Spurgeon, Charles Haddon - Das Grab Jesu

Spurgeon, Charles Haddon - Das Grab Jesu

Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.
Mat. 28,6

Ein jeder Zug aus dem Leben Christi ist für uns von hoher Wichtigkeit. Wo wir unseren Heiland erblicken, verdient er unsere vollste Aufmerksamkeit.

„Das Kreuz, das Kripplein und die Kron',
Sie zeugen all' vom Gottessohn.“

Seine ganze mühselige Pilgerschaft von der Krippe in Bethlehem bis zum Kreuz auf Golgatha, wovon zeugt sie als von ihm und seiner Herrlichkeit? Jeder Ort, den er betreten hat, ist für uns geweiht, einfach deshalb, weil der Fuß des Heilandes der Welt und unseres eigenen Erlösers einst gewandelt hat. Wenn er auf Golgatha ankommt, wird unsere Aufmerksamkeit noch erhöht; hängt er dann gequält und gemartert am Kreuze, so richten sich alle Gedanken auf ihn, und unsere innige Liebe erlaubt uns nicht, ihn zu verlassen, selbst wenn er nach beendeten Kampf den Geist aufgibt. Sein Leib, vom Kreuz herabgenommen, ist immer noch lieblich in unseren Augen; wir verweilen mit schmerzlichem Wohlgefallen bei der blutigen Leiche. Mit den Augen des Glaubens entdecken wir Joseph von Arimathia und den schüchternen Nikodemus, die im Verein mit jenen heiligen Weibern die Nägel herausziehen und den zerrissenen Leib vom Kreuz herabnehmen; wir sehen, wie sie ihn in reine Leinwand wickeln, ihn hastig in Binden von Spezereien hüllen, dann in sein Grab legen und wegen des hereinbrechenden Sabbats nach Hause eilen. Wir werden bei dieser Gelegenheit hingehen, wo Maria am Morgen des ersten Wochentages hinging, als sie vor Tagesanbruch vom Schlummer erwachte und aufstand, um früh am Grab Jesu zu sein. Wir wollen unter dem Beistand des Heiligen Geistes versuchen, ihr nachzugehen, nicht mit den Füßen, sondern im Geiste. Wir wollen an jenem Grab stehen, wir wollen es untersuchen, und wir hoffen, eine Stimme der Wahrheit aus dessen hohlen Schoß zu vernehmen, die uns trösten und belehren wird, so dass wir beim Weggehen vom Grabe Jesu sagen können: „Es war nichts anderes als die Pforte des Himmels, ein geweihter Ort voll feierlichen Ernstes und geheiligt durch den gemarterten Leib unseres treuen Heilandes.

Erstens ergeht hier eine Einladung. Ich werde meine Bemerkungen heute damit beginnen, dass ich alle Christen einlade, mit mir zum Grab Jesu zu kommen. „Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ Wir wollen versuchen, den Ort anziehend zu machen; wir wollen euch freundlich bei der Hand nehmen und an das Grab führen, und möge es unserem Meister gefallen, unser Herz in uns brennen zu lassen, während wir auf dem Weg miteinander reden.

Weg, ihr Leichtsinnigen, ihr Seelen, deren Leben Lachen, Torheit und Scherz ist! Weg, ihr gemeinen und fleischlichen Seelen, die ihr keinen Geschmack für das Geistliche, keine Freude am Himmlischen habt. Wir begehren eure Gesellschaft nicht; wir sprechen mit Gottes Geliebten, mit den Erben des Himmels, den geheiligten Erlösten, denen, die reinen Herzens sind, und wir sagen zu ihnen: „Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ Es bedarf bei euch gewiss keines besonderen Antriebes, dass eure Füße sich zum heiligen Grab hin bewegen; doch wollen wir alle Kraft anwenden, um euren Geist dorthin zu ziehen. Kommt also, denn dies ist ein berühmter, hehrer Wallfahrtsort, es ist der Ruheplatz des Mannes, des Wiederherstellers unseres Geschlechts, des Siegers über Tod und Hölle. Die Menschen machen hunderte von Stunden, um den Ort zu sehen, wo ein Dichter zuerst das Licht der Welt erblickte; sie suchen die Denkmäler mächtiger Helden oder die Gräber anderer berühmter Männer auf; doch wohin soll der Christ gehen, um das Grab eines so berühmten Mannes zu finden, wie Christus es war? Nennt mir den größten Menschen, der je lebte - ich sage euch, der Mensch Jesus Christus war „mit dem Öl der Freuden gesalbt über seine Genossen.“ Wenn ihr eine Kammer sucht, geehrt als der Ruheplatz eines großen Geistes, so wendet euch hierher; wenn ihr am Grab eines Heiligen anbeten wollt, kommt hierher; wenn ihr den geweihten Ort sehen wollt, wo das auserlesenste Gebein, das je geschaffen wurde, eine Zeitlang lag, so kommt mit mir, Christen, in den stillen Garten, nahe bei Jerusalem.

