Luther, Martin - Widerruf der Lehre vom Fegefeuer

Luther, Martin - Widerruf der Lehre vom Fegefeuer

1530

Allen, die nach uns kommen, Martinus Luther

Gnade und Friede in Christus unserm Herrn! Weil ich sehe, daß die Sophisten sich unterstehen, mit allem Fleiß ihre Lügenpredigt, Schande und Greuel, mit denen sie die Christenheit verderbt haben, jetzt mit viel Geplärr und Geschrei zu verbergen, und daß sie sich herausputzen, als hatten sie noch nie die geringste Untat begangen in der Hoffnung, sie könnten indessen daherschleichen, während wir uns eine Zeitlang gegen sie ausgeschwiegen und uns mit den Rottengeistern geschlagen haben -, und daß sie sich aus ihrem Schandloch herausputzen, so daß man alle ihre lästerlichen Lehren und Lebensweisen vergessen wird, und daß sie so ohne Buße und Besserung dazu unversehens und ohne Scham mit der Zeit alle ihre Teufelslehren wieder aufrichten wollen, muß ich dagegen das alte Sündenregister abermals hervorziehen und ihre löbliche Tugend wieder an die Sonne bringen, damit sie nicht so schwarz verfault, sondern gut gebleicht wird. damit man sie nicht so vergißt, wie sie hoffen.

Denn weil die heillosen Lästerer und Mörder täglich viel Blut vergießen, lügen und trügen, Gott aber nicht so viele Ehre antun wollen, daß sie auch nur einige Stücke die sie selbst wissen und fühlen, wie sie darin geirrt und die Welt betrogen haben bekennen, beseitigen oder verbessern, ja, nicht in einem Stück nachgeben wollen, sondern einfach lieber durch die Sünde gegen den Heiligen Geist, der Wahrheit und Gott selbst zum Trotz, öffentlich und von ihnen selbst erkannte Lügen beschützen, verteidigen und gebrauchen wollen, und weil sie außerdem alle diejenigen, die diese öffentlichen Lügen nicht als Glaubensartikel befolgen, morden, verbrennen, verfolgen und selbst wüten und toll und töricht sind, muß ich, zur Warnung derer, die nach uns kommen - wenn die Welt überhaupt noch langer bestehen sollte - Belege und Material für spätere Darstellungen meines Werkes zusammenstellen, an denen sie sehen, wofür der Luther vom Papst verdammt worden ist und • was des heiligen Papsttums Lehre gewesen ist, damit sie sich davor zu hüten wissen, wenn Gott die Gnade gibt.

Ich hoffe auch ganz getrost, daß ich damit den Sophisten selbst einen besonderen Dienst tun werde, weil ihnen jetzt so über die Maßen wohl ist und ihnen die Haut zu sehr juckt und sie mir vielleicht fast feind sind, daß ich sie bisher nicht recht und genügend abgemalt, sondern nur auf einem Papier in einfachen Umrissen entworfen habe, und deshalb begehren, ich solle sie auch mit Farben ausführen. Dazu helfe mir Gott und erhöre ihr Begehren. Ich will es versuchen und nochmals alles und alles von neuem und vorn anfangen. Und weil die reinen Heiligen nicht wissen, warum sie doch so schreien, will ich ihnen dazu helfen und zu schreien geben, wie Gott mir das Leben gegeben hat. Und zum Anfang will ich mir das Fegefeuer zuerst vornehmen, um ihre schändlichen Lügen darzustellen, weil ich bisher dagegen noch nichts Besonderes geschrieben habe, und danach von den anderen Lügen und Greueln in der Reihe und Ordnung nacheinander.

Die Lügen und Greuel der Sophisten mit dem Fegefeuer

Das erste Kapitel

Sie haben einen Text, der ganz ihr Eckstein und bester Grund ist, 2. Makk. 12,43-46: ..Judas aber, der Ehrenhafte, sammelte eine Steuer und schickte sie nach Jerusalem. 12 000 Drachmen in Silber, damit man für die Sünden der Verstorbenen opfern sollte, weil er von der Auferstehung der Toten eine rechte und gottgefällige Meinung hatte. Denn wenn er nicht geglaubt hätte, daß die Erschlagenen auferstehen würden, wäre es als vergeblich und unnütz anzusehen gewesen, für die Toten zu bitten. Darum ist es eine heilige und gute Meinung, für die Toten zu bitten, damit sie von den Sünden befreit werden.„

Du darfst hier aber nicht denken, daß die Sophisten in ihren Seelenmessen diesen Text als Epistellesung um der 12000 Drachmen willen verwendet haben, sonst würden dir böse Gedanken einfallen, als hätten sie es aus Habgier getan und dieser Text wäre ihr Schneeberg, Schreckenberg, Schwaz und alle Silber- und Goldberge gewesen. Sondern sie haben es aus großer Liebe und mit dem Vorsatz getan, die armen Seelen zu trösten und Gott nicht den schändlichen Mammon zu ehren, wie das leicht an ihren Werken und Früchten zu erkennen ist (Matth. 7,20).

Aufs erste

Obwohl dieses Buch der Makkabäer nicht zu den heiligen Schriften zählt und auch von den alten Vätern nicht als Heilige Schrift angenommen worden ist wie auch fürwahr die Art der Sprache selbst genügend bezeugt -, so daß damit ihr unbegründetes schändliches Lügen verdammt sein könnte, weil sie einen Text für gewiß halten und zum Glaubensartikel machen, ihn lehren und predigen, der doch nicht gewiß sein kann, dazu wegen dieses Ungewissen, verworfenen Textes die Leute verketzern und morden, als ob sie Macht hatten, Glaubensartikel aufzustellen, was und wie sie wollten, wollen wir doch diesmal zum Überfluß und den Lügnern zum Dienst diesen Text als eines sonst frommen, heiligen Mannes Rede gelten lassen, der dennoch wohl zuweilen etwas Gutes und Wahres sagen konnte, wenn man auch nicht verpflichtet ist, es zu glauben, weil er ohne Heilige Schrift und ohne Gottes Wort redet, aber darum nicht als Ketzer zu verdammen ist.

Aber der Sophisten erste stattliche Lüge ausgenommen die jetzt genannte, aus einem Ungewissen Buch einen Glaubensartikel zu machen ist diese, daß sie diesen Text auf das Fegefeuer deuten. Sie wollen es auch damit begründen und beweisen, obgleich doch darin kein Wort noch Buchstabe vom Fegefeuer steht, sondern sie bringen und brauen mit Gewalt dieses Lügenverständnis aus ihrem eigenen Kopf um der 12000 Drachmen willen hinein. Der Text spricht von den Sünden der Verstorbenen und lobt den Judas wegen des Artikels von der Auferstehung, so daß der gute Mann, der dieses Buch gemacht hat, hiermit den edlen Artikel von der Auferstehung der Toten preisen will, der damals wie auch noch heute sehr verachtet war. Die Papisten aber beziehen es auf das Fegefeuer, denn sie halten die Auferstehung nicht für so groß wie die 12 000 Drachmen, die glänzen vor ihren Augen mehr als das Auferstehen und das ewige Leben dazu.

Und der Text zeigt fürwahr selbst an, daß er nichts von der Strafe oder dem Fegefeuer der Seelen halt. Denn er spricht ja so: „Es wäre vergeblich und unnütz, für die Toten zu bitten, wenn kein Auferstehen wäre.“ Er will damit ja klar anzeigen, wenn Sünden der Toten da wären, möchten ihnen diese bei der Auferstehung Schaden tun, nicht vor der Auferstehung. Denn vor und ohne die Auferstehung halt er es für vergeblich, daß man für die Toten bittet. Denn wenn sie nicht auferstehen, ist es umsonst, für sie zu bitten. Daher ist dieser Text nicht nur ungewiß, sondern auch direkt gegen ihr Fegefeuer, erdichtetes Feuer oder Lügenfeuer.

Außerdem ist das eine haltlose und faule Logik, die nicht fein folgert oder Schlüsse zieht: „Ein Verstorbener ist in Sünden, darum ist er im Fegefeuer.“ Womit will man diese Folgerung beweisen oder erzwingen? Es taten denn die 12 000 Drachmen, sonst gibt der Text nichts her, man helfe denn eine Lüge hineintreiben. Denn aller Heiligen Leiber liegen in der Erde und sind sündlich und in Sünden gestorben, wie der heilige Paulus Rom. 5,12 sagt: ..Der Leib ist gestorben um der Sünde willen.“ Dennoch ist er nicht im Fegefeuer. Die Teufel sind auch in Sünden und doch weder im Fegefeuer noch in der Höllenqual. Darum folgt nicht: „Judas laßt für die Toten bitten, darum sind sie im Fegefeuer.“ Das Gebet kann zu Recht geschehen und sich auch auf die Auferstehung beziehen. Aber wer es auf das Fegefeuer deutet, der redet das Seine ohne Beweis, das ist ebensoviel wie eine lästerliche Lüge, besonders deshalb, weil sie hieraus einen Glaubensartikel machen wollen.

