Luther, Martin - Auslegung deutsch des Vater Unsers, für die einfältigen Laien

Luther, Martin - Auslegung deutsch des Vater Unsers, für die einfältigen Laien

1)

Vorrede.

Es wäre nicht noch, daß man meine Predigt und Worte auf dem Lande irre führet; es sind wohl andere Bücher vorhanden, die würdig und nütze wären, dem Volke zu predigen. Weiß nicht, wie durch GOttes Geschick ich ins Spiel komme, daß etliche zur Freundschaft, etliche auch zur Feindschaft, mein Wort sahen und treiben. Derohalben ich verursacht, dies Pater noster, vorhin durch meine gute Freunde ausgangen, wiederum auszulassen, auf daß ich mich weiter erkläre, ob es möglich wäre, auch meinen Widerparten möchte einen Dienst erzeigen. Denn mein Sinn ist je, daß ich jedermann nützlich, niemand schädlich wäre.

Da die Jünger Christi baten, daß er sie lehrte beten, sagte er: wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel Worte machen, als die Heiden thun, die da meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel Worte machen. Darum sollt ihr euch denselben nicht gleichen. Denn euer Vater, der im Himmel ist, weiß wohl, was ihr bedürfet, ehe ihr ihn bittet. Darum sollt ihr also beten: Vater Unser, der du bist in dem Himmel, geheiliget werde dein Name rc.

Aus diesen Worten Christi lernen wir, beide Wort und Weise, das ist, wie und was wir beten sollen. Und diese zwei Dinge noch sein zu wissen.

Zum ersten, die Weise, wie wir beten sollen. Die Weise ist, daß man wenig Worte mache, aber viel und tiefe Meinungen oder Sinnen. Je weniger Worte, je besser Gebet: je mehr Worte, je ärger Gebet. Wenig Worte und viel Meinung ist christlich; viel Worte und wenig Meinung ist heidnisch. Darum spricht er: Ihr sollt nicht viel reden, wenn ihr betet, wie die Heiden. Item Joh. 4, 24. zu dem heidnischen Weiblein sprach er: wer GOtt will anbeten, der muss ihn in dem Geist und in der Wahrheit anbeten; denn solche Anbeter suchet der Vater.

Nun, in dem Geist beten, oder geistlich beten, ist gegen dem leiblichen Gebet also genannt, und beten in der Wahrheit, gegen dem Gebet in dem Scheine genannt. Denn das Gebet im Scheine und leiblich ist das äusserliche Mummeln und Plappern mit dem Munde, ohn alle Acht. Denn das scheinet vor den Leuten, und geschieht mit dem leiblichen Munde, und nicht wahrhaftig; aber das geistliche und wahrhaftige Gebet ist das innerliche Begierde, Seufzen und Verlangen aus Herzens Grunde. Das erste macht Heuchler, und falsche, sichere Geister: das andre macht Heilige, und furchtsame Kinder GOttes.

Doch ist hier zu merken ein Unterscheid, denn das äusserliche Gebet geschieht in dreierlei Weise: Zum ersten, aus lauter Gehorsam; als die Priester und Geistlichen singen und lesen; auch die, die aufgesetzte Buße oder gelobte Gebete sprechen. In diesen ist der Gehorsam fast das beste, und nahe gleich einer andern leiblichen Arbeit des Gehorsams (so anders solches aus einfältiger Gehorsamsmeinung geschieht, nicht um Gelds oder Ehre und Lobs willen). Denn so viel unaussprechlicher Gnade ist in dem Wort GOttes, daß auch mit dem Munde ohn Andacht gesprochen, (in Gehorsamsmeinung,) ein fruchtbar Gebet ist, und dem Teufel wehe thut.

Zum andern, ohne Gehorsam, oder mit Unwillen und Unlust, oder um Geld, Ehre oder Lobs willen. Solch Gebet wäre besser unterlassen. Doch wird ihnen hier ihr Lohn drum gegeben, Gut oder Ehre, zeitlich; wie denn GOtt die Knechte ablohnet, und nicht die Kinder.

Zum dritten, mit Andacht des Herzens; da wird der Schein in die Wahrheit gezogen, und das äusserliche in das innerliche; ja, die inwendige Wahrheit bricht heraus, und leuchtet mit dem äusserlichen Schein. Aber es ist nicht möglich, daß der viel Worte mache, der geistlich und gründlich betet. Denn die Seele, wenn sie gewahr wird, was sie spricht, und in derselben Betracht auf die Worte und Sinne denkt, muss sie die Worte fahren lassen, und dem Sinne anhangen; oder wiederum, den Sinn muss sie fallen lassen, und den Worten nachdenken. Darum sind solche mündliche Gebete nicht weiter anzunehmen, denn als eine Anreizung und Bewegung der Seelen, daß sie dem Sinne und den Begierden nachdenke, die die Worte anzeigen.

Zum andern, die Worte, und was wir beten sollen. Die Worte sind: Vater Unser, der du bist rc. Denn dieweil dies Gebet von unserem Herrn seinen Ursprung hat, wird es ohne Zweifel das höchste, edelste und beste Gebet sein. Denn, hätte er ein bessers gewusst, der fromme, treue Schulmeister, er würde es uns auch gelehret haben. Das soll man also verstehen, nicht, daß alle andere Gebete böse sind, die diese Worte nicht haben. Denn vor Christi Geburt viel Heiligen gebetet haben, die diese Worte nicht gehört haben; sondern, daß alle andere Gebete verdächtig sein sollen, die nicht dieses Gebets Inhalt und Meinung zuvorhaben, oder begreifen. Denn die Psalmen auch gute Gebete sind, aber nicht so klar dieses Gebets Eigenschaft ausdrücken, wiewohl ganz in sich beschließen. Denn aller Ablass, aller Nutzen, aller Gebenedeiung, und alles, was der Mensch bedarf an Leib und Seele, hier und dort, das ist hierin überflüssig begriffen. Und es wäre besser, du betest ein Vater Unser mit herzlicher Begierde und Meinung der Worte, daraus Besserung deines Lebens erwüchse, denn daß du aller Gebete Ablass erwürbest.

Nun wird dies Gebet getheilet in zwei Stücke. Zum ersten, ist eine Vorrede, Anfang und Bereitung; zum andern, sind sieben Bitten.

Der Anfang. Vater Unser, der du bist in dem Himmel.

Der beste Anfang und Vorrede ist, daß man wohl wisse, wie man nennen, ehren, handeln soll, den man bitten will, und wie man sich gegen ihm erzeigen soll, daß man ihn gnädig und geneigt mache zu hören. Nun ist kein Name unter allen Namen, der mehr geschickt mache uns gegen GOtt, denn, Vater. Das ist eine gar freundliche, süße, tiefe und herzliche Rede. Es wäre nicht so lieblich oder tröstlich, wenn wir sprächen, Herr, oder GOtt, oder Richter. Denn der Name, Vater, ist von Natur eingeboren und natürlich süße. Derohalben er auch GOtt am allerbesten gefällt, und uns zu hören ihn am allermeisten bewegt. Desselbengleichen wir uns in demselben bekennen als Kinder GOttes, dadurch abermal wir GOtt gar innerlich bewegen; denn nicht eine lieblichere Stimme ist, denn des Kindes zum Vater.

Dazu hilft, daß wir sagen: Der du bist in dem Himmel. Welches sind Worte, damit wir unsere klägliche Noth und Elend anzeigen, und uns zu bitten, und GOtt zu erbarmen emsiglich bewegen. Denn wer anhebt zu bitten: Vater Unser, der du bist in dem Himmel, und thut das mit Herzensgrund, der bekennt, daß er einen Vater hat, und denselben im Himmel, erkennt sich im Elend und verlassen auf Erden. Daraus denn folgen muss ein herzliches Sehnen; gleichwie einem Kinde, das aus seines Vaters Hand, unter fremden Leuten, im Elend und Jammer lebt.

Doch weiset das Wort auf eine Zuversicht gegen GOtt, die wir allein auf ihn haben sollen. Denn uns niemand zum Himmel helfen kann, denn der einige Vater, als geschrieben steht Joh. 3,13: Niemand steige auf in den Himmel, denn allein der, der herab gestiegen ist, der Sohn des Menschen. In des Haut, und auf seinem Rücken müssen wir hinauf steigen.

Also mögen nun dies Gebet beten alle arbeitende Leute, und die auch selbst nicht wissen, was die Worte bedeuten. Und das halte ich für das beste Gebet. Denn da redet das Herz mehr, denn der Mund.