Kommt auch deshalb mit mir, weil es das Grab eures besten Freundes ist. Die Juden sagten von Maria: „Sie geht zu seinem Grab, dass sie daselbst weine.“ Einige von euch haben ihre Freunde verloren, ihr habt Blumen auf ihre Gräber gepflanzt, ihr geht und sitzt abends auf den grünen Rasen und benetzt das Gras mit euren Tränen, denn da liegt eure Mutter und da euer Vater oder euer Weib. O kommt in stillem Schmerz mit mir zu dem düsteren Garten, wo euer Heiland begraben liegt; kommt zu dem Grab eures besten Freundes, eures Bruders, ja eines, der „fester anhängt denn ein Bruder.“ Komm du zu dem Grab deines teuersten Verwandten, o Christ, denn Jesus ist dein „Mann“, „der dich gemacht hat, ist dein Mann, Herr Zebaoth heißt sein Name.“ Zieht dich die Liebe nicht zu ihm hin? Gewinnen dir die holdseligen Lippen nicht das Herz ab? Ist nicht der Ort geheiligt, wo ein so Heißgeliebter schlief, wenn auch nur für einen Augenblick? Beredte Worte sind hier gewiss nicht nötig, und wären sie es, ich habe keine. Ich habe nur die Kraft, einfach, aber ernst unseren Text zu wiederholen: „Kommt her und seht die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ Besucht an diesem Ostermorgen sein Grab, denn es ist das Grab eures besten Freundes.

Ja, noch mehr: ich will euch noch weiter zu dieser frommen Wallfahrt antreiben - kommt, denn die Engel gebieten es euch. Die Engel sagten: „Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ Die syrische Übersetzung lautet: „Kommet her und sehet die Stätte, da unser Herr gelegen hat.“ Ja, die Engel stellten sich in eine Linie mit jenen armen Weibern und gebrauchten ein gemeinsames Fürwort - unser. Jesus ist der Herr der Engel und der Menschen. Ihr schwachen Weiber, ihr habt ihn Herr genannt, ihr habt seine Füße gewaschen, ihr habt für seine Bedürfnisse gesorgt, ihr seid an seinen Lippen gehangen, um die honigsüßen Worte aufzufassen, die er aussprach, ihr saßet da, entzückt von seiner mächtigen Beredsamkeit, ihr nennt ihn Meister und Herr, und ihr tut wohl daran. „Doch,“ sprach der Seraph, „er ist auch mein Herr“; er neigte sein Haupt und sagte mild: „Kommet her und sehet die Stätte, da unser Herr gelegen hat.“ Fürchtest du denn, mein Christ, in jenes Grab hinabzusteigen? Bebst du hineinzutreten, wenn der Engel mit seinem Finger darauf deutet und spricht: „Kommet, wir wollen miteinander gehen, Engel und Menschen, und das königliche Schlafzimmer sehen.“? Ihr wisst, dass die Engel in sein Grab gingen, denn sie saßen einer zu seinem Haupt und der andere zu seinen Füßen, in heiliger Betrachtung versunken. Einer von ihnen sagte: „Da lagen seine Füße!“, und der andere erwiderte: „Und da seine Hände und da sein Haupt!“ Und in himmlischer Sprache redeten sie von den tiefen göttlichen Dingen, dann beugten sie sich nieder und küssten den felsigen Boden, der für die Engel selbst geheiligt worden war, nicht weil sie da erlöst wurden, sondern weil da ihr Herr und ihr Fürst, dessen hohen Befehlen sie gehorchten, für eine Weile der Sklave des Todes und der Gefangene der Hölle wurde. Komm also, mein Christ, denn Engel sind die Pförtner, um das Tor aufzuschließen; komm, denn ein Cherub ist dein Führer, der dich in den Totenort des Todes selbst bringt. Nein, bebe nicht vor dem Eingang zurück, lass dich die Finsternis nicht erschrecken, die Ausdünstungen des Todes machen das Gewölbe nicht feucht, auch enthält die Luft darinnen nichts Ansteckendes. Komm, denn es ist ein reiner und gesunder Ort. Fürchte nicht, jenes Grab zu betreten. Ich will zugeben, dass Totengrüfte nicht der Ort sind, wohin wir, die Lebensfrohen, gerne gehen. Es ist etwas Düsteres und Ungesundes um eine Totengruft; es ist da ein schädlicher Verwesungsgeruch; oft entsteht Pest, wo ein toter Körper gelegen hat. Doch fürchte es nicht, mein Christ, denn Christus wurde nicht in der Hölle gelassen, auch hat sein Leib die Verwesung nicht gesehen. Komm, es ist da kein übler Geruch, ja vielmehr ein Wohlgeruch. Tritt da herein, und wenn du je Ceylons gewürzte Düfte eingeatmet hast oder die Winde, die von Arabiens Luftwäldern kommen, wirst du sie noch weit durch den süßen Wohlgeruch übertroffen finden, den der gebenedeite Leib Jesu zurückgelassen hat, jenes Alabastergefäß, das einst die Gottheit in sich schloss und dadurch lieblich und kostbar gemacht wurde. Wähne nicht, du werdest etwas deine Sinne Beleidigendes finden. Die Verwesung hat Jesus nie gesehen; keine Würmer verzehrten je sein Fleisch; keine Fäulnis drang je in sein Gebein ein; er sah keine Verwesung; drei Tag schlief er, aber nicht lange genug, um zu faulen; er stand bald auf, vollkommen wie er eintrat, so vollkommen wie da seine Glieder zum letzten Schlummer bestattet wurden. Komm denn, mein Christ, richte deine Gedanken einzig dahin, nimm alle deine Kraft zusammen; hier ist eine freundliche Einladung, lass sie mich abermals und dringend erneuern. Lass mich dich an der Hand der stillen Beschauung nehmen, mein Bruder; lass mich dich an dem Arm deiner Einbildungskraft nehmen, und lass mich abermals zu dir sagen: „Komm her und sieh die Stätte, da der Herr gelegen hat.“

