Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Das fünfte Gnadenwerk.

Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Das fünfte Gnadenwerk.

das die Gläubigen auf der Pilgerstraße, die zum himmlischen Jerusalem führt, an sich erfahren, und dadurch sie zur Reise tüchtig und fertig gemacht, auch kräftig ermuntert werden, ist, die reichliche und tägliche
Vergebung der Sünden.

Wenn die Seele im Glauben zum Gnadenstuhl im Blute Jesu hinflieht, so erhält sie nun eine reichliche und tägliche Vergebung aller ihrer Sünden, und wird ihr die Gerechtigkeit Christi, welche Gott im Evangelio darbietet Röm. 3,26, durch den Glauben zugerechnet.

Das ist nun ein überschwenglicher und unaussprechlicher Reichthum der Gnade und Gerechtigkeit Eph. 2,7. c. 3,8. Er geht über aller Engel Gerechtigkeit, wenn sie auch alle beisammen ist. Denn Jehovah selbst ist unsere Gerechtigkeit. Jerem. 23,6. Jehovah ist selbst der gute Hirte, darum kann uns nichts mangeln. Und das ist ein gewisses Zeichen, daß wir in der rechten Führung und auf der rechten Straße gehen Ps. 23,3, wenn wir diese Fülle der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in der Vergebung unserer Sünden durch den Glauben erfahren. Bei allen scheinbaren Dingen und Uebungen, da die Seelen nicht auf dieß Ziel sehen und gehen, laufen sie auf’s Ungewisse.

Weil der Glaube diese große Fülle fasset, so ist’s ein einziger Seelenzustand mit dem vorigen.

Hier heißt es nun: Kommet (glaubet), es ist alles bereit! ein Tisch in der Wüste im Jammerthal bereitet! Er schenket uns voll ein! Nun wird das gemästete Kalb geschlachtet, der verlorne und wieder umkehrende Sohn bekommt nun das beste Kleid, außer welchem kein besseres ist im Himmel und auf Erden.

Nun folgt nach dem starken Winde Erdbeben und Feuer, ein stilles sanftes Sausen des Geistes, darin der HErr ist, wodurch uns lauter Liebe und Gnade zuwehet; man umhüllet sich, schlägt die Augen aus kindlicher Scham und wegen der großen Gnade nieder, und wird recht ein Nichts in seinen Augen. Der Vater läßt nun alle, alle seine Güte, Liebe, Freundlichkeit, Süßigkeit, das ist Christum vor dem Sünder, der nun Leid trägt über seine Sünde, über seinen Kälbertanz und Eitelkeit, und der nun seinen eigenen Schmuck von sich thut 2 Mos. 33,4 hergehen. Kap. 33,19. O wie neiget sich der bußfertige Sünder nun zur Erden, und betet den Sohn der Liebe, welchen der Vater ihm geoffenbaret, demüthigst an! 2 Mos. 34,8. Es heißt: HErr, habe ich Gnade vor Deinen Augen gefunden, hast du mir meine Sünden vergeben, so gehe der HErr mit uns v. 9. Wo der Sohn, das Angesicht des Vaters, nicht mitgehet, so können wir nicht reisen, wir kommen nicht durch; aber das Angesicht geht, die Güte, die Liebe, die Herrlichkeit, Derjenige, der selber der Weg ist, geht mit. Wohl uns des feinen HErren!

Nun sind wir zu Bürgern und Pilgrimmen Ps. 39,13 des neuen Jerusalems angenommen. Wir haben das Bürgerrecht erlangt, ein Recht, aber kein eigenes, sondern fremdes und geschenktes. Hie ist das höchste Recht und höchste Gnade beisammen. Nun treten wir unsere Reise an auf dem schmalen Berge. Das Recht ist gewonnen, das Lamm hat überwunden, wir reisen hin, unsere Erbschaft einzunehmen. Auf die Rechtfertigung folgt die Heiligung. Nach solchem Recht heißt es hier schon von den Gläubigen: Ihr seid kommen bis zu dem Berge Zion, zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem Hebr. 12,21. Diese große Stadt reicht mit ihren Vorstädten und Vorhöfen, d.i. mit dem Gnadenreich bis in’s Jammerthal. Darum ist unser Wandel schon im Himmel, wir heißen Zionsbürger, Zionskinder. Und ob wir die Verheißung, das schöne und völlige Erbe, gleich noch nicht empfangen haben, sondern von Ferne sehen, so lassen wir uns genügen, und bekennen, daß wir Fremdlinge sind, und suchen ein besseres Vaterland, denn Gott hat uns eine Stadt zubereitet Hebr. 11,13. Jesus ist hingegangen, uns die Stätte zu bereiten, durch dessen Blut haben wir Freudigkeit zum Eingang in das Heilige.

