Heuser, Wilhelm - Abrahams Führungen - VIII. Die Vertilgung Sodom's.

Heuser, Wilhelm - Abrahams Führungen - VIII. Die Vertilgung Sodom's.

Ein zürnender, strafender Gott - o wer weiß es nicht, wohin der Unglaube und der Leichtsinn des Geschlechtes unserer Zeit diesen Begriff rechnet? Er stellt ihn, sammt den damit in der innigsten Verbindung stehenden von der Versöhnung, von einem stellvertretenden Opfer und von einem genugthuenden Gehorsam, in die Reihe der veralteten Vorstellungen; er gehöre nur dem Judenthum an, der Bildung unserer Zeit sei er nicht mehr angemessen. Ein zürnender, strafender Gott, ein starker, eifriger Gott, der die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied, ein Gott, der Leib und Seele verderben kann in die Hölle, ein Gott, der ein verzehrend Feuer ist, und dessen Zorn hinunterbrennt bis in die unterste Hölle - freilich, das begreif' ich wohl, o Menschenkind! wie dir dabei das Blut in den Adern gerinnet. Unter den feuerstammenden Blicken des Richters aller Welt stehn, dessen Augen offen sind über allen Wegen der Menschen, von dem nichts übersehn, alles auf's schärfste genommen, von allem die genaueste Rechnung geführt wird, der die sündigen Gedanken den Thaten gleich rechnet, der selig machen kann und verdammen, und dessen Hand wir nicht entfliehen können und nähmen wir auch Flügel der Morgenröche, und weilten am äußersten Meer: das ist etwas so schauererregendes, daß es mich nicht wundert, wenn der Mensch Ausflüchte aller Art suchte, diese schreckenvollen Vorstellungen zu mildern. Und was wendet man denn dagegen ein? „Es sei, sagt man, mit dem reinen Gottesbegriff nicht verträglich, man übertrage die menschliche Schwachheit in die Unwandelbarkeit des göttlichen Wesens.“ Dieser Gedanke hat von den ältesten Zeiten her die Seelen der Menschen bethört. Moses, von den hingesunkenen Gebeinen der in der Wüste Gefallenen umgeben, ruft: das macht dein Zorn, daß wir so vergehen und bricht dann in die Klage aus: wer glaubet's aber, daß du so sehr zürnest, und wer fürchtet sich vor solchem deinem Grimm (Psalm 90, 11); und als ein Jahrtausend später der Prophet Maleachi dem Volk Israel seine Sünde verkündet und Gottes Strafen, da findet er eine gleiche, leichtsinnige Geringschätzung der Drohungen Gottes und ruft (2,17): ihr machet den Herrn unwillig durch eure Reden, damit, daß ihr sprechet: wo ist der Gott, der da strafe? So wundern wir uns denn nicht, wenn wir auch jetzt noch Einwürfen ähnlicher Art begegnen; aber, wo ist denn der Gott, möchten wir auch fragen, der nicht zürnen müsse, der nicht strafen müsse? Ist unser Gott nicht ein heiliger Gott, der das Böse haßt, und kann er dulden, was seinem Wesen so entgegengesetzt ist, wie die Finsterniß dem Licht? ist unser Gott nicht ein gerechter Gott, der das Böse straft und vernichtet? „Das Pose straft und vernichtet, fährt man fort, nein! Gott ist ja die Liebe, und es ist nicht möglich, daß ein Wesen, welches die Liebe ist, Strafen vollziehn kann, gegen welche, auf ihrer höchsten Stufe gedacht, die Vernichtung eine Wohlthat wäre.“ Wir antworten mit den Worten eines Apostels: wo ist ein Vater, der seinen Sohn nicht züchtigt, nicht grade darum züchtigt, weil er ihn liebt, weil er sein Wohl will, der auch, je wahrhafter er Vater ist, desto unnachsichtiger gegen jede Unart zürnt? Ist Gott nun Vater, muß denn nicht seine Liebe sich als eine strafende gegen uns erbieten?