Es ist noch ein weiterer Grund, warum ich wünsche, dass du dieses königliche Grab besuchst: weil es ein ruhiger Ort ist. O, ich habe mich nach Ruhe gesehnt, denn ich habe das Geräusch der Welt so lange in meine Ohren gehört, dass ich

„Um ein Hüttlein in der Wildnis tief,
Des Urwalds lange, dürst're Schatten“

gebeten habe, wo ich mich auf immer verbergen könnte. Ich bin dieses mühseligen und prüfungsvollen Lebens satt; mein Leib ist müde, meine Seele möchte gar zu gerne ein wenig ausruhen. Ich wollte, ich könnte mich am Rand eines murmelnden Baches niederlassen und nichts um mich als die schönen Blumen und die nickenden Weiden haben. Ich wollte, ich könnte stille ruhen, wo die Luft Balsam dem gequälten Gehirn bringt, wo kein Geräusch ist als das Summen der Sommerbiene, kein Flüstern als das der lauen Winde, und kein Gesang mit Ausnahme des Trillerns der Lerche. Ich wünschte, ich könnte einen Augenblick ruhig leben. Ich bin ein Mann der Welt geworden; der Kopf schwindelt mir, meine Seele ist müde. O, möchtest du Ruhe haben, mein Christ? Du Kaufmann, möchtest du dich erholen? Möchtest du dich einen Augenblick sammeln? Dann komm hierher. Es ist bloß ein Lustgarten, weit weg von dem Geräusch Jerusalems. Das Sausen des Rades der Industrie und des Handels wird dich da nicht erreichen. „Komm her und siehe die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ Es ist ein lieblicher Ruheplatz, ein Nebenzimmer für deine Seele, wo du von deinen Kleidern den Staub der Erde wegbürsten und eine Weile im Frieden über dich nachdenken kannst.

Zweitens wird unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Bis jetzt habe ich euch eingeladen, nun wollen wir in das Grab eintreten; wir wollen es genau untersuchen und uns alles merken, was damit in Verbindung steht.

Merkt euch erstens, dass es ein kostbares Grab ist. Es ist kein gewöhnliches Grab, es ist keine mit dem Spaten für einen Armen gegrabene Grube, wo die Überreste seines elenden und abgemarterten Leibes verborgen werden sollen. Es ist ein fürstliches Grab, es wurde von Marmor gemacht und in die Seite eines Felsens gehauen. Hier stehe still, gläubiger Christ, und frage, warum Jesus ein so kostbares Grab hatte. Er hatte keine feinen Kleider; er trug einen ungenähten Rock, von oben an gewirkt durch und durch, ohne die geringste Stickerei; er bewohnte keinen prächtigen Palast, denn er hatte nichts, wo er sein Haupt hinlegen konnte; seine Sandalen waren nicht mit Gold geschmückt oder mit Brillanten besetzt; er war arm. Warum liegt er denn in einem edlen Grab? Die Antwort ist: Christus wurde erst geehrt, als seine Leiden überstanden waren. Christi Leib erduldete Schmach, Schande, Bespeiung und Schläge, bis er sein großes Werk vollbracht hatte; er wurde mit Füßen getreten, er wurde „von den Menschen verachtet und verworfen, ein Mann der Schmerzen und mit Krankheit gezeichnet.“ Doch in dem Augenblick, wo er sein Werk vollbracht hatte, sprach Gott: „Nicht länger soll dieser Leib verunehrt werden; wenn er schlafen soll, so sei es in einem ehrenvollen Grabe; wenn er ruhen soll, so mögen ihn Edle bestatten; ein Joseph, der Ratsherr, und ein Nikodemus, der Gesetzeslehrer, sollen bei dem Begräbnis gegenwärtig sein; der Leib soll mit köstlichen Spezereien einbalsamiert werden; er soll Ehre haben, er ist lange genug verhöhnt, geschändet, bespien und geschlagen worden, er soll jetzt achtungsvoll behandelt werden.“ Verstehst du, was das bedeutet, mein Christ? Jesus, nachdem er gehorsam bis zum Tod am Kreuz gewesen, schlief in einem kostbaren Grab, denn nun liebte und ehrte ihn sein Vater, weil sein Werk vollbracht war.

