Luther, Martin - Das fünfzehnte Kapitel Johannis.

Luther, Martin - Das fünfzehnte Kapitel Johannis.

Dieses alles, was da folget in diesem und sechszehnten Kapitel, hat der Herr mit den Aposteln geredet, als er nun nach dem Abendessen aufgestanden ist, auf dem Wege in den Garten zu gehen; und redet nun weiter, nicht allein von dem Trost, den sie haben sollten nach seiner Auferstehung, daß sie ihn wieder sehen würden, sondern, der da für und für währen sollte, wenn er nun gen Himmel gefahren, und sie zerstreuet würden in die Welt, da sie auch sollten Leiden und Verfolgung haben; und siehet hiemit für sich, wie es seinen lieben Jüngern und Christen gehen werde, und koppelt zugleich sich und sie zusammen, fasset in die Augen beide, sein Leiden, so jetzt vorhanden war, und auch das Leiden, so folgend über die Jünger gehen würde, und machet davon ein aus der Maßen schön Gleichniß und Gemälde, als sollte er sprechen: Was soll ich euch viel sagen? Ich gehe dahin, und muß leiden und sterben; dergleichen werdet ihr hernachmals auch thun müssen. Darum gemahnet michs gleich wie eines Weinstocks und Weingärtners, denn es wird mit uns gleich also zugehen, wie es dem Weinstock und seinen Reben gehet.

Das ist ein sehr tröstlich Bild und eine feine, liebliche Prosopopeia1), damit er vor die Augen stellet, nicht einen unnützen, unfruchtbaren Baum, sondern den lieben Weinstock, der wohl nicht köstlich anzusehen, und doch viel Frucht trägt, und den lieblichsten, süßesten Saft gibt; und deutet alles Leiden, so beide, ihm und ihnen widerfahren soll, daß es nichts Anders sei, denn die fleißige Arbeit und Wartung, die ein Winzer oder Weingärtner thut an seinem Weinstock und Weinreben, dazu, daß er wohl zunehme und viel trage: will uns hiemit lehren, daß wir Trübsal und Leiden der Christen sollen viel anders ansehen, denn wie sichs fühlet und vor der Welt scheinet, nämlich, daß es nicht geschehe ohne göttlichen Rath und Willen, und nicht ein Zeichen des Zorns und Strafe sei, sondern der Gnade und väterlichen Liebe, und uns zum Besten dienen müsse.

Da gehöret nun die Kunst zu, daß man Solches glaube und für wahr halte, daß, was uns wehe thut und verdrießt, soll nicht heißen, wehe oder leid geschehen, sondern Nutz und Frommen gethan, daß wir es gleich achten, als wenn wir sehen einen Weingärtner hacken und arbeiten an seinem Weinstock, welcher, wenn er vernehmen und reden könnte, und sähe den Winzer daher kommen und mit dem Karst oder Hacken zu ihm einhauen um die Wurzel, und mit der Hippen oder Weinmesser das Holz von den Reben schneiden, würde er solchem Sehen und Fühlen nach müssen sagen: Ah! was machest du? Nun muß ich doch verdorren und verderben, weil du zufährest, und nimmst mir die Erden, und setzest mir die eisernen Zähen an die Reben, zerreißest und zwackest mich allenthalben, daß ich muß bloß und dürr in der Erden stehen, und gehest so gräulich mit mir um, als man keinem Baum noch Gewächs thut. Aber dagegen würde der Winzer wiederum auch sagen: Du bist ein Narr, und verstehets nicht. Denn ob ich dir gleich einen Reben abhaue, so ists gar ein unnützer Rebe, der dir deine Kraft und Saft nimmt, daß die andern Reben, so da sollen tragen, müssen abnehmen; darum nur weg damit, es geschieht dir zum Besten. Ja, ich verstehe es nicht (sprichst du), und fühle viel anders. Ich verstehe es aber wohl, und thue es eben darum, daß es soll dein Nutz und Frommen sein, daß die fremden wilden Reben nicht den andern ihre Kraft und Saft aussaugen, auf daß du desto besser und mehr tragen, und guten Wein geben könnest. Also auch, wenn der Winzer Mist an den Stamm oder Stock schüttet, das thuet er auch dem Weinstock zu gut, ob er wohl hie auch möchte klagen und sprechen: Was soll doch das sein? Ists nicht genug, daß du mich sonst zuhackest und zuschneidest? sondern muß auch leiden, daß du meine zarten Reben, die so guten süßen Saft geben, so schändlich mit dem unreinen Kühekoth besudelst, den man doch im Stall, noch sonst nirgend leiden kann.

Also deutet nun auch Christus das Leiden, so er und seine Christen in der Welt haben sollen, daß es nicht soll heißen wehe gethan oder gelitten, sondern wohl gethan und ihnen geholfen, und eben dazu, daß sie desto besser und mehr Frucht bringen, auf daß wir es auch uns also einbilden lernen, wie ers ihm selbst einbildet; als sollte er sagen: Es ist doch ja wahr, und ich kann es nicht anders deuten. Es gehet mir allerdinge gleich wie es dem Weinstock gehet. Meine Juden werden mich mit Mist beschütten und behacken, so schändlich zulästern und verhöhnen, aufs Schmählichste martern, geißeln, kreuzigen und hinrichten, daß alle Welt wird denken, ich müsse endlich verderben und zunichte werden. Aber solch Düngen und Hauen, so an mir geschieht, dienet eben dazu, daß ich desto mehr Frucht bringe, das ist, daß ich durch das Kreuz und Tod zu meiner Herrlichkeit komme und mein Reich anfahe, daß ich in aller Welt erkannt und an mich geglaubt werde. Also (spricht er) wirds euch hernach auch gehen. Denn ihr müsset auch also beschüttet und behacket werden. Denn der Vater, der mich zum Weinstock und euch zu Reben machet, wirds nicht leiden, daß der Weinstock da liege unbedünget und unbeschnitten; sonst würde gar ein wilder, unfruchtbarer Weinstock draus, und müßte zuletzt gar verderben: nun aber, wenn er wohl gearbeitet, gedünget, beschnitten und geblattet wird, so gehet er daher mit voller Gewalt, und trägt nicht allein viel, sondern auch köstlichen, guten Wein.