Doch verfolgen wir diese flachen Einwendungen nicht weiter! Wir haben stärkere Zeugnisse eines zürnenden, strafenden, richtenden Gottes; wir haben Thatbeweise. Der Herr hat gestraft, hat in ernsten Gerichten seinen Zorn wider das Böse offenbaret, und gerade wir sind es, zu denen, wenn alles schwiege, die Steine redeten. Die Steine selbst, aus denen diese Kirche erbaut ist, enthalten Spuren des ernsten, göttlichen Gerichts auf Erden; ihr Korallengeäst zeiget jedermann's Augen die Ueberbleibsel der sündfluthlichen Umkehr. Umschlossen von diesen stummen Zeugen des ersten Richterernstes Gottes über eine Welt, die sich nicht wollte strafen lassen durch seinen Geist, wollen wir heute das zweite, große Strafgericht erwägen, das Gott über Sodom verhängte. Möge es uns eine Bezeugung seiner Gnade werden!

1. Mose 19, 23-29.

Und die Sonne war ausgegangen auf Erden, da Lot gen Zoar einkam. Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen von dem Herrn vom Himmel herab aus Sodom und Gomorrha. Und kehrete die Stadt um, und die ganze Gegend, und alle Einwohner der Städte, und was auf dem Lande gewachsen war. Und sein Weib sahe hinter sich, und ward zur Salzsäule. Abraham aber machte sich des Morgens frühe auf an den Ort, da er gestanden war vor dem Herrn; und wandte sein Angesicht gegen Sodom und Gomorrha, und alles Land der Gegend, und schauete; und siehe, da ging ein Rauch auf vom Lande, wie ein Rauch vom Ofen. Denn da Gott die Städte in der Gegend verderbete, gedachte er an Abraham, und geleitete Lot aus den Städten, die er umkehrete, darinnen Lot wohnete.

Abrahams Fürbitte, wir haben es in der vorigen Betrachtung an der gnädigen Errettung Lots gesehen, kräftig für Lot, war für Sodom vergeblich. Finde ich zehn Gerechte darinnen, ich will sie nicht verderben um der zehn willen. So hatte die göttliche Erbarmung gesprochen. Aber als die beiden Engel der Untersuchung in Sodom einkehren, eine letzte Heimsuchung in Gnaden, in derselben Nacht machen die Leute in der Stadt durch den äußersten Ausbruch ihrer vollendeten Entsittlichung und Bosheit das Maaß ihrer Sünden zum Uebersprudeln voll. Die Heimsuchung in Gnade wird eine Heimsuchung in Zorn und zum Gericht. Himmel und Erde bewegen sich wider die sündige Stadt; wehe euch, ihr Einwohner Sodoms, ihr habt wohlgelebt auf Erden, und eure Wollust gehabt, und eure Herzen geweidet als auf einen Schlachttag. (Jac. 5,5.) Sodom versinket, Gomorrha versinket, Zeboim versinket, Adama versinket: es öffnet sich ein weites Grab; es verschlingt die Menschen und ihre Werke; das Geräusch des Lebens verstummt für immer an diesen Orten; die Lust fröhlicher Menschen verwandelt sich in Todesstille; die ganze paradiesische Gegend wird in eine öde Wüste umgekehrt, und wo ein Garten Gottes blühte, da grauet uns jetzt ein unheimlich düstres Meer entgegen.

Solches ist uns zur Warnung geschehen! Sodom und seine Bewohner, Lot und sein Weib, Denksäulen sind's, vor denen wir still stehn sollen zu ernster Betrachtung. Das geschehe heute.

Sodoms Vertilgung wollen wir betrachten, als ein Gericht vom Himmel, und als ein Zeichen für die Erde.

1.