Doch obwohl es ein kostbares Grab ist, ist es ein fremdes. Ich sehe darüber geschrieben: „Geweiht dem Andenken der Familie des Joseph von Arimathia“, und doch schlief Jesus darin. Ja, er wurde in eines anderen Grab begraben, er, der kein eigenes Haus hatte und in anderer Menschen Wohnungen sich aufhielt, der keinen eigenen Tisch führte, sondern von seinen Jüngern und Jüngerinnen unterhalten wurde, der Schifflein mietete, um darin zu predigen, und gar nichts in der weiten Welt hatte - ihm musste die Liebe ein Grab geben. O, sollten die Armen nicht Mut fassen? Sie fürchten, auf Kosten ihrer Nachbarn begraben zu werden; doch wenn ihre Armut etwas unvermeidliches ist, warumsollten sie erröten, da ja Jesus Christus selbst in eines anderen Grab begraben wurde? Ach, ich wünsche, ich hätte Josephs Grab gehabt, um Jesus darin begraben werden zu lassen. Der gute Joseph dachte, er hätte es für sich aushauen lassen und seine Gebeine sollten darin ruhen., Er hatte es zu seiner Familiengruft herrichten lassen, und siehe, der Sohn Davids macht es zu einem der Gräber der Könige. Doch indem er es dem Herrn lieh, verlor er es nicht, bekam es vielmehr mit köstlichen Zinsen zurück. Es lieh es ihm bloß auf drei Tage, dann trat es Christus wieder ab; er hatte es nicht befleckt, sondern gereinigt und geweiht, ja weit heiliger gemacht, so dass es in Zukunft eine Ehre sein musste, darin begraben zu werden.

Es war ein fremdes Grab, und warum? Sicherlich nicht, um Christus zu entehren, sondern zu zeigen, dass, wie seine Sünden Fremder Sünden waren, er in einem fremden Grab begraben wurde. Christus hatte keine eigenen Schulden, er nahm die unsrigen auf sein Haupt; er beging nie ein Unrecht, sondern belastete sich mit allen meinen und allen euren Übertretungen, wenn wir anders glauben. Von seinem ganzen Volk, von allen Kindern Gottes ist es wahr, dass er ihre Krankheit trug und ihre Schmerzen auf sich lud und sich am Kreuz für sie hergab; deswegen, wie es Fremder Sünden waren, so ruhte er in einem fremden Grab; wie es zugerechnete Sünden waren, so war es ein ihm bloß zugerechnetes, nicht gehöriges Grab. Es war nicht sein, es war Josefs Grab.

Lasst uns in dieser frommen Untersuchung nicht müde werden, sondern mit angestrengter Aufmerksamkeit alles beobachten, was mit dieser heiligen Stätte in Verbindung ist. Wir bemerken, dass das Grab in einen Felsen gehauen war. Warum das? Der Fels der Ewigkeit war in einem Felsen begraben - ein Fels innerhalb eines Felsen. Doch warum? Die meisten Schrifterklärer sind der Ansicht, Gott habe es deswegen getan, damit niemand glaube, die Jünger oder andere Leute seien etwa durch einen verborgenen Gang eingedrungen und hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Es ist wahrscheinlich, dass dies der Grund war; doch, o meine Seele, kannst du nicht einen geistlichen Grund finden? Christi Grab war in einen Felsen gehauen. Es war kein gemauertes Grab, das vom Wasser hätte weggerissen werden oder zusammenstürzen und verfallen können. Das Grab steht, wie ich glaube, noch ganz bis auf den heutigen Tag, wenn nicht für das natürliche, so doch für das geistige Auge. Dasselbe Grab, das Pauli Sünden aufnahm, wird auch meine Übertretungen in sich aufnehmen; denn wenn ich meiner Sündenlast je los werden soll, so muss sie sich von meinen Schultern weg in sein Grab wälzen. Es war in einen Felsen gehauen, so dass, wenn ein Sünder vor tausend Jahren selig wurde, ich auch erlöst werden kann, denn es ist ein Felsengrab, worein meine Übertretungen für immer gelegt wurden, begraben, um nie wieder aufzustehen.

Ihr werdet weiter bemerken, dass es ein Grab war, in dem nie jemand gelegen hatte. Christoph Reß sagt: „Vor seiner Geburt lag Christus in einem jungfräulichen Leibe, und nach seinem Tod wurde er in ein jungfräuliches Grab gelegt; er schlief, wo nie ein Mensch zuvor geschlafen hatte.“ Der Grund war, dass man nicht sagen könnte, es sei ein anderer auferstanden, denn es war niemand je darin gelegen und so eine Verwechslung der Personen unmöglich. Auch konnte man nicht sagen, es sei ein alter Prophet an dem Ort begraben worden, und Christus sei auferstanden, weil er dessen Gebeine berührt hatte. Ihr wisst, das, nachdem Elisa begraben war, man bald darauf einen Mann in sein Grab warf. Dieser wurde wieder lebendig, sobald er seine Gebeine anrührt. Christus berührte keines Menschen Gebein, denn keiner hatte je da geschlafen; es war eine neue Kammer, worin der König des Weltalls drei Tage und drei Nächte ruhte.

Sind wir aufmerksam gewesen, so haben wir aus dem Bisherigen etwas lernen können. Wir wollen uns aber noch einmal niederbeugen, ehe wir das Grab verlassen und auf einen weiteren Gegenstand acht haben. Wir sehen das Grab; doch - bemerkt ihr die Grabtücher, alle zusammengewickelt und an ihren Ort gelegt, das Schweißtuch aber beiseite eingewickelt? Warum sind die Grabtücher zusammengelegt? Die Juden sagten, Räuber hätten den Leichnam Jesu gestohlen; doch wäre dem so, würden sie gewiss auch die Tücher gestohlen haben; es wäre ihnen nie in den Sinn gekommen, sie zusammenzuwickeln und sorgfältig auf die Seite zu legen; sie würden allzugroße Eile gehabt haben, um nur daran zu denken. Warum geschah es also? Um uns zu beweisen, dass Christus nicht hastig sein Grab verließ; er schlief bis zum letzten Augenblick, dann erwachte er; er wartete ruhig seine Zeit ab. Sie sollen nicht mit Eile ausziehen und mit Flucht wandeln, sondern zur bestimmten Stunde soll sein Volk zu ihm kommen.

