Melanchthon, Philipp - Unterschied zwischen weltlicher und Christlicher Frömmigkeit

Melanchthon, Philipp - Unterschied zwischen weltlicher und Christlicher Frömmigkeit

ES ist zweierley frömkeit, dauon geschrieben sthet, eine heist Göttlich, die ander weltlich. Weltliche frömkeit nennet Paulus zu den Colossern Elementa mundi, der welt ordnung. Diese stehet yn eusserlicher zucht, erberkeit, geberden, sitten vnd breuchen. Vnd die vernunfft mag diese begreiffen, ia sie ist der vernunfft eingepflantzt von Got, wie dem baum eingepflantzt ist, das er diese odder andere frucht trag. Also ist dem menschen eingepflantzt dieser verstandt, das er helt, man sol niemand beschedigen, man sol gemeynen fried erhalten, man sol zucht erzeygen fur yderman.

Also weit streckt sich nu menschliche frömkeit, als weit menschliche vernunfft ovn yhr selbs sehen mag. Es kan aber menschliche vernunfft von yhr selbs nichts gewis beschliessen fur Gott.

Dem ob sie schön helt, das ein Gott sey, vnd hört, das er richten werd, wölle auch selig machen die, so yhn ehren, dennoch lest sich die vernunfft nicht bewegen, das sie sich entsetzt fur seinem gericht, vnd lest yhr alweg drewen, die hell sey nicht so heis, Gott sey nicht so greulich, dieweil sie sicht, das so grosser mutwil offt (wie sie meynen) vngestrafft bleibt.

Viel weniger kan die vernunfft fassen, das Gott sund verzeihe, sie helt yhn nicht so freundlich vns so gut, das er sich vnser so gros anneme, Auch lest sie sich nicht beduncken, das Gott so nahe vmb vns vnd bey vns sey, das er yn aller not sein augen auf vns habe. Sondern sie erdicht yhr ein Gott, der droben sitze, vnd las vns schaffen, was wir künden, wie denn die Poeten von dem Gott Juppiter schreiben, das, da yhn Thetis sucht, was er nicht daheym, sondern war yn einer zech yn Ethiopia.

Vnd die Cretenses haben yhren Juppiter gemalt on oren, damit sie zu uerstehen gaben, das er vns nicht hörete. Vnd solchs sind furwar weise leute gewesen, haben die natur menschlicher vernunfft wol angesehen, vnd Gott gemalt, wie die vernunfft von yhm helt. Also sagt auch Gott ym Psalm. Der Heyden Götter haben augen vnd sehen nicht, oren vnd hören nicht. So ist nu von nöten, das wir ein Gott haben, den wir dafur halten, das er uns sehe vnd höre.

Dieweil nu das die vernunfft nicht kan odder begreifft, so hat Gott seinen Son yns fleisch geworffen, das er vns des vaters willen furhielt, Johan. 1. vnd vnser blindheit vnd erlögene meynung von Gott, sampt allen sunden, die da folgen aus solcher blindheit, wegneme, vnd den heiligen geist ausgösse, damit wir yn ware erkentnis Gottes kemen, daz helffen keine werck odder verdienst.

Dis ist nu Göttliche frömkeit yn vns, die Christus yn vns wirckt mit dem heiligen geist, das ist, wenn vnser hertz vom heiligen geist bewegt wird, das es erschrickt fur dem grossen zorn Gottes, von vnser sunden wegen, vnd ergreifft die gnade vnd verzeyhung der sund durch Christum vnd empfehet also trost, vnd gewinnet eine sichere, fröliche, hertzhafftige zuuersicht zu Gott, das es sich mütiglich Gott ergibt yn allen anstössen vnd versihet sich guts zu Gott vnd merckt, das er allenthalben ein aufsehen auf vns hat, vnd wirckt vmb vns yn allen creaturen, erneret, hanthabt, erhelt alle creaturen, Solches beschleust das hertz von Gott gewislich, wo der heilige geist ist, der von Gott yn vns also zeugnis gibt, Johannis. 16. vnd Roma. 8. Dis gewis beschliessen nennet Paulus zu den Collossern am andern Plerophorian, das ist gewissen vnd völligen verstand.

Solche erkentnis Gottes, vnd solcher glaub ist Göttliche frömkeit yn vns, die Gott furnemlich fodert, wie er spricht Johan. 17. Dis ist das ewig leben, das man kenne den Vater vnd Christum. Vnd wie Habakuc sagt, Der gerechte lebet seines glaubens.