Und die Sonne war aufgegangen auf Erden, als Lot gen Zoar einkam. Sie war aufgegangen, still, ruhig, hellstrahlend, dieselbe Sonne, wie früher, so seitdem segnend aufgehend über Gerechte und Ungerechte, Diesen ungerechten Städten leuchtet sie, da Lot sein schützend Gezelt gefunden, zum letztenmal. Nach so manchen Tagen voll Unreinigkeit nun auch diese Nacht voll Greuel vorüber! Noch lag alles in Sodom in tiefem Schlafe, da stieg mit der aufgehenden Sonne eine dunkle Gluth am Morgenhimmel aus; ein erstickender Schwefelqualm erfüllt die Luft, er entbrennt; es regnet Schwefel und Feuer vom Himmel herab; die zuckenden Blitze schlagen in die zahlreichen Erdpechgruben ein (1. Mos. 14,10.), und finden in der mit Harzadern durchzognen Erde einen schrecklichen Zunder; der Schooß der Erde entzündet sich mit reißender Heftigkeit, der Boden glühet, flammt auf, Brand von oben, Brand von unten, alles Ein Gluthofen! Dann reißt der Boden, bricht, sinkt ein, Klüfte öffnen sich, die hohen Gebäude stürzen krachend zusammen und versinken in die gähnenden Abgründe, ganze Reihen menschlicher Wohnungen sind auf einmal versunken. Durch das Ungestüm, der Schrei des Entsetzens der zu furchtbarem Schrecken Erwachten, das laute Jammern der Verbrennenden, der Zerschmetterten; durch das Prasseln der Flammen, durch das Krachen der brechenden Balken tönt noch eine Welle das tausendfache Geschrei der die Hände Ausstreckenden, der in Abgründe Versinkenden - dann ein tiefes Verstummen, Todtenstille, das Schweigen eines sich schließenden Grabes. Die Wasser des Jordans bemächtigen sich der Brandstätte, die eine grausige Tiefe geworden, und über den Orten, die so lange das Geschrei ihrer Sünden hatten heraufkommen lassen vor den Herrn, stehet jetzt ein ödes, dunkles Meer. Das liegt nun seit vier Jahrtausenden vor den Blicken der Menschen. Aeltere und neuere Reisende versichern, da, wo der Wasserstand niedriger, Trümmer der untergegangenen Städte und umgestürzte Säulen erblickt zu haben; die Wasser des Jordans strömen in dasselbe hinein, ohne wieder einen Ausfluß zu haben; sein großer Wasserspiegel, der eine Strecke von vierzig Quadratmeilen bedeckt, dünstet, über die Hälfte des Jahres einer brennenden Sonnengluth blosgestellt, eine solche Menge Wassers aus, daß sie der des einfließenden Wassers gleichkommt. Aber dieser Wasserspiegel, von hohen Gebirgen umschlossen, ist unbewegt, selten daß eine träge Welle sich mit Mühe erhebt, seine Tiefe ohne Fisch und irgend ein lebendiges Wesen, seine Ufer unwirthlich, düster, öde, ohne eine Spur von grünendem Grase, seine Ausdünstung erstickend selbst für die Vögel des Himmels und sogar die wilden Thiere scheuen die heillose Gegend, die, eine schaurige Wüstenei, ihnen keinerlei Nahrung darbietet.