So erwachte also zur bestimmten Zeit, im entscheidenden Augenblick Jesus aus seinem Schlaf, legte gemächlich seine Binden und Tücher ab, ließ sie alle hinter sich und kam in seiner reinen und nackten Unschuld hervor, vielleicht um uns zu zeigen, dass, da Kleider erst in Folge des Sündenfalls eingeführt worden waren, jetzt, wo die Sünde durch ihn versöhnt war, er ihrer nicht mehr bedürfte. Ja, Kleider sind Sündendecken; wenn wir uns nicht verschuldet hätten, dürften wir keine tragen.

Das Schweißtuch aber oder das Tuch, das er um den Kopf gehabt - merket es wohl! -war beiseite eingewickelt. Die Grabtücher wurden zurückgelassen, damit sie jeder abgeschiedene Christ tragen kann. Das Totenbett ist wohl mit den Kleidern Jesu überzogen, doch das Kopftuch - bei uns das Taschentuch - war allein zusammengelegt, weil der Christ, wenn er stirbt, seiner nicht bedarf; die Trauernden brauchen es und sie allein. Wir werden alle Grabtücher trage, doch das Kopftuch (das Taschentuch) werden wir nicht brauchen. Wenn unsere Freunde sterben, wird uns ein Taschentuch in die Hand gegeben, doch unsere heimgegangenen Brüder und Schwestern brauchen es nicht. Nein, Gott der Herr hat alle Tränen von ihren Augen abgewischt. Wir stehen und betrachten die Leichname der lieben Abgeschiedenen; wir befeuchten ihre Angesichter mit unseren Tränen, ja, lassen ganze Schauer von Schmerz auf ihre Häupter fallen; doch weinen sie? O nein. Könnten sie von den Himmelshöhen herab mit uns reden, so würden sie sagen: „Weine nicht um mich, denn ich bin verklärt; traure nicht um mich, ich habe eine arge Welt hinter mir gelassen und bin in eine weit bessere eingegangen.“ Sie haben kein Kopftuch, kein Taschentuch - sie weinen nicht. Seltsam ist es, dass, die den Tod leiden, nicht weinen, sondern die sie sterben sehen, sind die Weinenden. „Wenn das Kind geboren wird, weint es, während die Andern lachen,“ sagen die Araber, „und wenn es stirbt, lächelt es, während andere weinen.“ So ist es bei dem Christen. O, etwas Seliges! Das Kopftuch ist beiseite eingewickelt, weil die Christen im Tode es nicht brauchen.

Drittens soll unser Gefühl erregt werden. Wir haben so das Grab mit großer Aufmerksamkeit besehen, und, wie ich hoffe, nicht ohne Nutzen für unsere Seelen. Doch das ist nicht alles. Ich liebe eine Religion,. die zu einem großen Teil aus Gefühl besteht. Wenn ich jetzt die Macht eines großen Geistes besäße, würde ich die Saiten eurer Herzen berühren und ihnen herrliche, feierliche Töne entlocken, denn es ist ein äußerst feierlicher Ort, wohin ich euch geführt habe.

Erstens möchte ich euch bitten, stille zu stehen, und die Stätte, da der Herr lag, mit tiefer Rührung zu betrachten. O komm, mein geliebter Bruder, dein Jesus hat einst hier gelegen. Er ist gemordet worden - und du bist der Mörder.

„Ich, ich und meine Sünden,
Die sich wie Körnlein finden
Des Sandes an dem Meer,
Die aber dir erreget
Das Elend, das dich schläget,
Und deiner Martern ganzes Herr.
Ach, musste so mein Heiland bluten,
Mein König und mein Gott erblassen?“