Es wirckt auch solcher glaub yn vns ein demütig hertz, das da fület, wie wir billich vnterworffen sollen sein allen creaturen, wie Christus ist worden der nidrigst vnter allen menschen. Esa. 53. Denn wenn das hertz sihet, was es wol fur Gott verdienet hab, vnd wie gnediglich es doch begnadet vnd begabet sey, so kan es sich nicht enthalten, es mus sich selbs vernichten, vnd yderman vnterwerffen, yderman dienen etc.

Vnd wie der heilige geist reyn ist, also wird ein keusch reyn hertz, das da erschrickt fur vnkeuscher lust vnd begirde.

Also spricht Gott, das er wölle ein new Testament anrichten, Hiere. 31. vnd sein gepot nicht yn eine Taffeln, sondern yn vnsere hertzen schreiben, das wir yhn kennen, Vnd sagt Esa. 54. Er wölle kinder machen, die Gott lere.

Hie siehestu, wie ein Christlich hertz geschickt ist. Wo nu das ist, da ist Gott, Neben dem ist nu eusserliche frömkeit oder zucht, die vns fur Gott nicht rechtfertig macht. Denn rechte frömkeit die soll leben sein, darumb allein der geist Christi yn vns ist lebendige frömkeit.

Eusserliche ordnung zurgehen mit dem fleisch und haben kein leben, darumb können sie auch nicht leben odder frömkeit geben, Coloss. 2. wo auch solche eusserliche frömkeit allein ist, ists nür heucheley.

Eusserliche frömkeit ist gar gefast zum ersten yn die gewalt, welche die schrifft das schwerd nennet, vnd wie vns Gott dem schwerd vnterworffen hat, also foddert er auch eusserliche zucht vnd sitten, welche weltliche öberkeit, friden zu erhalten, einsetzt. Darümb ist man weltlicher oberkeit gehorsam schüldig, so fern sie nichts widder Gott gebeut zu thun, ob sie schön sonst mit gewalt fert, denn Christus sagt, Wer dich dringt eine meil zu gehen, mit dem gehe zwo.

Zum andern ist eusserliche frömkeit kinderzucht, von Gott geboten, die man nennet Pedagogiam, welche nicht Göttliche frömkeit ist, sondern ein eusserliche vbung, ydoch von Gott befohlen den eltern, das sie die kinder fur groben sunden bewaren, Als wenn man kinder odder grobe leute zu fasten, zu beten, zu kirchen gehen, yn solchen kleydern zu gehen, gewenet. Galatern. 4. Was aber das schwerd nicht foddert, lest Gott frey, doch das man der liebe auch da diene, als wo kinder odder schwache gewissen sind, das man denen diene yn yhrer blödigkeit.

Wenn aber nu prediger komen vnd geben fur, Göttliche frömkeit stehe yn fasten odder solchen sachen, odder weltliche öberkeit solchs foddert, als werens stück, daran die Christenheit stünde, sol man hie widderstreben vnd bekennen, was Christliche frömkeit ist, vnd vnser leben drob lassen, Denn wir sollen vns nicht mit gewalt weren.

Dis alles ist gefast yn die Zehen gepot, denn das Erste foddert den glauben, so Gott spricht, Ich bin Gott dein Herr, Dieweil er sich vnsern Herrn nennet, wil er mit vns zu thun haben. Item ich bin ein starcker eyuerer, der der veter missethat strafft, vnd barmhertzigkeit thut, vnd wil, das man sich zu yhm wende, denn er straffe vnd helffe. Das ander gepot foddert, das man seinen namen dazu brauche, vnd rhüme, das er der helffer vnd richter sey, wie geschrieben ist, Johel. 3. Wer den namen Gottes anrufft, dem wird geholffen. Das dritte, das Gott allein yn vns wircke. Das vierde vnterwirfft vnd den Eltern vnd aller öberkeit. Das fünffte foddert liebe, Das sechste keuscheit, Das achte liebe. Das neunde vnd zehende foddern ein reyn hertz von allen fleischlichen begirden, solche reynigkeit bringt mit sich der heilige geist, Amen.

Die Evangelischen Katechismusversuche vor Luthers Enchiridion Ferdinand Cohrs. Zweiter Band. Die evangelischen Katechismusversuche aus den Jahre 1527 - 1528 Berlin A. Hofman & Comp. 1900

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