Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Vorbereitung

Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Vorbereitung

HErr, Dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn. Amen!

Immanuel!

Die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammniß abführet, und ihrer sind viel, die darauf wandeln. (Matth. 7,13.) Dieser breite Weg steht Fleisch und Blut trefflich an. Hier können die Spötter nach ihren eigenen Lüsten wandeln. (2 Petr. 3,3. Ps. 1,1.) Augenlust, Fleischeslust und hoffährtiges Leben ist hier die Loosung.

Die Leute, welche auf diesem breiten Wege wandeln, sind ganz wider den schmalen Weg eingenommen, reden auch nicht gut von denen, die es wagen, sich vom breiten auf den schmalen zu begeben. Sie sagen theils, es sei nicht nöthig, theils nicht möglich, darauf zu wandeln: die auf demselben gingen, wären nicht besser, als wie sie; vollkommen könnte doch kein Mensch werden: darum sollte man nur nicht einmal anfangen. sie meinen ferner, es wäre ja besser, wenn alle auf Einem Wege gingen, so wäre Einigkeit; auch wären ja schon viel Leute, die nicht besser als sie gewesen, (das ist, die eben auf diesem breiten Wege gewandelt hätten) selig geworden. Sie sagen endlich, es sei eine Melancholie, sich auf einen rauhen Weg wagen, und schelten es für eine Thorheit. Die Zions-Pilger aber loben ihren Weg, rühmen, wie viel Gutes sie auf demselben schon gegenwärtig genossen, und was sie davon noch künftig zu hoffen hätten, bezeugen es auch mit Wort und That, daß sie nach allem Ungemach und Schwierigkeiten nichts fragen. Es kommen also diese Leute in ihren Reden und Urtheilen von der richtigen Straße zum Himmel gar nicht mit einander überein.

Einst sahe Jemand diesen breiten Weg im Geiste: er war ziemlich breit, und wie eine Allee mit grünen Bäumen besetzt; auch ganz gerade, nur daß er abhängig zu sein schien, er war auch voller Pilgrimme. Die Leute, die darauf gingen, schienen ganz sorglos zu sein. Einige sahe man sehr geschäftig; andere waren sehr fröhlich und lustig, aßen und tranken; es sahe fast aus, wie bei Aarons Kälberdienst (2 Mos. 32,18.). Andere thaten nichts, als sich schmücken: Andere hatten sonst ihr Wesen. An allen aber sahe man, wie sie gewaltig eileten, daß sie ihre Dinge wollen fertig haben, als ob sie nicht viel Zeit hätten. Es schien auch, als wenn immer einer den andern noch dazu antriebe, und endlich hatte es das Ansehen, als ob sie alle davon flögen. Dabei hörte man mancherlei Stimmen unter einander: einige redeten fast wie im Buch der Weisheit im zweiten Kapitel stehet. Es währete aber alles nur eine kleine Weile, so wurde alles stille, und der Weg verschwand mit allen. Endlich hörte man ein klägliches Gewinsel und erschreckliche Stimmen: O wir Narren! Weisheit 5,6-9. O ihr Berge fallet über uns, und ihr Hügel bedecket uns! Luc. 23,30.

HErr, prüfe und erfahre, wie wir’s meinen: Siehe, ob wir auf bösen Wegen sind, und leite uns auf ewigen, seligen Weg. Amen!

Die Pforte ist enge, und der Weg darauf ist schmal, der zum Leben führet, und wenig ist ihrer, die ihn finden, geschweige darauf wandeln. Es ist zwar auch diese enge Pforte und der Weg breit und aufgeschlossen genug; aber wohl gemerkt nur denen, welchen es ein Ernst ist, einzudringen zur Seligkeit. Ein nackender, von aller eigenen Gerechtigkeit und selbstgemachtem Troste entblößter und arm gewordner Geist, ein kleines Kindlein gelanget bald hinein, der Thürhüter, der heilige Geist, thut bald auf. Aber eng und schmal, und unmöglich zu durchschreiten ist die Pforte des Lebens allen, die mit ihrem Weltsinne, herrschenden Sünden und halbirten Wesen hindurch wollen, so daß eher ein Schiffseil durch ein Nadelöhr gehen möchte, als daß dergleichen Menschen hindurch kommen sollten. Die Schuld davon liegt also nicht sowohl an der Pforte und am Wege, als vielmehr an den Menschen selbst.

Viele Seelen machen sich ihre Bekehrung und Eingang in’s Reich Gottes, und den Fortgang selbst viel schwerer, als er an sich selbst ist. Sie könnten, wenn sie bei der ersten Aufweckung treu, ernstlich und folgsam wären, viel eher, auch viel leichter (Das ist keine Leichtsinnigkeit, wie bei natürlichen Leuten, die sich selbst geschwinde eine Buße und Glauben machen, und sich selbst, wohlgemerkt ohne vorhergehende Reue, ganz gut und leichtsinnig trösten; sondern das leichtere Durchkommen (von dem hier die Rede ist) wird nur entgegengesetzt dem mühsamen, gesetzlichen, beschwerlichen selbstgemachten Wirken und Wesen, darein viele gute Gemüther zu gerathen pflegen.), als insgemein geschieht, zur Gnade kommen, und wenn sie diese bewahrten, viel geschwinder zum männlichen Alter heranwachsen, viel weiter in der Gnade kommen. Weil aber dieses, nämlich das treue, ernstliche, folgsame Wesen, fehlet, so geht’s gemeiniglich durch viele Umwege in Kanaan, und mit einem geringen Maaß der Gnade in die Ewigkeit.