Die zweite Lüge

Wenn auch Judas ein solches Opfer zu seiner Zeit im Alten Bund getan hat, wie kommen wir dazu, daß wir es auch nachher tun müssen? Wollen wir zurück und wieder zu Juden werden? Wer hat uns die Gewalt gegeben, daß man aus eines Menschen er sei gleich heilig Werk ein Vorbild, ja ein Gebot und Glaubensartikel macht, aufgrund dessen man Ketzer verbrennt? Heißt das nicht, Gott zu hoch zu versuchen und mit unerhörter Vermessenheit sich über Gott hinwegzusetzen? Sagt doch dieser Text nicht, daß man es hernach tun muß oder soll oder es Gott befohlen hat, sondern er erzählt nur eine Geschichte, was Judas für sich selbst getan hat. Und wir fahren daher, machen flugs ein Gebot und Artikel daraus, aus eigener Willkür, Frevel und Mutwillen, was uns Gott nicht befohlen. sondern verboten hat (5. Mose 4,2).

So taten die Juden vorzeiten auch. Als sie in 1. Mose 22.2 fanden, daß Gott Abraham befahl, seinen Sohn Isaak zu opfern, warteten sie nicht, bis Gott ihnen das auch gebot, sondern sie fuhren zu wie die Unsinnigen, machten flugs ein Vorbild. Gebot und Glaubensartikel daraus, opferten ihre Söhne und Töchter (2. Kön. 16,3; 21,6; Jer. 7,31: Hes. 16,20), bis sie das Land voller Blut machten. Außerdem erwürgten sie alle Propheten, die das tadelten und diesem wehrten, ebenso wie jetzt die rasenden Bluthunde auch um des Fegefeuers willen tun und die Unschuldigen töten, obgleich sie doch kein Gotteswort für sich haben und dazu diesen Text zu Unrecht anführen und noch dazu das Vorbild des Judas, das sie vorwenden, nicht haben. Und wenn es gleich ein Vorbild wäre, wäre es dennoch nicht genug für ein Gebot oder Glaubensartikel.

Es ist aber der rechte Müntzerische Geist, dessen Logik und Theologie war hierin auch ganz sophistisch. Denn er lehrte, folgendermaßen: „David, Gideon, Josua und dergleichen haben die gottlosen Könige erschlagen und gut daran getan und sind dafür von Gott gelobt worden. Darum wollen und sollen auch wir die Fürsten genau nach diesen Vorbildern totschlagen.“ Ebenso lehren diese Lügner: „Judas hat für die Toten geopfert, darum sollen wir Christen es auch tun.“ Und es ist außerdem ungewiß, ob Judas damit vor Gott recht getan hat oder nicht, weil das ganze Buch ungewiß und von den Alten verworfen worden ist. Aber die 12000 Drachmen sollen dafür sorgen, machen Glaubensartikel und Gebote, wie sie wollen.

Es gibt ja nichts Schädlicheres in der Welt, als wenn man auch das Werk der Heiligen ohne Gottes Befehl zu Vorbild, Gebot, Lehre und Glaubensartikel macht. Denn wir sollen keinem Vorbild folgen, wo sie einen besonderen Befehl gehabt haben, den wir nicht haben. Wir haben unseren Befehl für uns, wie Glauben und Lieben, dabei sollen wir alle gleichmäßig bleiben, sagt der heilige Paulus Phil. 3,16, bis er uns etwas Weiteres befiehlt, wie er jenen getan hat. Weil wir nun kein Wort noch Befehl von Gott haben, das Fegefeuer zu glauben, so ist es eine verfluchte Lästerung und Lüge, von uns selbst aus ein Gebot und Glaubensartikel daraus zu machen; und wenn es lauter heilige Vorbilder schneite und regnete. Hat es Judas aus eigener Kraft getan, so beruhe es auf ihm. Er ist weder unser Gott noch Lehrer, Gideon richtete aus eigener Kraft ein Ephod ein, aber er ging darüber zugrunde (Richt. 8,27). Und wer weiß, ob Judas nicht auch um dieser seiner eigenen frommen Tat willen hernach so fallen und erschlagen werden mußte (1. Makk. 9,18). Es darf ohne Gottes Wort mit Menschenwerk und den Vorbildern der Heiligen kein Scherz getrieben werden.

Die dritte Lüge

Sie ist die allerfeinste. Judas selbst, von dem dieser Text redet, hat nicht geglaubt, daß es ein Fegefeuer gibt. Er hat es auch nicht glauben können, denn es gab im Alten Testament kein Fegefeuer, auch im Neuen Testament, zur Zeit der Apostel und lange hernach nicht. Und die Sophisten sagen es selbst, daß es im Alten Testament keins gab. Sind mir das nun nicht feine, treue Hirten und Lehrer (Eph. 4,11), die einen fremden Text außerhalb der Heiligen Schrift anführen, von dem sie selbst wissen und bekennen müssen, daß er nicht vom Fegefeuer redet noch reden kann; die diesen dennoch aus eigenem Mutwillen und Frevel, mit mutwilligem Lügen und Betrügen deuten und zwingen, das Fegefeuer zu bestätigen; die so rasend und unsinnig sind, daß sie diese ihre bewußte Lüge auch zum Glaubensartikel erheben und die Leute morden, die diese offenbare, bewußte Lüge nicht als Gottes Wort anbeten? Heißt das nicht, gegen den Heiligen Geist aufs unverschämteste gesündigt (vgl. Matth. 12,31) und eigene, offenkundige Lügen über Gott gesetzt?

Die vierte Lüge

Sie lügen aber auch damit, daß sie dieses verbotene und ungewisse Vorbild des Judas selbst nicht halten. Denn Judas hat wie ein Jude nach dem alten Gesetz geopfert (3. Mose 4 f.), das nun durch Christus aufgehört hat. Und wenn Judas jetzt lebte, wagte er es nicht mehr zu tun. Wie kommen denn unsere Lügner darauf, daß sie dieses Vorbild des alten Opfers, das längst aufgehört hat (Hebr. 10.9.18), nun wiederum aufbringen? Wollen sie Judas folgen, so müssen sie zurück in den Alten Bund und zu Jerusalem mit den Juden Schafe und Ochsen opfern, sonst ist das Vorbild tot und gar nichts. Weil es nun Judas jetzt selbst nicht täte, wenn erlebte, und auch kein Fegefeuer glaubte, ist es ja eine unverschämte, lästerliche Lüge, seinem toten und nun untauglichen Vorbild zu folgen und einen Glaubensartikel daraus zu machen. Wenn sie denn durchaus der Juden Vorbild befolgen wollen, müßte man sie auch beschneiden und zu dem ganzen Gesetz des Mose zwingen, damit Christus von ihnen vollkommen verleugnet würde. Denn wer das Gesetz in einem Stück hält, der muß es in allen Stücken halten (Gal. 6,13; Jak .2,10).

Nun gehen sie noch weiter: Das Vorbild des Judas befolgen sie nicht, das sie doch rühmen, sondern sie kreuzigen außerdem Christus, machen an Stelle des aufgehobenen Opfers der Juden Christus und die Messe zum Opfer. Das reimt sich gut mit dem Vorbild des Judas! Aber davon mehr, wenn wir auf die Messe kommen.

Siehe dir das nun an: Das Buch ist verworfen und ungewiß. Der Text sagt nichts vom Fegefeuer. Judas hat kein Gotteswort für sich, befiehlt uns auch nicht, ihm nachzutun, glaubt selbst kein Fegefeuer. Und es ist alles im Alten Bund geschehen, in dem es kein Fegefeuer gab. Und es gilt dieses Vorbild und Werk nicht mehr im Neuen Bund. Außerdem befolgen sie sein Vorbild nicht, sie halten die Messe für ein Opfer und beziehen trotzdem diesen Text auf das Fegefeuer. Wie gar schändlich ist doch das alles durchstunken und durchlogen und ganz unbegründet mit Lügen und Lästerungen. Dennoch machen sie mutwillig aus diesen Lügen Glaubensartikel was Judas mit seinem Opfer doch nicht getan hat und morden um dessentwillen die Leute als Ketzer. Sind mir das nicht verfluchte, schändliche Lästerer und Mörder?

