Hofacker, Ludwig - Predigt am zweiten Christ-Feiertage.

Hofacker, Ludwig - Predigt am zweiten Christ-Feiertage.

Text: Luc. 2,14.

Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.

Ich will heute zu euch reden von jenem Lobgesang der himmlischen Heerschaaren, den die Hirten in der heiligen Geburts-Nacht Christi vernehmen durften. Wir wollen die drey Theile jenes Lobgesangs nach ihrer Ordnung mit einander betrachten.

I.

Ehre sey Gott in der Höhe, oder wie es eigentlich im Grund-Texte heißt: „in den höchsten Höhen.“ Dieß ist das erste Wort, das die Schaar der Engel mit auf diese Erde herabbringt, und womit sie das Loblied über die Geburt Christi beginnt. Sie fahren mit ihren reinen heiligen Engels-Gedanken zuerst hinaus in die höchsten Höhen; sie fangen mit ihrem Lobgesang bey Gott an, der den eingebornen Sohn auf die Erde sendete, und die ganze große Heils-Anstalt in der Menschwerdung JEsu Christi getroffen hat; sie sehen mit ihren Blicken auf das, was gegenwärtig geschiehet und auf das Zukünftige: und da erkennen sie im Geiste, wie dieses ganze große Ereigniß, daß ihr König, ihr angebeteter Monarch, als ein armes Menschenkind geboren wurde, zu nichts Anderem ausschlagen könne als zur größten Verherrlichung Gottes. Darum beginnen sie ihren Lobgesang mit den Worten: „Herrlichkeit oder Ehre sey Gott in den höchsten Höhen.“

„Ehre sey Gott in der Höhe!“ Ja, in den höchsten Höhen wird Ihm allezeit Ehre gegeben; die Tausend Mal Tausend, die um Seinen Thron sind, die heiligen Engel und Geister, sie hören nicht auf, den, der da ist, und der da war und der da kommt, zu verherrlichen und zu preisen. „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der HErr Zebaoth!“ so tönt's in den höchsten Höhen. Sie preisen Ihn, wenn sie Sein Angesicht sehen, und die ewige Gottes-Majestät und Klarheit, die Ihn umgibt, anbetend, erblicken, wenn sie in die Abgründe Seiner Gottes-Vollkommenheiten hineinschauen; sie preisen Ihn aber auch über Seinen Werken, über der Schöpfung und Erhaltung der Welt; darüber loben Ihn die Morgensterne und alle Kinder Gottes. Auch hier unten dient und muß Alles dienen zur Verherrlichung und zur Ehre des Schöpfers. Die unvernünftige Kreatur preist Ihn, ohne daß sie es weiß; der Vogel, der auf dem Zweige sitzt, und sein Morgenlied anstimmt, preist Den, der ihn gemacht und erhalten hat, und ihm sein tägliches Futter gibt; eine jede Kreatur ist ein Lobpsalm auf Den, der sie gemacht hat; der Grashalm, der auf dem Boden wächst ohne Menschen-Hülfe, die Blume auf der Wiese, über welche wir im Sommer und Frühling hinschreiten, ohne sie zu bemerken, der Regentropfen, der vom Himmel fällt, Alles predigt die Ehre Gottes. Alle Kreatur, die im Himmel ist, auf Erden und unter der Erden, und im Meer, und Alles, was darinnen ist (Offenbar. Joh. 5,13.), alle Lande, alle Welt, die sichtbare und unsichtbare, vom höchsten Himmel herunter bis auf den Wurm, der im Staube kriecht, Alles ist Seiner Ehre voll; alles Geschaffene ist nur eine einzige große Harmonie, ein einziges großes Loblied auf den Schöpfer, und dieses Loblied heißt: „Ehre sey Gott in den höchsten Höhen!“