Was ist das? Sagte es uns die Geschichte, die wir gehört haben, nicht auf das bestimmteste, so würde es uns ein heiliger Apostel bezeugen. Gott hat die Städte Sodom und Gomorrha zur Asche gemacht, umgekehrt und verdammt, damit ein Exempel gesetzt den Gottlosen, die hernach kommen werden. (2. Petri 2,6.) Ein Gericht Gottes! Der Herr - es ist von zwei Personen die Rede, der Herr, derselbe Mann, in welchem es beschlossen ist, zu richten den Kreis der Erde mit Gerechtigkeit, ließ Schwefel und Feuer regnen von dem Herrn, vom Himmel herab auf Sodom und Gomorrha. So stehet es da! Im Wasser, das vom Himmel herab lind von der Erde herauf strömte, war die erste Welt untergegangen, und im Feuer, das vom Himmel herab und von der Erde herauf flammte, sollten die Sünder im Thal Siddim untergehn, ein Vorspiel jenes einstigen, letzten, allgemeinen Weltgerichts. So stehet es da, ein Zeugniß des wider die Sünde zürnenden Gottes! Ein Denkmal der Strafgerechtigkeit Gottes, deren Einwohner Lot quälten mit ihren bösen Werken, die nicht einmal das Gastrecht der Fremdlinge ehrten und unter denen zehn Gerechte vergeblich gesucht wurden. Ein Strafgericht vom Himmel herab, kein natürlich Ereigniß, o mein Zuhörer! stehet es so auch in deiner Ueberzeugung fest? Der gottentfremdete Sinn der neuern Zeit hat den Glauben an göttliche Strafgerichte verleugnet; es dünket ihm, wie jenen Eidamen Lots, lächerlich, da, wo eine verderbliche Seuche wie ein Würgengel durch die Länder schreitet, oder wo eine unerklärliche Krankheit die Pflanzen ergreift, oder wo die blutige Fahne des Aufruhrs sich entfaltet, oder wo Mißwachs, Theurung, Hungersnoth, Wassersnoth und andre Landplagen eintreten, von göttlichen Strafgerichten zu sprechen. Er erblicket darin nichts als natürliche Ereignisse, die in der Verkettung der Dinge nothwendig eintreten müssen. Und warum dünket es dem gottentfremdeten Sinn also? Weil sein abgestumpftes Auge in den Begegnissen auf Erden keine göttliche Regierung, keine Leitung vom Himmel herab erkennt; darum weil die Welt ihm nur ein Gewirre der blinden Kräfte der Natur oder der wilden Leidenschaften der Menschen ist, aber kein Schauplatz göttlicher Vorsehung; weil er das Walten einer höhern Ordnung, einer sittlichen Ordnung, die zwischen Recht und Unrecht unterscheidet, verkennt; weil er das Eingreifen eines lebendigen Gottes in die Dinge auf Erden, seine Ordnung aufrecht zu erhalten und seinen Zorn über alles gottlose Wesen offenbar zu machen, bestreitet. Ist einer hier, der noch in diesem irrigen Wähnen befangen wäre? und was würden wir ihm zu bedenken geben? Wir würden ihm sagen, zunächst, es liegt auf der Sünde selbst ein Fluch, sie ist selbst schon ein Gericht. Sie ist, wie der Prophet sagt, ein Basiliskenei, isset man davon, so muß man sterben, zertritt man's aber, so fährt eine Otter heraus. Sie birgt in ihrem Schooße das Unheil, auf ihrer Stirn steht mit brennenden Zügen das Wort: die Sünde ist der Leute Verderben, und in ihrer Hand schwinget sie eine zerfleischende Geißel. Ist diese Wahrheit nicht leserlich in die Geschichte unsrer Tage hineingeschrieben? Niemand kann es verkennen, niemand kann es leugnen, daß nichts anders als die Selbstsucht, der Unglaube, der Abfall von der göttlichen Wahrheit, die Gesetzlosigkeit, kurz, daß nur die Gottlosigkeit es ist, die nun ein Jahr lang die Wohlfahrt der Völker verwüstet, und mit eigner Hand in den Eingeweiden des Volksglücks gewühlt hat. Auch das ist ein Gericht Gottes über die Sünde, es ist Gottes ewige Ordnung, das unverbrüchliche Gesetz seines Reichs. Seine Hand hat es innerlich in die Brust des Menschen hineingeschrieben und dieses unzerreißliche Band der Schuld und der innern Angst geknüpft; seine Hand hat es äußerlich in das Leben der Menschen hineingeschrieben und diesen unzertrennlichen Zusammenhang der Sünde und des Elends gestiftet. Und wie ein schweres, wenn gleich den Augen der Menschen oft verborgnes Gericht ist dieses! Das richtete, das strafte schon in Sodom, als seine Bürger herrlich und in Freuden lebten, als ihr Reichthum zunahm, als ihre Gesundheit und ihr Wohlstand blühten. Als es ihnen lächerlich schien, daß ein Gericht vor der Thür stehe, da war es schon in ihrer Mitte: o dieses wüste Treiben, dieses Thun, was dem Menschen gelüstet, diese Zügellosigkeit, diese Sündenknechtschaft, diese innerliche Verwilderung, dieser Taumel in Satans Stricken, diese Verstockung, welch ein schweres, wenn auch oft den Augen der Menschen verborgenes Gericht!