Also ist dieß wohl ein sein tröstlich Bild, wer es nur also verstehen und deuten könnte in Nöthen und Anfechtungen, und wenn der Tod einen Christen recht vor den Kopf stößet, der Teufel ansichtet und plagt, die Welt ihn lästert und schändet, als einen Teufelsapostel, daß er denn könnte also sagen: Siehe, da werde ich gedünget und gearbeitet, als ein Reben am Weinstock: wohl, her, liebe Hacken und Hippen, mir zu Nutz und Frommen. Wohlan, Christus deutets als ein Meister, und kanns ihm selbst also vorbilden: Ich werde gedünget, zerhackt, zerschnitten und zerblattet werden; aber ich weiß wohl, was es ist: nicht wie es die Welt ansiehet, daß ich soll untergehen und vertilget werden; sondern, daß es ist meines lieben Vaters Werk, als der an seinem Weinstock arbeitet, wenn er wohl wachsen und tragen soll.

Demnach lerne nun auch, wer da lernen kann, daß ein Jeglicher in seiner Verfolgung und Anfechtung auch also denke: die Welt, Teufel, Tod und alles Unglück sei nichts Anders, denn Gottes Hacken und Hippen; also, alle Lästerung und Schmach, so den Christen widerfähret, sei Gottes Düngen, und sage: Dank habe der fromme Gott, der des Teufels und seiner Bosheit kann also brauchen, daß es uns muß Alles zum Besten dienen; sonst (wo es an seinem bösen Willen läge) würde er uns bald mit seinem Messer erwürgen und mit seinem Mist erstänken und ersticken. Nun aber nimmt ihn Gott in seine Hand und spricht: Teufel, du bist wohl ein Mörder und Bösewicht, aber ich will dein brauchen, wozu ich will; du sollst nur meine Hippen sein, die Welt, und was an dir hanget, soll mein Düngemist sein zu meinem lieben Weingarten, daß er desto besser werde.

Das mag ja ein feiner Meister heißen, der diese böse Kunst kann, daß er des Teufels Bosheit und aller Welt dazu brauchet, daß es muß dienen dem Weinstock zu Nutz und nicht zu Schaden, noch zu Verderben, wie sie doch im Sinn haben. Aber er sagt also dazu: Ihr habts böse genug im Sinn, seid fast bitter und zornig, und meinet, den Weinstock auszurotten; aber ich will und muß euch haben zu meinem Werkzeug an dem Weinstock, daß er gearbeitet und zugerichtet werde: darum schneidet, hauet und hacket nur getrost; aber nicht weiter, denn ich will. Denn so weit soll es nur gehen, daß es meinen Weinstock nicht verderbe, sondern nütze und bessere, und so fern düngen und misten, daß er nicht erstickt, sondern sein saftig und fett werde.

Also haben vor Zeiten die lieben heiligen Märtyrer ihre Leiden und Martern angesehen; wie man lieset von dem Märtyrer St. Ignation (der des Apostels St. Johannis Jünger gewesen), da er gen Rom unter die wilden Thiere sollte geworfen werden, so man ließe in die Schranken laufen, daß sie sollten die Christen zerreißen, und sie daran ihr Schauspiel und Kurzweil hatten; da fing er an und sprach: Laßt sie nur hergehen, denn ich bin Gottes Körnlein, und muß zuvor zerrieben und gemahlen werden, soll er Etwas aus mir machen. Das hieße sein und christlich gedeutet nach diesem Text, und anders angesehen, denn Fleisch und Blut thut, welches solch Leiden nicht kann für Gottes Werk halten, sondern für des Teufels Grimm und Zorn, damit er den Menschen mordet und tödtet. Er aber siehet die gräulichen, wilden Leuen- und Bärenzähne nicht anders an, denn als Gottes Mühlstein, dadurch er müsse zermahlet werden, auf daß er Gott zu einem guten Kuchen bereitet werde.

Also auch von St. Agatha, welche war ein Maidlein von vierzehn oder fünfzehn Jahren, und da man sie in Kerker und zur Marter führet, ging sie dahin mit Freuden, und sprach, ihr wäre nicht anders, denn als führete man sie zum Tanze. Das sind ja rechte tröstliche, trotzige Worte gewesen von einem jungen Maidlein, so die Marter und Tod, dahin sie geführt wird, nicht anders ansiehet, denn als gehe sie zur Hochzeit und höchsten Freuden. Das macht der Glaube, der die Augen gewandt hat von dem leiblichen Ansehen und Fühlen nach dem Fleisch, hinauf in jenes Leben, und demselben nachgedacht: Was können sie thun, wenn sie es gleich böse machen, und mir alles Unglück anlegen, denn daß sie mich fördern, daß ich nur bald aus diesem Elend zu Christo gen Himmel komme?

Solchen Nutz schaffen alle Leiden der Christen, daß sie nur unser christlich Leben fördern und Frucht bringen, zu völligerer Erkenntniß und stärkerem Bekenntniß des Worts, und gewisser Hoffnung, und weiter Ausbreitung des Reiches Christi. Die Welt meinets wohl sehr böse zu machen; aber damit thun sie nicht mehr, denn wie die Kirche von den Märtyrern singet: Introducunt nescientes in aeterna gaudia etc. Sie wissen selbst nicht, daß sie ohne ihr Wissen die Christen (durch Marter und Tod) zu den ewigen Freuden bringen: daß solche Marter nichts anders ist, denn (wie St. Agatha gesagt hat) säuberlich bei den Armen genommen und gen Himmel (als eine Braut zum Tanz) geführt. Dazu dienets, was den Christen von der Welt zu Leid geschieht, daß Gott ihren Zorn umkehret und ihnen zum Besten schaffet; wie auch der fromme Patriarch Joseph 1 Mos. 50. zu seinen Brüdern sprach: Ihr gedachtet Böses über mich, aber Gott hats zum Guten gewandt rc., als sollte er sagen: Ihr wolltet mich erwürgen, daß ich nicht sollte euer Herr werden, und verkauftet mich unter die Heiden: aber eben damit ihr Solches habt wollen wehren, habt ihr mich zum Herrn gemacht.

