Hutter, Leonhard - Inbegriff ... - Dem wohlwollenden Leser.

Hutter, Leonhard - Inbegriff ... - Dem wohlwollenden Leser.

Wir können dem Staate keinen größern und bessern Dienst leisten, als wenn wir die Jugend belehren und erziehen, vorzüglich bei den jetzigen Sitten und Zeiten, wo sie so gesunken ist, dass sie durch Aller Macht gezügelt und eingeschränkt werden muss: wie des M. Tullius gewichtige Meinung ist. Aber dieser Erziehung Zweck und Ziel muss vor Allen die Gottesfurcht sein, oder die wahre Erkenntnis des wahren Gottes. Denn wie die Gottesfurcht unnütz ist, wenn sie der wissenschaftlichen Erkenntnis entbehrt: so ist die Wissenschaft nichts, wenn sie keine Frucht der Gottesfurcht bringt, wie Gregor in seinen moralischen Schriften schreibt. Damit wir übrigens diesen Zweck und dies Ziel in gehöriger Ordnung zu erreichen vermögen, wird in der Tat eine große Umsicht und Klugheit nötig sein. Denn wenn, nach jener Antwort des Aristoteles, dann erst die Schüler die meisten Fortschritte machen, wann die Langsameren emsig den Fortschreitenden folgen, und diese die Folgenden nicht aufhalten: so wird es gewiss höchst nötig sein, dass der Lehrer, bei den fortschreitenden Studien der Schüler, sorgfältig die Gemüter unterscheide, und nicht anders, als der Landmann die Natur des Landes, welches er bebauen will, die Anlage und den Geist eines jeden Schülers genau erforsche, und nicht dasselbe bei Allen ohne Unterschied anwende. Und damit wir auch unsres Orts in diesem Stück die Bemühung der Lehrer auf einige Weise entweder unterstützen, oder erleichtern möchten: haben wir diesen theologischen Inbegriff der Glaubensartikel so erscheinen lassen wollen, dass, nach drei verschiedenen Klassen der Schüler, deren erste die Anfänger, die zweite die Fortschreitenden, die dritte die Ausgebildeteren bilden, auch die Fragen von drei verschiedenen Gattungen sind, so dass den Anfängern diejenigen Fragen zum Lernen vorgelegt würden, denen gar kein Zeichen beigefügt ist: den Fortschreitenden aber die, welche mit der Figur eines Kreuzes (+) bezeichnet sind: den Ausgebildeteren endlich diejenigen, denen ein Sternchen (*) vorgesetzt ist. Denn auf diese Weise wird weder die Langsamkeit der Anfangenden und Unwissenden den Fortschreitenden und Ausgebildeteren, noch jenen die Fortschritte und Emsigkeit dieser zum Nachtheil gereichen können. Übrigens ist kein Grund vorhanden, warum wir dich, lieber Leser, mit der Erklärung, welcher Methode wir uns bei der Zusammenstellung und Anordnung dieses Inbegriffs vorzüglich bedient haben, länger aufhalten sollten. Zwar entgeht es uns nicht, dass einige in der theologischen Anordnung der Glaubensartikel, bis zum Aberglauben, ängstlich sind. Denn etliche behaupten, dass die Kette der Glaubensartikel vom Anfang bis zum Ende nach den verschiedenen Offenbarungen und Werken Gottes zu ordnen sei. Andere meinen, dass in diesem Stück die Verschiedenheit der Subjekte und Objekte, sowohl hinsichtlich des Schöpfers, als der Kreaturen, streng beobachtet und befolgt werden müsse. Noch andere bemühen sich ängstlich, das ganze System der christlichen Religion in fortlaufende Dichotomien zu zerlegen. Noch andere endlich glauben, dass man auf andere Weise und Ordnung bei der theologischen Auseinandersetzung der Glaubensartikel verfahren müsse. Ob wir nun wohl die Bemühungen dieser Männer nicht mit schwarzer Farbe zeichnen wollen: vielmehr klar überzeugt sind, dass sie an ihrer Stelle Lob und Empfehlung verdienen: so haben wir doch bei der Zusammenstellung des vorliegenden Inbegriffs die einfachere Methode beobachtet, die nämlich, welcher auch andere ausgezeichnete Theologen, vorzüglich Ph. Melanchthon und Jacob Heerbrand gefolgt sind: welche auch die Natur der Glaubensartikel selbst zu verlangen scheint. Denn die Beschaffenheit, oder vielmehr wechselseitige Beziehung derselben ist eine solche, dass, wie in einer Kette die Glieder zusammenhängen, so auch in unsrer heiligen theologischen Wissenschaft immer ein Artikel einen andern, von sich verschiedenen erzeugt: dieser wiederum einen andern, und so fort, bis der ganze Leib oder das System der christlichen Lehre fertig und vollendet vorliegt. Und da gewiss für niedere Schulen kaum eine passendere Ordnung erfunden werden kann, als die, welche aus der gegenseitigen Verwandtschaft der Glaubensartikel entspringt, so war es uns, besonders zu dieser Zeit, durchaus heilige Pflicht, nicht im geringsten von derselben abzuweichen. Aber auch dies wollen wie nicht verhehlen, dass wir bei Vollbringung dieser Arbeit auch das berücksichtigt haben, dass wir, so wie wir die Erklärungen und Einteilungen der Artikel aus den symbolischen Büchern unsrer Kirche nicht entnehmen konnten, uns auch der Worte anderer Theologen, als des sel. Luthers, Melanchthons (wo dieser die reine Lehre festgehalten), des Dr. Martin Chemnitz, Dr. Aegid. Hunnius bedient haben, aber bei Anführung der Seitenzahl aus dem Concordien-Buche derjenigen lateinischen Ausgabe gefolgt sind, welche auf besondern Befehl des durchlauchten Kurfürsten von Sachsen Christian II. in Octav-Form (wie man es nennt) im Jahre 1602 zu Leipzig gedruckt ist. Und wir hegen das Vertrauen, dass auch du, freundlicher Leser, diese unsre Arbeit nicht missbilligen werdest. Lebe wohl, und bitte Gott mit uns innig, dass Er dieses heilige Gefäß des reinen und wahren lutherischen Glaubens bis auf die späten Nachkommen (wenn solche zu hoffen) ganz und unversehrt fortpflanze, verteidige und schütze. Amen.

Leonhard Hutter, Dr.

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