Luther, Martin - Die siebenzehn sogenannten Schwabachischen Artikel.

Luther, Martin - Die siebenzehn sogenannten Schwabachischen Artikel.

Diese 17 Artikel hat Luther für den im October 1529 gehaltenen Convent der protestirenden Stände zu Schwabach geschrieben; sie wurden ein Jahr später dem Churfürsten von Sachsen zu Torgau übergeben, weshalb sie entweder die Schwabacher oder die Torgauer Artikel genannt werden.

Jen. V. IS. Wittenb. IX. 4SI. Altenb. V. 14. Leipz. XX. 2. Walch XVI. 681.

1. Daß man fest und einträchtiglich halte und lehre, daß allein ein einiger wahrhaftiger Gott sei, Schöpfer Himmels und der Erden; also, daß in dem einigen wahrhaftigen göttlichen Wesen drei unterschiedliche Personen sind, nämlich Gott der Vater, Gott der Sohn, und Gott der Heilige Geist. Daß der Sohn von dem Vater geboren, von Ewigkeit zu Ewigkeit, rechter natürlicher Gott sei mit dem Vater, und der heilige Geist beide vom Vater und Sohn ist, auch von Ewigkeit zu Ewigkeit, rechter natürlicher Gott sei mit dem Vater und Sohn, wie das alles durch die heilige Schrift klärlich und gewaltiglich mag bewiesen werden, als Joh. 1, 1. 2. 3.: Jm Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort, alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbe ist Nichts gemacht, was gemacht ist rc., und Matthäi 28, 19.: Gehet hin, lehret alle Heiden, und taufet sie im Namen des Vaters und Sohnes und Heiligen Geistes, und dergleichen Sprüche mehr, sonderlich im Evangelio Johannis.

2. Daß alleine der Sohn Gottes sei wahrhaftiger Mensch worden, von der reinen Jungfrau Maria geboren, mit Leib und Seele vollkommen, und nicht der Vater oder Heilige Geist sei Mensch worden, wie die Ketzer Patripassiani1) gelehret haben; auch der Sohn nicht allein den Leib ohne Seele angenommen, wie die Photiner2) geirret haben, denn er selbst gar oft im Evangelio von seiner Seele redet, als da er spricht: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. (Matth. 26, 38.) Daß aber Gott der Sohn Mensch sei worden, stehet Joh. 1, 14. klärlich also: Und das Wort ist Fleisch worden; und Gal. 4, 4.: Da die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, und unter das Gesetz gethan.

3. Daß derselbige Gottes Sohn wahrhaftiger Gott und Mensch, Jesus Christus, sei eine einige unzertrennliche Person, für uns Menschen gelitten, gekreuziget, gestorben, begraben, am dritten Tage auferstanden vom Tod, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, Herr über alle Creaturen rc. Also daß man nicht glauben, noch lehren soll, daß Jesus Christus als der Mensch, oder die Menschheit, für uns gelitten hab; sondern also, weil Gott und Mensch hie nicht zwo Personen, sondern eine untrennliche Person ist, soll man halten und lehren, daß Gott und Mensch, oder Gottes Sohn, wahrhaftig für uns gelitten hat; wie Paulus Röm. 8, 32. spricht: Gott hat seines einigen Sohnes nicht verschonet, sondern für uns alle dahin geben. 1 Cor. 2, 8.: Hätten sie es erkannt, sie hätten den Herrn der Ehren nicht gekreuziget; und dergleichen Sprüche mehr.

4. Daß die Erbsünde eine wahrhaftige Sünde sei, nicht allein ein Fehl oder Gebrechen, sondern eine solche Sünde, die alle Menschen, so von Adam kommen, verdammt und ewiglich von Gott scheidet, wo nicht Jesus Christus uns vertreten, und solche Sünde, sammt allen Sünden, so daraus folgen, auf sich genommen hätte, und durch sein Leiden dafür genug gethan, und sie also ganz aufgehoben und vertilget in sich selbst; wie denn Ps. 51. und Röm. 5. von solcher Sünde klärlich geschrieben ist.

