Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Der richtige Schlag

Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Der richtige Schlag

„Da schlug er in sich.“ (V. 17)

Todeinsam fand sich der verlorene Sohn am Trebertrog der Säue, die er hüten musste. So weit war er gesunken. Niemand von seinen bisherigen Freunden kümmerte sich um ihn. Er war von allen verlassen. Da ist ihm in der Einsamkeit sein eigenes Ich begegnet. Er kam zu sich selbst. Er schlug in sich.

Bis dahin hatte er sich zerstreut. Bedenken wir, was das Wort „Zerstreuung“ bedeutet! So, wie man Körner in die Luft zerstreut, so suchen die Leute sich selbst zu zerstreuen. Da bleibt keine Zeit, nachzudenken, sich auf sich selbst zu besinnen. Manche Menschen haben sich mit solchem Erfolg zerstreut, dass sie nie wieder gesammelt wurden bis in die Stunde ihres Todes. Da sieht man, wie sie alles zusammensuchen und können es nicht zusammenbringen. Da, wo sie durch die tiefste, einsamste Not hindurchgehen müssen, sind sie nicht einmal in sich selbst gesammelt. Es läuft ihnen alles auseinander. Niemand soll meinen, dass er dann sich noch bekehren könne. Der verlorene Sohn war auch nie recht bei sich selbst. Er war, wie so viele Menschen, weil er aus dem Vaterhaus gegangen war, immer unterwegs, im Taumel der Zerstreuungen, in immerwährender Unruhe.

Jetzt, als er ganz allein bei den Schweinen auf dem Acker war, wurde er nüchtern aus seinem Taumel. Er sah auf einmal, wohin es mit ihm gekommen war. Es wurde still um ihn, und es wurde auch still in ihm. Da hörte er die Stimme des Gewissens. Da begegnete er seiner eigenen Seele, und sie, der er bisher immer das Wort entzogen hatte, fing an zu reden. Und auch Gottes Wort mischte seine Mahnung hinein. Er kam zu sich selber, nach Hause, und sah bei sich zu Hause die Armut in seinem Inneren. Und seine Seele schaute ihn groß und fragend an: Ist das alles? War das dein Ziel? Sollte es dahin kommen? In der Einsamkeit fangen die Stimmen des Herzens an zu reden. Der Mensch ist immer nur, was er im Dunkeln ist, wo er sich vor niemand ziert und vor niemand schämt.

Da schlug er nicht um sich, sondern in sich. Das war der rechte Schlag. Die meisten Menschen schlagen in der Not um sich. Die anderen sind schuld, die Verhältnisse, die Umstände des Lebens, die wirtschaftliche Lage. Wir sind immer auf der Suche nach dem anderen, der eigentlich an all unseren Verlegenheiten und Nöten schuld ist.

Der verlorene Sohn schlug nicht um sich. Er hielt keine Reden wieder die göttlichen und menschlichen Ordnungen. Er murrte nicht über die Schicksalsschläge, die ihm alles verdarben, oder über die teuren und schlechten Zeiten. Er schlug in sich. „Wie murren denn die Leute im Leben also? Ein jeglicher murre wider seine Sünde!“ (Klagl. 3, 39).

Das, was da auf dem Acker vor sich ging im Herzen des verlorenen Sohnes, das war nicht ein flüchtiges Selbstbedauern, sondern ein Selbstverdammen, kein Sichselbststreicheln und -trösten, sondern ein Sichselbstschlagen. Ein Schlag, der den Leichtsinn auf den Kopf und den alten Menschen ins Herz traf; ein Schlag, der ihm alle Entschuldigungen aus der Hand schlug und der ihn auf die Knie warf, der ihn aus seinem Schwanken und Bedenken emporrüttelte und den Entschluss in ihm reifen ließ: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ „Er schlug in sich.“

Eine solche Erkenntnis der Sünde, ein solches Zu-sich-selbst-Kommen ist schon ein Werk der Gnade. Der böse Feind bringt dann die Leute gern zur Verzweiflung, wenn sie ihren Schaden erkennen. Er hat zwei Spiegel. Den einen hält er dem Menschen vor, ehe er die Sünde begeht: Ach, die Sünde ist so klein. Den andern holt er herbei, wenn die Sünde geschehen ist. Dann schaut der Mensch hinein und spricht wie Kain: „Meine Sünde ist größer, denn dass sie mir vergeben werden möge“ (1. Mose 4, 13). So soll es nicht sein; sondern wer zu sich selbst kommt, der soll auch bald zu Gott kommen. Es ist ein Anfang der Gnade, der erste Anfang der Bekehrung. Man geht nicht mehr weiter. Man steht still. Freue dich, wenn dir über dich selbst einmal die Augen aufgehen, dass du an dir selbst Missfallen hast! Und ob du darüber dich tief schämst: es ist schon der Anfang der Gnade. „Sei getrost, er rufet nach dir.“

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