Aber unter diesen Kreaturen Gottes, die Alle zu Seiner Verherrlichung bestimmt sind, war ein Geschlecht, das in dieses Loblied nicht einstimmte und nicht einstimmen konnte, nämlich das Geschlecht Adams, der Menschen. Auch sie waren zur Verherrlichung Gottes geschaffen gewesen: aber sie hatten sich losgerissen von Gott; hatten Ihm den Gehorsam aufgekündigt; hatten sich von ihrer Pflicht, Ihn zu verherrlichen, selbst entbunden; waren aus der Reihe der übrigen Kreaturen herausgetreten und Rebellen geworden. Gott hatte sie besonders ausgezeichnet gehabt; sie waren zu Seinem Bilde geschaffen gewesen; sie sollten ein Meisterstück seyn Seiner allmächtigen Liebe: aber sie waren abgefallen und hatten das Ebenbild Gottes verscherzt; sie hatten sich mit der Sünde verbunden. O, ein armes Geschlecht, ein elendes, sterbliches Sünder-Geschlecht! Moder und Verwesung war ihr Theil geworden für ihren Abfall; der wahrhaftige Lebens-Geist war von ihnen gewichen; der Fluch der beleidigten Majestät Gottes lastete auf ihnen. Da sah der HErr von Seinem Himmelsthron diesen großen Riß, der durch Satans Neid in Seiner Schöpfung angerichtet war. Er sah das Elend und den Jammer, den geistlichen und leiblichen Tod, unter welchem wir seufzten, und wodurch wir zu Seiner Verherrlichung untauglich, ein Abscheu vor Seiner Heiligkeit, ein Abscheu vor allen heiligen Geistern wurden.

Da jammert' Gott von Ewigkeit
Das Elend über die Maßen;
Er dacht' an Sein' Barmherzigkeit,
Und wollt' uns helfen lassen.
Er wandt' zu uns Sein Vaterherz,
Es war bey Ihm fürwahr kein Scherz;
Er ließ Sein Bestes kosten.

Auch diese Söhne Adams, auch dieses Sünder-Geschlecht soll wider herumgeholt werden; auch sie sollen wieder zum Genusse und Besitze ihrer vorigen Seligkeit, die sie verscherzt haben, gebracht werden. „Ich will Mich ihrer annehmen“ - sprach Er - „denn es jammert Mich ihrer!“ Darum sagt Er zu dem Sohne, wie es in jenem Liede heißt:

Fahr' hin, mein's Herzens werthe Kron',
Und sey da Heil dem Armen,
Und hilf ihm aus der Sünden-Noth,
Erwürg' für ihn den bittern Tod,
Und laß ihn mit Dir leben.

Der Sohn dem Vater g'horsam ward;
Er kam zu mir auf Erden,
Von einer Jungfrau rein und zart,
Er wollt' mein Bruder werden.
Gar heimlich führt' Er Sein' Gewalt,
Er gieng in einer armen G'stalt,
Den Teufel wollt' Er fangen.

Liebe Zuhörer! was im Rathe der ewigen Liebe beschlossen ward: das ist erfüllt worden, das ist wahrhaftig geworden am Christtage. Der eingeborne Sohn Gottes ist als ein armes Menschenkind zu Bethlehem geboren worden in unser armes Fleisch und Blut; und das hat Er deßwegen gethan, damit Er für die arme Menschheit einstehe, für sie leiden und sterben könnte; damit Er sie erretten könnte von Sünde, Tod, Teufel und Hölle; damit Er ihr das wieder erwärbe und wiederherstellete, was sie in Adam verloren hatte. Der Erlöser ist nun da; der Gott ist da; der Loskäufer ist da; der Retter ist da; der Helfer ist da; JEsus ist da; da liegt Er in Bethlehem in der Krippe als ein armes Kind; der Schöpfer aller Dinge ist da; JEsus ist da, Hallelujah! Wer Ihn im Glauben aufnimmt, der tritt wieder in sein ursprüngliches Verhältniß zu Gott; der hat an Gott wieder seinen Gott; der wird erlöst von dem Bann und Fluche, der auf den Menschen lastet; der kommt wieder in die Reihe der Geschöpfe, die zur Verherrlichung Gottes gereichen. Die Menschheit ist erlöst; der Mensch gewordene Sohn Gottes, welcher als ein Kind in Bethlehem liegt, Er hat's gethan und ausgeführt; die Menschheit ist versöhnt, Hallelujah!