Ich tötete ihn - diese Rechte drückte den Dolch in sein Herz; meine Taten brachten Christus ans Kreuz; ach, ich erschlug meinen besten Freund; ich tötete den, der mich mit ewiger Liebe liebte. Ihr Augen, warum verweigert ihr eure Tränen, wenn ihr Jesu Leib verstümmelt und zerrissen seht? O lasst eurem Kummer freien Lauf, meine Christen, denn ihr habt allen Grund dazu. Ich glaube, es ist wahr, was ein gottseliger Mann sagt: er erinnere sich in seinem geistlichen Leben einer Zeit, wo er Christus dermaßen bemitleidete, dass er mehr Kummer als Freude über seinen Tod empfand. Es schien ihm etwas so Entsetzliches, dass Christus habe sterben müssen; und auch mir scheint es oft, das Lösegeld, sein eigenes Blut, für das Christus elende Würmer, wie wir es sind, erkauft, sei allzu kostbar gewesen. Es scheint mir, ich liebe ihn so sehr, dass, wenn ich ihn seinen Leidensgang hätte antreten sehen, ich so schlimm gewesen wäre wie Petrus, und gesagt haben würde: „Das widerfahre dir nur nicht!“. Aber dann würde er zu mir gesagt haben: „Hebe dich weg von mir, Satan“, denn er billigt eine Liebe nicht, die ihn vom Sterben zurückhalten will. „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?“ Doch ich glaube, dass, hätte ich ihn nach Golgatha hinaufwandeln sehen, ich ihn gar zu gerne würde zurückgehalten und zu ihm gesprochen haben: „O Jesu, du sollst nicht sterben, ich kann es nicht zugeben; willst du mich mit einem so teuren Preis erkaufen?“ Dass der Fürst des Lebens und der Herrlichkeit seine Glieder unter heißen Schmerzen sich verstümmeln lassen müsste, scheint ein allzu großes Opfer; dass die segenspendenden Hände von verfluchten Nägeln durchbohrt werden sollten; dass in die Schläfen, die stets mit Liebe geschmückt waren, grausame Dornen eingedrückt werden sollten, scheint einem zu viel. O weine, Christ, und trauere und klage. Ist nicht der Preis doch viel zu groß, dass dein Geliebter sich für dich dahingegeben hat? Man sollte denken, wenn jemand durch einen anderen vom Tod errettet worden wäre, würde er Zeit seines Lebens tiefen Kummer empfinden, wenn sein Retter dabei das Leben verloren hätte. Ich hatte einen Freund, der einst neben einem gefrorenen See stand und sah, wie das Eis mit einem Knaben einbrach. Er sprang hinein, um ihn zu retten. Nachdem er den Jungen ergriff, hielt er ihn in seinen Händen und rief aus: „Hier ist er! Hier ist er! Ich habe ihn gerettet!“ Aber eben, als man den Jungen ergriff, sank er selbst, und sein Leichnam wurde erst nach einiger Zeit aufgefunden. O, so ist es mit Jesus. Meine Seele ertrank. Von den Höhen des Himmels sah er mich in die Tiefen der Hölle sinken; er sprang hinein.

„Am blut'gen Fluchesholz hat er geendet,
Den Ehr' und Siegeskranz mir zu erringen;
Für jede Gabe, Gnade, die er spendet,
Musst' ihm ein Seufzer aus dem Herzen dringen.“

Ach. wir müssen in der Tat unsere Sünde bejammern, da sie Jesus getötet hat.

Doch nun, mein Christ, musst du einen anderen Ton anstimmen - „Komm her und siehe die Stätte, da der Herr gelegen hat“ mit Freude und Frohlocken. Er liegt jetzt nicht mehr da. Weine, wenn du Christi Grab siehst; doch freue dich, weil es leer ist. Deine Sünde schlug ihn, doch in Kraft seiner Gottheit stand er wieder auf. Deine Schuld hat ihn gemordet, doch seine Gerechtigkeit hat ihn ins Leben zurückgerufen. O, er hat die Bande des Todes zersprengt, er hat die Grabtücher abgelegt, und als mächtiger Überwinder den König der Schrecken unter seine Füße getreten. Freue dich, o Christ, denn er ist nicht da, er ist auferstanden. „Komm her und siehe die Stätte, da der Herr gelegen hat.“

Noch einen Gedanken, und dann will ich ein wenig davon reden, was wir alles an diesem Grab lernen können. - „Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ mit heiliger Scheu, denn du und ich werden da auch liegen müssen.

„Vom Freudenmahl zum Wanderstab,
Aus Wieg' und Bett in Sarg und Grab.
Wann, wie und wo, ist Gott bewusst.
Schlag an die Brust;
Du musst von dannen, Mensch, du musst.

Da ist kein Stiz zu reich, zu arm,
Kein Haupt zu hoch, kein Herz zu warm.
Da blüht zu schön kein Wangenrot.
Im Finstern droht
Der Tod - und überall der Tod.“

Es ist eine Tatsache, woran wir nicht oft denken, dass wir alle in Kürze tot sein werden. Ich weiß, dass ich aus Staub und nicht aus Eisen gemacht bin; mein Gebein ist kein Erz, meine Sehnen sind kein Stahl; in Kürze muss mein Leib wieder zur Erde werden, wovon er genommen ist. Versuchst du dir aber jeden Augenblick deine Auflösung recht zu vergegenwärtigen? Meine Freunde, es sind einige unter euch, die selten bedenken, wie alt sie schon sind, wie sie am Rande des Grabes stehen. Wer wissen will, wie alt er ist, darf nur sehen, war er noch zu leben hat. Denk einmal, wie alt ein Achtziger ist, und dann siehe, wie du in wenigen Jahren schon diese Stufe erreicht haben wirst. Wir sollten unserer Hinfälligkeit eingedenk sein. Zuweilen habe ich es versucht, an die Zeit meines Abscheidens zu denken. Ich weiß nicht, ob ich eines gewaltsamen Todes sterben werde oder nicht, doch wollte ich, Gott ließe mich plötzlich sterben, denn plötzlicher Tod ist plötzliche Herrlichkeit. Ich möchte einen so seligen Ausgang aus der Welt haben wie Dr. Beaumont und auf meiner Kanzel sterben. Ich würde so meinen Leib mit meinem Amt niederlegen und zu gleicher Zeit zu leben und zu wirken aufhören. Doch steht mir darüber keine Wahl zu. Ich kann möglicherweise wochenlang auf dem Siechbette liegen müssen, mitten unter Schmerzen und 'Ächzen und Stöhnen, bis jener Augenblick kommt, jener Augenblick, der zu feierlich ist, als dass meine Lippen davon reden sollten, wo der Geist sein irdisches Hüttenhaus verlässt; der Arzt mag ihn wochen- oder jahrelang aufschieben, wie wir sagen, obwohl dies unmöglich ist, bis jener Augenblick kommt. O ihr Lippen, seid stumm, und raubt ihm nicht seinen heiligen Ernst! Wenn der Tod kommt, wie wird der Starke niedergebeugt! Wie sinkt der Mächtige dahin! Sie sagen vielleicht, sie wollen nicht sterben; doch ihr Fall ist hoffnungslos, sie müssen sich ergeben, der Pfeil hat sie durchdrungen. Ich kannte einen Menschen, der ein schändlicher Bösewicht war, und ich erinnere mich, wie er in seinem Schlafzimmer auf- und ablief und: „O Gott, ich will nicht sterben, ich will nicht sterben!“ ausrief. Als ich ihn bat, sich in sein Bett zu legen, denn er war am Sterben, sagte er: so lange er laufen könne, werde er nicht sterben; und er lief wirklich, bis er starb. Ach, sein Tod war äußerst qualvoll, er rief beständig aus: „O Gott, ich will nicht sterben!“ O, jener Augenblick, jener letzte Augenblick! Sieh, wie klebrig der Schweiß auf der Stirn ist, wie trocken die Zunge, wie ausgedorrt die Lippen! Der Mensch schließt seine Augen und schlummert, dann öffnet er sie wieder, und wenn er ein Christ ist, kann ich mir vorstellen, dass er sagt:

„Horch, Engel flüstern mir zur Reise,
Sie rufen: „Schwesterseele fleuch!“
Wer schöpft mein Leben aus so leise?
Wer haucht mir Wang' und Stirne bleich?
Was dämmert so vor meinen Sinnen?
Was taucht mich nieder, presst die Brust?
O Seele, sage mirs von innen -
Ists heute, dass du scheiden musst?“

Wir wissen nicht, wann er stirbt. Ein leiser Seufzer - und der Geist schwebt von hinnen. Wir können kaum sagen: „Sie ist fort!“, so nimmt die erlöste Seele schon ihre Wohnung in der Nähe des Thrones ein. Kommt also zu Christi Grab, denn das stille Totengewölbe wird auch euch bald umfangen. Kommt zu Christi Grab, denn da müsst ihr schlummern. Und sogar euch, ihr Sünder, will ich jetzt bitten, hierher zu kommen, weil ihr sterben müsst wie wir alle. Eure Sünden können euch nicht vor dem Rachen des Todes schützen. Ich wollte also, Sünder, dass du auch auf Christi Grab hinschaust, denn dies wird dir in deiner Sterbestunde sehr zu Statten kommen. Du hast von der Königin Elisabeth gehört, die ausrief, sie würde ein Reich für eine einzige Stunde geben. Oder hast du den Verzweiflungsruf des Mannes an Bord des Schiffes „Arctic“ gelesen, der, als es sank, den Leuten in dem Rettungsboot zurief: „Kommt zurück! Ich will euch 30.000 Pfund Sterling geben, wenn ihr kommt und mich holt.“ Ach, der arme Mann, dreißigtausend Welten wären nicht zu viel gewesen, wenn er damit sein Leben hätte verlängern können. Haut für Haut, und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. Einige unter euch, die diesen Morgen lachen können, die kamen, um eine lustige Stunde in dieser Halle zu verbringen, werden bald auf dem Totenbett liegen, und dann werdet ihr um Verlängerung eures Lebens bitten und flehen und um einen anderen Sabbattag schreien. O, wie werden dann eure entweihten Sonntage wie Geister vor euch dahinwandeln! O, wie werden sie ihre Schlangenhaare euch in die Augen schütteln! Wie werdet ihr trauern und weinen müssen, weil ihr köstliche Stunden vergeudetet, die, einmal dahingeschwunden, nicht mehr zurückgerufen werden können! Möge Gott euch vor Gewissensbissen in Gnaden bewahren!

Viertens sollen wir hier etwas lernen. Und nun, liebe Mitchristen - „Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ um ein oder zwei Dinge zu lernen. Was seht ihr, wenn ihr den Ort besucht, „da der Herr gelegen hat“? „Er ist nicht hier; er ist auferstanden!“ Das erste, was ihr seht, wenn ihr an seinem leeren Grab steht, ist seine Gottheit. Die Toten in Christo werden am großen Ostermorden der Menschheit zuerst auferstehen; doch er, der Erstling von den Toten, ihr Führer, ist auf eine andere Weise auferstanden. Sie stehen durch eine mitgeteilte Macht auf. Er erstand durch seine eigene Macht. Er konnte nicht in dem Grab schlummern, weil er Gott war. Der Tod hatte keine Herrschaft mehr über ihn. Es gibt keinen besseren Beweis für Christi Gottheit, als diese seine überraschende Auferstehung, dass er von dem Grab durch die Herrlichkeit des Vaters erstand. O Christ, dein Jesus ist ein Gott. Seine breiten Schultern, die dich aufrecht erhalten, sind wirklich göttlich, und hier hast du den besten Beweis dafür - weil er von dem Grab auferstand.