Denn Gott ist ein solcher Meister, der die Kunst kann, daß, was uns will hindern und schaden, das muß uns fördern und nützen; was uns will tödten, das muß uns zum Leben dienen; was uns will zu Sünden bringen und verdammen, das muß uns nur helfen dazu, daß der Glaube und Hoffnung gestärkt, das Gebet desto kräftiger und desto reichlicher erhört werde. Also hat er zu unserer Zeit gethan wider das Pabstthum und Alle, so das Evangelium verfolgen, daß, wenn sie klug wären und hören wollten, oder ihnen zu rathen wäre, so wir ihnen sagen: Nicht also, liebe Herren, höret auf, ihr werdets also nicht dämpfen, sondern blaset nur ins Feuer, daß euch die Asche wird unter Augen stieben; so thäten sie weislich und könnten wohl bleiben. Weil sie aber nicht wollen ablassen wider das Wort zu toben, sondern schlechts denken zu dämpfen: so thun sie Nichts mehr, ohne daß sie nur uns fördern und treiben, desto fester am Wort zu halten und stärker zu beten, damit es immer je weiter und weiter komme, und sie zuletzt ohne alle Gnade zu Boden stürze. Was haben sie denn für Gewinn oder wir für Schaden davon?

Also auch, daß bei uns etliche der Herren vom Adel, Bürger und Bauern das Evangelium und desselbigen Prediger auch nicht leiden können, noch hören wollen, daß man ihnen die Wahrheit sage, haben Sorge, die Prediger möchten wieder wollen Herren werden, sahen an zu trachten, wie sie ihrer gar los werden; denen sagen wir eben also: Ja, fahret nur fort, liebe Herren, ihr seid auf dem rechten Wege dazu.

Denn, eben damit ihr wollet wehren, werdet ihrs am meisten fördern, und euch nur selbst hindern. Denn hie ist der Meister, der immer das Widerspiel schaffet, wider der Welt Sinn und Gedanken, und eben deß wohl brauchet, das sie aufs Aergste meinet. Denn es ist der Gott, der da rufet dem, das da Nichts ist, daß es sei, zu den Römern am vierten Kapitel, wendet Alles um und machet Alles neu. Es scheinet wohl nicht, wenn man seine Christen mit Füßen tritt, oder ihnen die Köpfe weghauet, daß es soll Ehre und Herrlichkeit, Freude und Seligkeit heißen, sondern fühlet sich nur eitel Widerspiel. Aber ich kann machen (spricht er), daß da stehe, was da Nichts ist, und eitel Freude werde aus Traurigkeit und allem Herzeleid. Ich kann sagen: Tod und Grab, sei du Leben; Hölle, werde du Himmel und Seligkeit; Gift, sei du köstliche Arznei und Labsal; Teufel und Welt, sei du meinen Christen nützer, denn die lieben Engel und frommen Heiligen. Denn ich kann und will meinen Weingarten also bauen und warten, daß er durch allerlei Leiden und Unglück nur besser soll werden.

Darum, obgleich alle Teufel, Welt, Nachbarn und unsere eignen Leute uns feind sind, schmähen und lästern, hauen und plagen, das sollen wir nicht anders achten, denn es sei eine Schaufel Mists, an den Weinstock geschüttet und ihn wohl bedünget, oder die unnützen, fremden Reben abgeschnitten, oder ein wenig Laub abgenommen, das zu viel war und hindert. Also thun sie Nichts mehr (wenn sie meinen, sie haben uns großen Schaden gethan, und sich wohl gerochen), denn daß sie uns dienen dazu, daß wir desto mehr Geduld und Demuth lernen und desto stärker an Christum glauben. Was gewinnen sie aber damit? Nichts; denn, wie man spricht, wenn der Vater das Kind gestäupt hat, so wirft er die Ruthe ins Feuer: also auch, wenn Gott der Tyrannen und Lästerer genug gebraucht hat seiner Christenheit zu Gut, so behält er seinen Weinstock und Trauben; aber den Mist, Hacken und Hippen wirft er endlich hinweg ins ewige Feuer.

Ja, spricht die Welt, ist das wahr, was klagt ihr denn? Geschieht es euch zu Gut, so wollen wir euch getrost dazu helfen, und des Hackens, Hauens und Schneidens genug machen; gleichwie der verläugnete, abtrünnige Kaiser Julianus den Christen die Schalkheit that, und sprach: Euer Meister hat euch gelehret arm sein, und Alles leiden ums Himmelreichs willen; wohlan, wir wollen der Sachen bald helfen, daß ihr gen Himmel kommet; und nahm ihnen Alles, was sie hatten. Aber hiewider haben wir den Trost, daß ihnen dennoch hiemit ein Ziel gesteckt ist. Denn wir haben einen Winzer oder Weingärtner, der die Hippen, Hacken und Gabeln in seiner Hand hat: laßt sie wohl düngen, misten, blatten und reinigen; wenn sie es aber wollen zu viel machen, kann er sie helfen aufhören. Als, da Julianus auch wollte seinen Muthwillen üben mit Schneiden und Hauen, da sprach er zu ihm: Leg dich nieder und stirb; da mußte er aufhören. Denn er führet die Hippen und Hacken; sie führen sich selbst nicht. Darum soll man nicht davor erschrecken, ob sie fortfahren mit Toben und Verfolgen, und scheinet, als wolle es kein Ende werden. Denn es ist schon beschlossen, sie sollen nicht Winzer und Dünger sein, sondern allein die Gabeln und Hippen; und müssen aufhören, wenn er will, und nicht weiter gehen, denn es uns nütze und gut ist.

Und ist zumal ein lieblich Bild, daß er sich uns so vormalen läßt, der liebe Gott, nicht als ein Tyrann oder Stockmeister, sondern als ein frommer Weingärtner, der seines Weingartens wartet und pflegt mit aller Treue und Fleiß, und gewißlich nicht denket zu verderben, wenn er ihn dünget und hacket, beschneidet und blattet. Denn er läßt seinen Weingarten nicht darum da stehen, daß ihn die Hunde und wilden Säue zerreißen sollen; sondern wartet und hütet sein, und trachtet darnach, daß er wohl trage und guten Wein gebe. Darum muß er so hacken und blatten, daß er nicht den Stamm oder die Wurzel, noch den Reben zu viel weghaue und schneide, oder das Laub gar nehme. Also (spricht Christus) thut mein Vater auch gegen mir und euch. Darum laßt uns unerschrocken sein und nicht entsetzen vor dem bösen Mist, Zacken und Zähnen des Teufels und der Welt. Denn er wird sie nicht lassen ferner gehen, noch ihnen weiter einräumen, denn es dienet uns zum Besten.