O liebe Zuhörer, was soll ich sagen? Gott hat ja freilich Ehre von der Schöpfung und von der Erhaltung der Welt: aber daß Er den Schaden, den die Sünde angerichtet, wieder gut gemacht hat; daß Er die Rebellen, wie wir sind, die Menschen, nicht aufgerieben hat, sondern hat sie mit Jammer angesehen, so daß Er Seines Eingebornen nicht verschont hat, sondern hat Ihn in diese arme, arge Welt herein gegeben, und hat Ihn dahin gegeben in ein Menschen-Leben, in ein Knechts-Leben, ja in den Missethäters-Tod hinein, um die arme Menschheit, die Rebellen, zu begnadigen, um Sich ihnen als ihr Vater wieder darstellen zu können: dieß Wunder ist noch viel größer als das der Schöpfung der Welt. Denn in der Schöpfung hat Er hauptsächlich Seine Allmacht, Weisheit und Liebe; hier aber hat Er Sein Erbarmen, Sein ewiges Erbarmen kund gethan; in dieser Geschichte hat sich allen Himmels-Bewohnern ein neuer unbekannter Abgrund Seiner Vollkommenheiten geöffnet, damit, daß Sein Erbarmen, Sein zärtliches, Sein höchstes Erbarmen offenbar geworden, und gegen ein fluchwürdiges Geschlecht herausgebrochen ist. Das wußte man vorher nicht, daß ein solches Erbarmen in Gott gegen Seine Kreatur sey, bis es durch die Sünde hervorgelockt und in Christo offenbar geworden war. O Wunder über alle Wunder!

Dieß Alles nun sahen die Engel; sie sahen den Abgrund der Erbarmungen Gottes hervorbrechen; sie sahen die große vollkommene Hülfe, die den Sündern in Christo widerfahren ist; sie sahen, schnöde Sünderhaufen wieder in die Reihe der übrigen ungefallenen Kreaturen hineinversetzt wurde. Sie hatten wohl vorher auch mit Jammer auf diese arme, von der Sünde und ihren Folgen verunstaltete Erde, auf diese Werkstätte des Teufels und des Verderbens herabgesehen; ihre Seelen waren wohl vorher auch bewegt worden durch das Elend der sterblichen Menschen: nun auf einmal sehen sie den Rath der Ewigkeit, den Rath der ewigen Liebe und Barmherzigkeit in Christo verwirklicht, auf eine so besondere, auf eine so ausgezeichnete, auf eine so anbetungswürdige Art verwirklicht, daß sie zum Staunen und Anbeten hingerissen werden. Darum brechen sie in ihrem Gesang gleich zu Anfang in ein herrliches Lob Gottes aus, und sagen: „Ehre sey Gott in der Höhe, ja in den höchsten Höhen!“ Man fühlt es; man hört es; sie wollen Gott die Ehre geben, so gut sie es können; es ist ihnen gar zu eindrücklich, gar zu groß, daß Gott Mensch werden, und im Fleische die Wiederherstellung der gefallenen Kreatur hinausführen will. Darum erheben sie sich mit ihren Gedanken, so hoch sie können, und rufen: Ehre sey Gott in den höchsten Höhen, Alles, was in uns und an uns ist, der ganze Himmel, die Seraphim und Cherubim sollen Ihm die Ehre geben.