5. Nachdem nun alle Menschen Sünder sein, der Sünde und dem Tod, darzu dem Teufel unterworfen, ists unmöglich, daß sich ein Mensch aus seinen Kräften, oder durch seine gute Werke daraus wirke, damit er wieder gerecht und fromm werde, ja kann sich auch nicht bereiten oder schicken zur Gerechtigkeit; sondern, je mehr er vornimmt sich selbst heraus zu wirken, je ärger es mit ihm wird. Das ist aber der einige Weg zur Gerechtigkeit und zur Erlösung von Sünde und Tod, so man, ohne alle Verdienst oder Werke, glaubet an den Sohn Gottes, für uns gelitten rc. Wie gesagt, solcher Glaube ist unsere Gerechtigkeit, den Gott will für recht fromm und heilig annehmen und halten, alle Sünde vergeben und ewiges Leben geschenket haben Allen, die solchen Glauben an seinen Sohn haben, daß sie um seines Sohnes willen sollen zu Gnaden genommen, und Kinder sein in seinem Reich rc. Wie dieß alles St. Paulus und Johannes in seinem Evangelio reichlich lehren, als Röm. 10, 10.: Mit dem Herzen glaubet man, so wird man gerecht rc.; Röm. 4, 5.: Es wird ihnen ihr Glaube zur Gerechtigkeit zugerechnet; Joh. 3, 15.: Alle, die an den Sohn glauben, sollen nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

6. Daß solcher Glaube nicht sei ein menschlich Werk, noch auch aus unsern Kräften möglich, sondern es ist ein Gottes Werk und Gabe, die der Heilige Geist, durch Christum gegeben, in uns wirket; und solcher Glaube, weil er nicht ein bloßer Wahn oder Dünkel des Herzens ist, wie die Falschgläubigen haben, sondern ein kräftiges, neues, lebendiges Wesen, bringt er viel Frucht, thut immer Gutes gegen Gott mit Loben, Danken, Beten, Predigen und Lehren, gegen den Nächsten mit Liebe, dienen, helfen, rathen, geben und leiden allerlei Nebels bis in den Tod.

7. Solchen Glauben zu erlangen oder uns Menschen zu geben, hat Gott eingesetzt das Predigtamt oder mündliche Wort, nämlich das Evangelium, durch welches er solchen Glauben und seine Macht, Nutz und Frommen verkündigen läßt, und gibt auch durch dasselbige, als durch ein Mittel, den Glauben mit seinem Heiligen Geist, wie und wo er will, sonst ist kein ander Mittel noch Weise, weder Weg noch Steg, den Glauben zu bekommen. Denn Gedanken außer oder vor dem mündlichen Wort, wie heilig und gut sie scheinen, sind sie doch eitel Lügen und Irrthum.

8. Bei und neben solchem mündlichen Wort hat Gott auch eingesetzt äußerliche Zeichen, nämlich die Taufe und Eucharistiam 3), durch welche, neben dem Wort, Gott auch den Glauben und seinen Geist anbeut und gibt, und stärkt Alle, die sein begehren.

9. Daß die Taufe, das erste Zeichen oder Sacrament, steht in zweien Stücken, nämlich im Wasser, und Wort Gottes, oder daß man mit Wasser taufe, und Gottes Wort spreche, und sei nicht allein schlecht Wasser und Begießen, wie die Tauflästerer jetzo lehren; sondern, dieweil Gottes Wort dabei ist, und sie auf Gottes Wort gegründet, so ist es ein heilig, lebendig, kräftig Ding, und, wie Paulus sagt Tit. 3, 5. und Eph. 5, 26., ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes rc., und daß solche Taufe auch den Kindlein zu reichen und mitzutheilen sei. Gottes Worte aber, darauf sie stehet, sein diese: Gehet hin und taufet im Namen des Vaters, Sohns und Heiligen Geistes, Matth. 28, 19., und wer glaubet und getauft wird, soll selig werden, da muß man glauben (Mare. 16,16.).