Das sehen wir zwar auch vor Augen (Gott Lob!) also gehen. Denn wo Pabst, Bischöfe und ihre Tyrannen könnten thun, was sie gerne wollten, hätten sie längst von Herzen gerne uns alle hingerichtet. Die Hippen und Karste sind scharf genug, so ist der Mist faul und böse genug. Summa, beide, der Wille und Macht ist wohl da, daß sie es wohl könnten thun und auch gerne thäten. Woran fehlet es denn, daß es nicht geschieht? Ei, es ist nicht in ihren Händen, denn sie sind nicht die Winzer, sondern ein anderer Mann (spricht Christus), der heißt mein himmlischer Vater, der hat in seiner Hand wie der Winzer seine scharfe Hippen und Hauen, und kann ihnen Trotz bieten, daß sie anders gehen, denn er sie führet, oder mehr hacken, graben und schneiden, denn dem Stock und Reben gut ist.

Siehe, also tröstet sich der Herr Christus selbst, als er jetzt soll gehen zu seinem Leiden und Kreuz, auch uns zum Vorbilde und Exempel desselben Trosts. Ich bin ja der rechte Weinstock, und ohne Zweifel dem Vater ein lieber Weinstock, und ihr mein und des Vaters liebe Weinreben, daß, wo jemals ein Weinstock ist mit Sorgen und Treue gedünget, beschnitten und gereinigt, so bin ichs. Darum laß hergehen, was da gehet, und den Teufel sammt der Welt machen, was sie können, sie werdens ja nicht länger noch weiter, böser und ärger machen, denn es mein lieber Vater haben will. Was wollen wir denn mehr wünschen? Ists nicht tröstlich oder freundlich genug, daß der Vater sich unser so hoch und herzlich annimmt, als seines lieben Weinstocks und Reben, daß, was denselben sollte Böses und Schädliches widerfahren, das müßte ihm selbst widerfahren? Nun aber macht und regieret ers also, daß Alles, was mir widerfähret, das geschieht, beide, mir und euch zum Besten. Dazu hat ers so abgemessen und versehen, daß es nicht weiter gehen soll, denn so fern er siehet, daß es uns nütze ist. Denn er ist (spricht er) der Weingärtner, der da ist (wie man spricht) selbst der Mann, der da durch sich selbst darauf siehet, und seines Weingartens pfleget, und nicht durch Andere läßt geschehen.

Das ist das schöne Trostbild, welches, wer es könnte recht ansehen und fassen im Glauben, der müßte ja keck und getrost werden wider den Teufel und Alles. Aber es sind Worte und solch Bilde, da geistliche Ohren und Augen zu gehören, denn es äußerlich viel anders scheinet, und liegt allhie (wie man spricht) an einem guten Ausleger, daß man Alles, was hie gesagt wird, beide, den Weingärtner, Weinstock und Reben, und auch die Hippen, Hacken und Gabeln des Winzers recht ansehe. Denn vor der Welt heißt es nicht Gottes Weinstock noch Reben, sondern des Teufels Kräutlein, Nesseln, Disteln und Dornen, als die nur brennen, beißen, um sich stechen und kratzen, und kurz nicht zu leiden sind. Denn sie will und kanns nicht leiden, daß mans nicht mit ihr hält, und ihr Ding antastet und strafet; so doch nicht wir, sondern Gottes Wort Solches thut, welches wir predigen Jedermann zur Buße und zur Seligkeit. Darum hält sie uns nur für Feuerwerk, so nirgend zu tauge, denn daß mans nur gar ausrotte und in Ofen werfe; wie sie über Christum selbst schreien: Nur weg mit diesem, er ist des Todes werth; und über St. Paulum: Es ist unrecht, daß dieser Mann leben sollte; nicht besser, denn nur todt mit solchen Leuten. Aber weil Gott selbst heißt Christum seinen rechten Weinstock, und uns erkennet für Gliedmaßen und Reben dieses Weinstocks, so heiße uns die Welt, Teufel, Hölle, wie sie nicht lassen wollen, in Feuerofen oder in Hölle, so soll es uns nicht schaden. Denn hie ist Gott, der da hat eine stärkere, größere Sprache und Stimme, denn Welt und Teufel, und wird sie überschreien, daß sie uns müssen sammt Christo seine rechten fruchtbaren Weinreben heißen und bleiben lassen.

Also auch sollen sie wiederum vor Gott und uns nichts Anders, denn Gottes Hippen und Werkzeug sein, die da nicht sollen noch müssen den Weinstock und seine Reben verderben noch ausrotten, sondern nur nützen und dienen, auf daß wir unserm Weingärtner viel Frucht tragen, und er uns ewiglich selig und herrlich mache.

Das ist die rechte christliche Erkenntniß, daß man könne so scharf sehen und so geistlich und himmlisch deuten, und verstehen: was die Welt ansiehet für eitel Unglück und gräulich Ding, daß wir dasselbige ansehen für eitel Glück und Heil, und lernen Sünde, Tod, Leiden und was uns betrifft, mit Freuden annehmen, als Leben und Seligkeit, und aus dem, das da böse ist, eitel Guts machen.

Einen jeglichen Reben an mir, der nicht Frucht bringet, wird er abschneiden rc.

Da machet er einen dürren Unterschied zwischen denen, die da Reben am Weinstock heißen, und zeigt, daß gleichwohl auch falsche Christen sind. Denn er bildet fast alle Art, so am Weinstock sind. Nun wachsen daran etliche Reben, so man heißt Wasserreben oder wilde Reben, das sind unartige Banckart und Beischläge, die keine Frucht tragen, thun nicht mehr, denn daß sie den Saft verzehren, so die rechten fruchtbaren Reben haben sollen. Darum ist mein Vater (spricht er) ein solcher Winzer: wo er siehet einen solchen Reben, der nicht taugt und die andern hindert, so schneidet er ihn ab und wirft ihn weg. Dies Abschneiden ist böse und schrecklich den falschen Reben; daß er aber die andern beschneidet, blattet und reiniget, läßt sie aber dennoch stehen, das ist ihnen kein Schare, sondern nütze und gut. Dieses aber ist ein Abschneiden zum Feuer.