Es stehet dieweil ein andrer in der Kirchen, und wendet die Blätter um, und zählet die Paternosterkörner, und klappert fast damit, und denket mit dem Herzen weit von dem, das er mit dem Munde bekennt. Das heißt nichts gebetet. Denn zu denen spricht GOtt durch den Propheten Esaiam c. 29, 13: Dies Volk betet mich an mit dem Munde, aber ihr Herz ist weit von mir.

Das machen die ungeschickten Predigten, damit man das Volk nicht, wie vor Zeiten die lieben Väter mit Arbeit und Mühe, zu dem rechten Grund und inwendigen Gebet führet, sondern in den äusserlichen Schein und allein ins mündliche Gebet, und allermeisten da ihr eigener Nutzen gesucht wird. Möcht einer sagen: Steht doch geschrieben, Luc. 18, 1: Ihr sollt ohne Underlass beten Antwort ich: Siehe die Worte recht an; er spricht nicht: Ihr sollt ohne Underlass Blätter umwenden, Paternostersteine ziehen, viel Worte machen, und dergleichen; sondern, beten sollt ihr ohne Unterlass. Was aber Beten sei, ist genug droben gesagt. Also sein Ketzer gewesen, die hießen Euchiten, das ist, Beter, die wollten das Wort Christi halten, und beteten (das ist, sie plapperten mit dem Munde) Tag und Nacht, und thaten sonst nichts, und sahen nicht an ihre Thorheit, wenn sie aßen, trunken oder schliefen, daß sie das Gebet unterlassen mussten. Darum ist das Wort Christi vom geistlichen Gebet gesagt, das mag ohne Unterlass geschehen, auch in leiblicher Arbeit; wiewohl niemand das gänzlich vollbringt. Denn wer mag allzeit sein Herz zu GOtt erheben? Darum ist durch dasselbe Wort ein Ziel gesetzt, darnach wir uns richten sollen, und wenn wir sehen, daß wir es nicht thun, daß wir uns erkennen als schwache, gebrechliche Menschen, und gedemüthigt werden, und Gnade bitten über unsre Gebrechlichkeit. Also beschließen alle Lehrer der Schrift, daß das Wesen und Natur des Gebets sei nichts anders, denn eine Aufhebung des Gemüths oder Herzens zu GOtt. Ist aber die Natur und Art des Gebets, des Herzens Aufhebung; so folgt, daß alles andere, was nicht des Herzens Erhebung ist, nicht Gebet ist. Darum ist Gesang, Reden, Preisen, wenn das herzliche Aufsteigen nicht da ist, gleich ein Gebet, als die Putzen in dem Garten Menschen sind. Das Wesen ist nicht da, sondern der Schein und Name allein. Das bewähret auch S. Hieronymus, der schreibt von einem heiligen Vater, Anachon, daß er in der Wüsten dreißig Jahr einen Stein in seinem Munde trug, daß er wollte schweigen lernen. Womit hat er aber gebetet? Ohne Zweifel innerlich mit dem Herzen, das GOtt am meisten anliegt, und auch dasselbe allein ansieht und sucht. Es hilft aber wohl darzu, so man die Worte hört, und also Ursache überkommt, zu trachten und recht zu beten. Denn, wie oben gesagt, sollen die mündlichen Worte nicht anders gehalten werden, denn als eine Trommete, Trommel, oder Orgel, oder sonst ein Geschrei, damit das Herz bewegt und erhaben werde zu GOtt.

Ja, es soll niemand sich auf sein Herz verlassen, daß er ohne Wort wollte beten, er sei denn wohl qeübt im Geist, und Erfahrung hab, die fremden Gedanken auszuschlagen; sonst wird ihn der Teufel gar und ganz verführen, und sein Gebet im Herzen bald verstören. Darum soll man sich an die Worte halten, und an denselben aufsteigen, so lang, daß die Federn wachsen, daß man fliegen mag ohne Worte. Denn das mündliche Gebet oder die Worte verwirf ich nicht, soll auch niemand verwerfen, ja, mit grossem Dank annehmen, als sonderlich gross GOttes Gabens Aber das ist zu verwerfen, daß man der Worte nicht zu ihrem Amt und Frucht gebraucht, nemlich, das Herz zu bewegen; sondern in falscher Zuversicht sich verläßt darauf, daß man sie mit dem Munde nur gemummelt oder geplappert hat, ohn alle Frucht und Besserung, ja mit Aergerung des Herzens.

Auch hüte sich ein jeder, wenn er nun neben den Worten oder sonst ein Fünklein empfähet und Andacht fühlt, daß er nicht der alten Schlangen Vergift, das ist, der mördrischen Hoffart folge, die da spricht: Ach ich bete nu mit dem Herzen und Munde, und habe solche Andacht, daß ich halte, es werde schwerlich ein andrer sein, der ihm so recht thu, als ich. Denn die Gedanken hat dir der Teufel eingegeben, und wirst damit arger, denn alle die, die da nicht beten; ja, ist nicht weit von Gotteslästerung und Vermaledeiung solcher Gedanke. Denn nicht dich, sondern GOtt sollst du loben in allem Gute, das du fühlest oder habst.

Zum letzten ist zu merken, wie gar ordentlich Christus dies Gebet gesetzt. Denn er lässt nicht zu, daß ein jeglicher für sich allein bitte, sondern für die ganze Sammlung aller Menschen. Denn er lehrt uns nicht sagen: Mein Vater; sondern Vater unser. Das Gebet ist ein geistlich gemein Gut, darum soll man niemand des berauben, auch nicht die Feinde. Denn so er unser aller Vater ist, will er, daß wir unter einander Brüder sein sollen, freundlich lieben, und für einander bitten, gleichwie für uns selbst.

Theilung des Vater Unsers. In diesem Gebete findet man sieben Bitten. Diese sieben Stück mögen auch wohl sieben guter Lehre und Vermahnung genannt werden.

Die erste Bitte. Geheiliget werde dein Name.

O ein groß, überschwenglich, tief Gebet, so es mit dem Herzen gebetet wird; wiewohl von kurzen Worten. Und ist unter den sieben Bitten keine größer, denn daß wir bitten; dein Name werde geheiliget.

Merk aber, daß GOttes Name in sich selbst heilig ist, und von uns nicht geheiligt wird, ja, er alle Dinge, und auch uns heiligt; denn darinnen wird GOtt alle Dinge, und der Mensch gar zunicht2). Dazu dienen und ziehen sich auch die andern sechs Bitten , daß GOttes Name geheiligt werde. Wenn das geschehen ist, so sind alle Dinge wohl geschehen; als Wir hören werden.

Daß wir aber sehen, wie GOttes Name geheiligt werde in uns, wollen wir vorhin sehen, wie er verunheiligt und verunehrt wird in uns. Und deutlich aufs gröbste davon zu reden, wird er auf zweierlei Weise in uns verunehrt. Zum ersten, wenn wir sein missbrauchen zu Sünden. Zum andern, wenn wir ihn stehlen und rauben. Gleich als ein heilig Gefäß der Kirchen wird auf zweierlei Weise verunheiliget. Zum ersten, wenn man sein gebraucht nicht zu GOttes Diensten, sondern zu fleischlichem Willen. Zum andern, wenn man es stiehlet und raubet.

Also, zum ersten, wird der Name GOttes verunheiligt in uns durch den Mißbrauch: als, wenn wir ihn anziehen oder brauchen, nicht zu Nutz, Besserung, Frommen unsrer Seelen, sondern zu Vollbringung der Sünde und Schaden unsrer Seelen. Und ist kürzlich in der Summa, wenn wir nicht leben als GOttes Kinder.

Wie GOttes Kinder genaturet sind. Ein frommes Kind nennt man, das von frommen, ehrlichen Eltern geboren, denenselben in aller Maas nachfolgt und gleichförmig ist. Dasselbe Kind besitzt und erbt die Güter und alle Namen seiner Eltern mit Recht. Also sind wir Christen durch die Taufe neu geboren und GOttes Kinder worden, und so wir unserm Vater und seiner Art nachfolgen, so sind alle seine Güter und Namen auch unser Erbe ewiglich. Nun ist und heißt unser Vater barmherzig und gütig, gerecht, rein, wahrhaftig, stark, einfältig, schlicht, weise rc. Und dies sind alles GOttes Namen, die alle eingeschlossen werden in dem Wörtlein, dein Name. Denn aller Tugenden Namen sind GOttes Namen. Dieweil wir denn in diesen Namen getauft sind, und durch sie geweihet und geheiligt, und sie itzt unsere Namen worden sind, folgt, daß alle GOttes Kinder heißen und sollen sein gütig, barmherzig, keusch, gerecht, wahrhaftig, einfältig, freundlich, friedsam, eines süßen Herzens zu einem jeglichen Menschen, auch seinen Feinden.

