Hofacker, Ludwig - Predigt am Neujahr

Hofacker, Ludwig - Predigt am Neujahr

Text: Luc. 2,21.

Und da acht Tage um waren, daß das Kind beschnitten würde, da ward Sein Name genennet JEsus, welcher genennet war von dem Engel, ehe denn Er im Mutterleibe empfangen ward.

Wir treten heute ein neues Jahr, das Jahr nach Christi Geburt 1827, an. Lasset uns einen kurzen Rückblick auf das verflossene Jahr thun! Welche Summe von Wohlthaten Gottes, von geistlichen und leiblichen, begegnet unserem Blicke! Er hat uns unser Leben gefristet, und das tägliche Brod uns bescheret, manche Freude uns zu Theil werden lassen; Er hat uns Sein Wort gegeben, und dasselbige uns predigen lassen; Er hat uns etwa auch mit Leiden heimgesucht. O wie manche Züge des Geistes Gottes sind wohl unter inneren und äußeren Schickungen, in dieser Kirche oder zu Hause, auf dem Felde oder auf dem Zimmer an euer Herz gedrungen!

Bald mit Lieben, bald mit Leiden
Kamst Du, HErr, mein Gott, zu mir,
Nur mein Herze zu bereiten,
Sich ganz zu ergeben Dir.

Wie viele, welch' unaussprechliche Langmuth und Geduld hat Er mit unsern Schwachheiten, Versäumnissen, Bosheiten und Tücken des Herzens getragen! Wie hat Er unser geschont, uns wegzuwerfen als unfruchtbare Reben, und hat Gnade für Recht ergehen lassen bis auf diese Stunde! Denn was hatten wir verdient? Wie sind wir mit Seiner Gnade umgegangen? Lasse ein Jeder sein eigen Gewissen antworten! - Wer bey sich selber ist, wer nicht gerade schläft oder träumt, der wird gewiß mit Jakob sagen müssen: „HErr, wer bin ich? Ich bin viel zu gering aller Treue und Barmherzigkeit, die Du an mir gethan hast.“ Dieß Alles haben wir Dem zu verdanken, der unser Mittler und Hoherpriester, unser JEsus ist.

Wie sollen wir nun in das neue Jahr eintreten? Wie sollen wir die aus der Ungewißheit der Zukunft entspringende Furcht überwinden? Wie werden wir durch das, was auf uns wartet in diesem Jahre, uns so durchschlagen, daß wir nicht Schaden an der Seele nehmen? Und welchen Anfang sollen wir zu dem Ende machen? Antwort: Mit dem Namen JEsus wollen wir das neue Jahr beginnen; wenn dieser Name unser Licht und Leitstern durch die dunkle Zukunft ist, so wird es uns nicht fehlen. Wir nehmen daher aus unserem Evangelium Gelegenheit, unter dem Beystande Gottes zu betrachten: den Namen JEsus.

Ich will reden:

  • von der Bedeutung und Kraft des gebenedeiten JEsus-Namens;
  • wie wir ihn bey'm Antritte des neuen Jahres gebrauchen sollen.

Hochgelobter JEsus, vor Dem sich alle Kniee beugen sollen, mache doch uns Allen heute Deinen JEsus-Namen zur Kraft, gib Jedem in seinem Theile etwas davon zu schmecken; fülle Deine Priesterhände, und segne uns! Amen.

Heute am Neujahrstage feiern wir zugleich das Namensfest des Heilandes. Es war bey'm jüdischen Sakramente der Beschneidung der gleiche Gebrauch wie bey dem neutestamentlichen Sakramente der Taufe, daß man nämlich den Kindern dabey ihren Namen gab. So erhielt der Mensch-gewordene Sohn Gottes bey der Beschneidung, der Er Sich als Israelite nach dem Fleisch unterwarf, den Namen: „JEsus.“ Es war dieß aber nicht bloß ein ungefährer Einfall Joseph's und der Maria, wie es bey uns zu gehen pflegt, wo sich etwa die Eltern eines neugebornen Kindes über seinen Namen besprechen, an ihrer Familie und Verwandtschaft oder an den Pathen herumdenken, und endlich über einen Namen eins werden; sondern dieser Name ward dem Heilande nach dem unmittelbaren Willen Gottes gegeben. Der Vater wollte, daß Sein Mensch-gewordener Sohn JEsus heißen, daß Er als JEsus drey und dreyßig Jahre lang leben, als JEsus sterben, als JEsus auferstehen, als JEsus gen Himmel fahren, als JEsus Sich zu Seiner Rechten setzen, als JEsus angebetet werden sollte; daß sich im Namen JEsu beugen sollen alle Kniee derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind; es war des Vaters Wille, daß man Den, den Er in die Welt gesandt hatte, den Er herausgegeben hatte aus Seinem Herzen als Sein größtes Kleinod, zur Errettung der sündigen Menschheit, daß man Diesen sollte JEsus nennen, am Namen JEsus erkennen in allen Ewigkeiten. Und darum sandt' Er Seinen Engel zu Joseph und ließ ihm sagen.: daß Maria einen Sohn gebären werde aus dem Heiligen Geiste, und er solle diesen Sohn JEsus heißen, worauf auch unsere Textesworte zurückweisen, wie es auch im Propheten vom Messias geschrieben steht: „der HErr hat meinen Namen genannt, als ich noch in meiner Mutter Leibe lag.“ (Jesaj. 49,1.)

Es ist eine eigene Sache um die Namen. Durch die Namen unterscheidet man die Menschen von einander. Wenn die Einrichtung mit den Namen nicht wäre, wie viele Mühe hätten wir, wenn von einem Dritten geredet würde, einander begreiflich zu machen, von wem eigentlich die Rede sey? Darum hat auch Der, welcher zur Errettung einer gefallenen Sünder-Welt gekommen war, einen Namen angenommen, damit Jedermann sogleich erkenne, von wem die Rede sey, wenn der Name JEsus ausgesprochen wird. Im Alten Bunde hieß der Nämliche, welcher im Namen JEsus heißt: „Jehovah.“ Denn als Er Seinem Knechte Mose auf dem Berg Horeb im feurigen Busche erschien, um ihn zu den Kindern Israel, die unter der Knechtschaft Aegyptens seufzten, zu senden, und Moses Ihn fragte: unter welchem Namen er Ihn denn den Kindern Israel bekannt machen solle, da antwortete Er: „Ich werde sey, der ich seyn werde“, mit andern Worten: Jehovah heiße ich; so sollst du mich nennen (2. Mos. 3,13.14.). Im Neuen Testamente heißt dieser Jehovah - JEsus. „Denn“ - sagte der Engel - „Er wird Sein Volk selig machen von ihren Sünden.“ - Unsere Namen sind meistens ohne Bedeutung und Kraft, bloße Unterscheidungszeichen; die Namen des Sohnes Gottes aber im Alten und Neuen Testamente sind voll Kraft und voll Leben, voll Klarheit und Wahrheit.

Jehovah heißt der Sohn Gottes im Alten Bunde, und es ist dieß ein Name, der Seine ewige Gottesmacht und Herrlichkeit, Seine unveränderliche Beständigkeit bezeichnet. Wenn die Natur, das Wesen Gottes soll bezeichnet werden, so gibt es keinen treffenderen Namen dafür als den Namen - Jehovah. Es liegt in diesem Namen das Nämliche, was Moses im 90 Psalm sagt: „ehe denn die Berge worden, und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist Du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Es liegt das Nämliche darin, was der Heiland (Offenb. 1,17.18.) von sich selber sagt: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige“; die ganze Schöpfers-Herrlichkeit Gottes, worüber Ihm (Offenb. 4,11.) von allen Kreaturen die Ehre gegeben wird, liegt in dem großen Namen: Jehovah.

Aber dieser Name hat eben keinen Trost für arme Sünder, wie wir sind; im Gegentheil, es liegt etwas Schreckhaftes, etwas Entsetzliches für uns darin, etwas, das eine geheime Sehnsucht erweckt nach den Bergen, daß sie über uns fallen, und nach den Hügeln, daß sie uns bedecken möchten, daß wir nicht offenbar werden müssen vor dem schrecklichen Jehovah. Denn ist Gott der Ewige, der Unveränderliche, der Beständige, so ist Er auch unveränderlich in Seiner Heiligkeit, in den Rechten und Forderungen Seiner Gerechtigkeit; so ist Er unveränderlich in Seinem Zorne über die Sünde: so brennt Sein Zorn unerträglich und ewig hinab bis in die unterste Hölle, und läßt nicht nach. Und da mögen wir wohl erschrecken, da mag es wohl wahr seyn, was einst ein gewisser Jünger des Herrn gesungen hat: „wer Gottes Wesen weiß, weiß seinen Tod“; wer das Wesen, die Eigenschaften Gottes, wer Seine Eigenschaften als unendlicher Geist weiß; wer Seine Ewigkeit, Allmacht und Heiligkeit weiß: der weiß, daß er ein Mann des Todes, ein verlorner, ein ewig verlorner Mensch ist. „Wer's Herze kennt,“ heißt es weiter in jenem Liede, „der ist aus aller Noth“; wer das Herz Gottes nicht bloß weiß, sondern aus lebendiger Erfahrung kennt: der ist aus aller Noth; der fürchtet nichts mehr. Dieses Herz Gottes aber hat sich ausgesprochen im Namen - JEsus.

Wie soll man der Herz Gottes beschreiben, die ewigen, die zärtlichen Erbarmungen, die sich in dem Vaterherzen regten und regen gegen ein fluchwürdiges Sündergeschlecht? Dieß ist nicht möglich. Paulus führt die Epheser (Kap. 13,18.) ein wenig hin an die Länge und Breite und Höhe und Tiefe dieser Liebe, aber sie ist unermeßlich, sie ist unausschöpflich; wie Gott unendlich ist, so ist auch Seine Liebe unendlich; sie ist nicht zu beschreiben. Luther sagte einmal: „wenn Jemand Gott wollte malen und treffen, der müßte ein solche Bild treffen, das eitel Liebe wäre, als sey die göttliche Natur nichts anders denn ein Feuerofen und Brunst solcher Liebe, die Himmel und Erde erfüllet.“ Ein Anderer sagte einmal: „wenn das ganze Firmament lauter Papier wäre, so wäre es nicht genug, um die Liebe Gottes darauf zu beschreiben.“ Aber dieses Alles, dieses Unnennbare, dieses Unausgesprochene, dieses nie Ausgesprochene ist vereinigt, ist beysammen in zwey Sylben, im hochgebenedeiten Namen JEsus. Als ein gewisser, durch sehr viele Schriften berühmter, Liebhaber des Heilandes auf dem Todbette lag, soll er befohlen haben, wenn er sonst nichts mehr werde fassen können, so solle man ihm nur den Namen seines Erlösers zurufen, dieß werde ihm genug Kraft und Erquickung geben. Dieser Mann hat verstanden, was im Namen JEsus liegt.

JEsus heißt also die große Person, deren Geburtstag wir vor acht Tagen gefeyert haben, deren Namenstag wir heute feyern. Der die Wiederaufrichtung der gefallenen Sünderwelt vollbrachte, Der, von Dem allein unser Heil abhängt in Zeit und Ewigkeit; Der, welcher zur Rechten Gottes sitzt und wartet, bis daß alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden; Der, welcher Seine Gemeine sammelt und wohl auch in deinem Herzen schon oft eine heilsame Unruhe verursacht hat, dein Verkläger in deinem Gewissen heißt: JEsus. Man kann das Wörtlein wohl in's Deutsche übersetzen, aber nicht ausschöpfen. Es heißt: Heiland, Seligmacher, Erlöser, Erretter oder wie du willst, Alles dieß und noch weit mehr liegt im Namen JEsus. Es bedeutet den Freundlichsten und Holdseligsten unter den Menschenkindern; es bedeutet den Schönsten unter den Menschenkindern; es bedeutet den weltbekannten Sünderfreund, der selbstgewachsenen Tugend ihren Feind; es bedeutet Alles, was Jesajas in der Abend-Lection vom Sohne Gottes sagt; es bedeutet den Wunderbaren, Den, der Rath, Kraft, Held, Vater der Ewigkeiten, Friedefürst heißt; es ist der Name JEsus ein unaussprechlicher, ein unausschöpflicher, ein unausdenklicher, ein unausfühlbarer Name; es liegt ein unendlicher Abgrund göttlicher Erbarmungen darin. Der Sünder, der zermalmt zu den Füßen seines Erbarmers liegt, und etwas von der Vergebung schmeckt, weiß etwas davon; und die Gerechten, die vor Seinem Angesichte wandeln, haben diesen Namen noch nicht begriffen; wenn sie in den tiefen Ewigkeiten ihre Lobgesänge werden vor Seinen Thron bringen, so wird doch das, was nach dem Ablauf von tausend Ewigkeiten Ihm gesungen wird, nicht mehr, nicht höher, nicht tiefer seyn als der Name JEsus; alle jene Lobgesänge werden sich doch noch zusammenfassen lassen in dem Worte: JEsus. Großer Name! Anbetungswürdiger Name! Er ist eine ausgeschüttete Salbe voll von köstlichem Wohlgeruch für arme, für elende, für in sich verlorne Sünder, für Leute, die den Höllen-Gestank der Sünde und des Teufels lange genug eingeathmet haben; es ist Lebenslust in diesem Namen, himmlische Lebenslust. JEsus heißt unser Gott und Heiland, Hallelujah! weil Er ein barmherziger Hoherpriester ist, weil Er ein Erlöser ist von Sünde, Tod, Teufel und Hölle. Man kann es eigentlich den Menschen nicht begreiflich machen, was in dem Namen JEsus liegt; es muß geglaubt, erfahren, gefühlt werden; man kann nichts sagen, als: suche JEsum, und wenn du Ihn findest, so wirst du wissen was du an Seinem Namen hast.

Sünder! wenn ich euch bloß das predigen müßte, was im Alten Testamente steht, wer von uns wollte dann bestehen? Wenn ich euch nur von Jehovah sagen dürfte, ach! wer wollte bestehen? Aber Gott Lob! so darf ich nun nicht predigen. Liebe Mit-Sünder! Unser Gott, unser Richter heißt: JEsus, weil Er Sein Volk selig macht von ihren Sünden; weil Er das Seufzen der Elenden nicht verachtet; weil Er die Mühseligen und Beladenen annimmt und erquickt; weil Er ein Herz für die Sünder hat; weil Er die Schuld aller Schuldner auf Sich genommen hat; weil Er die Sünder, die wirklichen, nicht bloß, wie der sel. Luther es ausdrückt, die gemalten, sondern die reellen Sünder erlöset von ihren Sünden und von den ewigen Folgen derselben. Ach, welches Thor ist geöffnet in diesem Namen für uns, - für uns, die wir arg sind! Ihr Ehebrecher, höret's; ihr Trunkenbolde, höret's; ihr Diebe, ihr Fresser, ihr Flucher, ihr losen, ihr gottlosen Leute, die ihr im Sinne habt, euer Theil dahin zu nehmen in diesem Leben, höret, höret;: es gibt noch einen JEsus für euch, der Kraft hat, euch frey zu machen, wovon ihr vielleicht durch unzählige Vorsätze nicht frey werden konntet; frey machen wird Er euch, wenn ihr zu Ihm gehen, und Ihn schaffen lassen wollt, frey von euren harten Sündenketten, frey vom ewigen Tode. Armes, verirrtes Schäflein, siehe doch, hier ist dein Hirte - JEsus; arme, verzagte Seele, sieh', hier ist JEsus, dein Helfer; sehet, Er hat nichts Schreckliches, nichts Abstoßendes und Abschreckendes; sehet doch dieses Kind in der Krippe, sehet Ihn am Kreuz in unaussprechlicher Geduld dahin sterben; Er hat nichts Schreckliches für arme, bußfertige Sünder; doch was braucht's langer Beweise, ich sage nichts als: Er heißt JEsus, und das ist Einladung genug.

JEsus heißt unser Gott! Nun dürfen wir auch nicht mehr erschrecken vor Seinem Jehovah-Namen; wenn wir Ihn einmal als JEsus haben kennen gelernt, so wird es uns zu lauter Trost, zu lauter erquickender Freude, daß dieser JEsus Jehovah ist. Frohlocket und freuet euch, ihr Gerechten, denn euer Heiland ist ein ewiger, ein allmächtiger, ein unveränderlicher JEsus; Er ist JEsus Jehovah, JEsus Christus, gestern und heute und derselbe in Ewigkeit; Er hat alle Seine JEsus-Eigenschaften in die Unveränderlichkeit Seines Wesens aufgenommen; wie du Ihn heute erfährest, so wird Er bleiben in alle Ewigkeiten; was Er dir gewesen ist im alten Jahre, dein Erbarmer und Sündentilger, das wird Er dir auch seyn im neuen Jahre; ja noch mehr, denn: so lange JEsus bleibt der HErr, so lange Er Jehovah bleibt, wird's alle Tage herrlicher.

Aber wie gehen wir mit diesem Namen um? Wie hätten sich die Väter des Alten Bundes gefreut, wenn sie gewußt hätten, was wir wissen! Es ward ihnen Manches offenbar, das sehen wir in der Abend-Lection; - aber das wußten sie nicht; dieses Geheimniß sollte erst in der Fülle der Zeit und uns Armen geoffenbaret werden, daß Der, den sie erwarteten, der König von Israel, JEsus heiße!

Aber wie gehen wir damit um? Man muß sagen: es ist fast nichts verkannter, nichts vergessener als dieser große Name; kaum spricht ihn Jemand mit Herzens-Empfindung aus, so sieht man ihn in der sogenannten Christenheit sogleich mit scheelen Augen an, als ob Er zu irgend einer Sekte gehöre. Wenn nicht hin und wieder Einem im Schrecken dieser Name entführe, und wenn man nicht Leute darauf besoldete, ihn von Zeit zu Zeit auszusprechen, so wäre er wohl, wie zu vermuthen ist, schon längst vergessen.

O arme Christenheit, armer Herz, was hast du nur von dieser Seite für Verschuldung auf dir! -

Wollen wir auch wieder als solche Leute in's neue Jahr eintreten? Ach nein!

„Schreibe Deinen süßen JEsus-Namen brennend in mein Herz hinein!“ hat ein gewisser Jünger des Heilandes gesungen, und dieß wünsche ich mir und euch zum neuen Jahre. Ach! daß der HErr Seinen Heiligen Geist sendete, daß Er den großen, den süßen JEsus-Namen mit Seinem lebendigen Griffel unauslöschbar in unser armes Herz eindrückte! Das könnte ich brauchen, denn wenn dieß nicht in meinem Herzen vorgeht, so bin ich nichts als ein tönend Erz und eine klingende Schelle. Das könnten die Lehrer der hiesigen Schule brauchen, damit sie die ihnen vom Herrn anvertrauten Lämmer auf die rechte Waide zu führen im Stande wären. Das könnten die Orts-Vorstehen brauchen, damit es auch auf dem Rathhause nach dem Sinne des Heilandes zugienge. Das könnten wir Alle, Alle brauchen, damit unser armes Dorf endlich einmal aufhörte, eine Behausung der unreinen Geister zu seyn, damit das Reich Gottes allenthalben in den Häusern, auf den Gassen, auf den Feldern und in den Wäldern mit Gerechtigkeit, mit Friede und Freude im Heiligen Geiste hervorbräche und sichtbar würde.

Sehet, liebe Zuhörer! sehet, unsere Zeit eilt dahin, wir sind abermals ein Jahr älter, man schreibt heute nach Christi Geburt 1827. Ach wir haben umsonst gelebt, geschwitzt, gearbeitet, uns abgemüht; das ist Alles für gar nichts, für weniger als nichts, wenn nicht der Name JEsus in uns verklärt wird durch den Heiligen Geist, wenn wir nicht im Glauben und in der Liebe des Sohnes Gottes durch die Welt gehen.

Ich fordere euch auf, ihr Leute dieser Welt, die ihr selbst bekennet, daß ihr es seyd; die ihr es höchst übel aufnehmen würdet, wenn man euch unter die Frommen rechnete, also ihr gottlosen Leute, wie ihr selbst zugehet, ihr seyd nun etwa 20, 30, 40, 50, 60, 70 Jahre alt, saget selber: was habt ihr von dieser Lebenszeit gehabt? Habt ihr auch eine wahre Freude gehabt? habt ihr auch einen wahren Genuß gehabt? habt ihr jemals etwas von der Sünde gekostet, ohne daß es versalzen gewesen wäre? Gewiß nicht! Nun, was habt ihr denn davon getragen von eurem Leben bis jetzt? Antwort: daß es dahin geflohen ist wie ein Geschwätz; daß sich bey'm Rückblick auf dasselbige und bey'm Hinblick auf die Ewigkeit viel Unruhe in eurem Herzen regt; daß ihr vielleicht mit Kummer und Sorgen in dieses neue Jahr eingetreten, und vielleicht alt und grau geworden seyd, ehe eure Tage etwas Gutes erlebt haben. Ach! es ist so gar nichts um ein Menschenleben, wenn es nicht mit dem Heiland geführt wird. Da wird's Winter und Sommer, Tag und Nacht, man arbeitet auf seiner Handthierung, im Weinberge, auf dem Acker, man will Etwas erwerben, man kann nicht; man will wenigstens sich schuldenfrei machen, es geht wieder nicht; dazwischen hinein kommt viel Kummer und Elend, viele Sorgen und Sünden; es ist nichts elender und jämmerlicher als ein solches Leben, man ist nichts als ein Lastthier. Wer aber JEsum kennet, der geht durch diese Zeit hindurch, und weiß auch, warum er auf der Erde ist.

Wir sind Christen,
Die sich rüsten,
Mit dem HErrn der Herrlichkeiten
Dort zu prangen, hier zu streiten.

Und am Ende wirft man die ausgetretenen Schuhe der modernden Lebenszeit hinweg, und fährt zu JEsus, Den die Seele liebt, an Dem das ganze Herz hängt. O daß wir weise würden zur Seligkeit!

Wer sagt von den vorigen Geschlechtern etwas? siehe, sie sind vergessen, wie man eines Todten vergißt. Sehet, ungefähr 54 Generationen haben gelebt und sind hingegangen, seitdem Christus geboren ist. Sie haben einst auch gesorgt und gekämpft auf dieser armen Erde herum, sie sind leichtsinnig und ernsthaft gewesen, haben Gott gefürchtet und nicht gefürchtet, JEsum geliebt und nicht geliebt; Manche haben wollen auf viele Jahrhunderte hinaus bauen, und ihres Namens Gedächtniß verewigen! aber was ist's nun? Ihre Namen sind schon lange vergessen, und ihre Leiber sind vermodert in dem Grabe, ihre Seelen aber sind am Orte der Vergeltung. Nur das hat Werth und bleibt, was für die Ewigkeit bleibet, was in dem Namen JEsu, im Glauben und in der Liebe des Sohnes Gottes geschieht.

Liebe Zuhörer! wir stehen am Anfang eines Jahrs; was dieses Jahr für uns mit sich bringe, wissen wir nicht. Es kann Krankheit und Trübsal für Manchen bringen, der es sich heute nicht träumen läßt. Es kann und wird den Tod bringen für Viele aus dieser Gemeinde. Es werden Manche hier seyn, die das nächste Neujahr nicht mehr feyern werden. Im vorigen Jahre starben in dieser Gemeinde dreyßig von neun hundert und zwanzig; wer sind diese dreyßig, die dem gewöhnlichen Gange der Natur nach in diesem Jahre von hinnen fahren werden? - Ach, meine Brüder! was soll uns denn durch die Trübsal bringen, was soll uns in dem Tode erquicken, wenn nicht der Name JEsus in unserem Herzen lebt? JEsus muß in's Herz, die Kraft Seines Namens muß uns erfüllen, sonst sind wir die elendsten unter allen Kreaturen.

So wollen wir doch heute anfangen; ich und meine Gemeinde wollen heute anfangen, dem HErrn zu dienen. „Es ist ja in keinem Andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darin sie sollen selig werden, als alleine der Name JEsus.“ Also was zaudern wir? Also auf! Beuget heute eure Kniee vor JEsu, und flehet ihn heute an um Seinen Heiligen Geist, daß Er die Kraft Seines Namens, die Kraft Seines Verdienstes in uns groß mache.

Es sind manche angefaßte Seelen unter uns, die wenigstens keine Ruhe mehr haben im elenden Wesen dieser Welt; Seelen! wann soll es denn zu einem Ausschlage kommen, wie lange hinket ihr auf beyden Seiten, wann soll JEsus euch ein JEsus werden?

Es ist aber auch noch eine große Menge sicherer Sünder da - o Sünder! höret, so lange ihr könnet, höret, ehe die Stunde schlägt, da JEsus selbst wird wiederkommen, ehe die Posaune des Gerichts in eure Ohren tönt - ehe der Tod kommt - wir sind ja jetzt um ein Jahr näher an dieser Entscheidungs-Stunde - JEsus ruft euch, höret! Amen.

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