Das ist nun, das wir auch sehen und klagen, daß in der Christenheit allzeit auch sind etliche falsche und untüchtige Reben, die nur Herlinge tragen, daß man sie wegwerfen muß. Sie kommen wohl aus dem Weinstock, bleiben aber nicht darin, werden auch getauft, hören das Evangelium und haben Vergebung der Sünden, Summa, sie sind erstlich in Christo (wie er hie sagt), als an dem Weinstock: aber wenn sie fortfahren sollen, so werden wilde Neben daraus, die nur den bloßen Namen der Christen haben: führen wohl Gottes Wort, rühmen Gottes Ehre, brauchen und genießen des fremden Saftes, daß sie groß daher wachsen am Weinstock, wollen die Ehre und Ruhm haben als die besten Christen, könnens köstlicher und herrlicher fürgeben, denn die andern, und haben den Schein und Ansehen vor allen: aber es ist Nichts dahinten, und findet sich, daß es eitel faul Holz ist, ohne rechten Saft und Kraft, die das Wort nicht rechtschaffen lehren noch bekennen, und ist Alles eitel falscher Schein. Das sind die ersten, so wir beißen Rottengeister und falsche Brüder.

Zum Andern, sinds auch die faulen Christen, welche wohl das Wort und rechte Lehre haben, doch mit dem Leben demselbigen nicht nachfolgen, wollen nur thun und leben, wie sie gelüstet. Solche sind zwar auch nicht weit von jenen, denn es mangelt ihnen nur an einem Meister. Denn solche lose, faule Christen lassen sich gar leichtlich umstoßen durch Rotten und falsche Lehrer, welche, wenn sie kommen, finden sie bald an ihnen rechte Schüler, die schön dazu geschickt sind, als die der rechten Lehre schon überdrüssig und satt sind, sintemal auch die zu thun haben, daß sie rechtschaffen bleiben, die da frisch und wacker sind im rechten Glauben. Darum sind diese beide nicht weit von einander, daß, wo falsche Lehrer zu solchen faulen Christen kommen, wird doch zuletzt Ein Kuche, das ist, eine Rotterei daraus, daß sie nicht können bei uns bleiben, sondern sich selbst absondern und offenbar machen, daß sie untüchtig sind.

Nun spricht Christus, daß sein Vater der Winzer sei, der zu seinem Weinstock wohl zusehe und sein warte, und solche falsche Reben von den andern unterscheide, und wolle sie nicht leiden, damit sie nicht überhand nehmen und den rechten Weinstock verderben. Darum malet er dieselben aus, und spricht hiemit das Urtheil, daß sie müssen abgeschnitten werden und ins Feuer geworfen.

Es scheinet aber dem Ansehen nach viel anders. Denn solche siehet man daher wachsen und zunehmen, daß sie viel stärker, fetter und dicker werden, denn die andern, und dafür gehalten werden, als seien sie allein die rechten, so da Frucht tragen werden; wir aber dagegen geringe, dünne und unfruchtbar. Ja, uns will man ausrotten und abschneiden, als unnütze und untüchtig; jene aber gehen hin, als sollten sie ewig bleiben, und hält alle Welt viel von ihnen. Darum gehöret hie abermal gar ein geistlicher Verstand und Gesicht dazu, daß mans glaube. Denn Gott machets allzeit also, daß, wie viel Rotten sich aufwerfen wider die Christen, so ist doch allzeit sein rechtes Häuflein blieben, und die Rotten abgeschnitten. Es sind von der Apostel Zeit her wider den Artikel von Christo, von der Taufe, Sacrament, Gerechtigkeit des Glaubens rc., so viel Ketzerei entstanden, und so eingerissen, als würde die rechte Lehre und christliche Kirche dadurch gar untergehen. Aber Gott hat sie alle abgeschnitten, und seine Reben erhalten, daß wir dennoch bei der rechten Lehre, Taufe und Sacrament sind blieben, so durch die Apostel gepflanzt sind, und der Glaube durch die Welt gedrungen ist, von Abel, dem ersten an, und wird bleiben bis auf den letzten und jüngsten Christen, also, daß derselben nicht einer abgeschnitten wird, sondern alle an dem Weinstock einträchtiglich bleiben; wie einer gelehrt, geglaubt und gelebt hat, also lehren, glauben und leben sie alle.

Darum soll man hie nicht danach sehen noch richten, wie groß und stark solche falsche Reben anzusehen sind; sondern allein danach, welche die rechten Reben in Christo sind, welches Christus bald hernach selbst zeiget und deutet, als er spricht: Ihr seid rein um meiner Rede willen; das ist, siehe nur darauf, wer die Lehre hat und hält, so in der Schrift lauter und rein gegründet ist, wie die Apostel und Propheten gehabt haben, so kannst du sehen und kennen, daß da die rechten Christen sind: ob sie wohl nicht scheinen, und dünne Reben sind, das schadet nicht, es tragt oft ein schwacher, dünner Reben schöne Trauben, da ein anderer fauler, dicker Wasserreben Nichts überall tragen kann. Demnach kannst du wissen und schließen von solchen beiden, daß diese Reben, so sich an Christum halten und sein Wort haben, sollen bleiben, und Niemand sie ausrotten noch dämpfen soll, wie stark und groß dagegen die andern daher fahren, als wollten sie diese überwachsen; sondern, daß dieselben sollen, und müssen abgeschnitten werden, wenn es Zeit ist, auf daß jene auch vor ihnen bleiben können.

Es gehöret aber auch dazu Geduld und Harren im Glauben. Denn er schneidet die wilden Reben nicht so bald ab, als sie aus dem Stock wachsen, sondern läßt sie wohl heraus kommen, so lange bis es offenbar werde, was sie sind. Aber gewißlich bleibet er nicht außen, sondern, je stärker, größer und dicker sie werden, je eher er sie abschneidet, und desto größer Feuerwerk draus machet. Darum muß ein Christ, als ein rechter Reben in Christo, unter solchen falschen Heiligen im Glauben fest halten, beharren und auswarten, daß er rechtschaffen erfunden werde. Denn ohne solch Harren kann nicht rechter Glaube sein. Ist es doch in allen Sachen also. Als, daß ich ein grob Exempel zeige, wenn ein geladener Wagen durch einen tiefen Schlamm gehet, da scheinets, als wollte der Koth Herr sein, und den Wagen hemmen: aber er gehet immerhin übers Land, durch Schlamm und Pfützen, und läßt den Koth dahinten, ob er wohl fest und dick sich an den Wagen hänget; daher man spricht auf Deutsch: Er klebt an, wie Koth am Rad; von denen, so sich in alle Sachen mengen, wollen die Fürnehmsten und Besten sein, und doch Nichts können thun, denn daß sie nur Andere wollen hindern. Eben also hängen sich die falschen Christen an die guten und frommen; aber sie müssen doch herab, und dahinten bleiben, und diese lassen fortfahren und bleiben.