Wer aber zornig, unfriedsam, neidisch, bitter. ungütig, unbarmherzig, unkeusch ist, und flucht, leugt, schwöret, treugt, afterredet, der thut Unehre, lästert, verunheiligt den göttlichen Namen. Siehe nun, diese thun nichts anders, denn als wenn ein Priester einer Saue aus dem heiligen Kelche zu trinken gäbe, oder faulen Mist damit schöpfte: also nehmen sie ihre Seele und Leib, in welchem der Name GOttes wohnet und sie geheiligt hat, und dienen damit dem Teufel.

Siehe, nun verstehst du was heiligen heißt, was heilig ist. Denn es ist nichts anders, denn eine Absonderung von dem Mißbrauch zu dem göttlichen Brauch; wie eine Kirche geweihet wird, und allein zu göttliches Diensts Brauch verordnet. Also sollen wir in allem Leben geheiligt werden, daß in uns kein Brauch sei, denn des göttlichen Namens, das ist. Gütigkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit rc.

Zum andern, wird GOttes Name verunheiligt durch rauben und stehlen; und wiewohl es bei den Scharfsinnigen unter dem ersten begriffen wird; so ist es doch dem Einfältigen zu subtil, dasselbe zu merken. Denn dies trifft nun die Hoffärtigen an, die in sich selbst fromm und heilig sich dünken, und nicht meinen, daß sie GOttes Namen verlästern, wie die ersten, und geben ihnen selbst den Namen, sie sein gerecht, und heilig, und wahrhaftig, rauben und stehlen GOtt seinen Namen dahin, frei ohne alle Furcht. Und der sind itzt am allermeisten, sonderlich wo es scheint, daß fromme, geistliche Leute sind. Und daß man sie erkennen möge, und ein jegliches vor solchem Unfall sich bewahren, wollen wir weiter davon reden.

Welches die schädlichsten und ärgsten Menschen sind in der Christenheit. Zum ersten, führen sie das Wörtlein allzeit in ihrem Munde, und rühmen sich davon, und sprechen: Ach! ich habe so eine gute Meinung, ich meines so herzlich gut, der und dieser will mir nicht folgen, ich wollte ihm das Herze im Leibe mittheilen. O hüte dich, hüte dich vor denen Wölfen, die in solchen Schafskleidern wandern. Es sind Rosendörner, aber keine Feigen wachsen da, sondern eitel Stacheln. Darum, als Christus sagt Matth. 7,15: Aus ihren Früchten kennet sie. Welche sind aber die Früchte? Stacheln, Spitzen, Kratzen, Reissen, Letzen, und kein gut Wort oder Werk. Wie geschieht das? Merke, wenn dieselben nun bei sich beschlossen haben, daß sie fromm sind, gute Meinung haben, und ihr Leben befinden, daß sie mehr beten, fasten, und andre gute Werke thun, und mehr Verstand und Gnade von GOtt haben, denn andre Leute; so vermögen sie nicht so viel, daß sie sich gegen die messen, die höher und besser sind, sondern halten sich gegen die, die ärger und geringer scheinen, denn sie. Vergessen auch bald, daß GOttes Güter sind alles, das sie haben. So muss alsbald auch folgen, richten, urtheilen, versprechen, afterreden, verachten, und sich selbst über jedermann erheben: und fahren also daher in der Hoffart, und verhärten in sich selbst, ohn alle Gottesfurcht, die nichts mehr thun, denn daß sie sich im Herzen und Mund mit fremden Sünden tragen und bescheißen.

Zum andern, wenn sie nun das alles hören sagen, daß GOtt allein der Name und die Ehre gebühre, so stellen sie sich, aber fein, und betrügen noch mehr sich selbst mit ihrem Schein, und sagen: In allem, das sie thun, wollen sie GOttes Ehre allein suchen; und dürfen wohl schwören dazu, sie suchen nicht ihre Ehre. Sogar geistlich, gründlich, tief sind sie böse. Aber die tiefe Hoffart will nicht böse noch närrisch gehalten sein, darum müssen ihr alle andre Narren und böse sein.

Zum dritten, wenn sichs begibt, daß man sagt oder predigt, daß GOtt die Ehre und der Name darum gebühre, daß er alle Dinge schafft, und alle Dinge sein sind, so sind sie gelehrter, denn alle Prediger, auch denn der h. Geist selber, können auch jedermann lehren, und dürfen nicht mehr Schüler sein, sprechen: O wer weiß das nicht! und haltens dafür, sie verstehen es fast wohl. Wenn es aber an ein Treffen gehet, daß man ihnen an ihre Ehre redet, hält sie geringe oder veracht, nimmt ihnen etwas, oder sonst ihnen eine Widerwärtigkeit begegnet, siehe, alsbald ist die Kunst vergessen, und bringet der Dornbusch seine Frucht, die Stachel und Spitzen. Da guckt der Esel, mit seinen Ohren durch die Löwenhaut; denn heben sie an: Ach GOtt vom Himmel siehe herab, wie geschieht Mir so groß Unrecht! fallen in so grosse Thorheit, daß sie dürfen sagen, ihnen geschehe auch vor GOtt unrecht.

Ist nun die Meinung und Summa dieser Bitte: Ach! lieber Vater, dein Name werde geheiliget in uns; das ist, ich bekenne, daß ich, leider! deinen Namen oft verunehrt habe, und auch noch, mit Hoffart, und durch meine eigene Ehre und Namen deinen Namen lästere. Darum, durch deine Gnade hilf mir, daß in mir mein Name abgehe, und ich zunichte werde, auf daß du allein und dein Name und Ehre in mir sei.

Ich hoffe, daß du auch genugsam verstanden habst, daß das Wörtlein, dein Name, heiße so viel, als deine Ehre oder Lob. Denn einen guten Namen heißt die Schrift Ehre und Lob; einen bösen Namen, eine Schande und böse Gerücht. Also, daß dies Gebet nichts anders will, denn daß GOttes Ehre vor allen, und über allen, und in allen Dingen gesucht werde, und alle unser Leben ewiglich allein zu GOttes Ehren gelange, nicht zu unserm Nutz, auch nicht zu unsrer Seligkeit oder etwas Gutes, es sei zeitlich oder ewig, es sei denn zu GOttes Ehren und Lob endlich verordnet.

Darum ist dies das erste Gebet. Denn GOttes Ehre das erste, letzte, höchste ist, das wir ihm geben können, und er auch nichts mehr sucht und fordert. Wir können ihm auch sonst nichts geben; denn alle andre Güter gibt er uns, die Ehre aber behält er ihm allein, daß wir erkennen, sagen, singen, leben, wirken, und alles thun und leiden, bezeugen, daß GOttes alle Dinge sind.

Nun merkst du, daß dies Gebet wider die leidige Hoffart fichtet, die denn das Haupt, Leben und ganzes Wesen aller Sünde ist. Denn zugleich wie keine Tugend lebt oder gut ist bei der Hoffart: also wiederum lebt oder schadet keine Sünde, wo die Hoffart todt ist. Und wie eine Schlange all ihr Leben im Haupte hat, und wenn das todt ist, so thut sie niemand nichts; also, wenn die Hoffart todt wäre, so wären alle Sünden unschädlich, ja, groß förderlich. Darum, wie niemand ohne Hoffart ist und eignen Namens und Ehre Geiz; also ist niemand, dem dies Gebet nicht hoch noch und nütze sei.

Die andre Bitte. Zukomme dein Reich.

Dies andre Gebet, wie die andern, thut zwei Dinge, erniedert, und erhebt uns. Erniedert, damit, daß es uns zwingt zu bekennen mit eignem Munde unser groß, kläglich Elend. Erhebe aber damit, daß es uns zeigt, wie wir uns in solchem Erniedern haben sollen. Also hat ein jeglich Wort GOttes die Art, daß es erschreckt und tröstet, schlägt und heilt, zubricht und baut, reisset aus und pflanzt wieder, demüthigt und erhebt.

Zum ersten, demüthigt es uns, daß wir bekennen öffentlich, daß GOttes Reich noch nicht kommen sei zu uns. Welches, so es mit Ernst bedacht wird und gründlich gebetet, erschrecklich ist, und ein jegliches frommes Herz billig betrüben und fast kümmerlich bewegen soll. Denn daraus folgt, daß wir noch verstoßen, im Elend und unter grausamen Feinden sind, beraubt des allerliebsten Vaterlandes.