Und sodann, wenn es vorhanden ist, ist es möglich, das es verborgen bleiben kann? Muß es nicht früher oder später, und wenn nicht in der Zeit, dann in seiner ganzen Furchtbarkeit in der Ewigkeit hervortreten? Gottes Zorn vom Himmel wird offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. (Röm. 1, 18.) Das ist Grundsatz des göttlichen Regiments; darum spricht der Herr Herr durch den Propheten (Hesekiel 14,21.) von seinen vier bösen Strafen, Schwerdt, Hunger, bösen Thieren und Pestilenz; und durch einen andern (Jesaias 24, 6.): Das Land ist entheiligt von seinen Einwohnern, denn sie übergehen das Gesetz und ändern die Gebote und lassen fahren den ewigen Bund, darum frißt der Fluch das Land, denn sie verschulden's, die darinnen wohnen. Und warum verkündet der Heiland selbst unter vielen Thränen Jerusalem eine schreckenvolle Zerstörung und einen Untergang in Blut und Flammen? Darum, daß es nicht erkannt habe die Zeit, darin es heimgesucht worden. Mit diesen Aussprüchen des göttlichen Worts, die wir zu Hunderten vermehren könnten, stimmt endlich der Ausspruch unsers innersten Bewußtseins überein. Gehn wir nicht immer mit banger Ahnung an einer Stätte vorüber, wo die Gottvergessenheit wohnt und das Unrecht sich häuft? Siehet uns das Glück eines Gottlosen, wie sehr er auch pranget, nicht mit unheimlichen Blicken an? Und wenn Leid und Noth, wenn ein Mißgeschick über uns selbst einbricht, suchen wir nicht alle den Zusammenhang zwischen unserm Leid und unserer Vergehung? rufen wir nicht alle, wie Josephs Brüder einst: Das haben wir an unserm Bruder verschuldet! Genug! So gewiß ein heiliger und gerechter Gott über der Erde waltet, so gewiß es Sünden gibt, so gewiß kein Unglück in der Stadt ist, das der Herr nicht thue, (Amos 3, 6.) so gewiß müssen wir auch seine strafenden Gerichte über die Sünde anerkennen! Es würde uns zu weit führen, wenn wir auf andre naheliegende Fragen eingehen wollten, etwa die, warum wird denn unter den allgemeinen Drangsalen der Schuldlose mit den Schuldigen getroffen? warum strafet hier Gottes Richterernst, und dort schweigt er, zögert, drohet nur? Genug! was wir erwägen mögen, den zehrenden Fluch, der auf der Sünde liegt und das Gift ihrer Geschwüre, oder die Stimme des göttlichen Wortes oder die Sprache unsres innersten Gefühls, überall finden wir die Bestätigung dessen, was uns Sodoms Vertilgung zuerst lehren soll- sie ist ein Gericht vom Himmel!

So ist sie denn auch ein Zeichen für die Erde. Das wird uns in unsrer Geschichte von zwei Seiten dargestellt, an Lots Weibe und an Abrahams Hinzutritt; Lots Weib ein Zeichen der Warnung für die sichere, schlafende, säumende Welt; Abrahams Hinzutritt ein Zeichen der Tröstung für die Gottesfürchtigen.

Auch Lots Weib wird in den Untergang verflochten, aus welchem sie doch die Barmherzigkeit Gottes herausführen wollte. Und sein Weib, lesen wir, sah hinter sich. Eigentlich nach dem Grundtext, sie sahe hinter ihm, das heißt, hinter Lot weg; es war mehr als ein eitles, neugieriges Zurückblicken, es war ein dadurch entstandenes „Hinter Lot hinwegbleiben.“ Lot eilte, wie der Engel befohlen, mit seinen Töchtern, den kurzen Weg Zoar entgegen; er sah, demselben Befehle gemäß, nicht hinter sich; jetzt stand er in den Thoren seines rettenden Asyls, und ach! sein Weib? die Mutter seiner Kinder? Sie war unfolgsam hinter ihm zurückgeblieben! Wo ihr Schatz war, da war auch ihr Herz, und wo ihr Herz war, dahin wandte sich auch ihr Auge, davon sich zu trennen, zögerte ihr Fuß! O weh! der Vorsatz, aus Sodom zu entfliehen, der Sünde zu entsagen, genüget nicht, auch die ersten, schwachen, zögernden Schritte auf dem Wege der Rettung genügen nicht; Ausdauer allein, Beständigkeit, ein unermüdeter Lauf bis an's Ende, führen zum Ziel.

Und ward zur Salzsäule. Zur Salzsäule, wie verstehn wir das? Fragen wir die Ausleger, so meint der eine, es sei ihrem Andenken eine Salzsäule, ein Denkmal aufgerichtet worden, der andere, sie sei im Salzboden stecken geblieben, der dritte, sie sei, vom Schwefeldampf erstickt, im Salzgrunde erstarret, der vierte, sie sei in einer Lache von Salzwasser versunken. Sehen wir das Wort in seiner eigentlichen Bedeutung an, so heißt es: sie wurde ein Salzhaufe. Noch gegenwärtig ist jene Gegend überreich an festen Lagern eines bittern Steinsalzes; man erblickt ganze Felswände, die hoch, langhin sich streckend und senkrecht aus Steinsalz bestehn; selbst die Steine unter den Füßen der Reisenden sind ein erdigtes, steinigtes Salz von dunkler Farbe, und alles, was in der Nähe liegt, wird mit einer Salzkruste überzogen.

Denket euch diese mächtigen Lager von den wachsenden Gluthen ergriffen! Das schmelzende Salz sprühte knisternd in die Höhe, die damit verbundenen erdigen Theile wurden in Aschenflocken verwandelt, und beides erfüllte, wie ein glühender Salz- und Aschenregen, die Luft. Mögen wir es uns so vorstellen: das Weib, bei der unseligen Säumniß, die ihre Schritte hemmte, von dem heißen Rauchdampf betäubt, wurde mit dieser glühenden Salzkruste übergossen: wie ihre Schuld, so ihre Strafe.

Gedenket an Lots Weib. So rief der Herr, Luc. 17, seinen Jüngern zu, als er sie ermahnte, an dem Tage seiner Heimsuchung sich nicht umzuwenden zu dem, was hinter ihnen sei - wie viel mehr gilt dieser Zuruf der Welt, der sichern, schlafenden Welt! Haben wir uns nicht zu fürchten? Haben wir uns nicht aufzumachen, uns um Schutz und Rettung zu kümmern? Wenn es Strafgerichte Gottes giebt und es giebt ihrer, darfst du denn ruhig und sorglos bleiben, der du die Wolken sich schon zusammenziehn stehest, hast du keine Anstalten zu treffen? Sodoms Geschichte liegt hier vor uns, und die Schrift dieser Warnungstafel ist einfach und deutlich, ich will daher nur eins fragen: finden die Götzen, vor denen Sodom knieete, Fleischeslust, Augenlust und hoffärtig Leben, keine Altäre mehr in unsrer Welt? Haben wir nicht zu fürchten bei dem lauten Geschrei gleicher Sünden der Unreinigkeit, der Ueppigkeit, der Bosheit, das aus unsern Städten heraufkommt vor den Herrn? Müssen wir nicht das Wort des Propheten auf uns anwenden.- Wenn uns der Herr Zebaoth nicht ein weniges ließe übrigbleiben von der Tochter Zion, so wären wir wie Sodom und gleich wie Gomorrha? (Jes l, 9.) Aber noch an anderes will ich euch erinnern. Als die Sündfluth einbrach und es kam ein Regen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte, zu verderben alles Fleisch, das sich reget auf Erden, da war das keine Naturcatastrophe; es geschah, weil die Erde verderbt war vor Gottes Augen und voll Frevels, und der Menschen Bosheit groß; sie aßen, sie tranken, sie freieten und ließen sich freien und achteten es nicht, bis die Sündfluth kam und nahm sie alle dahin. (Matth. 24, 38.) Wie ist es nun in der Gegenwart unsrer Tage? Hat das Geschlecht dieser Zeit weniger Weltsinn, weniger Leichtsinn, weniger fleischliche Sicherheit? Wie lebt doch der große Haufe? Leben nicht die Meisten dahin in einen Taumel der Gedankenlosigkeit, in einen Wirbel der Zerstreuung, versenkt in die Geschäftigkeit dieser Welt, als stehe kein Grab, keine Ewigkeit vor ihnen, als gäbe es nichts Höheres in diesem Leben, als Essen und Trinken? Muß uns das Herz nicht klopfen? haben wir nicht Schweres zu fürchten? Und nun noch eins. Als vor den Augen der Kinder Israel in der Wüste die Erde zerriß und that ihren Mund auf und verschlang Korah, Dathan und Abiram mit allen Menschen, die bei ihnen waren, und mit all ihrer Habe, daß sie lebendig herunterfuhren in die Hölle, so waren dies Volksverführer, sie hatten sich wider Moses und Aaron empört und eine ansehnliche Menge in ihren Aufruhr verflochten. Und nun sehet unsre Zeit an: ist sie nicht gleich also? Dieser Geist des Aufruhrs, der Empörung, des Umsturzes, der durch die Völker brauset, diese frevelnde Ungebundenheit, welche die Throne erschüttert, die Majestäten lästert, sich gegen die Obrigkeit waffnet und mit Mordthaten brandmarkt, diese gleißende Verheißung von Freiheit, Glück und Wohlfahrt aus dem Munde derer, die selbst Knechte des Verderbens sind: wird euch nicht bedenklich dabei? stehet nicht der gleiche Eifer Gottes gegen dies Treiben zu erwarten? und wie lange wird Gott der Herr dazu schweigen? Und wenn das nicht in der heidnischen Welt, wenn es mitten in der Christenheit geschieht, der so viel Licht und Gnade, der so viele Zeichen und Wunder göttlicher Erbarmung gegeben sind, die so reich sein sollte an Dank, an Liebe, an Gehorsam gegen ihren Erlöser und sie ist es nicht, sie ist so reich an Undank, an Ungehorsam und an Verachtung ihres Gottes, - sollte sie nicht in doppeltem Maaße bestürzt werden? Die Städte, in welchen die meisten seiner Thaten geschehen waren und sie hatten sich doch nicht gebessert, fing der Herr an, am stärksten zu schelten. Wehe dir, Chorazin, wehe dir, Bethsaida! Und du, Capernaum, die du bist erhoben bis an den Himmel, du wirst bis in die Hölle hinuntergestoßen werden. Denn so zu Sodom die Thaten geschehen wären, die bei dir geschehen sind, sie stände noch heutiges Tages. Doch ich sage euch, es wird der Sodomer Land erträglicher ergehn am jüngsten Tage, denn dir. (Matth. 