Darum, ob sichs läßt ansehen, als seien diese Reblein abgeschnitten und verworfen, und sollen jetzt untergehen, und dagegen die andern oben schweben, haben das Geschrei, Gewalt und Ehre; das laß dich nicht irren; siehe nur darnach, welche die rechtschaffenen, fruchtbaren Reben sind. Siebest du die nicht, so laß dich nicht anfechten, wie groß, wie hoch, stark und dick sie sind; sondern tröste dich dieses Texts, und sprich: Mein Winzer ist Gott, der ist größer, denn solche Reben, und hat ein Weinmesser, das ist auch schärfer, denn alle ihre Macht und Pracht, und wird die untüchtigen Reben abschneiden und wegwerfen. Denn was ist alle Größe und Menge aller Menschen gegen Gott, denn ein klein Fünklein gegen ein ewiges Feuer? Dagegen, wo du siehest die rechten Reben, da wisse, daß sie sollen bleiben, ob sich alle Welt dawider setzet, und will sie abhauen und ausrotten. Denn er heißt sie seine lieben Reben, und hält sie groß, ob sie wohl gering und schwach scheinen, und auf Erden von Jedermann verachtet sind.

Siehe, das hat er hie mit eingemenget zum Trost seiner lieben Christen, welchen solche falsche Geister viel Herzleid und großen Schaden thun (über das, daß sie sonst von dem Teufel und Welt verfolget werden), daß sie nicht dafür zu sehr erschrecken, ob unter ihnen auch falsche Reben aufwachsen. Denn es muß also sein, und gehet nicht anders zu. Es müssen auch die unnützen Wasserreben unter den rechten Reben wachsen, und wo Gottes Wort gehet, muß sich der Dreck auch ans Rad hängen. Also mußte Judas unter den Aposteln, unter den Jüngern Nikolaus und Simon der Zauberer, unter den Vätern Arius2), Sabellius 3), Marcion 4),und hernach immer andere Rotten sein. Wo kommen solche her, ohne aus dem Häuflein, das da Gottes Volk und Kirche ist? Und woher haben sie ihr Gift gesogen, denn eben aus der rechten heiligen Schrift, so die rechten Christen haben? Da haben sie sich allzeit mit ihrem Koth angehängt, und die Christenheit durch Rotten und Ketzerei zerrüttet.

Hie fähet denn die kluge Welt an, wider uns zu schreien: Was hat das neue Evangelium aufgebracht, denn eitel Büberei? Was kommt aus der Schrift, denn eitel Ketzerei und Irrthum? Also malen und färben sie die Kirche Christi nicht anders, denn eine rechte Bubenschule, und die Biblia ein recht Ketzerbuch, wie es der Pabst mit seinen Pfaffen nennet. Denn aus der Heiden Glauben, und Aristoteles5) oder anderer Heiden Bücher ist freilich noch nie keine Ketzerei entstanden, sie sei denn zuvor in der Kirche gewesen, und aus der Schrift herfür gebracht. Also auch der römische Rath, Kaiser und Königreich haben nie keinen Ketzer gemacht, sondern sie müssen aus der Christenheit kommen; nicht, daß die Kirche ketzerisch sei, oder falsche Lehre in der Schrift gefunden werde: sondern es gehet ihr gleich wie der schönen Rose, daraus die Spinne eitel Gift saugt; nicht, daß Gift in der Rose sei, wie denn das liebe, Bienlein Nichts denn Honig daraus saugt: sondern es ist der Spinne Schuld, welche auch, das süß und gut ist, verderbet, worüber sie kommt, und Alles zu Gift macht, ob sie auch Zucker und Honig im Munde hat; und gleich als so man Gift unter Malvasier gösse, oder in ein vergift Gefäß thäte, wer davon trinkt, der trinkt und empfähet eitel Gift, nicht des Weins, sondern des Gefäßes halben.

Also auch hie: Die Biblia ist wohl ein reiner, lauter Malvasier, ja, eine rechte heilsame Arznei und Labsal; aber wenn die unreinen, bösen Würmer darüber kommen, und mit ihren giftigen Gedanken, vom Teufel eingegossen, heraus schöpfen und zu sich nehmen, so speien sie für Malvasier eitel Gift heraus. Darum wird Ketzerei und falsche Lehre nirgend, denn aus der Schrift geholet und geführt; aber doch nicht durch derselben reine Lehre, sondern durch ihre vergiftete Gedanken, so der Teufel in sie gesenket hat. Denn sie wollen trauen alle ihr Ding, als in der Schrift gegründet und daraus genommen, bestätigen; und führens doch nur aus unreinem Herzen, dadurch sie die Schrift verfälschen. Denn sie sind böser Art und falsche Reben, die keinen heilsamen Saft in sich haben, noch von sich geben können; genießen wohl des Safts vom Weinstock, aber nicht, daß sie Frucht bringen, sondern nur Schaden zu thun. Denn so bald sie solchen Saft empfangen, haben sie ihn verderbt und beide, ihnen und Andern zu tödtlichem Gift gemacht, da die rechten Reben eitel guten, süßen Saft haben und geben.

Darum ists wahr, es kommen Buben aus der Kirche, und Ketzerei aus der Schrift; wo sollten sie sonst her kommen? und was könnten sie sonst von Gott oder vom Glauben wissen? Aber wir sagen gleich, wie St. Johannes spricht: Sie sind wohl von uns kommen, sie sind aber nicht von uns gewesen; denn wären sie von uns, oder unserer Art gewesen, so wären sie auch bei uns blieben. Ist es doch an unserm eigenen Leibe also. Der ist eine schöne, edle Kreatur Gottes; was läßt er aber von sich, denn Butter, Schweiß, Mist, Harn, Rotz, Eiter und Schwären? Da muß ich auch sagen: Schwären und Eiter sind ja im Leibe; noch ist darum der Leib nicht böse, ob Solches draus kommt. Denn wo es gut wäre, so bliebe es darin, wie andere Glieder. Weil aber der Leib sammt seinen Gliedern gut und gesund ist, muß sich der Unflath absondern und wegwerfen lassen. Willst du aber den Leib darum verwerfen, daß er rotzet, eitert und unrein machet, so stich dir selbst den Hals ab. Also ist auch die Christenheit ein lebendiger, gesunder Leib, des frommen Häuflein, die Gottes Kinder sind; doch findet sich auch Unflath und Stank darunter gemenget, der da muß ausgeworfen werden.