Sie schreien: „Die Kirche, die Kirche hat es gesagt.“ Das ist auch erlogen. Die Kirche ist ein Pfeiler der Wahrheit, sagt Paulus (1. Tim. 3,15), und ist heilig. Darum ist es unmöglich, daß sie mit solchen mutwilligen, handgreiflichen, offenbaren Lügen umgehen sollte. Aber die Kirche, in der solche Lügen regieren, ist ihre eigene Kirche. Denn diese Epistel lesen sie in allen Stiften, Klöstern, Kirchen, Kapellen, Altären in der Seelenmesse vom Fegefeuer, wie ihre Meßbücher zeigen und wie am Tage ist. Darum sei du gewiß, daß sie hierin Lügner, Lästerer, abtrünnige Feinde Gottes, Verräter Christi und Mörder sind. Und hüte dich, daß du dich nicht ihres Lügens und Mordens teilhaftig machst.

Das zweite Kapitel

Sie haben auch einen schönen Text aus Ps. 66,12, der lautet so: ..Wir sind durch Feuer und Wasser gegangen.„ Weil nun hier das Wort „Feuer“ steht, muß es das Fegefeuer bedeuten. Und das Wort „wir“ bedeutet: „Wir armen Seelen im Fegefeuer.“ Da hast du das Fegefeuer gewiß bestätigt! Gehe nun hin und sage, daß die Sophisten ohne die Heilige Schrift reden und ungelehrte Esel sind. Daß aber auch „Wasser“ dabeisteht, darfst du indessen nicht beachten, sondern du mußt auf das Wort „Feuer“ sehen, sonst wird dich wohl ein Lachen überfallen, wie die Sophisten doch Wasser ins Fegefeuer bringen können. Es sind kunstreiche Leute, das sage ich dir fürwahr. Es geschieht auf erlaubtem Wege und nicht mittels Zauberei!

Wohlan, ich könnte wohl dulden, daß sie mit der Heiligen Schrift solch ein trügerisches Blendwerk und Narrenwerk treiben, wenn sie es verborgen für sich selbst auf ihre Gefahr taten. Aber nun ist es ein solcher Ernst - wie gesagt -, daß sie daraus öffentlich für die ganze Christenheit Glaubensartikel machen und die Leute darüber ermorden, verbrennen, lästern und verdammen. Und auf solche Sprüche gründen sie ihre verfluchten Lügen und fressen damit der Welt Güter und verführen die christlichen Seelen jämmerlich, denn auf diesen Gründen stehen fast alle Stifte, Klöster, Kirchen und Altäre zusammen.

Die erste Lüge

Jedermann kann jetzt im Psalter selbst gut sehen, daß dieser Spruch gar nichts vom Fegefeuer sagt, sondern durch die verlogenen Sophisten zu Unrecht darauf bezogen wird. Er redet nur vom Leiden der Heiligen in dieser Zeit, wie denn darin steht (Ps. 66,12): „Gott. du läßt Menschen über unser Haupt gehen.“ Nun sagen die Papisten ja selbst, daß nicht Menschen, sondern Teufel im Fegefeuer die Seelen plagen.

Die zweite Lüge

So gehört der Psalm eigentlich zu den Heiligen im Alten Bund und ist auch im Alten Bund gemacht und darin verfaßt. Das Fegefeuer aber gab es damals noch nicht. Darum kann er davon nicht reden, wie kann er es uns denn im Neuen Bund beweisen?

Die dritte Lüge

Es werden die aus dem Fegefeuer dieses Opfer doch nicht opfern, von dem der Psalm meldet und sagt: ..Ich will in dein Haus gehen mit Brandopfer, ich will Rinder und Böcke zurichten“ (Ps. 66,13.1 5). Das sind Opfer des Alten Bundes und nun langst alle tot und ab, aber Pfennige, Groschen, Gulden und 12000 Drachmen werden das gutmachen.

Die vierte Lüge

Daß der Psalm auch vom Wasser redet, wie oben angezeigt. Aber der Mammon vermag alle Dinge in dieser heiligen Sophisten Kirche, auch die Lügen zur Wahrheit und aus dem Teufel einen Gott zu machen. Haben sie doch in der Hölle auch kaltes Wasser gefunden, wie sie aus Hiob 24,19 beweisen, wo er spricht: „Sie gehen in großer Hitze vom Schneewasser.“ Und es soll bedeuten, daß die Seelen von der Hitze zur Kalte und wieder zurück fahren müssen. Hiob aber sagt, wie der Schnee ein Ende nimmt und vor der Sonnenhitze zu Wasser wird, so verderben auch die Ehebrecher auf der Erde an Leib und Gut. Aber nun ist es ein Glaubensartikel, daß Sonnenhitze und Schneewasser in der Hölle sind. Das mußt du glauben, oder du bist ein Ketzer. Denn Hiob hat es den Sophisten so gesagt.

Mich wundert es aber, warum sie nicht aus Dan. 9,4-19 das Fegefeuer beweisen, wo er so von Herzen klagt und für die Sünden der verstorbenen Väter bittet, daß Gott sie vergessen wolle, und Gott selber im ersten Gebot droht, er wolle die Missetaten der Väter heimsuchen an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied (2. Mose 20,5), womit er ja die Kinder ermahnt, für die Sünden der Väter Buße zu tun. Hieraus sollte ja auch ein Fegefeuer zu bauen sein, wie es aus dem Vorbild des Judas so meisterlich gezimmert ist. Und haben sie ein so scharfes Auge. daß sie Wasser im Fegefeuer und Schnee in der Hölle auch ohne Brille und Laternen sehen können, sollten sie wahrlich hier auch wenigstens das Höllenfeuer in der Finsternis sehen. Aber ich glaube, es mangelt daran, daß an diesen Stellen nichts von 12 000 Drachmen noch Opfer steht; wenn diese nicht hinleuchten, ist kein Fegefeuer zu sehen, die rechte Laterne steht nicht dabei.

Das dritte Kapitel

Es steht Offb. 14,13: ..Ich hörte eine Stimme zu mir sagen: Schreibe, selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja. der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeite denn ihre Werke folgen ihnen nach.„

Das ist der Text, der es tut. Der ist im Seelenamt überall in rechter Anwendung. Und er reimt sich zu den Seelen im Fegefeuer so treffend, daß es eine Lust ist zu sehen. Auch stößt er die ganze ketzerische Lehre des Luther zu Boden. Denn hier steht klar, daß ihre Werke ihnen nachfolgen, das heißt, wie sie gehandelt haben, so wird es ihnen gelohnt. Aber besonders sind es die Werke, die man nach ihnen tut, durch Vigilien und Seelenmessen usw. Was sollte sonst dieser Text im Seelenamt zu tun haben? Denn daß diese Werke erfolgen, nachdem einer tot ist, muß gewiß wahr sein. Das bedarf keines Glaubens, man sieht es wohl. Auch hört man es so aus des Priesters Mund, wenn er vor dem Altar zum Volk spricht: „Liebe Freunde, helft mir bitten für die Seele N. N., die man jetzt mit Vigilien und Seelenmessen feiert, daß Gott die guten Werke ansehen wolle, die hinter ihm her geschehen“ usw. Ja, diese Nachfolge der Werke hat wahrlich viele tausend Drachmen erlaufen und erjagt. Sie heißen aber des Verstorbenen Werke, weil er sie bestellt und gestiftet hat oder ein anderer um seinetwillen.

Lieber, frage nur hier alle Sophisten aus allen hohen Schulen, Stiften, Klöstern und Pfarren, ob sie glauben, daß die Seelen, für die sie beten, im Herrn gestorben sind oder nicht. So müssen sie sagen, daß sie im Herrn gestorben sind. Denn für die Nichtchristen und für diejenigen, die nicht im Herrn gestorben sind, beten sie nicht. Es dürfen im Fegefeuer nichts als rechte Christenseelen sein, die anderen sind alle verdammt. Und es ist auch wahrhaftig so, daß man für die nichtchristlichen Seelen nicht beten soll noch kann. Das ist das eine.

Nun sagt hier der Text, daß die Toten, die im Herrn sterben, selig sind. Wie bitten sie dann für die Seligen um des Geldes willen ? Und wenn sie eine faule Deutung vorwenden, daß diese Seelen in Hoffnung selig wären, aber noch nicht im Dasein, ist das nichts als ihre eigene Deutung. Sie können es auch nicht beweisen. So duldet es auch der Text nicht, der besagt: „Sie sind also selig, daß sie ruhen und im Frieden sind“, wie auch Jes. 57,2 sagt, daß die Gerechten ein Christ aber ist gerecht, Rom. 1,17 -, wenn sie sterben, in den Frieden wie in ein Bett eingehen. Und Weish. 3,3 bezeugt auch: „Der Gerechten Seelen sind im Frieden.“ So zeigt auch die Heilige Schrift bald hier, bald dort wie von Abraham, Isaak, Jakob. Josua (1. Mose 15,1 5; 2. Kön. 22,20)-, daß sie im Frieden sterben sollen. Und darum heißen sie auch die Schlafenden und ihr Tod ein Schlaf durch die ganze Heilige Schrift (z.B. Joh. 11,11; Matth. 9,24).