O liebe Zuhörer, wollen wir nicht auch in diesen Lobgesang einstimmen? Bey uns geht es freilich noch schwach her, wir sind sehr gehemmt und gebunden durch das Fleisch und durch die Sünde, die uns immerdar anklebet. Aber ich meine doch, bey der guten Nachricht, die uns auf's Neue von den Engeln gebracht wird, bey der Nachricht, daß der Sohn Gottes Mensch wurde, da könnte sich, da dürfte sich doch auch etwas von Lob Gottes in unsern Herzen regen, und aus unserem Munde empordringen zu Gott. Hier bey der Krippe zu Bethlehem, in der das liebe JEsus-Kind liegt, das liebe Kind, das uns alten und jungen Sündern zu gut geboren wurde, das uns alten Sünder wie die jungen aus dem Staube der Sünde, aus der Furcht des Todes, aus den Schrecken der Hölle, aus der Gewalt des Teufels erretten kann und will und wird, wenn wir uns nur dazu hergeben, - ich meine, da könnte, da dürfte wohl auch ein Lob Gottes über unsere Sünder-Lippen gehen. Wir haben das Recht dazu, in diesen Tagen Gott zu loben, ein vollkommenes Recht, wenn wir auch noch schüchtern und blöde, und schwach im Glauben sind; wir haben das Recht dazu, Ihn zu loben über all' dem Guten, das Er durch Christum der Menschheit, und also auch uns erzeigt hat, und noch erzeigen wird.

Ja, Ehre sey Gott in der Höhe, der HErr ist geboren,
Lasset uns singen, o Brüder, sind wir nicht erkoren,
Hier schon uns Sein,
Seiner Erbarmung zu freu'n?
Ist Er nicht uns auch geboren?

II.

„Ehre sey Gott in der Höhe und Friede auf Erden!“ Dieß Letztere ist der zweite Theil des englischen Lobgesangs. Sie kehren sich nun mit ihren Gedanken von dem Himmel, von den höchsten Höhen herab auf die niedrige Erde. Wenn die Engel, diese heiligen Heerschaaren Gottes, auf die Erde herunter gesehen haben: so muß ihnen das das Entsetzlichste und Abscheulichste gewesen seyn, daß sie sahen, daß kein Friede in den Wegen der Menschen war; kein Friede im Herzen, kein Friede und keine Liebe der Menschen unter einander, sondern inwendig Unruhe, und auswendig Streit und Feindschaft, und Haß und Neid und Rotten, und Geschrey und Mord und Krieg. Im Himmel, an dem Orte, wo sich diese heiligen Geister aufhalten, da ist Friede, da ist Ruhe, da ist Stille; da ist das Gesetz der Liebe; da ist Seligkeit. Und wenn sie herunter sahen, oder herunter kamen auf die Erde: so trafen sie da ein Geschlecht an, das voll inwendigen Mißmuths, um seine Leidenschaften und finstern Begierden zu befriedigen, sich selbst untereinander verzehrte und aufrieb; da sahen sie Mörder und Neider, und Schmäher und Rachsüchtige, und überhaupt Geschöpfe, die von innerer Herzens-Unruhe gequält, von manchen finstern Begierden umgetrieben, nicht einmal mehr recht wußten, was Liebe ist. Ach, wie verschieden war dieser Anblick von dem himmlischen Frieden, von der seligen Harmonie, welche in ihrem Innern wohnte und den ganzen Himmel belebte. Es muß dieser Anblick ein Schmerz, ein besonderer Schmerz für sie gewesen seyn; darum singen sie bey der Ankunft des großen Erlösers, des Erbarmers, ihres Königs in diese Welt: „Friede auf Erden!“ Sie trauen es Ihm gleichsam zu, weil sie Ihn schon kennen; sie hoffen es zuversichtlich von diesem ihrem Könige, daß Er Frieden schaffen werde auf Erden; daß Er komme, um die Erde umzuwandeln in einen Friedensort, wie der Himmel ist. Sie denken, daß, da Gott eine so außerordentliche Anstalt in Christo treffe, dieß zu nichts Anderem als zur Herbeyführung des Friedens, zur Herbeyführung der Liebe, auf den durch den Unfrieden und die Feindseligkeit der Menschen entweihten Erdboden ausschlagen könne. Darum singen sie: Frieden auf Erden, Frieden in den Herzen der Menschen, Frieden den Menschen unter einander!

