Stirn ist wie ein Kieselstein und er wird nicht in Verlegenheit gebracht. Lasst die Kritik auf seine Rüstung niederprasseln wie ein Hagelschauer, er steht fest und bietet ihr Trotz. Möge Gott einige von euch zu solchen Helden machen. Ich wollte zu Gott, er machte euch alle tapfer für die Wahrheit, so dass ihr in eurem kleinen Kreise fest für Gott aufträtet und für Schriftlehre und reine Gottesverehrung, weil ihr Ihn erfasst habt. Gott errette uns von den Männern von Weidenholz und Gutta Percha und Stuck, die teuer bezahlt sein würden, wenn ihr sie für eine Mark das Dutzend kauftet.

Nimm diese hinweg, o Strom der Zeit, und gib uns wieder Männer von Granit, Männer mit Mark in den Knochen, lasst uns lieber sagen: Männer Gottes. O, dass jeder unter uns erweckt würde, Gott zu halten und dass all unsere Fähigkeiten bis zur tiefsten Tiefe erregt würden und dass sie dann den Herrn erfassten. Ha, Kameraden, seht ihr nicht das Banner! Es schwankt! Soll es fallen? Der wahre Soldat in der grausamen Schlacht, wenn er den Bannerträger fallen sieht und das Gefecht dichter um das Banner herum, rafft alle Kraft zusammen und stürzt in den Kampf, wie der Löwe sich auf seinen Raub wirft. Er spannt jede Sehne an und bringt jeden Nerv in Tätigkeit, presst vorwärts, die Fahne zu ergreifen und sie hochzuhalten. Rühre sie an, wer es wagt. Er schlägt rechts und links, und ehe das Banner in den Staub getreten wird, strömt er lieber sein Leben in roten Strömen auf den Boden aus. Auf, ihr Streiter Christi! Auf, ihr löwenartigen Männer, und schlagt die Feinde in die Flucht! Möge Gott euch helfen, es zu tun um Christi willen. Amen.

'sprachlich angepasst durch Fritz''

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