Von diesem richtigen Wege heißt es Jes. 53,8.10: Es wird daselbst eine Bahn sein und ein Weg, welcher der heilige Weg sein wird, daß kein Unreiner, der nicht im Blute Jesu gereinigt ist Hebr. 9,22 und Vergebung hat, darauf gehen wird, und derselbige wird für sie sein, daß man darauf gehe, daß auch die Thoren 1 Kor. 1,25 nicht irren mögen. Die Erlöseten des HErrn werden wieder kommen, und gen Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein etc. Und Jer. 31,9. 12 steht: Sie werden weinend kommen und betend, so will ich sie leiten an den Wasserbächen auf ebenem Wege daß sie sich nicht stoßen, und sie werden kommen, und auf der Höhe zu Zion jauchzen etc.

A) Gewöhnlicher Selbstbetrug bei der Lehre vom Glauben an’s Verdienst Christi, und bei der Lehre von Vergebung der Sünden.

Ein Selbstbetrug in dieser wichtigen Sache ist erstlich, wenn man sich bei muthwilligen Sünden, die man nicht erkennen noch beweinen will, gleichwohl des Verdienstes Christi tröstet.

Für’s Andere, wenn man eben deßwegen, weil Christus für Alle gestorben ist, fest glaubet, da man daran Theil habe, ob gleich keine wahre Bekehrung zu Christo, keine innige Beugung, kein ernstliches Flehen vorhergegangen ist; und trennet also, was Christus Luk. 24,47 zusammen setzt, die Buße und Gnade von einander; man unterscheidet nicht die Erwerbung und die Zueignung. Es ist allen Gnade erworben, aber nur allein den Bußfertigen wird sie zugeeignet.

Auch ist drittens Selbstbetrug, wenn man über dieses große Geheimniß nur leere Spekulationen und Betrachtungen anstellet, viel und schön davon zu reden, zu singen und zu schreiben weiß; nicht aber mit seiner Sehnsucht und Begierde hinein gehet, um die Wahrheit und Kraft desselben an seinem eigenen Herzen wirklich zu erfahren.

Endlich und fürs Vierte ist auch das ein gewöhnlicher Betrug, wenn man in seiner Sicherheit und Sorglosigkeit, ohne rechte Aufmerksamkeit auf’s Wort, ohne vorhergehende gründliche Erkenntniß und Verstand, worauf es nach Anweisung der Schrift beim Seligwerden ankomme, und ohne herzliches flehen um erleuchtete Augen des Verständnisses gedenket Glauben und Vergebung zu kriegen und zu haben.

B) Aufhaltung und falsche Ruhe in Ansehung des Glaubens und Vergebung der Sünden.

Ein Aufhalten und falsche Ruhe ist 1) Alles dasjenige, worin die Seele ruht, ehe sie wirklich zu diesem seligen Zweck kömmt, davon schon gehandelt worden ist, wenn sie nicht um die rechte Zueignung und Ergreifung bekümmert ist. Die Gnade, Seligkeit, und Erbschaft ist da; sie ist erworben, es ist alles bereitet; aber unser Recht und Antheil daran muß in der Ordnung der Buße und des Glaubens ausgemacht werden. Darum heißt’s: Sehet zu, daß nicht Jemand Gottes Gnade versäume. Hebr. 12,17.