Aber, liebe Zuhörer, haben sich die Engel in dieser ihrer Erwartung nicht getäuscht? Ist denn Friede auf Erden? ist denn Friede im Gewissen der Menschen? ist denn kein Streit, kein Zank, kein Krieg mehr unter ihnen, seitdem der Fürst des Friedens erschienen ist? Es scheint allerdings, sie haben sich getäuscht. Blicket umher auf dieser Welt; nirgends ist da Friede. Wie Viele gehen noch dahin als elende Sklaven der Sünde, ohne Frieden in ihrem Gewissen, ohne Trost, ohne Hoffnung; obgleich Christus erschienen ist, obgleich ihnen die Friedens-Botschaft, das Evangelium, verkündiget wird, bleiben sie dennoch in der Unseligkeit und im Zwiespalt ihres Herzens. Und wie steht es mit dem äußerlichen Frieden, mit dem Frieden der Menschen unter einander? Sehet, bald nach der Geburt des großen Friedens-Fürsten läßt der König Herodes die Kinder in Bethlehem tödten. War es da Friede? War's Friede, als sie den Heiland, den Fürsten des Friedens, verwarfen, und mit unsinnigem Geschrey Seine Kreuzigung forderten? War es Friede, als Er am Kreuze hieng, und in Seiner Schmach und Verachtung von ihren Lästerzungen noch verhöhnt und verspottet wurde? War es Friede, als man bald nach der Ausgießung des Heiligen Geistes Seine Jünger und Gläubigen verfolgte; als man einen Stephanus steinigte; als man die Christen von einem Gefängniß in's andere schleppte, als erfüllet wurde das Wort des Heilandes: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert?“ War es Friede in den ersten drey Jahrhunderten nach Christo, als die Christen zehn Verfolgungen über sich ergehen lassen, und unzählige ihren Glauben mit dem Tode versiegeln mußten? War es Friede, als das Papstthum aufkam, und trunken wurde von dem Blute der Zeugen JEsu? War's Friede; auch in den Weltreichen auf Erden, seit Christi Geburt? Ist nicht seither ein jedes Jahrhundert mit unzähligen Blutspuren bezeichnet? und wie steht es denn jetzt; ist es Friede in der Welt, wo im Westen und Osten von Europa die Fackel des Krieges und des Aufruhrs brennt, wo Tausende unserer Mit-Christen im Morgenlande unter den Händen der Mörder dahinsterben? Und ist's Friede in unsern Häusern? Herrscht hier Friede und Eintracht, Vertragsamkeit und Wohlwollen unter allen Familien? O meine lieben Zuhörer, wir müssen sagen, es ist nicht Friede auf Erden, sondern Krieg.