Zum andern, wenn solch Bedenken uns erniedert, und unsern Jammer uns eröffnet hat, so folgt denn die Tröstung, und lehrt uns der freundliche Meister, unser Herr Christus, daß wir sollen bitten und begehren aus dem Elend zu kommen, und nicht verzweifeln. Denn denselben, die solches bekennen, daß sie GOttes Reich hindern, und kläglich bitten, daß doch möge kommen, wird GOtt um solches ihr Leid und Bitten zu gute halten, das er sonst billig strafen würde. Die freien Geister aber, denen nicht viel daran gelegen, wo GOttes Reich bleibe, und nicht herzlich darum bitten, wird er fürwahr mit den Tyrannen und Verstörern seines Reichs nach der Schärfe richten.

GOttes Reich ist ein Reich der Gerechtigkeit und Wahrheit, davon Christus sagt Matth. 6, 33: Suchet vor allen Dingen das Reich GOttes und seine Gerechtigkeit. Was ist GOttes oder seines Reichs Gerechtigkeit? Das ists, wenn keine Sünde mehr in uns ist, sondern alle unsre Glieder, Kraft und Macht GOtt unterthan, und in seinem Brauch sind, daß wir mit Paulo sagen mögen Gal. 2, 20: Ich lebe itzt, aber nicht ich, sondern Christus in mir; und 1 Cor. 6, 20: Ihr seid nicht euer selbst eigen, u. s. f. Also ist GOttes Reich nichts anders, denn Friede, Zucht, Demuth, Keuschheit, Liebe und allerlei Tugend; und daß nicht da sei Zorn, Haß, Bitterkeit, Unkeuschheit und alles desgleichen.

Nun merke: Es sind zween große Irrthümer in dieser Materie. Der erste, die da hin und her laufen, daß sie fromm werden, zu GOttes Reich kommen und selig werden, einer gen Rom, der zu S. Jacob, der baut eine Capelle, der stiftet dies, der das; aber zu dem rechten Punkt wollen sie nicht greifen, das ist, daß sie inwendig sich selbst GOtt zu eigen geben, und sein Reich würden: thun viel solcher äußerlicher Werke, und gleisen fast hübsch; bleiben doch inwendig voll böser Tücke, Zorns, Haß, Hoffart, ungeduldig, unkeusch rc. Wider die spricht Christus, da er gefragt ward, wenn das Reich GOttes käme, Luc. 17, 20. 21: Das Reich GOttes kommt nicht mit einem äusserlichen Geberde oder Schein; nehmet wahr, das Reich GOttes ist in euch inwendig. Als er auch Matth. 24, 23. ff. sagt: Man wird nicht sagen: Siehe da, oder da ist es. Und so man euch wird sagen: Siehe da, oder da ist es; so sollt ihrs nicht glauben. Denn es sind falsche Propheten. Als spräche er: Wollet ihr das Reich GOttes wissen, so dürft ihrs nicht weit suchen, noch über Land laufen. Es ist nahe bei dir, so du willst. Ja, es ist nicht allein bei dir, sondern in dir. Denn Zucht, Demuth, Wahrheit, Keuschheit und alle Tugend, (das ist, das wahre Reich GOttes,) mag niemand über Land oder über Meer holen, sondern es muss im Herzen aufgehen.

Darum beten wir nicht also: lieber Vater, laß uns kommen zu deinem Reich; als sollten wir darnach laufen; sondern, dein Reich komm zu uns.

Der andre Irrthum, daß viel sind, die dies Gebet sprechen, allein Sorge gehabt, daß sie nur selig werden, und verstehen durch das Reich GOttes nichts anders, denn Freude und Lust im Himmel; wie sie denn aus fleischlicher Sittlichkeit denken mögen: und werden dadurch gedrungen, daß sie die Hölle fürchten, und also nur das Ihre und ihren Eigennutz im Himmel suchen.

Dieselben wissen nicht, daß GOttes Reich sei nichts anders, denn fromm, züchtig, rein, milde, sanft, gütig, und aller Tugend und Gnaden voll sein, also, daß GOtt das Seine in uns habe, und er allein in uns sei, lebe und regiere. Dies sollte man am höchsten und ersten begehren. Denn das heißt selig sein, wenn GOtt in uns regieret, und wir sein Reich sind. Die Freud aber und Lust, und alles andre, das man begehren mag, dürfte man nicht suchen, noch bitten, noch begehren, sondern es wird sich alles selbst finden und folgen dem Reiche GOttes. Denn, wie ein guter Wein mag nicht getrunken werden, er bringt von ihm selbst mit, ungesucht, seine Lust und Freude, und mag nicht verhindert werden: also vielmehr, wenn die Gnaden und Tugenden (das Reich GOttes,) vollkommen werden, so muss ohn unser Zuthun, natürlich und unverhindert folgen, Freude, Friede und Seligkeit, und alle Lust. Darum, das falsche und eigennützige Auge abzuwenden, heißt uns Christus nicht, die Folge des Reichs, sondern das Reich GOttes selber bitten und suchen. Jene aber suchen das hinterste und letzte zum ersten, und das erste achten sie nichts, oder achtens allein um des letzten willen; darum werden sie ihr keines überkommen. Sie wollen den Vorgang nicht recht, so wird ihnen die Folge auch nicht.

Die dritte Bitte. Dein Wille geschehe als im Himmel und auf Erden.

Ohne Zweifel, GOttes willen geschehen, ist nichts anders, denn seine Gebote halten. Denn durch seine Gebote hat er seinen Willen uns eröffnet.

Hier muss man nun wissen, was GOttes Gebote sind. und sie verstehen. Das ist eine weitläufige Rede. Aufs kürzeste, ist es nichts anders, denn den alten Adam in uns tödten, wie der heilige Apostel uns an vielen Orten lehrt. Der alte Adam ist nichts anders, denn daß wir in uns finden böse Neigung zu Zorn, Haß, Unkeuschheit, Geiz, Ehre, Hoffart und dergleichen. Denn solche böse Tücke und Stücke sind uns von Adam aufgeerbet, und angeboren von Mutterleibe.

Der alte Adam wird auf zweierlei Weise getödtet, dadurch GOttes Wille geschicht. Zum ersten: Durch uns selber, wenn wir unsre böse Neigung drucken und verhindern, mit Fasten, Wachen, Beten, Arbeiten, die Unkeuschheit zwingen, mit Almosen und freundlichen Diensten gegen unsern Feinden, den Haß und Unwillen brechen, und kürzlich, in allen Stücken unsern eignen Willen brechen. Denn wo ein Mensch keinen Meister und Lehrer hat, dem ist die Lehre zu merken und zu üben, daß er sich prüfe, worzu er einen Willen hat, daß er je das nicht thue, und wozu er nicht Lust hat, daß er das thue, sondern allzeit wider seinen Willen thue. Denn das muss er frei dafür halten, daß sein Wille nimmer gut sei, er scheine wie hübsch er mag, er sei denn gezwungen und gedrungen dahin, daß er es lieber nachließe. Denn, wenn ein guter Wille in uns wäre, so dürften wir dieses Gebets nicht.

Und also so ein Mensch sich selbst üben, daß er einen Ueberwillen habe wider seinen Willen, und nimmer unsichrer sei, denn wenn er findet, daß nur ein Wille, und nicht zween Willen wider einander in ihm sind, und also sich gewöhne, dem Ueberwillen zu folgen gegen seinen Willen. Denn wer seinen Willen hat und thut, der ist gewisslich wider GOttes Willen. Nun ist kein Ding, das dem Menschen so fast lieb und so schwer zu lassen ist, als sein Wille. Viel thun grosse gute Werke, aber ihrem Willen und aller Neigung thun sie ganz folgen, und meinen dennoch, sie sein wohl dran, und thun nichts Uebels. Denn sie haltens dafür, ihr Wille sei gut und recht, und dürfen dieses Gebets gar nicht, sind auch ohn alle Gottesfurcht.

Zum andern: Durch andre Menschen, die uns zuwider sind, anfechten, Unruhe machen, und uns in allem unserm Willen widerstreben, auch in guten, geistlichen Werken, und nicht allein in zeitlichen Gütern; als die, die unser Beten, Fasten, gute Werke versprechen, für Narrheit achten, und kürzlich in keinem Dinge uns mit Frieden lassen: o das ist unschätzlich köstlich Ding! Solche Anfechter soll man mit allem Gut kaufen. Denn sie sind, die dies Gebet in uns wirken, durch welche GOtt unsern Willen bricht, daß sein Wille geschehe.

Sprichst du aber: heißt das GOttes Wille geschehe, wer mag denn selig werden? Wer kann das hohe Gebot halten, daß er alle Dinge lasse, und in keinem seinen Willen habe? Antwort ich: Darum lerne, wie groß und noth, und mit was Ernst und Herzen dies Gebet will gebetet sein, und wie groß es sei, daß unser Wille getödtet werde, allein GOttes Wille geschehe. Und also must du dich bekennen als einen Sünder, der solchen Willen GOtt nicht leisten mag, und um Hülfe und Gnade bitten, daß dirs GOtt vergebe, was du zu wenig thust, und helfe, daß du es thun mögest. Denn es will vonnöthen sein, soll GOttes Wille geschehen, so muss unsrer untergehen; denn sie sind wider einander. Das merk an Christo, unserm Herrn, da er im Garten bat seinen himmlischen Vater, daß er von ihm nähme den Kelch; dennoch sagte er Luc. 22, 42: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Musste Christi Willen ausgehen, der doch ohne Zweifel gut, ja der allerbeste allzeit gewesen ist, auf daß göttlicher Wille geschehe; was wollen denn wir armen Würmlein prangen mit unserm Willen, der doch nimmer ohne Bosheit ist, und allzeit würdig, daß er verhindert werde?

Das zu verstehen, merke, daß auf zweierlei Weise unser Wille böse ist. Zum ersten, offenbarlich, ohn allen Schein. Als, wenn wir Willen haben, und geneigt sind zu thun, das vor jedermann böse angesehen ist; als, zürnen, lügen, trügen, schaden dem Nächsten, unkeuschen, und dergleichen. Welcher Wille und Neigung in einem jeglichen sich ereignet, sonderlich wenn er gereizt wird dazu. Und wider den muss man bitten, daß GOttes Wille geschehe; der will Friede, Wahrheit, Reinigkeit, Mildigkeit haben. Zum andern, heimlich und unter einem guten Schein, als S. Johannes und Jacobus Luc. 9, 54 ff. wider die Samaritanen, die Christum nicht wollten einlassen, sprachen: Herr, wilt, so wollen wir gebieten, daß das Feuer vom Himmel falle, und verbrenne sie. Und er antwortete: Wisset ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seid? Der Sohn des Menschen ist nicht kommen die Seelen zu verderben, sondern zu erlösen.

Merke, es ist ein gewiss Zeichen eines bösen Willens, wenn er nicht leiden mag sein Verhindernis. Die Ungeduld ist die Frucht, dabei du erkennen sollst den scheinenden, falschen, tückischen guten Willen. Denn ein grundguter Wille, wenn er verhindert wird, spricht also: Ach GOtt, ich meinete, es sollte so gut sein; so es aber nicht sein soll, bin ich zufrieden, es geschehe dein Wille. Denn wo Unfriede und Ungeduld ist, da ist nichts Gutes, es scheine wie gut es wolle oder möge.

Ueber diese zwei böse Willen ist ein rechtschaffner guter Wille; der muss auch nicht geschehen: als der Wille Davids war, da er GOtt einen Tempel bauen wollte, und GOtt ihn darum lobte, und wollte doch nicht, daß es geschehe, 2 Sam. 7, 2. ff. Item, wie Christi Wille war im Garten, Luc. 22, 42. Also, wenn du möchtest die ganze Welt bekehren, Todten aufwecken, dich und jedermann in den Himmel führen, und alle Wunder wirken, so solltest du doch derselben keines nicht wollen, du hättest denn GOttes Willen vorgezogen, und demselben solchen deinen Willen unterworfen und zunichte gemacht, und gesprochen: Mein lieber GOtt, das und das dünkt mich gut; gefällt es dir, so gescheh es: gefällt es dir nicht, so bleib es dahinten.

Und diesen guten Willen bricht GOtt gar oft in seinen Heiligen, auf daß nicht durch den guten Schein einreisse der falsche, tückische und böse guter Wille: auch daß man lerne, daß unser Wille, wie gut er ist, unmäslich geringer ist, denn GOttes Wille. Darum ein geringer guter Wille billig weichen, oder ja unterthäniglich vernichtet werden soll, gegen den unmäslichen guten Willen GOttes. Darum soll der gute Wille in uns verhindert werden, auf daß er gebessert werde. Denn gewisslich hindert GOtt einen guten Willen allein darum, daß er besser werde. Denn wird er aber besser, wenn er dem göttlichen Willen (durch welchen er verhindert,) unterthänig und gleichförmig wird, so lang bis der Mensch werde ganz gelassen, frei, willenlos, und nichts mehr weiß, denn daß er GOttes Willen gewarte.

Siehe, das heißt wahrer Gehorsam, der (leider!) zu unsern Zeiten ganz unbekannt ist.

So spricht man: Ei, hat uns doch GOtt einen freien Willen gegeben. Antwort: Ja freilich hat er dir einen freien Willen gegeben; warum willst du ihn denn machen zu einem eignen Willen, und lässt ihn nicht frei bleiben? Wenn du damit thust, was du willst, so ist er nicht frei, sondern dein eigen. GOtt aber hat dir, noch jemand einen eignen Willen gegeben; denn der eigne Wille kommt vom Teufel und Adam, die haben ihren freien Willen, von GOtt empfangen, ihnen selbst zu eigen gemacht. Denn ein freier Wille ist, der nichts eignes will, sondern allein auf GOttes Willen schauet, dadurch er denn auch frei bleibt, nirgend anhangend oder anklebend.

Nun merkst du, daß GOtt in diesem Gebet uns heißt wider uns selbst bitten; dabei er uns lehrt, daß wir keinen größern Feind haben, denn uns selber. Denn unser Wille ist das größte in uns, und wider denselben müssen wir bitten: O Vater, laß mich nicht dahin fallen, daß es nach meinem Willen gehe, wehre meinem Willen; es gehe mir wie es wolle, daß mirs nicht nach meinem, sondern allein nach deinem Willen gehe. Denn also ist es im Himmel, da ist kein eigner Wille; daß dasselbe auch so sei auf der Erden. Solches Gebet oder auch Geschicht thut der Natur gar wehe.

Nun laß uns diese drei ersten Bitten zu einander ziehen. Die erste ist, daß GOttes Name geehrt werde, und seine Ehre und Lob in uns sei. Aber darzu mag niemand kommen, er sei denn fromm und in dem Reiche GOttes. Denn die Todten und Sünder mögen GOtt nicht loben, als David sagt Ps. 6, 6. Nun mag niemand fromm sein, er sei denn von Sünden ledig. Von den Sünden wird man ledig, wenn unser Wille ausgewurzelt wird, und allein GOttes Wille in uns ist. Denn wenn der Wille, der das Haupt und oberste ist aller Glieder, nicht mehr unser und böse ist, so sind alle Glieder auch nimmer unser und böse. Darum greift die Gebet die Bosheit bei dem Kopf an, das ist, nicht bei der Hand oder Fus, sondern bei unserm Willen, der das Haupt der Bosheit ist, der rechte Hauptschalk.

Die vierte Bitte. Unser täglich Brod gib uns heute.

Bisher haben wir gebraucht das Wörtlein, dein, dein; nun sprechen wir fortan, unser, unser, uns rc. Des wollen wir eine Ursache finden. Wenn uns GOtt in den ersten dreien Bitten erhört, und seinen Namen in uns heiligt, so setzt er uns in sein Reich, und geust seine Gnade in uns, die uns fromm zu machen anhebt. Dieselbe Gnade hebt bald an GOttes Willen zu thun: alsdenn findet sie einen widerspenstigen Adam, wie S. Paulus Röm. 7, 19. 20. klagt, daß er nicht thue, das er gern wollte. Denn der eigen Wille, von Adam angeboren, mit allen Gliedern wider die gute Neigung strebt; so schreiet denn zu GOtt die Gnade im Herzen wider denselben Adam, und spricht: Dein Wille geschehe. Denn der Mensch findet sich mit ihm selbst schwerlich beladen.

Wenn denn GOtt das Geschrei hört, so will er seiner lieben Gnaden zu Hülfe kommen, und das angefangne, sein Reich, mehren, und legt sich mit Ernst und Gewalt an den Hauptschalk, den alten Adam, fügt ihm alles Unglück zu, bricht ihm alle sein Vornehmen, blendet und schändet ihn rings herum. Das geschieht, wenn er uns allerlei Leiden und Widerwärtigkeit zusendet.

Wenn nun dies also geschieht, so ist der Mensch in grossem Gedränge und Aengsten, und bedenkt nichts also wenig, als daß dies Wesen heiße, GOttes Willen geschehen; sondern er meint, er sei verlassen, und den Teufeln und bösen Menschen zu eigen gegeben, ist kein GOtt mehr im Himmel, der ihn kennen oder hören will. Da ist der rechte Hunger und Durst der Seelen, da sehnt sie sich nach Trost und Hülfe, und dieser Hunger ist gar viel schwerer, denn der leibliche. Und da hebt an das Unser, daß wir begehren unsre Nothdurft, und sprechen: Unser täglich Brod gib uns heute.

Es hat uns GOtt auf Erden gelassen viel Unglücks, und dabei keinen andern Trost, denn sein heiliges Wort; wie Christus uns denn versprochen hat Joh. 16, 32. 33: In der Welt werdet ihr haben Gedränge: in mir aber den Frieden.

Also will GOtt, daß wir in seinem Willen, das ist, in unserm Leiden nirgend hin laufen oder sehen, denn zu ihm, nicht begehrende, daß wir los werden; sondern, daß wir gestärkt werden, solchen Willen auszuleiden. Denn es ist wahr, daß niemand vermag ohne Furcht leiden oder sterben, (das denn GOtt will,) er werde denn dazu gestärkt. So mag keine Creatur dazu stärken; ja, alle Creatur, und sonderlich der Mensch, so man Trost und Stärke da sucht, mehr mattlos und weich machen. Darum allein das Wort GOttes, oder unser täglich Brod uns stärken muss, als er sagt durch Esaiam 50, 4: GOtt hat mir gegeben eine weise Zungen, daß ich kann stärken alle, die da müde sind. Und Matth. 11, 28: Kommt zu mir alle, die ihr beängstiget seid und beschweret, ich will euch erquicken. Und David Psalm 119, 28: Herr, stärke mich mit deinem Wort. Und Psalm 130, 5.6: Meine Seele hat gehalten auf sein Wort. Und dieser Lehre ist die ganze Schrift voll, voll, voll.

Nun, wenn und durch welchen kommt uns das Wort? Das kommt auf zweierlei Weise. Zum ersten, durch einen Menschen, wenn GOtt durch einen Prediger in der Kirchen, oder sonst durch selbt ander ein tröstlich Wort hören lässt, das ihn stärkt, das er fühlt im Herzen: confortare et esto robustus, ermanne dich und sei keck. Denn solchen Schall macht gewisslich das Wort GOttes im Herzen, wenn es recht kommt. Darum sollte man die Weiber und weibisches Gepläpper weit von den Kranken und sterbenden Menschen treiben, die da sagen: Liebe Gevatter und lieber Hans, es hat noch nicht Noth, ihr werdet wohl wieder gesund, selig und reich. Mit diesen Worten macht man blöde, weiche, lose Herzen, so doch von dem Worte GOttes geschrieben steht Ps. 104. 15: Panis cor hominis confirmet: das Brod stärkt des Menschen Herz. Darum sprech ich wieder: Liebe Gevatter, fresst euren faulen Brei selbst, ich warte des täglichen Brods, das mich stärke. Und also sollte man die Kranken nur frisch zum Tode stärken, und die Leidenden nur zu mehr Leiden reizen. Und so sie würden sprechen: Sie vermögens nicht; so halte man ihnen dies Gebet vor, daß sie GOtt darum bitten, denn er will darum gebeten sein.

Zum andern, durch sich selbst, als wenn GOtt einem leidenden Menschen sein Wort eingeust, damit er stark wird, alles zu tragen. Denn GOttes Wort ist allmächtig, Röm. 1, 16.

Ist nun die Meinung dieser Bitte: O himmlischer Vater, dieweil deinen Willen niemand leiden mag, und wir zu schwach sind, daß wir unsers Willens und alten Adams Tödten dulden, bitten wir, du wolltest uns speisen, stärken und trösten mit deinem heiligen Wort, und deine Gnade geben, daß wir das himmlische Brod, Jesum Christum, durch die ganze Welt hören predigen, und herzlich erkennen mögen, daß doch aufhörte schändliche, ketzerische, irrische, und alle menschliche Lehre, und also allein dein Wort, das wahrlich unser lebendiges Brod ist, ausgetheilt werde.

Bitten wir denn nicht auch um das leibliche Brod? Antwort: Ja, es mag fast wohl auch das leibliche Brod hierin verstanden werden; aber fürnemlich das geistliche Brod der Seelen, Christus. Darum so lehrt er uns, daß wir nicht sorgfältig sein sollen um leibliche Speise und Kleider, allein auf heutige Nothdurft gedenken. Matth. 6, 94. Denn GOtt wird das wohl schaffen, so wir einfältiglich hin arbeiten nach seinem Gebot.

Die fünfte Bitte. Und verlass uns unsre Schuld, als wir verlassen unsern Schuldigern.

Wer glaubet, daß dies Gebet so viel Leute trifft und beschuldigt? Zum ersten, was wollen die grossen Heiligen bitten zu unsern Zeiten, die da sich ganz fromm schätzen, sonderlich, wenn sie gebeichtet, absolvirt und gnug gethan haben, und nun also leben, daß sie nicht bitten für ihre Sünde, (wie die alten rechten Heiligen, von denen David sagt Ps. 32,6: Pro hac orabit etc.. Ein jeglicher Heiliger wird Gnade bitten für seine Sünde,) sondern nur grosse Verdienste sammlen, und einen köstlichen Pallast im Himmel, gar nahe bei S. Peter, bauen mit viel guten Werken? Doch helf uns GOtt, wollens versuchen, ob wir sie könnten zu Sündern machen, und unter unsre arme sündliche Sippschaft zählen, daß sie mit uns lernen dies Gebet, nicht allein vor der Beichte und Buße, sondern auch nach dem grossen Ablass von Pein und Schuld, beten, und nach aller Schuld Vergebung mit uns sagen: Herr, verlass uns unsre Schuld.

Denn dieweil man vor GOtt nicht lügen noch schimpfen mag, so muss wahrlich, wahrlich, eine ernste, ja viel ernstere Schuld da sein, die kein Ablass abgelegt hat oder mag. Derohalben wird Ablass und dies Gebet nicht wohl eins sein. Ist alle Schuld durchs Ablass dahin, so lösche das Gebet aus, und bitte vor GOttes Augen nicht für falsche Schuld, daß du ihn nicht spottest, und dir alles Unglück erlangst. Ist aber das Gebet wahr, so helfe GOtt dem armen Ablass, daß er noch solche grosse Schuld da lässt, da GOtt den Menschen billig darum verdammt, so er nicht um Gnade gebeten wird. Doch red ich nicht zu viel; denn ich kenne die subtilen Glossen wohl, damit man pflegt aus der heiligen Schrift eine wächserne Nasen zu machen.

Nun wollen wir sehen den allerkräftigsten Ablassbrief, der noch nie auf Erden kam, und dazu nicht um Geld verkauft, sondern jedermann umsonst gegeben. Andre Lehrer setzen uns die Genugthuung in den Beutel und Kasten; aber Christus setzt sie in das Herz, daß sie nicht näher gesetzt mag werden; also, daß du nicht darfst noch zu Rom, noch zu Jerusalem, noch zu S. Jacob, noch hier oder dar laufen um Ablass: und kann denselben eben sowohl lösen der Arme, als der Reiche; der Kranke, als der Gesunde; der Laie, als der Priester; der Knecht, der Herr. Und der Ablassbrief lautet auf deutsch also: Wenn ihr vergebt euern Schuldigern, so wird euch mein Vater auch vergeben. Werdet ihr aber nicht vergeben, so wird euch mein Vater euch nicht vergeben.

Dieser Brief, mit Christi Wunden selbst versiegelt und durch seinen Tod bestätigt, ist gar nahend verblichen und verweset durch die grossen Platzregen des römischen Ablasses.

Nun kann sich niemand entschuldigen, daß ihm seine Sünden nicht vergeben werden, oder böse Gewissen behält. Denn Christus spricht nicht: Du sollst für deine Sünde so viel fasten, so viel beten, so viel geben, dies oder das thun; sondern, willst du gnug thun, und deine Schuld bezahlen, deine Sünde ablöschen, höre meinen Rath, ja mein Gebot: thu nicht mehr, denn, laß alles nach, und wandle dein Herz, da dich niemand hindern kann, und sei hold dem, der dich beleidigt hat; vergib nur du, so ist es alles schlecht.

Warum prediget man solchen Ablass nicht auch? Gilt Christi Wort, Rath und Verheißen nicht so viel, als eines Traumpredigers? Ja, solcher Ablass wird nicht S. Peters Kirchen, (die der Teufel wohl leiden mag,) sondern Christi Kirchen, die der Teufel gar nicht leiden mag, bauen. Denn Holz und Stein ficht ihn nicht fast an; aber fromme, einträchtige Herzen, die thun ihm das Herzeleid an. Darum mag man diesen Ablass nicht umsonst; jenes wird man nicht satt um alle Kost. Nicht, daß ich römischen Ablass verwürfe, sondern daß ich wollte ein jeglich Ding in seinen Würden gehalten werden: und wo man gut Gold umsonst haben kann, daß man Kupfer nicht theurer, denn das Gold werth ist, achte. Hüte dich nur vor der Farbe und dem Gleisen.

Die sechste Bitte. Und nicht einführe uns in die Versuchung oder Anfechtungen.

Wenn das Wörtlein, Versuchung oder Betörung, nicht so gemein wäre, stund es viel besser, und wäre klärlicher zu sagen, also: Und führ uns nicht in Anfechtungen. In diesem Gebet lernen wir aber, wie ein elend Leben auf Erden sei; denn es eine lautre Anfechtung ist. Und wer ihm hier Fried und Sicherheit sucht, thut unweislich; er mag es auch nimmer dazu bringen: und ob wir es alle begehrten, ist es doch umsonst, es ist ein Leben der Anfechtung, und bleibt also.

Darum sprechen wir nicht: Nimm von mir die Anfechtung; sondern, führe uns nicht hinein. Als spräche er: Wir sind umgeben hinten und vornen mit Anfechtungen, und mögen uns derselben nicht entschlagen; aber, O Vater Unser, hilf uns, daß wir nicht hineinfahren, das ist, daß wir nicht drein verwilligen, und also überwunden und untergedrückt werden. Denn wer drein verwilligt, der sündigt, und wird der Sünden Gefangener, wie Paulus sagt Röm. 7, 23.

Also ist dies Leben, wie Hiob sagt 7, 1. nichts Anders, denn ein Streit und steter Hader wider die Sünde, und der Drache, der Teufel, stets uns anfichtet, und in seinen Rachen zu verschlingen sich befleißiget, als S. Petrus sagt 1 Epist. 5, 8: O ihr lieben Brüder, seid nüchtern und bewacht, denn euer Widersacher, der Teufel, geht um und um, als ein grimmiger Löwe, und sucht, ob er jemand möge verschlingen. Seht, unser lieber Vater und getreuer Bischof, S. Petrus, spricht: unser Feind sucht uns, und nicht an einem Orte, sondern an allen Enden rings herum: das ist, alle unsere Glieder und Sinnen, inwendig mit bösem Eingeben, auswendig mit bösen Bildern, Worten und Werken reizt, bewegt, hindert, durch Menschen und alle Creaturen, zu Unkeuschheit, Zorn, Hoffart, Geiz und dergleichen, braucht alle List und Schalkheit, damit er den Menschen einführ in Verwilligung. Und so man dasselbe fühlt, soll man schnell zu GOtt die Augen aufheben: O GOtt Vater, siehe, wie werde ich bewegt, gereizt zu dem und diesem Laster, und verhindert an dem und diesem guten Werke: wehre lieber Vater, und hilf mir, laß mich nicht unterliegen und hinein fahren. O wer diese Bitte wohl brauchte und übte, wie selig wäre der! Denn viel sind, die nicht wissen, ob sie angefochten werden, oder was sie thun sollen in der Anfechtung.

Was ist die Anfechtung? Zweierlei Anfechtung: Eine auf der linken Seiten, das ist, die zu Zorn, Haß, Bitterkeit, Unlust, Ungeduld reizet; als sind, Krankheit, Armuth, Unehre, und alles, was einem wehe thut; sonderlich, wenn einem sein Wille, Fürnehmen, Gutdünken, Rathschlag, Wort und Werk verworfen und verachtet wird. Denn diese Dinge sind läuftig und täglich in diesem Leben und GOtt verhängt solches durch böse Menschen oder Teufel.

Wenn man denn fühlt diese Bewegung, so soll man weise sein, und sichs nicht wundern lassen; denn es ist die Art dieses Lebens; sondern das Gebet herfür ziehen, und das rechte Korn zählen, und sprechen: O Vater! das ist gewiss eine Anfechtung, über mich verhängt; hilf, daß sie mich nicht verführe und betöre.

In dieser Anfechtung narret man zweimal. Zum ersten, wenn man spricht: Ja, ich wollte wohl fromm sein, und nicht zürnen, wenn ich Friede hätte. Und etliche lassen unserm Herrn GOtt und seinen Heiligen nicht Ruhe, er nehme denn von ihnen die Anfechtung. Diesem muss er das Bein gesund machen, den reich machen, dem soll er Recht lassen, und thun, wie sie mögen, auch durch sich selbst und andre sich heraus würgen. Und also bleiben sie faule, ja, feldflüchtige, arme Ritter, die nicht angefochten sein noch streiten wollen. Darum werden sie auch nicht gekrönt; ja, sie fallen in die andre Anfechtung zur rechten Seiten; wie wir hören werden. Aber wenn es recht geht, so soll es also sein, daß er nicht fürüber komme, und die Anfechtung nicht abgelegt werde, sondern er sie überwinde ritterlich. Von denselben spricht Hiob 7, 1: Des Menschen Leben ist ein Streit oder Anfechtung.

Die andern, die nicht in Anfechtung überwinden, auch nicht von ihnen genommen wird, die fahren einhin in Zorn, Haß, Ungeduld, geben sich frei dem Teufel, vollbringen Wort und Werk, werden Mörder, Räuber, Lästerer, Schwörer, Afterreder, und richten alles Unglück an. Denn die Anfechtung hat sie überwunden, und folgen allem bösen Willen, der Teufel ist ihr gar mächtig, und sind seine Gefangene, rufen weder GOtt noch seine Heiligen an. Dieweil aber unser Leben von GOtt selber keine Anfechtung genannt, und so sein muss, daß wir Anstoß haben an Leib, Gut und Ehre, und Ungerechtigkeit widerfahren muss, sollen wir des freundlich gewarten, und weislich empfahen, sprechend: Ei, es ist des Lebens Eigenschaft, was soll ich draus machen? es ist eine Anfechtung: es will nicht anders sein; hilf GOtt, daß michs nicht bewege und umwerfe.

Siehe, also mag niemand der Anfechtung überhaben sein. Man kann aber sich wohl wehren, und dem allen rathen, mit Gebet und GOttes Hülfe anrufen. So lieset man im Altvaterbuch, daß ein junger Bruder begehrt seiner Gedanken los zu sein. Da sprach der Altvater: lieber Bruder, daß die Vögel in der Luft dir über dem Haupte fliegen, magst du nicht wehren; kannst aber wohl wehren, daß sie dir in den Haaren kein Nest machen.

Die andre Anfechtung, auf der rechten Seiten, das ist, die zu Unkeuschheit, Wollust, Hoffart, Geiz und eitler Ehre reizet, und alles, was wohl thut, sonderlich wenn man einem seinen Willen lässt, lobt sein Wort, Rath und That, ehret und hält viel von ihm.

Diese ist die allerschädlichste Anfechtung, und wird der Zeit des Endechrists zugeeignet, als David sagt Psalm 91, 7: Wo ihr tausend fallen von deiner linken Seiten, da fallen ihr wohl zehen tausend von deiner rechten Seiten; und itzt hat sie überhand genommen. Denn die Welt nur nach Gut, Ehre und Wollust strebt, und sonderlich die Jugend lernt itzt nichts wider die fleischliche Lust und Anfechtungen streiten, fallen dahin, daß hinförter nicht mehr Schande ist, sondern alle Welt voll ist Fabeln und Liedlein von Buhlerei und Hurerei, als sei es wohl gethan. Das ist alles der grausame GOttes Zorn, der die Welt also lässt fahren in Versuchung, darum, daß ihn niemand anrufet.

Es ist wohl schwere Anfechtung einem jungen Menschen, wenn ihm der Teufel in sein Fleisch bläset, anzündet Mark und Gebein, und alle Glieder, dazu auswendig reizet mit Gesicht, Geberden, Tänzen, Kleider, Worten, und hübschen Bildern, Weiber oder Männer; wie Hiob sagt 41, 12: Halitus eius prunas ardere facit: Sein Athem macht die Kohlen glühend: und itzt die Welt ganz unsinnig ist mit Reizung der Kleider und Geschmück: aber doch ist es nicht unmöglich zu überwinden, wer sich gewöhnt GOtt anzurufen, und dies Gebet zu sprechen: Vater, nicht einführe uns in die Anfechtung.

Warum lässt denn GOtt den Menschen so anfechten zu Sünden? Antwort: Daß der Mensch sich und GOtt erkennen lerne. Sich erkennen, daß er nichts vermag, denn sündigen und übel thun. GOtt erkennen, daß GOttes Gnade stärker sei, denn alle Creaturen, und also lerne sich verachten, und GOttes Gnade loben und preisen. Denn es sind gewesen, die der Unkeuschheit haben mit ihren Kräften, mit Fasten, Arbeiten, wollen widerstehen, und haben ihren Leib drob zubrochen, und dennoch nichts ausgerichtet. Denn die böse Lust löschet niemand, denn der himmlische Thau und Regen göttlicher Gnaden; Fasten aber und Arbeiten, Wachen, muss dabei sein, sind aber nicht gnug.

Die siebente und letzte Bitte. Sondern erlöse uns von dem Uebel. Amen.

Merk eben, daß man das Uebel am allerletzten abbittet und abbitten soll, das ist, für Unfriede, Theure, Kriegen, Pestilenz, Plagen, und auch die Hölle und Fegefeuer, und alle peinliche Uebel an Leib und Seele.

Denn diese Dinge soll man bitten; doch ordentlich, und am allerletzten. Warum? Man findet etliche und viel, die GOtt und seine Heiligen ehren und bitten, aber nur, daß sie des Uebels los werden, und nichts anders suchen, nicht einmal gedenken an die ersten Bitten, daß sie GOttes Ehre, Namen und Willen vorsetzen. Darum suchen sie ihren Willen, und kehren dies Gebet ganz um, heben am letzten an, und kommen nicht zu den ersten; sie wollen ihres Uebels los sein, es sei GOtt zu Ehren oder nicht, es sei sein Wille oder nicht.

Aber ein rechtschaffner Mensch der spricht also: Lieber Vater, das Uebel und die Pein drückt mich, und leide viel Unglück und Beschwerde, und fürchte mich vor der Hölle, erlöse mich davon: doch nicht anders, denn so es dir ehrlich und löblich, und dein göttlicher Wille ist; wo das nicht, so geschehe nicht mein, sondern dein Wille. Denn mir deine göttliche Ehre und Wille lieber ist, denn alle meine Ruhe und Gemach, zeitlich und ewiglich. Siehe, das ist ein gefällig, gut Gebet, und wird gewisslich erhört im Himmel: und so es anders gebetet und gemeint wird, so ists unangenehm, und wird nicht erhört.

Von dem Wörtlein Amen.

Das Wörtlein, Amen, ist hebräischer oder jüdischer Sprache, und heißt auf deutsch, fürwahr, oder wahrlich. Und ist fast wohl zu bedenken. Denn es drückt aus den Glauben, den man haben soll in allen Bitten. Denn Christus hat gesagt Matth. 21, 2: wenn ihr betet, so glaubet fest, daß ihrs werdet erlangen, so geschieht es gewiss. Item, am andern Ort, Marc. 11, 24: Alles, was ihr bittet, glaubet, so werdet ihrs empfangen. Denn also empfing das heidnische Weiblein, das es bat, da es nicht abließ, und fest glaubte, daß auch der Herr zu ihr sagte Matth. 15,28: O Weib! wie groß ist dem Glaube, dir geschehe, wie du willst und gebeten hast. Also spricht auch S. Jacobus am ersten Capitel v. 6: wer da von GOtt bittet, der soll je nicht zweifeln im Glauben, es werde ihm. Denn wer da im Glauben zweifelt, der nehme es ihm nicht vor, daß er etwas von GOtt empfahe. Darum, wie der Weise Mann sagt Pred. 7, 9: Das Ende des Gebers ist besser, denn der Anfang. Denn am Ende, so du Amen sprichst, mit herzlicher Zuversicht und Glauben, so ist gewiss das Gebet befestiget und erhöret: und wo dies Ende nicht ist, da ist weder Anfang noch Mittel des Gebets nütze.

Als sollte ein Mensch, der da beten will, sich prüfen und erforschen, ob er es auch glaube oder zweifle, daß er erhört werde. Findet er sich, daß er dran zweifelt, oder setzt es in ungewissen Wahn, und wagt es auf Ebentheuer: so ist das Gebet nichts. Denn er hält sein Herz nicht stille, sondern wappelt und schluttert hin und her. Darum kann GOtt nichts gewisses drein geben; gleich als wenig du kannst einem Menschen etwas geben, wenn er die Hand nicht still hält. Und denke doch, wie wolle dirs gefallen, wenn dich jemand hätte fleißig gebeten, und am Ende spräch er zu dir: Ich glaub aber nicht, daß du mirs gebest; und du hättest es ihm gewiss versprochen. Du würdest das Gebet für einen Spott annehmen, und widerrufen alles, was du versprochen hättest, und vielleicht dazu ihn strafen. Wie soll es denn GOtt gefallen, der uns gewiss zusagt, wenn wir bitten, daß wir es haben sollen, und durch unsern Zweifel ihn Lügen strafen, und im Gebet eben wider das Gebet handeln, seine Wahrheit beleidigen, die wir mit dem Gebet anrufen?

Darum heißt das Wörtlein, Amen, wahrlich, fürwahr, gewiss; und ist ein Wort des festen, herzlichen Glaubens, als sprächest du: O GOtt Vater! diese Dinge, die ich gebeten habe, zweifle ich nicht, sie seien gewiss war, und werden geschehen: nicht darum, daß ich sie gebeten habe, sondern, daß du sie hast heißen bitten, und gewisslich zugesagt: so bin ich gewiss, daß du, GOtt, wahrhaftig bist, kannst nicht lügen. Und also nicht meines Gebets Würdigkeit, sondern deiner Wahrheit Gewissheit, macht mich, daß ichs festiglich glaube, und ist mir nicht Zweifel, es wird ein Amen draus werden, und ein Amen sein.

Hier irren etliche übet die Maßen, die ihr Gebet da zunichte machen, und viel mit dem Munde, nimmer mit dem Herzen beten, darum, daß sie nicht ehe wollen glauben, sie sein erhöret, sie wissen oder dünken denn, sie haben würdiglich und wohl gebetet, und bauen also auf sich selbst, auf den Sand; die werden alle verdammt. Denn ein solch Gebet ist nicht möglich, daß von ihm selbst gnugsam sei, und würdig vor GOtt zu erhören, sondern es muss auf die Wahrheit und Versprechen GOttes sich verlassen. Denn, so GOtt nicht hätte heißen beten, und Erhörung versprochen, vermöchten alle Creaturen nicht ein Körnlein erbitten mit allem ihrem Gebet. Darum schaue drauf: Nicht ist das Gebet gut und recht, das viel ist, andächtig, süß, lang, um zeitlich oder ewig Gut; sondern das fest bauet und trauet. Es wird erhört (wie gering und unwürdig es sei in ihm selbst,) um die wahrhaftige Gelübde und Versprechung GOttes. GOttes Wort und Verheißen macht dein Gebet gut, nicht deine Andacht. Denn derselbe Glaube, auf sein Wort gegründet, ist auch die rechte Andacht, ohne welche alle andre Andacht lauter Trügerei und Irthum ist.

3)

1)
Luther hatte in der Fastenzeit 1517 über das Vater Unser gepredigt, und einer seiner Zuhörer diese Predigten nachgeschrieben und 1518 zu Leipzig herausgegeben. Mit dieser Arbeit unzufrieden setzte er diese Erbauungsschrift auf, welcher man bei aller ihrer Vortrefflichkeit doch ihren eigentlichen Ursprung, den Zwang, ansehen wird. Ihr Ton ist sich nicht ganz gleich, z. B. nicht immer munter, auch die einzelnen Theile sind nicht mit gleicher Liebe behandelt; gegen das Ende wird alles kürzer abgethan. Deswegen haben wir diese Schrift nicht ganz geben können, doch wissentlich nichts Wesentliches und Charakteristisches ihr entnommen. - Merkwürdig ist die Erklärung der 4ten Bitte, über die wir Luther künftig werden anders reden hören.
2)
Luther will sagen: Gott wird alles in allem, und der Mensch wird zu nichts
3)
Da ich den Text teilweise bearbeitet habe, auch wenn es nur die Schreibweise vieler Worte betrifft, gibt es keine Wikipedia-taugliche Quellenangabe, sondern lediglich diese hier: Der Text ist bearbeitet nach dem Buch „Dr. Martin Luthers Deutsche Schrifen“ von Friedrich Wilhelm Lomler, Erster Band, Gotha, in der Beckerschen Buchhandlung, 1816. Viele veraltete Schreibweisen, die das Lesen unnötig erschwerten, wurden von mir angepasst.
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