2) Ist das nun geschehen, sind wir so weit gekommen, ist die Sache ausgemacht, nämlich daß wir wahrhaftig glauben, und durch den Glauben haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, wir wollten es nun aber dabei bewenden lassen, und denken, wir wären fertig, wir hätten alles ergriffen: so würden wir uns auf der Straße zum himmlischen Jerusalem selbst aufhalten, wir würden die Ruhe und Erquickung, die uns der HErr nach geschehenem Durchbruch im Glauben geschenkt hat, und auch gerne gönnet, zu geistlicher Trägheit, und einer falschen Ruhe mißbrauchen. Man wäre denen gleich, die den Prozeß wegen einer Erbschaft gewonnen, wollten sich aber nicht die Mühe geben, hinzureisen und sie anzutreten; es ist schön: So ruht mein Muth in Jesu Blut; aber es ist dem Volke Gottes, den Gerechtfertigten noch eine Ruhe vorhanden, wir müssen nicht versäumen, da hinein zu kommen. Auch auf dem Berge Thabor (das ist, zu der Zeit, wenn der Vater seinen Sohn in unsern Herzen, durch den Glauben verkläret, und uns trunken macht von den reichen Gütern seines Hauses, daß wir zuweilen selber nicht wissen, wie uns ist und wo wir sind), auch da müssen wir nicht Hütten bauen, sondern mit Christo an den Oelberg, in die Gemeinschaft des Todes, in’s Absterben, und von da nach dem Berge Zion. Nun ist man erst zum Pilger angenommen, und hat die Reisekosten in der blutigen Gnade geschenkt bekommen. Da die Israeliten das Osterlamm aßen, hatten sie Stäbe (ein Bild vom Worte) in den Händen als solche, die hinwegeilten. Nun ist man erst aufgenommen in die Kur, da die Reinigung, Läuterung, Kreuzigung, Tödtung im Glauben täglich fortgeht. Nun folgen Kämpfe und Proben. Paulus sagt 2 Kor. 6,1: Wir ermahnen euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget. (Hier merke a) die gläubigen Korinther hatten Gnade empfange, sie waren zu Christo bekehrt und hatten Vergebung der Sünden. b) Hätten sie es dabei wollen bewenden lassen, und hätten gedacht, nun wäre schon alles gut, nun hätten sie es ergriffen; nun wären sie der ganzen Erlösung Christi theilhaftig worden, so hätten sie die erste Gnade vergeblich empfangen. c) Darum wenn der Apostel sagt: Wir ermahnen euch, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget; so will er mit sonderlichem Nachdruck so viel sagen: Wir ermahnen euch, daß ihr die bereits empfangene Gnade der Vergebung und Kindschaft Gottes wohl anwendet, und treulich braucht in der täglichen Erneuerung und Heiligung. Eben das ist’s, was er an einem andern Orte Röm. 6,27 mit deutlichen Worten sagt: nun ihr 1) seid von der Sünde frei und Gottes Knechte worden, 2) habt ihr eure Frucht, daß ihr heilig werdet, 3) das Ende aber ist das ewige Leben.)

C) Selbstgemachte Schwierigkeit bei und nach der Rechtfertigung.

Schwer geht es bei und nach der Rechtfertigung her, 1) wenn man Gnade nicht Gnade sein läßt, und nicht täglich bei seiner Armuth und Sündenelend Gnade umsonst nehmen will. 2) Wenn man die Gnade nicht hoch genug achtet, sie nicht fest hält, sich davon abbringen und das Ziel verrücken läßt. 3) Wenn man aus der Versöhnung nicht alle Kraft und Freudigkeit hernimmt. Wenn denn hernach schwere Umstände, Fehltritte, Anfechtungen kommen, so ist kein Muth noch Kraft da; so folgt Trägheit, Ermüdung, auch wohl gar der Rückfall. 4) Auch geht’s schwer nach der Rechtfertigung, wenn man den Geschmack an Christo und seinem Evangelium verliert.

D) Vortheile beim Glauben und Annehmen der Vergebung der Sünden.

Die Vortheile hiebei sind: 1) Daß man glaubt, Vergebung der Sünden sei ein freies Gnadengeschenk Kol. 2,13, das dem elendesten und größten Sünder, der sich als solcher kennt und fühlt und reuig ist, umsonst geschenkt wird 1 Tim. 1,15. Man lasse Gnade immer und ewig Gnade sein. Auch gehört zu den Vortheilen 2) daß man um Glauben und Gnade so lange wimmere und bettle, bis der Unglaube und Blödigkeit überwunden. 3) Daß man bei seiner geistlichen Armuth und drückendem Sündenelend einfältig und umsonst Vergebung annehme, weil es der HErr in seinem Wort versprochen hat und geben will. 4) Daß man dieselbe zum ernst in der Heiligung anwende. Paulus sagt: Dieweil wir nun solche Verheißungen haben, so lasset uns reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes und fortfahren in der Heiligung 2 Kor. 7,1. 5) Dabei hat man sich aber wohl in Acht zu nehmen, daß man seine Ruhe, Friede und Freudigkeit nicht etwa heimlich in der Heiligung, sondern blos in der blutigen Gnade suche und habe. So, und nicht anders ist man gesund im Glauben, und es geht munter fort, man kriegt neue Kraft, alle Tage neuen Muth, aufzufahren, zu laufen und zu wandeln Jes. 40,31. Amen!

Ich entsage aller eigenen Gerechtigkeit und Verdienst um des Jehovah willen, der meine Gerechtigkeit ist!

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