Aber wie konnten denn die Engel in ihrem Lob-Liebe singen: „Friede auf Erden“, wenn doch allenthalben nichts als Krieg ist? Haben sie sich nicht getäuscht? Nein, sie haben sich nicht getäuscht. Ist doch durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes in manches Herz, das vorher in der jämmerlichsten Entzweyung mit sich selbst gelebt hatte, der Friede gekommen, der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft. O wie viele Menschen, die sich betrugen wie Bären und Löwen und Hunde und Säue, sind schon in Kinder des Friedens umgeschaffen worden durch den Fürsten des Friedens. Leset nur einmal, wie groß Johannes (Offenb. Joh. 7,9.10.) die Zahl derer beschreibt, welche aus allen Heiden und Völkern und Sprachen vor dem Stuhle Gottes und des Lammes stehen, mit weißen Friedens-Kleidern angethan, und Friedens-Palmen in ihren Händen, und Dem die Ehre geben, der auf dem Stuhle sitzt, unserm Gott und dem Lamme. Sehet, alle diese sind errettet aus dem Kriege ihrer Herzen und dieser Welt, und das Verdienst des Friedens-Fürsten ist ihnen zu gut gekommen. Aber auch jetzt werden noch Manche zu Kindern des Friedens umgeschaffen, die es vorher nicht waren. Es werden doch auch solche Seelen hier seyn, die eine solche Veränderung an ihrem eigenen Herzen wahrgenommen haben. Ihr werdet mir Zeugniß geben, liebe Seelen, daß man aus einem Kinde des Unfriedens, aus einem Menschen, der ein böses Gewissen und keinen Frieden mit Gott hat, ein Kind des Friedens werden kann durch Christum; daß man wahren, daß man dauernden, daß man göttlichen Frieden erlangen kann, daß es jetzt schon Seine kraft hat, das Wort der Engel: „Friede auf Erden.“ O mein lieben Zuhörer, was gibt es Köstlicheres, Größeres als den Frieden des Herzens; wenn es einem wohl ist im Herzen; wenn man nichts zu fürchten braucht, keinen Tod, keine Trübsal, nicht den jüngsten Tag, sondern wenn man weiß, daß man ein Kind Gottes, ein durch Christum beglückter Erbe des ewigen Lebens ist. Wollet ihr nicht auch dieses Friedens theilhaftig werden? Sehet, heute bietet ihn euch Christus an. Ihr müsset doch zugestehen, daß die Sünde und die Welt und der irdische Sinn keinen Frieden geben, sondern daß in solchen Dingen eitel Jammer und Herzeleid ist. Aber hier durch Christum könnet ihr Frieden erlangen; könnet ihr versöhnet werden mit Gott; könnet ihr ein seliges, ein vergnügtes Herz finden. Gehet nur zu diesem Kinde, das in der Krippe liegt; lasset es nicht umsonst geboren seyn für euch; nehmet es auf in euer Herz: denn das liebe JEsus-Kind möchte auf's Neue geboren werden in euch, und alle Gnadenschätze des ewigen Lebens, Friede und Seligkeit, ja den ganzen Himmel mitbringen in euer armes, leeres Herz. Sehet, wenn ihr Ihn aufnehmet und Frieden findet in Ihm, so wird auch der Friede besser in euren Häusern einkehren. Woher kommt der Zank und Streit unter uns? Woher die Feindschaft, in der wir oft manche Jahre lang miteinander leben? Woher kommt es, daß Ehegatten oft zum größten, ja ewigen Schaden ihrer eigenen Seelen und ihrer armen Kinder in so mancher Zwistigkeit leben? Antwort: daher, weil man den Fürsten des Friedens nicht aufgenommen hat. Würde nur einmal Eines recht anfangen und mit Ernst sich anschicken, den Heiland in sich aufzunehmen: so würde das Andere über kurz oder lang nachfolgen müssen; so würde Sanftmuth, Geduld, Liebe, Freundlichkeit in den Häusern einkehren; so würde man in jedem, auch dem ärmsten hause, in jeder, auch der ärmsten Familie ein Vorbild des Himmels sehen; einen Vorschmack des Himmels haben, welcher ein Ort des Friedens ist. Aber freilich, so lange man den Lüsten und Begierden in seinem Herzen die Oberhand läßt, so lange der Teufel Meister im Herzen ist: so lange muß er, und will er und wird er es auch seyn im Hause. O das wäre ein rechtes Christ-Geschenk, das wir einander machen könnten, wenn Jedes in seinem Theile daran arbeiten würde, daß der Friedens-König angebetet, und Frieden würde auf Erden.

Aber freilich, auf der ganzen Erde ist es noch nicht Friede, wenn auch hie und da in einem Herzen oder Hause Friede ist; und in so fern ist das Wort der Engel: „Friede auf Erden“, noch nicht ganz erfüllt. Der Teufel darf noch sein Unwesen treiben; der Proceß ist ihm gemacht: aber noch nicht an ihm hinausgeführt; darum ist's noch nicht Friede auf der ganzen Erde. Aber es wird noch erfüllt werden, was die Engel gesungen haben. Freuet euch, ihr Gerechten, es wird noch Friede werden auf Erden. Wenn einmal Satan wird gebunden seyn; wenn die Reiche der Welt werden Gott und Seinem Christus anheimfallen: dann wird's Friede werden auf der Erde, und noch mehr auf der neuen Erde, die Gott aus dem verbrannten Stoff der alten bereiten wird. Höret, wie es dann seyn wird! „Siehe da, eine Hütte Gottes bey den Menschen, und Er wird bey ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk seyn, und Er Selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott seyn; und Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen; und der Tod wird nicht mehr seyn, noch Leid, noch Geschrey, noch Schmerzen wird mehr seyn: denn das Erste ist vergangen; und sie werden keiner Sonne, noch des Mondes bedürfen, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm, der Friedefürst.“ Noch eine Ruhe ist vorhanden, dem Glaubens-Volk, ein sicherer Friedenshafen, in den sie einlaufen dürfen nach manchem Sturm und großer Gefahr; da sollen sie in Frieden ruhen, wie wohl wird's thun!

III.

Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und an den Menschen ein Wohlgefallen; denn so muß es heißen nach dem Grund-Text: An den Menschen und nicht den Menschen.

Das war den lieben Engeln auch sehr merkwürdig, daß Gott und sie nun wieder ein Wohlgefallen an den Menschen haben könnten. Man kann sich bey diesen Worten recht in ihren himmlischen Standpunkt hineinstellen. Durch die Sünde waren wir ein Gegenstand des Abscheues geworden vor den Augen Gottes und der heiligen Engel; nun freuen sie sich, daß wir wieder ein Gegenstand des göttlichen und ihres Wohlgefallens geworden sind in Christo.

O meine lieben Zuhörer, wenn der Heiland nicht unser Heiland geworden wäre, so könnte Gott nimmermehr ein Wohlgefallen an uns haben. Denn war sind wir? Finstere, trübe, schnöde Sünder, verdorbene, verunreinigte Kreaturen, mit einem Leibe umgeben, welcher der Verwesung, dem Tode unaufhaltsam entgegeneilt; Gott aber ist der Lebendige, Er ist der Heilige, und ist keine Finsterniß in Ihm, wie könnte Er Wohlgefallen finden an solchen Staub-Würmern, wie wir sind; an Würmern zu seyn, sondern die das Ebenbild Gottes an sich trugen, es aber schändeten und verunstalteten durch die Sünde. Wie könnten Seine Augen mit Wohlgefallen auf uns ruhen, auf uns, die wir eigentlich Ungeheuer unter Seinen Geschöpfen sind; verkrippelte und vergiftete Pflanzen in Seinem Garten, die Er als rechte Pflanzen gepflanzt hatte, die aber durch eigene Schuld Giftpflanzen geworden waren? Wie könnte Er Wohlgefallen an uns haben? Erbarmen, ewiges Erbarmen hat Er gegen uns gehabt, aber kein Wohlgefallen. Denn das würde streiten gegen die Natur Seiner Heiligkeit.

Aber in Christo sind wir wieder angenehm gemacht. Das ganze Herz des Vaters, das sich vorher, ob es gleich mit den innigsten Trieben des Erbarmers zu uns, Seinen armen Geschöpfen, sich herunter neigte, doch nicht gegen uns Armen recht äußern konnte, kann jetzt nach dem ganzen Reichthum Seines Wohlgefallens, Seiner ewigen, unergründlichen Liebe, wieder gegen uns ausbrechen; wir sind nun angenehm gemacht in dem Geliebten; wir sind Gegenstände, an denen Er den unerforschlichen Reichthum Seiner Barmherzigkeit beweisen und verherrlichen kann. Gott hat Sich in uns ein Eigenthums-Volk erlesen; denn Er, der König, will ein priesterliches Volk haben, das Ihm diente in heiligem Schmuck, auf dem Sein ganzes, ungetheiltes Wohlgefallen ruhen könnte. Das ist Sein seliger Zweck mit uns. O liebe Brüder und Schwestern! das ist Gnade, große Gnade! Wer dürfte sich in seinen kühnen Hoffnungen so weit hinanwagen; wer dürfte als sündiger Staubmensch zu so großen Gedanken sich erheben, wenn Er nicht selber durch die heilige Menschwerdung des eingeborenen Sohnes die Bürgschaft und das Recht dazu uns verliehen hätte? Dafür sey Ihm Ehre und Macht und Preis in den höchsten Höhen von nun an bis in Ewigkeit! Amen.

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