Viele machen’s, wie die Kinder: sie liefen eine Weile schnell und hitzig fort, alsdann wieder zurück, halten sich an mancherlei auf, stehen eine Weile still, und laufen einen Weg wohl etlichemal. Wohl gemerkt! Ach die Unbeständigkeit und Veränderlichkeit thut großen Schaden! Das Geradezu (Damit meint man nicht, daß man die Ordnung zur Gnade, die Armuth, Buße und Beugung überhüpfen solle, sondern es wird das Geradezu nur dem unnöthigen und sehr gewöhnlichen Aufhalten, Umwegen und falschen Ruhen entgegensetzt.) fehlt bei vielen Aufgeweckten. Sie laufen auf’s Ungewisse, haben kein gewisses Ziel, bleiben nicht in den Schranken, sondern treten hie und da aus. Daher muß Gott klagen, daß Er mit den Menschen wohl vierzig Jahr Mühe habe, mit manchen wohl noch länger, und bis in’s graue Alter. Es sind Leute, deren Herz immer den Irrweg will, die meine Wege nicht lernen wollen. Ps. 95,10.

Wenn ein Mensch aufgeweckt würde, einen Schlag und Rührung an seinem Herzen empfände, und merkte, es stünde nicht recht mit ich, und a) er forschte und fragte von derselben Zeit an mit bekümmertem Herzen nach dem Wege der Seligkeit; b) er brauchte dazu öffentliche und besondere Anweisung, c) seufzte flehentlich um seine Errettung, d) ließe sich auch den Vortrag göttlichen Wortes bald zur Ueberzeugung von seinem ganz verdorbenen und verdammlichen Zustande, und einer recht tiefen Reue und Beugung bringen, e) ließe sich auch in und bei seinem äußersten Elend, Armuth und Unwürdigkeit, wie ein einfältig Kind, hungrig und durstig zu den Wunden Jesu und daraus fließenden Glaubens-Gerechtigkeit hinleiten; ließe das, nämlich die wahre Glaubens-Gerechtigkeit ein Hauptzweck und Ziel sein, das er suchte: so würde es mit solchen so gar lange nicht währen, sie würden bald zum Glauben, zur Gnade und zum Frieden kommen, wie man sieht in der Apostelgeschichte 4. Cap., daß fünftausend Menschen unter’m Anhören des Wortes sogleich gläubig wurden. O daß diese ersten Christen viele Nachfolger hätten! Sie könnten sie aber haben, wenn sich unsere aufgeweckten Christen nicht allenthalben stießen, aufhielten, hin und her gingen und falsche Ruhen suchten!

Gewiß, treue Lehrer haben sonderlich in diesen Zeiten Ursache, alle gerührte und auferweckte Gemüther nach Möglichkeit davor zu warnen und zu verwahren.

Und eben dahin ist’s auch mit dieser Schrift gemeinet. Die Anstöße werden hier den Pilgern aus dem Wege geräumt Jes. 57,14; die Vortheile und Fördernisse, ohne Umwege und Aufhalten den nächsten Weg zu gehen, angezeigt. Dadurch aber wird den eigenen Kräften so gar nichts eingeräumt, daß vielmehr überall als der größte Hauptvortheil angezeigt wird, von seinem eigenen Behelf, Wirken und Wesen abzustehen, dagegen aber sich völlig an die Gnade zu übergeben, und derselben zu überlassen.

Das Gnadenwerk und die Leitung des heiligen Geistes wird abgebildet durch die Himmelsleiter, die Jakob sahe.

Hier muß man von der untersten Stufe anheben, wohl gemerkt keine überhüpfen, Christum sein Ziel sein lassen. Wer eine überhüpft, wer austritt, ist dem Falle nahe. Je höhere Stufen man erreicht, je schwerer ist bei der Abweichung der Fall. Welche wohl dienen (treu mit der Gnade umgehen), erwerben oder erlangen eine gute Stufe und große Freudigkeit im Glauben in Christo Jesu 1 Tim. 3,13.

Diese Gnaden-Werke werden gar schön in de Erklärung Luthers über den dritten Artikel vorgestellt, wenn es heißt, daß der heilige Geist die ganze Christenheit auf Erden 1) berufe, 2) sammle, 3) mit seinen Gaben erleuchte, 4) im rechten Glauben heilige, 5) sie bei Christo Jesu im rechten einigen Glauben erhalte, 6) allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergebe, wozu man 7) noch rechnen könnte, daß der heilige Geist die Gläubigen von Tag zu Tag treibe, das Böse zu hassen, das Gute zu thun lauterlich dem Schöpfer und Erlöser zu Ehren, 8) endlich ein seliges Ende bescheere, und 9) in Christo Jesu ein ewiges Leben gebe.

Hieher gehört auch das wichtige Wort Jesu in der Offenb. Joh. 3,10, da es heißt: Siehe: a) Ich stehe vor der Thür und klopfe an, b) so Jemand meine Stimme hören wird, c) und die Thüre aufthun, d) zu dem werde ich eingehen, e) und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir.

Wer diese stufenweise gehenden Gnadenwirkungen und Wohlthaten wahrhaftig an seinem Herzen erfährt, der ist auf dem rechten, geraden Wege nach der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem. Und von eben diesem Wege und Gnadenwirkungen soll jetzo das wichtigste und dienstlichste angezeigt werden.

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