Was ist nun Anderes, daß du feindlich schreiest: Was sollte Guts sein an der Lehre des Evangelii, und denen, so daran hangen? kommen doch so viel böser Buben und Rotterei draus; denn so du wolltest schreien über deinen eignen Leib: Was kann Guts an dem Körper sein, gehet doch täglich nichts denn Unflath von ihm? Kannst du aber zufrieden sein, und sein klüglich unterscheiden zwischen dem Leib und dem, das von ihm gehet, und bist nicht so toll und thöricht, daß du darum wolltest den Leib versprechen, sondern lobst ihn darum, daß er sich so wohl reinigen kann, als ein feiner, gesunder Leib, daß die Nase wohl schnäuzet, der Bauch sich wohl fegt, und hast ihn desto lieber, putzest und schmückest ihn dazu, und legst ihn sanft; warum kannst du nicht hie auch also unterscheiden und sagen: Die lieben Apostel, Jünger und Christen sind wohl ein reiner, gesunder Leib, und haben doch auch ihren Judam unter sich? Das ist der Unflath, welcher wohl aus ihnen kommt; aber kann und soll nicht bei ihnen bleiben (als ein recht Gliedmaß), sondern muß sich selbst, ausfegen und absondern.

Ja, sprichst du, es sind dennoch viel Böse unter dem Haufen, und thun Schaden. Das ist an deinem Leibe auch, und bleibt dennoch ein guter Leib mit seinen Gliedern, welche dagegen unzählig viel Guts schaffen. Die Augen sehen und leiten, die Ohren hören, die Hände thun allerlei Arbeit, die Füße tragen ihn, wohin und wie weit er will. Summa, sie bringen alle eitel köstliche, gute Früchte, die nicht zu erzählen sind, und dienen alle dem ganzen Leib zu Gut, auch eben in dem, daß sie das Fremde, Ungesunde am Leibe ausfegen und von sich geben. Denn es ist ihm gut, daß er nur wohl gefegt werde, und das Böse flugs hinweggehe, ob es gleich einen Stank anrichtet, daß der Leib den Unlust und Verdrieß leiden, und sich immer wieder waschen und reinigen muß. Also auch hie: Ob Unflath aus dem geistlichen Leibe gehet der rechten Kirche, sollte darum der ganze Haufe verdammt sein?

Das sage ich darum, daß man den Lästermäulern wisse zu begegnen, die so giftig können ausschreien und aufblasen, daß unter uns auch böse Leute sind, und viel Rotten, nachdem das Evangelium gepredigt, entstehen; und den Unterschied machen lerne, wie die Schrift lehret, daß wir die, so rechtschaffen sind, aufnehmen und behalten, die Andern aber ausfegen und fahren lassend. Das können jene giftigen Würmer nicht thun, sondern, so bald sie sehen, daß ein Verräther Judas aus den Aposteln, oder ein Ketzer und Rottenmeister aus den Vätern auftritt, schreien und lästern sie, als seien sie alle Buben, und die ganze Christenheit verdammen; gleich, als wenn du wolltest feindlich schreien und scharren: Der Mensch kann Nichts, denn seine Unlust und Stank ausfegen, und gehet eitel Böses von ihm; so mußt du ja ein böser Wurm, oder ein grober Esel sein, daß du willst den Leib darum tadeln und wegwerfen, daß er das Böse weg feget und von sich wirft.

Darum sind Solche eben die rechten Unflather, und gar durchgiftet mit Blindheit und Bosheit, daß sie nicht wollen noch können das Gute an uns sehen, sondern nur danach sehen und grübeln, wo etwas Böses an uns ist, das man ausfegen muß. Gleich als wenn eine böse Mutter an ihrem Kind nicht Anderes sehen wollte, denn seinen Mist und Harm, und darum dasselbe wegwerfen, und nicht dagegen wissen noch sehen wollte die schönen Gliedmaßen, so ihm Gott gegeben hat: also thun diese auch, die nur uns in hintern gucken und sehen, wo wir unrein sind; und wo sie Etwas riechen oder spüren, da rühren und wühlen sie, als die unfläthigen Säue mit ihrem unsaubern Rüssel, daß es nur wohl stinke. Wohlan, Solche lassen wir in ihrem Unflath wühlen, walzen und weiden, wie lange sie wollen, als die nicht Besseres werth sind, denn für solche Säue gehöret solch Wildpret. Wir aber wollen das Reine auslesen, und also unterscheiden: Was kann St. Petrus und die lieben Apostel dazu, daß unter ihnen ein Judas ist? Wollen die Lästerer solchen Unflath rügen und rühren, so mögen sie den Stank auch haben, und beide, Maul und Nase voll schmieren; wie sie denn thun. Wir trösten uns aber deß, daß der Leib gesund und frisch ist, daß er kann den Stank ausfegen, und dazu viel Guts thut, und unzählig viel Früchte bringet. Denn wer kann sagen, was auch ein einig Glied am Leibe nützt? und wers nicht weiß, oder erfahren will, der laß ihm einen Blinden oder Tauben sagen, wozu Augen und Ohren gut sind, oder einen Lahmen und Krüppel, wie köstlich Ding es ist, Hände und Füße haben. Denn wenn man sie nicht hat, so siehet man erst, wie noth und nütze sie sind.

Darum soll das Niemand anfechten, ob sie feindlich wider uns schreien, und Nichts können an uns sehen, denn wo wir (mit Urlaub) beschmissen sind. Denn sie nicht werth sind, daß sie auch das Gute an uns sehen könnten. Sagen wir doch selbst mit Christo, daß aus dem guten, edlen Weinstock falsche Reben wachsen, und aus dem Häuflein Christi böse Buben, aus seiner Schrift falsche Lehrer kommen. Sollte darum der Weinstock untüchtig und ausgerottet werden, den Gott selbst gepflanzet hat? oder Gottes Volk verdammt, und sein Wort Lügen gescholten werden? Haben doch sie selbst alle gesagt, daß die Christenheit getheilet sei in zweierlei Leute, die sie heißen christianos nomine vel numero, et christianos re, das ist, Etliche, so Christen sind; Etliche, die nur Christen heißen. Diese sind wohl unter dem Haufen und in der Zahl, gleichwie falsche Zahlpfennige oder falsche Gülden unter den rechtschaffenen; sind aber nicht rechter Art, müssen auch endlich ausgeworfen werden.