Und was sagt denn besonders das ganze Neue Testament dazu? Wer an Christus glaubt, der ist gerecht! Was Paulus im Brief an die Römer gewaltig beweist (Röm. 5.1; 10,10) und Johannes in seinem Evangelium (z. B. Joh. 5,24). Darum, wer im Herrn stirbt, der muß gerecht und selig sein, auch wenn es hier nicht in der Offenbarung stünde, oder Gott müßte selbst lügen. Und wenn der Trost und der Glaube nichts gelten soll, daß der selig ist, der in Christus stirbt, was ist dann unser Christenglaube? Dann wollte ich lieber ein Türke, Jude oder Heide sein. Was hülfen mir so vortreffliche, herrliche Verheißungen Gottes, daß, wer an Christus glaubt, nicht gerichtet werden (Joh. 3,18), sondern gerecht, selig, und heilig sein und Vergebung der Sünden und ewiges Leben haben soll ? Laßt uns lieber einen anderen Gott suchen, der uns nicht so belügt und betrügt.

Wohlan, das ist das zweite, daß sie selig sind, die in Christus sterben, wie hier der Text und die ganze Heilige Schrift sagt und das gewaltige Beispiel des Verbrechers am Kreuz (Luk. 23,39-43) auch bezeugt - wozu auch Cyprian an vielen Stellen lehrt, was jetzt zu weit führt, es zu erzählen. Nun frage weiter meine lieben Sophisten, warum sie denn sagen, Gott soll die guten Werke ansehen, die nach ihnen getan werden, und nicht das Sterben im Herrn. Denn er sagt ja nicht, daß sie durch Werke selig werden, sondern durch das Sterben im Herrn, nicht durch das Sterben allein, sondern weil sie im Herrn sterben, daß heißt im Glauben an Christus. Der tut es, unser Sterben allein täte es nimmermehr. Wie doch die Verführer die armen Leute in jeder Hinsicht betrügen, die man richtet und hinrichtet um ihrer Missetat willen.

Siehst du nun, was die 12 000 Drachmen vermögen ? Diesen schönen, tröstlichen, lebenbringenden Spruch verdunkeln sie durch ihr schändliches Geplärr und ihre Habgier, damit die Christen ja nicht erhalten noch lernen, im Herrn zu sterben. Sie schrecken sie vielmehr durch ihr Fegefeuer von diesem Trost ab, so daß sie den Glauben an Christus fahrenlassen und diesen Trost und diese Verheißung verachten, dafür sich aber auf die nachfolgenden Werke verlassen und darauf sterben und so ewiglich verderben müssen. Siehe, das wollte der Teufel mit dem Fegefeuer haben, daß die Christen an ihrem Ende, wenn sie den Glauben am allermeisten und nötigsten brauchen, ihn dann ganz fallenlassen und auf ihre eigenen Werke bauen müßten, auch wenn sie diesen Glauben ihr Leben lang bis dahin gehabt hätten. Und für diese treue Lehre des leidigen Teufels haben sie der Welt Güter verdient und an sich gebracht. Und es ist so der undankbaren Welt ihr Undank für die Gnade in Christus tüchtig heimgezahlt und recht gestraft worden.

Wenn du nun fragst: ..Warum bitten sie für die seligen, in Christus gestorbenen Seelen?“, was sollen sie sagen? Sie müssen sagen: „Gott ist nicht mehr als nur schlicht einfach heilig, aber der Papst ist der Allerheiligste. Darum gibt er den seligen Seelen eine viel größere Seligkeit als Gott selbst. Und wenn seine frommen Vigilien nicht vorhanden waren, die sie rein um Gottes willen beten, müßten die seligen Seelen unselig und die ruhigen unruhig sein, auch wenn Gott selbst sie nach allen Seiten hin selig gemacht hätte.“

Wie gefallen dir diese Gesellen? Ich meine, sie treffen es; noch geht es also: Wer ihren Lügen nicht glaubt, der muß ein Ketzer sein und brennen. Der heilige Augustin sagt auch: „Es ist eine Schande, wenn man für die Märtyrer bittet, denn sie sind selig.“ Und das ist auch wahr. Denn für einen Märtyrer bitten ist ebensoviel gesagt wie: „Er ist nicht in Gott gestorben. Gott hält auch sein Wort nicht, wo er geredet hat, sie sollen selig sein, die um seinetwillen sterben, Matth. 5,10-12; Luk. 6,22 f. und an vielen anderen Stellen.“ Aber der heilige Augustin hat diesen Artikel nicht verstanden, denn die Sophisten lehren, daß die nachfolgenden fremden Werke die selig m Gott Verstorbenen selig machen. Augustin ist gewiß auch ein Ketzer und alle, die es mit ihm halten.

So sehen die Eselsköpfe, die Sophisten, die ganze Heilige Schrift an, daß sie den Text offenbar wider sich selbst zwingen und gleichwohl daraus Glaubensartikel machen und die Leute deswegen morden. Johannes will hier soviel sagen: „Die Christen, die im Herrn sterben, sind selig“, wie auch der Ps. 116,1 5 sagt: „Vor dem Herrn ist der Tod seiner Heiligen kostbar“; obgleich sie vor der Welt verflucht und verdammt heißen und als Ketzer sterben müssen und also alle ihre Lehre und ihr Tun auch in Schanden stecken muß. Aber ebenso wie sie sterben und dadurch zur Seligkeit und zur Herrlichkeit weitergehen, so werden ihre Werke auch ihnen folgen und auch in aller Welt herrlich werden, wie Paulus 1.Tim. 5,25 auch davon redet. So ist Johann Hus für seine Person selig geworden, weil er im Herrn starb, jetzt folgen seine Werke nach und heißen nun auch selig und heilig, die bisher gelästert und verdammt worden sind. Denn es bleibt von den Heiligen nichts zurück, nicht ein Haar vom Haupt, es muß alles folgen und auch selig und heilig werden.

Also haben sie auch weil ich soeben in dem 14. Kapitel bin (Offb. 14,1-4) ihr Narrenwerk getrieben, wo Johannes von den 144 000 Jungfrauen redet, die dem Lamm nachfolgen. Sie machen leibliche Jungfrauen daraus, obgleich doch der Text klar sagt, es seien Männer und sie seien deshalb Jungfrauen, weil sie dem Lamm folgen. Denn so spricht er: „Diese sind es, die mit Frauen nicht befleckt sind, denn sie sind Jungfrauen.“ Wenn er nun Frauen meinte, müßte er so sagen: „Diese sind mit Männern nicht befleckt.“ Und wenn auch die alten Lehrer es von Frauen verstehen, so ist der Text selbst klar vor Augen und spricht: ..Es sind Jungfrauen, die nicht mit Frauen befleckt sind.„ Das müssen ja Männer sein. Was wäre es sonst für eine jungfräuliche Tugend, sich nicht mit Frauen zu beflecken? Das gehe seinen Weg. Es ist genug, daß man sieht, wie die Ketzermeister und Mörder so fleißig in der Heiligen Schrift sind und wie gewiß ihre trunkenen Träume sind, um derentwillen sie die Leute so schändlich würgen.

Das vierte Kapitel

Der heilige Paulus spricht 1. Kor. 3,15: ..Er wird selig werden, doch so wie durchs Feuer“, das heißt durchs Fegefeuer. Hier darfst du gar nicht hinsehen, wovon Paulus vorher redet und was für ein Feuer er meint! Vielmehr, weil du hörst, daß er das Wort „Feuer“ erwähnt, flugs nicht weiter nachgedacht noch umgesehen, sondern schlicht geglaubt, es ist das Fegefeuer. So ist es dann ein Glaubensartikel, und du mußt ein Ketzer sein und sterben, wenn du anders glaubst. Denn der Goldschmiede Feuer ist Wasser gegen dieses Feuer, weil ihr Feuer wenig Silber und Gold schmilzt. Aber das Fegefeuer schmilzt nichts als 12 000 Drachmen. Ja, alle Stifte, Klöster, Kirchen, Kapellen, Altäre mit allem ihrem Gut und Ansehen sind aus dem Fegefeuer geschmolzen. Um dasselbe zu bestätigen, soll man es in der Heiligen Schrift einsetzen, wo das Wort „Feuer“ steht, und alsdann nicht zweifeln, daß die Heilige Schrift vom Fegefeuer redet. Und wer etwas anderes sagt, der sei verdammt und verbrannt als ein Ketzer.

Weil aber mein lieber Herr und Freund, Herr Johannes Bugenhagen, unser zu Wittenberg und wohl an mehreren Orten rechter Erzbischof, diesen Text ausgelegt und ihn den Aposteln und Tyrannen des Fegefeuers gewaltig abgejagt hat, will ich diesmal die Leser auf dieses Büchlein verwiesen haben. Darin werden sie finden, wie redlich und mit welchem Recht die Blindenleiter (Matth. 15,14) das Wort des heiligen Paulus auf das Fegefeuer bezogen und mit welcher schändlichen Lüge sie der Welt Gut ausgesogen und die armen Seelen so gar jämmerlich betrogen haben; worüber sie doch nicht Buße tun oder Reue empfinden, sondern sie wollen sich als verstockte Beschützer des Wortes Gottes aufspielen.

Ein jeder lese selbst den Text, so wird er den großen Fleiß und das treue Herz der Sophisten gegen die Christenheit spüren müssen, wie sie mit Ernst das Heil der Seelen gesucht haben. Um es jetzt aufs kürzeste zu sagen: Der Text ergibt es klar, daß er von den Predigern und Lehrern redet, die die christliche Kirche mit ihren Lehren bauen sollen. Und er nennt einige Lehren Gold, Silber, Edelsteine, einige aber Holz, Heu und Stroh (1. Kor. 3,12), nicht das Gold, das Silber und die Edelsteine, was die Frauen am Hals tragen, auch nicht Holz, Heu oder Stroh, was die Kühe und Kälber fressen. Denn die Lehre und Predigt wird bei den Christen keine Kuh fressen noch eine Frau um den Hals hängen, das kann sogar eine Kuh wohl selbst ermessen, wenn sie auch kein Sophist ist. Ebenso ist auch das Feuer, durch das die Lehre erprobt wird, nicht das Feuer, womit Gold, Silber, Heu und Stroh erprobt werden, sondern ein anderes Feuer, das da an dem Tage erprobt, an dem es offenbar wird, was Recht und was Unrecht ist. Aber davon genug und mehr in Bugenhagens Büchlein.

Weil das nun eigentlich gewiß ist, daß der heilige Paulus an dieser Stelle von den Lehrern und Predigern redet, daß derselben Gebäude oder Lehre durch das Feuer erprobt werden muß, möchte ich über die Maßen gerne wissen, warum sie für die Seelen der allgemeinen Christen bitten, von denen dieser Text nichts sagt, und warum sie nicht vielmehr umgekehrt den gemeinen Mann für sich bitten lassen und selbst Geld dafür geben. Denn wenn Paulus hier vom Fegefeuer redet, so trifft es ja nur die Lehrer, Prediger und Pfarrer, das heißt die Geistlichen, die das Predigtamt innehaben, und nicht den gewöhnlichen Christen. Ist denn nun dieser Text nicht fein auf das Fegefeuer bezogen, der nur von dem Feuer redet, daß nicht der gemeine Mann, sondern die Pfarrer, Lehrer und Geistlichen erleiden müssen? Und sie erdichten und beziehen es auf ein Feuer, das der gewöhnliche Christ erleiden müsse. Ja. lieber Geselle, der Mammon ist ein allmächtiger Gott und gelehrter Theologe, der versteht die Heilige Schrift recht auszulegen, wie du hier siehst.

Hier schreien sie aber und was können sie sonst denn schreien -, die heiligen Väter und die christliche Kirche haben es so gedeutet und als Fegefeuer verstanden, wie Augustin, Gregor der Große und deren viele mehr, dazu auch der große Vater selbst, Mammon, der größte Münzmeister auf Erden, der die 12000 Drachmen im Alten Testament glänzen sah und durch seine Kunst, Geld zu machen, aller Welt Gut aus demselben im Neuen Testament machte.

Hier sollst du sagen und merke es ja gut: „Die lieben heiligen Vater haben nicht allein an diesem Ort, sondern durchaus auch an mehreren Stellen die Heilige Schrift nach ihrem Sinn und ihrer guten Absicht ausgelegt, ohne daß sie damit haben Glaubensartikel aufstellen wollen noch jemanden dessentwegen ermordet oder verdammt haben. So gebraucht z. B. besonders der heilige Bernhard oft über die Maßen häufig die Sprüche der Heiligen Schrift, auch wenn es nicht der eigentlichen Meinung der Heiligen Schrift entspricht. Und doch können sie durchaus ohne Schaden so verstanden werden, sofern man nicht Ernst noch Glaubensartikel daraus macht.“ Das muß ich mit Beispielen beweisen.

So spricht Augustin zum vierten Psalm (4,9): „in pace in idipsum dormiam“ (ich schlafe ganz in Frieden). Und er deutet mit vielen Worten, daß „idipsum“ Gott selbst heiße, obgleich es das im Lateinischen und Griechischen nicht gibt, viel weniger im Hebräischen. Soll man dem guten Mann solche Gedanken nicht billig zugute halten, weil er doch keinen Irrtum, sondern reine gute christliche Gedanken dabei hat, obgleich sie nicht an dieser Stelle, sondern anderswo begründet sind? Wenn aber ein toller Sophist hierauf fußen und einen Glaubensartikel daraus machen und die Leute darüber verbrennen wollte, daß idipsum Gott heißt, meinst du, daß dies dem heiligen Augustin gefallen würde, wenn er jetzt lebte? Meinst du, er würde sagen: „Ich habe es gebieten und als einen Glaubensartikel haben wollen, was ich sage. Und wer es nicht glaubt, den soll man verbrennen?“ Ja, hüte dich davor. Er würde wohl sagen: „Wer hat dir befohlen, meine Worte zu einem Glaubensartikel zu machen?“

Ebenso, wenn der heilige Gregor spricht: ..Die fünf Pfunde Matth. 25,15 sind die fünf Sinne, und zwei Pfunde sind Verstand und Werk und ein Pfund ist der Verstand allein„, und jemand spricht: „Lieber Vater, haben doch die Tiere auch fünf Sinne, wie können sie dann die fünf Pfunde bedeuten, die Christus seinen Aposteln gibt, die er doch nicht nur höher als alle Tiere, sondern auch über aller Menschen Klugheit durch die ganze Welt zu Meistern setzt. Und sollte er ihnen nichts Höheres als fünf Sinne dazu geben, die sie doch vorher hatten und auch fast die Lause und Flöhe haben?“ Wohlan, zwar lehrt dies der heilige Gregor. Meinst du aber, er wolle das zu einem Glaubensartikel gesetzt und befohlen haben, alle diejenigen zu ermorden, die es nicht glauben?

Ebenso, wenn der heilige Hieronymus schreibt, daß die Jungfrauenschaft den Himmel fülle, der Ehestand aber die Erde meinst du, er habe das mit solchem Ernst oder mit der Absicht geschrieben, daß es ein Glaubensartikel sein und jeder verpflichtet sein soll, das zu glauben ? Was kann unchristlicher und ketzerischer gesagt werden, als daß der Ehestand nicht zum Himmel, sondern auf die Erde gehöre? Wenn kein verheirateter Mensch selig werden sollte, wo blieben Abraham und alle Väter und Apostel? Und sollte die Jungfrauenschaft zum Himmel helfen, so brauchte man Christus und den Glauben an ihn nicht, und es müßten viele Heiden, die ungetauft, unchristlich und gottlos gewesen sind, im Himmel sein, denn sie haben wahrlich viele Jungfrauen gehabt. Wer sieht nun hier nicht, daß der heilige Hieronymus hierin viel zu freigebig redet? Er hat es aber dennoch nicht böse gemeint und ist darum auch kein Ketzer, aber viel weniger darf es auch ein Glaubensartikel sein, der uns dies zu glauben zwingt.

Ebenso, wenn der heilige Ambrosius Ps. 19,3: „Ein Tag sagt es dem anderen, eine Nacht verkündet es der anderen“, so deutet: „Ein Tag, das ist, ein Christ sagt es dem anderen, eine Nacht, das ist, ein Jude sagt es dem anderen“; meinst du, er will mich hier gezwungen haben, daß ich es als einen Glaubensartikel glauben muß, daß der Tag einen Christen und die Nacht einen Juden bedeutet? So es doch der Psalm nicht hergibt noch der Text duldet.

Auf diese Weise die Heilige Schrift auszulegen heißt Katachresis, uneigentlicher Gebrauch des Wortes, ein Mißverständnis dadurch, daß man der Heiligen Schrift zuweilen einen Spruch ausborgt und Scherz und Spott treibt, doch ohne Schaden für den Text und das rechte Verständnis, das den Ernst ohne jeden Scherz haben soll. Wie man aus dem Alexander solche Scherze sehr viele gemacht hat, wie: „U non mutabis, donec plurale videbis“ (Das U sollst du nicht verändern, ehe du den Plural siehst) „Man soll alte Schuhe nicht wegwerfen, man habe denn neue“; „Indeclinabile vulgus“ (vulgus ist undeklinierbar) „Der Pöbel ist ein ungezogenes Ding.“ Wiewohl es wäre besser, man ließe die Heilige Schrift mit solchen Scherzen unverwirrt oder ginge mit großer Klugheit damit um. Denn es ist die Gefahr dabei, daß man zuletzt vom Text wegkommt und den rechten Sinn verliert und aus dem Mißverständnis und Scherzen ein Glaubensartikel wird, wie es die Sophisten und Papisten hier mit dem Fegefeuer tun, ja fast nur diese Katachresis in ihren Glaubensartikeln haben:

Und wenn Gregor, Hieronymus und der alten Lehrer viele ( Matth. 13,23, daß der Same - Gottes Wort - einmal dreißig-, einmal sechzig- und einmal hundertfach trägt, so verstehen, daß dreißig der Ehestand, sechzig der Witwenstand und hundert der Jungfrauenstand bedeutet, welche Stände alle drei vorher in der Welt ohne diesen Samen Christi von Gott geschaffen und eingesetzt sind, ist es gleichwohl lächerlich, daß das Wort Christi nicht mehr tun soll, als diese drei Stände geben, die vorher da sind. Wohlan, dennoch ist das durch die ganze Christenheit gesungen und geklungen. Und wer es so für Ernst halten wollte, da möchte keine größere Ketzerei auf die Erde gekommen sein. Denn damit wäre und gäbe Christus und sein Wort nicht mehr, als was vorher bei allen Heiden, Gottlosen und Teufelsdienern dagewesen ist.

Wer will nun sagen, daß dies ein Glaubensartikel sein müsse, um dessentwillen die Leute zu töten seien? Wieviel besser ist es, wenn man sagt, die lieben Väter haben dieses unüberlegt, aber nicht mit böser, ketzerischer Absicht geredet. Denn wie der heilige Augustin sagt, irren macht keine Ketzer, sondern bewußt und hartnäckig irren macht Ketzer. „Irren kann ich“, spricht er ein andermal, „aber ketzern will ich nicht.“ Warum? Er will seinen Irrtum nicht zum Glaubensartikel setzen noch verteidigen, sondern sich weisen lassen. Solche Sprüche der lieben heiligen Vater könnte ich über tausend aufbringen, in denen sie teils gefehlt, teils auch gute Gedanken, aber nicht an der richtigen Stelle, gehabt, worauf sie doch nicht hartnäckig noch eifrig bestanden hätten, wenn sie anders unterrichtet worden wären. Viel weniger haben sie daraus Glaubensartikel gemacht und die Christen dafür verdammt und getötet haben wollen, wie es unsere unsinnigen Bluthunde tun.

Und was soll man viel reden? Getrauen wir uns doch nicht, es darauf ankommen zu lassen, daß wir allen Werken und Worten unseres Herrn Christus folgen können, der doch nie eine Sünde getan noch geirrt oder gefehlt hat, wie der heilige Petrus (1. Petr. 2,22) und Jesaja (Jes. 53,9) sagen, daß er keine Sünde getan hat und nie etwas Falsches in seinem Munde gefunden worden ist. Denn ich wage freilich nicht, vierzig Tage zu fasten oder auf dem Meer zu gehen, wie er getan hat (Matth. 4,2; 14,25-32). So besaß er auch weder Haus noch Hof, Frau noch Kind, noch etwas Eigenes auf Erden (Matth. 8,20). Er hat auch keines davon befohlen, ihm nachzutun. So hat er auch von den drei Arten von Ehelosigkeit Matth. 19,12 gelehrt, was auch nicht alles gehalten werden muß. Warum sollten wir denn zu dem wie zu Glaubensartikeln gezwungen sein, was die lieben Väter ohne Heilige Schrift tun und reden, die doch sündigen und irren können, ja oft und täglich haben sündigen und irren müssen, damit sie das Vaterunser (Matth. 6,12) und Ps. 19,12 wahr sein und richtig bleiben ließen.

Und wenn sie ja dem Vorbild der Heiligen in allem auch unnötigen Stücken folgen wollen, warum folgen sie nicht viel lieber dem Herrn Christus selbst und lassen Stifte, Klöster und alles eigene Gut fahren ? Ja, auf gesundes Wiedersehen, komm morgen wieder! Hier liegt es, steckt es und haftet es. Was dem Mammon dient, da können wir der Väter Vorbild und Wort gebrauchen, was ihm aber nicht dient, das muß Ketzerei sein. Fehlt es da bei euch, so ist euch, liebe Papisten, nicht zu helfen. Nun ist es kein Wunder, daß ihr der Väter Sprüche immerzu Glaubensartikeln macht. Also haben auch die Dominikaner ihren Thomas von Aquino der Christenheit aufgeladen, so daß alle Buchstaben Glaubensartikel sein müssen, der doch voller Irrtümer steckt, bis es die hohen Schulen selbst nicht mehr haben dulden können und einige Stücke von ihm haben verdammen müssen. Und es war beinahe dahin gekommen, daß wir Glaubensartikel sein lassen mußten, wenn einem vollen Mönch der Bauch knurrte oder einen faulen Wind fahren ließ. Aber nun ist das alles vergessen. Sie haben nie etwas Übles getan.

Wenn man nun Väter zu diesem Text des Paulus 1. Kor. 3,15 vom Fegefeuer anführt, so ist das gar nicht genug. Sie müssen vielmehr noch beweisen, daß diese Vater das haben für einen Glaubensartikel und nicht nur für ihre Gedanken haben wollen. Dazu müssen sie noch weiter beweisen, daß die Vater einen Befehl von Gott hatten, neue Glaubensartikel außerhalb der Heiligen Schrift aufzustellen und die Christen dazu zu zwingen oder zu töten. Wenn das nicht geschieht, bleiben alle Väter und Heilige so groß sie sein mögen mit aller ihrer Lehre und ihrem Leben unter diesem Spruch 1. Thess. 5,21 :“ Prüfet alles und behaltet das Gute.„ Denn da unterwirft sie der Heilige Geist den Christen und verbietet ihnen die Macht, Glaubensartikel aufzustellen.

Das bekennt auch der heilige Augustin selbst und schreibt an Hieronymus: „Lieber Bruder, ich glaube nicht, daß Du Deine Bücher den Büchern der Apostel und Propheten willst gleich gehalten haben. Denn außer der Heiligen Schrift Bücher lese ich ä>le anderen so, daß ich nicht alles glaube, was sie sagen. sie seien so gelehrt und heilig, wie sie sein mögen, es sei denn, daß sie es mir mit der Heiligen Schrift oder mit der klaren Vernunft beweisen. Ebenso will auch ich Leser über meinen Büchern haben, wie ich ein Leser über den anderen Büchern bin.“ Soweit Augustin.

Weil das nun klar ist, daß die lieben Väter oft gestrauchelt sind und oft gute Gedanken an unrechten Stellen gehabt haben, aber nie ketzerisch oder hartnäckig gewesen sind, viel weniger dieses ihr Straucheln und ihre Gedanken zu Glaubensartikeln derentwillen die Christen zu verbrennen geboten, aufgestellt oder gelehrt haben, ist leicht zu ermessen, wie ehrlich und treu die Sophisten mit den Christen umgehen, die aus ihrem eigenen tollen Kopf, aus frevelhafter Willkür und Teufelseingebung, ohne Befehl Gottes gegen den Willen der Vater und ohne jeden Grund, alles bei den heiligen Vätern zu Glaubensartikeln machen, was sie wollen, und die Leute dessentwillen ermorden, ohne Rücksicht auf und mit Füßen getreten den Heiligen Geist, der da sagt: „Prüfet alles und behaltet das Gute.“ Da kann dann nicht ausbleiben - weil sie der Väter Irrtum ohne deren Willen und Befehl bestätigen -, daß nicht die Väter, sondern sie selbst unter dem Namen und Schein der Väter Ketzer sind, wie man sagt: „Wer die Lüge nachredet, der lügt noch mehr.“ Denn der lügt nicht, der etwas Falsches oder Irriges redet, sondern wer darauf beharrt und hartnäckig handelt, das ist ein absichtlicher Lügner.

Das fünfte Kapitel

Hier haben sie nun den heiligen Gregor in seinem „Dialog“, der fast der erste und mächtigste ist, der das Fegefeuer und die Opfermesse aufgebracht und angerichtet hat. Derselbe zeigt an vielen Beispielen von Geistern, die erschienen sind, denen er als ein guter, ehrlicher, einfältiger Mann glaubt. Außerdem hat er auch den fliegenden Lichtem und Irrwischen geglaubt, als wären es Seelen, was doch die .Heiden vorzeiten nicht für Seelen gehalten haben, und nun offenbar ist, daß es Teufel sind. Und der Dinge stellt er viele auf, der gute Mann, und glaubt alles ohne Heilige Schrift und Zeugnis Gottes. Und das ist fast der stärkste und einzige Grund des ganzen Fegefeuers. Ihm ist alle Welt gefolgt. Und es ist so eingerissen, daß fast kein Gottesdienst, kein gutes Werk, kein Geld auf Erden geblieben ist, es hat ins Fegefeuer gemußt, um den Seelen zu helfen. Und es ist meines Erachtens keine reichere Lüge auf die Erde gekommen als das Fegefeuer, bis daß sie sich mit dem Ablaß selbst verraten und sich vernichtet haben.

Hier sage ich wie oben: Man lasse den heiligen Gregor einen frommen Mann sein, der das alles ohne Ketzerei geglaubt und niemanden dazu gezwungen noch einen Glaubensartikel daraus gemacht noch mit der Heiligen Schrift oder Wundern jemals bewiesen hat. Aber wie käme ich dazu, daß ich das für einen Glaubensartikel halten müßte, dessentwillen ich Leib und Seele verlieren soll, was doch der Heilige Gregor selbst nicht für einen Glaubensartikel gehalten haben will? Er hat es mir auch nirgends geboten. Er hat auch keinen Befehl gehabt, es zu gebieten. Daß man aber Glaubensartikel daraus macht und die Leute dessentwillen ermordet, das ist nicht die Absicht des heiligen Gregor noch der heiligen Kirche. Das kann auch niemand beweisen, sondern es ist ein boshafter Zusatz, Zugabe und eigenes Fündlein der habgierigen Wänste, der lügenhaften Sophisten, die damit der Welt Leib und Gut, Seele und Heil fangen und umbringen. Und sie handeln also aus Keckheit mit der lieben Christenheit, nicht nur als Erzketzer und Erzlügner, sondern als die heillosen Verräter, Bösewichte, Mörder und Lästerer, die lieber durch ihre Lügen die ganze Welt verdammt haben als die 12 000 Drachmen entbehren wollen.

Und wenn sie vorgeben, die Kirche hatte dieser Väter Bücher anerkannt und bestätigt, wissen sie selbst gut, daß die Kirche mit ihrem Bestätigen nicht mehr Zusätze aufgrund der Bücher der Väter macht, als darinnen stehen, wie es doch hier die Sophisten tun. So glauben sie auch selbst nicht, daß alles recht ist, was bei einem bestätigten Lehrer gefunden wird, so z. B. bei Thomas von Aquino. So ist auch das ein Zusatz, daß die Kirche Glaubensartikel macht mit ihrem Bestätigen. Das erdichten die Sophisten.

So hat wahrlich der Papst selbst in seinem geistlichen Recht aus den Sprüchen des Augustin distinctio 9 capitulus 3 bestimmt, daß man den Vätern nicht glauben soll, sie beweisen es denn aus der Heiligen Schrift. Soll man nun diesem geistlichen Recht folgen, so darf man wahrlich dem heiligen Gregor und dem Fegefeuer nicht glauben, denn dafür ist keine Heilige Schrift vorhanden, sondern es sind nur eigene Gedanken. Jetzt aber ist es umgekehrt: Wenn man dem heiligen Gregor in bezug auf das Fegefeuer nicht glaubt, sind Leib und Seele verloren. Ist es nicht ein seltsames Wunder um das sophistische Papsttum? Es will seinem geistlichen Recht geglaubt haben, oder man muß ein Ketzer sein und brennen. Glaubt man ihm aber, so ist man abermals ein Ketzer und muß brennen. Denn hier zwingt es mich, dem heiligen Gregor nicht zu glauben und doch zu glauben. Was immer ich tue, ich bin verdammt und verloren. So sei der Teufel ein Papist an meiner Statt! Wiewohl diese Schurkerei allesamt allein der Sophisten Schuld ist. Denn was sie lehren; müssen der Papst und die Bischöfe und die ganze Welt glauben, denn der Papst und die Bischöfe kümmern sich wenig um das Lehren und Predigen.

Das sechste Kapitel

Da haben sie die ganze Heilige Schrift für s ich mit allen Buchstaben und Pünktchen, und es ist nichts vor dem Fegefeuer bestehengeblieben. Denn sieh ihre Vigilien und Seelenmessen an, so wirst du finden, wie meisterlich sie die ganze Heilige Schrift auf das Fegefeuer beziehen und deuten. Es muß alles Fegefeuer heißen, was jemals Altes und Neues Testament gewesen ist. Ich muß hier einige Psalmen und Texte aufzählen, die sie in ihren Vigilien und Seelenämtern gebrauchen, an denen man doch begreifen könnte, wie schändlich sie Gott und die Welt geäfft und genarrt haben.

Sie haben 15 edle feine Psalmen für die Vigilien ausgewählt, die kannst du nun selbst im deutschen Psalter lesen. Ich will sie dir anzeigen. Und wenn du einen Buchstaben darinnen findest, der sich auf das Fegefeuer oder auf die verstorbenen Seelen reimt, will ich nicht mehr als Mensch gelten. Und wie könnten sie es auch, da sie alle im Alten Bund gemacht worden sind, da nie ein Gedanke vom Fegefeuer gewesen ist? Aber sie müssen es jetzt wohl, der Mammon kann es sie gut lehren.

Es sind aber diese:

  • 1. Ps. 5: „Herr, höre meine Worte …“
  • 2. Ps. 6: „Ach Herr, strafe mich nicht…“
  • 3. Ps. 7: „Auf dich, Herr. mein Gott, traue ich!“
  • 4. Ps. 23: „Der Herr ist mein Hirte …“
  • 5. Ps. 25: „Nach dir, Herr, verlangt mich.“
  • 6. Ps. 27: „Der Herr ist mein Licht …“
  • 7. Ps. 40: „Ich harrte des Herrn …“
  • 8. Ps. 41: „Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt!“
  • 9. Ps. 42: „Wie der Hirsch schreit…“

Auf diese neun Psalmen folgen neun Lektionen aus dem Buch Hiob (Hiob 7,16-21; 10,1-7; 10,8-12; 13,22-28; 14,1-6; 14,13-16; 17,1-3.11-15; 19,20-27; 10,18-22), wovon ein besonderes Buch gegen sie zu schreiben wäre, wie sie dieselben so lästerlich, schändlich darauf beziehen. Danach folgen die Psalmen der Laudes:

  • 1. Ps. 51: „Gott, sei mir gnädig …“
  • 2. Ps. 62: „Meine Seele ist stille …“
  • 3. Ps. 63: „Gott, du bist mein Gott…“
  • 4. Ps. 130:„Aus der Tiefe…“
  • 5. Jes. 38,10-20: „Ich sprach: Nun muß ich .. .“
  • 6. Die letzten drei Psalmen.

Lieber, nimm einen Sophisten zu dir und lies diese Psalmen der Vigilien alle oder einen und laß dir doch zeigen, in welchen Worten vom Fegefeuer etwas gesagt wird oder wieviel Seelen im Alten Bund dadurch aus dem Fegefeuer erlöst worden sind. Denn darauf kannst du ja gewiß fußen, daß einige dieser Psalmen, wie der 40. und 41., allein und sonst nirgends hin als auf Christi eigene Person zielen, wie sie dann im Johannesevangelium 13,18 und Hebr. 10,5 angeführt werden, und die anderen alle vom Leiden und Trost der Heiligen hier auf Erden reden. Und es ist auf keine Weise zu den, daß man wenn es mit Ernst geschehen soll die Psalmen zweideutig macht, daß sie zugleich von Christus und nicht von Christus reden sollten. Dadurch würde unser Glaubensartikel ungewiß und der Glaube müßte fallen und all unser Trost in Nöten zunichte werden.

Ich will hier die Totenvesper und Seelenmessen übergehen, besonders aber die lästerlichen Kollektengebete in denen sie den Himmel für ihre Wohltäter erbitten - denn das ist unerschöpflich mit Lügen und Lästern in bezug auf das Fegefeuer -, damit auch andere etwas hierin zu bedenken haben und damit, wenn sie wiederkamen, ich ihnen mehr den Kopf waschen und baden könnte.

Um die edlen, teuren Psalmen ist es mir leid, daß sie in diesem schändlichen, lästerlichen, vielfältigen Mißbrauch der stinkenden Habgier und dem unflätigen Bauch dienen müssen.

Erstens, weil das rechte Verständnis von Christus und seinen Heiligen um des Fegefeuers willen verdunkelt, verhindert und verderbt werden muß und die Herzen der Christen dessen beraubt sind. Das wäre allein Ursache genug, daß man deshalb alle Vigilien samt Stiften, Klöstern, Kapellen wenn es nicht anders sein wollte ausrottete, so daß kein Gedächtnis 'daran bliebe. Denn die Psalmen sind gemacht, darin den Glauben zu üben und zu lernen, und nicht, daß man damit die Seelen durch Mißverständnis aus dem Fegefeuer erlösen soll.

Zweitens, weil sie Gott zu Spott und Schande so vergeblich und im leeren Wahn gesungen und gelesen werden müssen. Denn weil das Fegefeuer nichts ist noch bewiesen werden kann und man doch mit diesen Psalmen Gott darum bittet, so ist es genauso, als wenn ich einen Fürsten um einige Gefangene in einem Turm bitte und er selbst wüßte weder vom Turm noch den Gefangenen. Da müßte ich ja unsinnig sein oder verspottete gewiß den Fürsten als einen Narren mit schönen Worten, die sich außerdem nicht dazu reimten. Wollen sie nun Gott auch nicht als einen Narren verspotten, müssen sie wahrlich zuvor das Fegefeuer gewiß machen. Denn Gott weiß nichts darüber, weil er ja kein Wort davon jemals gesagt hat. Wann wollen sie es aber gewiß machen?

Drittens, weil sie die Psalmen nicht zum Glauben gebrauchen, wie sie es aus ihrem Mißverständnis dann nicht können. Daraus folgt notwendig, daß sie diese schlecht, ohne Herz und ohne Beten hinlesen und sie damit wie mit einem Werk umgehen, durch das sie Gott die Seelen abkaufen wollen. Nun ist ein Werk ohne Glauben im Gottesdienst gewiß eine rechte, reine Abgötterei und Versuchung Gottes, dazu ein Spott auf Gott. So sieht man es auch gut, daß ihre Vigilien kein Beten sind, denn wenn sie darin beten wollten, würden sie wohl andere Personen dazu bestellen, die nicht so leichtfertig darin handelten. Es bedürfte auch nicht so vieler Psalmen, Lektionen und Miteinander- und Durcheinandertönens. Es genügt wohl ein Psalm.

Aber damit man sehen soll, daß es ein Werk ist, mit dem man das Volk in Erstaunen versetzt, und damit es desto mehr Geld bringe, muß das die beste Vigilie sein, die die längste ist und am meisten plappert, gerade als ob Gott Freude an großem und viel Geplapper hätte, wo er doch Matth. 6,7 spricht: ..Wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden.“ Und der Priester, der vor dem Altar sagt, daß Gott die guten Werke ansehen wolle, die für ihn folgen, bekennt frei, daß seine Vigilie, Messe und Seelenamt ein Werk ist, durch das sich Gott versöhnen lassen soll, und daß sie des Mittlers Christus dazu nicht bedürfen. Gott muß wohl fort und fort sie selbst mit ihren ungläubigen Werken ohne Christus erhören.

Viertens, weil dieses Mißverständnis vergebliche Mühe und ungläubiges Werk in ihren Vigilien ist, so muß auch weiter äußerlicher Mißbrauch dieser Psalmen folgen, nämlich, daß man sie mit Unfleiß, Unlust, Verdruß und Unwillen singt und liest, daß auch dieser Unwille ein Werk verdirbt, wenn es auch recht und gut im reinen Glauben geschehe. Denn Gott will ganz willige Diener haben, und er mag gezwungene und unwillige Dienste nicht haben. Nun sieht man ja vor Augen, wie sie in Stiften und Klöstern die Vigilien singen. Da schnattern sie die lieben Psalmen dahin, wie die Gänse das Haferstroh im Schnabel hin- und herwerfen, so daß sie nicht ein ganzes Wort machen. Wie denn der Teufel selbst sie mit dem Sprichwort verspottet: „Es müßte ein armer Teufel sein, dem sie durch Beten eine Seele entziehen sollten!“

Fünftens, weil denn da nur Mißverständnis, Irrtum, Unglaube, Mühe und Unlust in diesem Werk ist, muß zuletzt auch folgen, daß es mit Geld erhalten werden muß und allein um des Geldes willen und nicht um Gottes willen getan werde, sonst wäre die Mühe ganz umsonst und könnte nicht bestehen. Und das ist auch der rechte Vigiliengott, dessentwillen hält man sie, man würde sie sonst nicht ansehen. Das sehen wir vor Augen, daß keine Vigilie ohne Geld gehalten wird und für jede eine besondere Abgabe gestiftet ist. Und sie verkaufen sie auch wahrlich unverschämt wie eine andere Ware, außer daß es nicht gekauft heißen darf. Und du wirst es gewiß sehen, wenn das Geld aufhört, ob da nicht auch die Vigilien und Seelenmessen aufhören werden.

Solche lästerlichen Mißbrauche und Greuel wollte ich wohl mehr anzeigen, wenn ich sie nach allen Geboten und Lehren Christi beurteilen wollte. Und die lieben, edlen Psalmen müssen hierzu dienen und dem leidigen Abgott Mammon aufwarten, die Seelen der Christen zu verführen und Gott zu verspotten und zu lästern, und für das alles der Welt Güter fressen und mit Huren und Schurken schändlich verzehren helfen.

Und damit ja alle Tugenden der päpstlichen Kirche zusammenkommen, lassen sie sich an diesem Greuel nicht genügen, daß sie die Psalmen durch Mißverständnis so verkehren, Glauben und Trost des Geistes verhindern, die Seelen verführen, Gott mit glaubenslosem, faulem, nichtigem Werk spotten und ihrem Bauch und Mammon dienen, der Welt Güter damit rauben und schändlich verprassen, sondern sie fahren herzu, und wer diesen Greuel nicht anbeten und für richtig halten will, der muß ein verdammter Ketzer sein und verbrennen. So sind sie denn ihrem Vater in allen Dingen ähnliche Kinder. Denn wie kann es ausbleiben, daß, wer ein Lügner ist, sollte nicht auch ein Mörder dazu werden, weil der Teufel, sein Vater, ein Lügner und Mörder ist, Joh. 8,44?

Und als Zugabe machen sie sich darüber kein Gewissen, bereuen es nimmermehr und tun keine Buße, sondern trotzen Gott dazu und rühmen es als den höchsten Gottesdienst, der sie für dieses Morden, Lügen und Blutvergießen über alle Heilige im Himmel krönen werde. Und mit diesem Stück übertreffen sie selbst den Teufel, ihren Vater, und verbessern damit sein Reich, wo er es nicht kann. Denn wiewohl er auch verstockt ist, so kann er doch den Hochmut und den Trotz nicht ergreifen, daß Gott ihn für seinen Mord und seine Lügen im Himmel herrlich belohnen wird, wie sie tun, seine lieben Kindlein.

Soviel will ich diesmal an Material oder zum Anfang der Darstellung der Geschichte angezeigt haben, um die Unseren zu stärken und diejenigen zu warnen, die nach uns kommen, damit sie ein Wissen davon haben, wie das Papsttum über das Fegefeuer gelehrt hat und was für Tugenden sie dessentwillen begangen haben, und damit sie sich vor ihnen zu hüten wissen, damit sie nicht etwa in ihre lästerlichen Greuel einwilligen und sich teilhaftig machen des Blutes, das von den Papisten vergossen worden ist. Denn wer in des Papsttums Werk einwilligt, der muß auch alle seine Greuel, Lästerungen, Lügen, Mord und Verführung, die zu ihm gehören, auf sich laden und ihrer teilhaftig werden, ja wohl auch all das unschuldige Blut wie Christus sagt (Matth. 23,35) -, das von Abel bis hierher auf Erden vergossen worden ist. Denn es ist ein Haufe, ein Leib, ein Geist, ein Wille, ein Exempel alter heiligen Mörder. Ich will entschuldigt sein und ehrlich gewarnt haben (vgl. Hes. 3,18-21).

Was ich aber hier zu wenig gesagt habe, will ich in dem Artikel von der Messe und anderen wenn Gott will mehr sagen. Denn weil sie es wagen, die obengenannten Psalmen und Sprüche auf das Fegefeuer zu beziehen, wie sollten sie nicht auch wohl weitere Sprüche darauf beziehen? Kann man doch gewiß die ganze Heilige Schrift - wer es tun will - auf eine Lüge beziehen. Es ist Mammon der allermächtigste ..Gott über alle Götter„, sagen Paulus und Daniel (2. Thess. 2,4; Dan. 11,36). Darum ist es kein Wunder, daß er sich auch über unseren Gott erhebt und aus der Heiligen Schrift macht, was er will. Denn das solltest du sehen: Wenn Mammon mein Gott wäre, daß ich der 12000 Drachmen genug geben könnte, ich wollte alle Sophisten und Ketzer an einem Tag bekehren und nicht nur das Fegefeuer, sondern das ganze Papsttum aufheben, ehe ein Monat verginge. Darum mangelt meiner Lehre nichts als die Gottheit des großen Gottes Mammon. Wenn ich die hatte, so wäre es keine Ketzerei und Irrtum, sondern die liebe, reine Wahrheit. Nun aber ist sie irrig und ketzerisch. Warum ? Weil sie arm ist. Armut ist mein Irrtum und meine Ketzerei. Das sei genug davon. Ich will bei meinem armen Gott bleiben, dem sei Lob und Dank in Ewigkeit. Amen.

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