10. Daß Eucharistia oder des Altars Sacrament stehet auch in zweien Stücken, nämlich daß sei wahrhaftiglich gegenwärtig im Brod und Wein der wahre Leib und Blut Christi, laut der Worte Christi: Das ist mein Leib, das ist mein Blut; und sei nicht allein Brod und Wein, wie jetzo der Widertheil vorgibt. Diese Worte fördern und bringen auch zu den Glauben, üben auch denselben bei allen denen, so solches Sacrament begehren und nicht darwider handeln, gleichwie die Taufe auch den Glauben bringt und gibt, so man ihr begehret.

11. Daß die heimliche Beicht nicht solle erzwungen werden mit Gesetzen, so wenig als die Taufe, Sacrament, Evangelium sollen erzwungen sein; sondern frei: doch daß man wisse, wie gar tröstlich und heilsam, nützlich und gut sie sei dem betrübten oder irrigen Gewissen, weil darinnen die Absolution, das ist, Gottes Wort und Urtheil gesprochen wird, dadurch das Gewissen los und zufrieden wird von seiner Bekümmerniß, sei auch nicht noth alle Sünde zu erzählen; man mag aber anzeigen die, so das Herz beißen und unruhig machen.

12. Daß kein Zweifel sei, es bleib und sei auf Erden eine heilige christliche Kirche, bis an der Welt Ende, wie Christus spricht Matth. 28, 20.: Siehe, ich bin bei euch bis an der Welt Ende. Solche Kirche ist nichts Anders, denn die Gläubigen an Christo, welche obgenannte Artikel und Stücke glauben und lehren und darum verfolget und gemartert werden in der Welt: denn wo das Evangelium geprediget wird, und die Sakramente recht gebraucht, da ist die heilige christliche Kirche, und sie ist nicht mit Gesetzen und äußerlichem Pracht an Statt und Zeit, an Personen und Geberde gebunden.

13. Daß unser Herr Jesus Christus an dem jüngsten Tag kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten, und seine Gläubigen erlösen von allem Uebel, und ins ewige Leben bringen, die Ungläubigen und Gottlosen strafen, und sammt den Teufeln in die Hölle verdammen ewiglich.

14. Daß indeß, bis der Herr zum Gericht kommt und alle Gewalt und Herrschaft aufheben wird, soll man weltliche Obrigkeit und Herrschaft in Ehren halten, und gehorsam sein, als einem Stand von Gott verordnet, zu schüren die Frommen und zu steuren die Bösen. Daß solchen Stand ein Christ, wo er dazu ordentlich berufen wird, ohne Schaden und Gefahr seines Glaubens und Seligkeit wohl führen oder darinnen dienen mag. Röm. 13. 1 Pet. 2.

15. Aus dem allen folget, daß die Lehre, so den Priestern und Geistlichen die Ehe, und insgemeinhin Fleisch und Speise verbeut, sammt allerlei Klosterleben und Gelübden, weil man dadurch Gnade und Seligkeit sucht und meinet, und nicht frei läßt, eitel verdammt und Teufelslehre sei, wie sie St. Paulus 1 Tim. 4, 3. nennet, so doch allein Christus der einige Weg ist zur Gnade und Seligkeit.

16. Daß vor allen Greueln die Messe, so bishero für ein Opfer oder gut Werk gehalten, damit Eines dem Andern Gnade erwerben wollen, abzuthun sei, und anstatt solcher Messe eine göttliche Ordnung gehalten werde, das heilige Sacrament des Leibes und Blutes Christi beider Gestalt zu reichen, einem Jeglichen auf seinen Glauben, und zu seiner eigenen Nothdurft.

17. Daß man die Ceremonien der Kirche, welche wider Gottes Wort streben, auch abthue, die andern aber frei lasse sein, dieselbigen zu brauchen oder nicht, nach der Liebe, damit man nicht ohne Ursache leichtfertige Aergerung gebe, oder gemeinen Frieden ohne Noth betrübe.

Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 17 + 18

1)
sind diejenigen Ketzer, welche lehrten, daß nur eine Person in der Gottheit, der Vater, sei und gelitten habe.
2)
die Anhänger des Ketzers Photinus im vierten Jahrhundert
3)
Abendmahl
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/l/luther/s/schwabacher_artikel.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain