Melanchthon, Philipp - An D. Hieronymus Baumgärtner.

Melanchthon, Philipp - An D. Hieronymus Baumgärtner.

Mitte Novemb. 1555.

S. Paulus spricht Röm. 5: wir haben durch den Herrn Jesum Christum die Gnade Gottes und die Gabe, die uns gegeben wird von wegen der Gnade des Menschen Jesu Christi. Hier sagt der Apostel zwei Dinge. Die Gnade, das ist gnädige Vergebung der Sünden und Annehmung unsrer Personen bei Gott, und zugleich wird mitgegeben die Gnade, das ist die göttliche Gegenwart in uns, dadurch wir verneuet werden, und fühlen Trost und Anfang eines ewigen Lebens. Und diese beiden haben wir durch das Verdienst Jesu Christi, wie dieser Text öffentlich sagt, daß wir solches haben von wegen der Liebe, die der ewige Vater zu diesem Sohn hat, welches Paulus hier nennet den Menschen Jesum Christum. Und wird solches nicht durch unsere Worte verdienet, sondern allein durch Glauben an den Herrn Jesum Christum erlangt, welcher Glaube durch rechte Bekehrung in uns angezündet wird, so wir das Evangelium hören, damit der Herr Christus selbst wirket; denn Gott wird durch sein ewiges Wort und heil. Geist geoffenbart. Und dieser Glaube muß fort und fort beides annehmen, die Gnade und die Gabe, um des Mittlers willen, auch wenn gleich die Wiedergeburt angefangen ist. Gleich also redet Johannes auch: die Gnade und die Wahrheit ist geworden durch den Herrn Jesum Christum. Gnade heißt gewißlich gnädige Vergebung der Sünden und gnädige Annehmung; aber Wahrheit heißt hernach die göttliche Gegenwärtigkeit, ewige Weisheit, Gerechtigkeit und Leben in uns, als wollte er sprechen: das Evangelium bringt nicht Schaden und sterbliche Gerechtigkeit, sondern wahrhaftige und unvergängliche Güter. Und dieses muß mit Glauben angenommen werden, wie zuvor gesagt ist, und vertrauet dieser Glaube für und für auf den ganzen Herrn Christum, Gott und Menschen; wie auch derselbige Herr Christus, Gott und Mensch, Mittler ist nach beiden Naturen.

Also bekennen wir ganz klar, und müssen alle Kirchen zeugen, daß wahr ist, daß in uns Veränderung geschehen muß, und daß gewißlich Gott Vater und Sohn und heil. Geist den Trost und Leben in der Bekehrung in uns wirken, und also in uns sind und wohnen, so das ewige Wort mit Glauben angenommen wird, dadurch sich der ewige Vater offenbart, und gibt zugleich uns der Herr Christus seinen heil. Geist, wie 1. Joh. 4: „Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben, und er in uns, daß er uns seinen Geist gibt.“

Wiewohl nun wahr ist, daß Gott in den Bekehrten wohnet, und das ewige Leben, welches der Herr Christus wirket, wie er spricht: ich gebe ihnen das ewige Leben, in diesem Leben anfangen muß, so ist dennoch ein Unterschied zwischen den Heiligen in diesem Leben und den Heiligen nach der Auferstehung, wovon S. Paulus redet Gal. 5: durch den Geist aus Glauben warten wir auf die Hoffnung der Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit, die wir noch hoffen, und darauf wir warten, ist nicht Vergebung der Sünden, sondern ist, daß Gott alles in allem sein wird, und wie 1. Joh. 3 geschrieben ist: wir werden ihm gleichförmig sein.

Aber in diesem jetzigen Leben, obgleich Gott in den Heiligen wohnet, ist dennoch unser aller Natur noch voll großer Unreinigkeit und sündlicher Gebrechen und Neigungen, wie der Psalm spricht: vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. Hier müssen nun auch die Heiligen Trost haben und wissen, wie sie Vergebung der Sünden und Gnade haben, das ist, wie sie Gott gefällig sind. Diesen ist dieser Trost vorgestellt, daß sie auch nach der Wiedergeburt für und für Vergebung der Sünden und Gnade empfangen um des Mittlers Jesu Christi willen, durch Verdienst seines Gehorsams, darin er ein Opfer für uns worden ist, von welchem Gehorsam diese Worte im 40. Psalm also sprechen: im Buche ist geschrieben von mir, deinen Willen, mein Gott, thue ich gern. Und es gehet dieser Hauptspruch Röm. 3 auf alle Menschen, in der Bekehrung und hernach: wir werden ohne unser Verdienst gerecht um seiner Gnade willen durch die Erlösung, die da ist durch Jesum Christum, welchen Gott zum Versöhner gesetzet hat durch den Glauben in seinem Blute.

Es ist auch gewißlich in ganzer heil. Schrift dieser Trost klar ausgedrückt, daß wir gewißlich glauben sollen auch nach der Wiedergeburt, daß wir Vergebung der Sünden und einen gnädigen Gott um Christi willen haben, der ist und bleibt Versöhner und Vorbitter und Hohepriester für und für, und bittet für uns und ist unsre Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, nämlich mit seinem Verdienst und mit seiner Gegenwärtigkeit und kräftigen Wirkung in uns.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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