Darum ist das uns kein Schade, daß man uns vorwirft, es kommen Ketzer und Rotten aus unserm Haufen, so wenig als mir der Malvasier schadet, so ich trinke, und ein Anderer in ein unrein Gefäß schenket, und ihm selbst zum Gift machet; item, daß mein Leib sich wohl reinigt, und der Unflath flugs weggehet, denn das ist vielmehr seine Ehre und Gesundheit. Also auch, daß Etliche von uns laufen und einen Stank anrichten, da sagen wir: Es ist der Mist, der sollt und mußt heraus. Summa, es heißt also: Falsche Reben sind auch am Weinstock; aber endlich bleiben sie nicht, sondern müssen abgeschnitten werden und verdorrt oder verbrannt werden, ohne Schaden des Weinstocks, denn er bleibt dennoch ein guter Weinstock.

Dieß ist nun der Trost wider das Aergerniß, so an der Christenheit scheinet, erstlich, daß man muß wissen, es könne und werde nicht anders sein, es müssen auch falsche, faule und unfruchtbare Reben neben und unter den rechtschaffenen aufkommen; zum Andern, daß sie nicht sollen bleiben, sondern müssen abgeschnitten und weggethan werden.

Was aber die Früchte sein, so die rechtschaffenen Reben in Christo tragen sollen, ist offenbar genug, nämlich, zum Ersten, daß ein Christ nach seinem Glauben herausfähret, Gott lobt und dankt, und die Wohlthat, so er von ihm empfangen hat, bekennet und rühmet vor aller Welt; item, darnach auch übet Werke der Geduld, trägt und leidet allerlei Böses, und dagegen eitel Gutes thut gegen Jedermann, mit Dienen, Helfen und Rathen rc. Diese Früchte meinet Christus auch, und sonderlich die ersten, welche eigentlich das Apostelamt betreffen, nämlich, das Evangelium predigen, dadurch Gott erkannt und gepreiset wird; wie er Solches bald hernach deutet und spricht: Darin wird mein Vater geehret, daß ihr hingehet, und viel Frucht bringet. Wenn diese Früchte gehen, so sind die Reben recht.

Aber das thun die Andern nicht, beide, falsche und faule Christen; sondern lassen entweder die Predigt anstehen, oder je schnarren und schlafen, und ob sie predigen, so predigen sie es nicht recht, sondern verderben und verkehren die reine Lehre mit ihrem Meistern und Klügeln; denn sie suchen ihre eigne Ehre, nicht Gottes Lob, noch der Seelen Heil. Solche mögen wohl eine Zeitlang aufwachsen und groß werden, aber sie sollen doch endlich abgeschnitten werden.

Und einen jeglichen Reben, der da Frucht bringet, wird er reinigen, daß er mehr Frucht bringe.

Er hat nicht genug daran, ein guter Weingärtner, daß er einen guten Weinstock hat und rechtschaffene Reben; sondern wollte gerne solchen Weinstock und Reben haben, die da viel Früchte tragen. Darum fähret er zu, arbeitet und reiniget immer daran, beschneidet und blattet, hilft und zeucht ihn, daß er groß werde und immerdar zunehme, und mehr und mehr tragen könne; wie es denn auch geschieht, wenn er also gebauet und gewartet wird.

Also thut auch Gott mit einem jeglichen Christen, so an diesem Weinstock ist, es sei ein Prediger, oder Schüler und Zuhörer: den läßt er nicht feiern, sondern schickt ihm zu Anfechtungen, die, ihn zwingen seinen Glauben zu üben, hängt ihm den Teufel an den Hals, und die Welt mit Verfolgung, inwendig und auswendig; damit feget er die Reben sein rein, zeucht sie aus, daß sie größer und stärker werden. Das geschieht Alles darum, daß sie desto mehr Früchte tragen, also, daß ihr Glaube je länger je mehr geübet, durch Versuchung und Erfahrung gewiß und stark werde; item, daß sie desto mehr Gottes Lob rühmen, beten, predigen, bekennen, damit es allenthalben zunehme, Wort und Kraft des Worts, beide, an den Personen, so da glauben, daß sie für sich selbst stärker werden im Glauben und Geist, und dazu auch an dem Haufen, daß durch diese auch viel Andere zum Glauben kommen, und also nicht allein große und völlige Früchte, sondern auch (wie er hie sagt) viel und reiche Früchte tragen.

Darum habe ich gesagt, daß man nicht soll davor erschrecken, ob wir müssen leiden, daß wir angefochten und geplagt werden, es sei inwendig vom Teufel, durch Schrecken und Angst, damit er die Christen gerne wollte bringen entweder zu Mißglauben oder Verzweifelung, und ihnen das Leben so sauer machet, daß sie vor Traurigkeit möchten verschmachten; oder auswendig von der Welt, durch Gewalt, Tyrannei, Gefängniß, Beraubung der Güter, oder auch des leiblichen Lebens. Denn es muß doch Alles dazu fördern und nützen, daß die Christen nur stärker werden im Glauben und desto freudiger, dem Teufel zu widerstehen und zu überwinden. Denn durch solche Anfechtung werden sie getrieben, Trost und Hülfe zu suchen in Gottes Wort, und durch Anrufen, Beten und Danken ihren Glauben zu üben und zu mehren, und also immer desto stärker im Geist, demüthiger, geduldiger und vollkommener werden.

Quelle: Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert Herausgegeben vom Amerikanischen Lutherverein zu Herausgaber Luther'scher Schriften für das Volk. Einundzwanzigster und zweiundzwanzigster Band. St. Louis, Mo. Druckerei der Synode von Missouri, Ohia u. a. Staaten. 1870

1)
d. i. eine bildliche Redeweise, nach der einem leblosen oder vernunftlosen Dinge Leben oder Sprache zugeschrieben wird.
2)
der die ewige Gottheit Christi leugnete; er lebte im 4. Jahrh.
3)
der die heil. Dreieinigkeit leugnete; er lebte im 3. Jahrh.
4)
er verwarf das A. T., leugnete die Auferstehung des Leibes u. s. w., er lebte im 2. Jahrh.
5)
ein berühmter heidnischer Weltweiser in Griechenland im 4. Jahrh. v. Chr.
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