Was du hier weiter lernst, muss dich entzücken, wenn es der Heilige Geist dir zur Kraft macht. Sieh dieses leere Grab, o wahrer Gläubiger, es ist ein Zeichen deiner Lossprechung und vollkommenen Befreiung. Wenn Jesus die Schuld nicht bezahlt hätte, würde er nie von dem Grab auferstanden sein. Er würde heute noch im Grab liegen, wenn er nicht die ganze Schuld erlassen und den Bluträcher befriedigt hätte. O Geliebte, ist das nicht ein überwältigender Gedanke?

„Vollbracht ist es! Vollbracht ist es!
Also ruft der Siegesheld.“

Der himmlische Türschließer kam; ein glänzender Engel schwebte vom Himmel herab und wälzte den Stein weg; doch er würde es nicht getan haben, wenn Christus nicht alles vollbracht hätte; er würde ihn im Grab gelassen und gesagt haben: „Nein, nein, du bist jetzt ein Sünder, du hast die Sünden aller deiner Auserwählten auf deiner Schulter, und ich werde dich nicht loslassen, bis du den letzten Heller bezahlt hast.“ Weil er, mein Heiland, frei ausgegangen, bin ich erlöst und entbunden.

„Der im Namen aller Seelen
Unsern Schuldbrief übernahm,
Wußte alle herzuzählen,
Als es zum Bezahlen kam.
Nicht ein Heller blieb mir stehen,
Millionen sind gebüßt.
O, wie wäre mir geschehen,
Wenn ich selber büßen müsst!“

Noch etwas wollen wir lernen, und damit wollen wir schließen - die Lehre von der Auferstehung. Jesus ist auferstanden, und wie unser Herr und Heiland auferstanden ist, so müssen alle seine Nachfolger auferstehen. Sterben muss ich, dieser Leib muss der Würmer Speise werden, er muss von jenen kleinen Menschenfressern aufgezehrt werden, vielleicht wird er nach allen Weltgegenden hin zerstreut; die Teilchen, woraus dieser mein Leib besteht, werden sich mit Pflanzen vermengen, von Pflanzen in Tiere übergehen, und so in ferne Reiche getragen werden. Doch bei dem Schall der Trompete des Erzengels wird jedes getrennte Teilchen wieder zu seinem Teilchen kommen, wie die Gebeine, die im Tal der Erscheinung lagen (Hes. 37), obwohl voneinander getrennt, im Augenblick, wo Gott sprechen wird, wieder zusammengefügt werden; dann wird Fleisch darauf wachsen, die vier Winde des Himmels werden blasen, und der Odem wird zurückkehren. Lasset mich denn sterben, lass wilde Tiere mich verzehren, lasst Feuer diesen Leib in Gas und Dunst verwandeln, dennoch werden alle seine Teile wiederhergestellt werden; dieser Leib, wie er ist, wird von seinem Grab auferstehen, verherrlicht und Christi Leib ähnlich gemacht, doch immer noch derselbe Leib, denn Gott hat es gesagt. Wie Christi Erdenleib einst auferstehen wird, wird auch der meinige auferstehen. O meine Seele, fürchtest du dich jetzt vor dem Tod? Du wirst deinen Gefährten, den Leib, für eine kleine Zeit verlieren; doch im Himmel werdet ihr wieder getraut werden; Seele und Leib werden vor dem Thron Gottes wieder vereinigt werden. Das Grab - was ist es? Es ist das Bad, worein der Christ die Kleider seines Leibes legt, damit sie gewaschen und gereinigt werden. Der Tod - was ist er? Er ist das Vorgemach, wo wir uns für die Unsterblichkeit anziehen; er ist der Ort, wo die Seele sich mit Spezereien schmückt, um für die Umarmungen ihres Herrn geschickt zu sein. Der Tod ist die Pforte des Lebens; ich fürchte mich also nicht vor dem Sterben, sondern will sagen:

„Durch den Strom nur furchtlos hin!
Wirf all' deine Sorg' auf ihn.
Dessen Lieb' und Macht im Tod
Seiner Sturmflut Ruh' gebot,
Der, wie ein Lenzabend, mild,
Ob sie breit und breiter schwillt.
Wer an ihm bleibet für und für,
Leidet niemals Schiffbruch hier.“

Kommet also her und betrachtet mit heiliger Ehrfurcht „die Stätte, da der Herr gelegen hat.“ Bleibt diesen Nachmittag, geliebte Brüder, sinnend davor stehen, und geht recht oft zu Christi Grab, sowohl um darauf zu weinen, als auch zu freuen. Ihr Blöden, tretet getrost herzu, denn ihr tut wohl daran, euch zu erinnern, dass die Blödigkeit Christus begraben hat. Der Glaube hätte ihm gar kein Begräbnis gegeben; der Glaube hätte ihn bei sich behalten und würde ihn nie begraben haben, denn er hätte gesagt, es sei unnötig, Christus zu begraben, da er ja doch auferstehen werde. Die Furcht begrub ihn. Nikodemus, der bei der Nacht zu Jesus kam, und Joseph von Arimathia gingen und begruben ihn heimlich, aus Furcht vor den Juden. Darum dürft auch ihr Blöden zum Grab gehen. Du Hinkender, du Furchtsamer, du Verzweifelnder, du Verzagter, geht oft zum Grab; lasst es euren Lieblingsaufenhalt sein, da baut eine Hütte, da bleibt. Und sprecht oft zu eurem Herzen, wenn ihr in Kummer und Trübsal seid: „Komm her und siehe die Stätte, da der Herr gelegen hat.“

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