11, 21.) Wollen wir es darauf ankommen lassen? und wenn das nicht, o ihr Schlafenden, - ihr Sichern! dann sei euch Sodoms Vertilgung ein hochaufgehobener Finger Gottes, ein Spiegel der Warnung, eine Predigt zur Buße! Schüttelt den Schlaf aus euren Augen! Erkennet in der Drangsal unsrer Tage die böse Frucht unsers Abfalls von Gott, und wohin es führt, wenn man seine Bande zerreißt, wenn man sich dem Gehorsam seines Wortes entzieht und der Leitung seines Geistes widerstrebt. Erkennt auch hierin die Heimsuchung eures Gottes und bedenket, was zu eurem Frieden dient. Jetzt schon redet und zeuget der Herr in den Züchtigungen dieser Zeit; die Verblendung der Welt und ihre Sicherheit beschleunigt nur ihre Reife zu ernstern Gerichten. Wer seine Seele lieb hat, der fürchte Gott und den vollen Sturm seiner richterlichen Macht, fürchte sich, wie auch die Fahrt seines Lebens sei, daß er nicht am Ende jenen schauerlichern Schiffbruch erleide, der ihn in ein ewiges Thränenmeer stürzt. Aus Sodoms Feuern leuchtet das Wort des Apostels: Schrecklich ist's, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. (Hebr. 10, 31.) Erzittert davor und fraget mit dem höchsten Anliegen eurer Seele, wie ihr dem zeitlichen und ewigen Verderben entrinnet. Die Antwort ist gegeben; Zoar ist nahe. Der Engel der Errettung faßt auch euch bei der Hand. Und wenn dann das Gefühl des Einen, was Noth ist, mächtig in euch wird, wenn es heißt, ich will mich aufmachen, dann säumet auch nicht! Reißet euch in wahrhaftiger Buße los von allem-todten Werk und Wesen, zu dienen dem lebendigen Gott! Wer die Hand an den Pflug legt und stehet zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes. Die empfangene Gnade kann leicht vergeblich empfangen sein, der Eifer erlöscht bald, wenn der Sinn sich wieder in eitles Wesen verirrt und in die Händel der Welt vertieft. Gedenket an Lots Weib. Sie blieb unfolgsam auf dem Wege des Heils stehn, und wurde nun unbeweglich, „daß also,“ wie Luther sagt, „die Säule eine rechte Würze und Salz ist zur Klugheit, daß man seines Christenberufes warten soll.“ O daß denn doch niemand ermüde, daß ein jeder Erweckte sich dem Heilande seiner Seele immer inniger, immer treuer anschließe, bis er ein lebendiger Rebe am Weinstock geworden, bis er im tiefsten Seelengrunde Christo verbunden, bis er das Siegel des Geistes empfangen, und mit dem Zeugniß der Kindschaft Gottes das Pfand des ewigen Erbes und Sicherheit und Frieden und unverwelkliche Hoffnung unter allen Gerichten!

2.

Sehet, wie auch dies zuletzt in unsrer Geschichte erscheint. Auch euch, ihr Treuen, euch, die ihr den Bund bewahret, ist Sodoms Vertilgung ein Zeichen, und welch' ein Zeichen der Tröstung und des Friedens! Wir sehn es an Abrahams Hinzutritt. Auch über ihn ging, nach einer vielleicht, schlaflos wegen Sodoms Schicksal durchkümmerten Nacht, die Sonne auf, und wohin war sein erster Gang in früher Dämmerung?, Abraham, lesen wir, machte sich des Morgens früh auf an den Ort, da er gestanden war vor dem Herrn. Dahin also! So zog ihn diese heilige Stätte, der feierlichsten Erinnerungen voll! Und mit welchen Empfindungen betrat er sie? was bewegte sein Herz? Und wandte sein Angesicht gegen Sodom und Gomorrha und schaute, und siehe! da ging ein Rauch auf vom Lande wie ein Rauch vom Ofen. Ein Sinnbild jenes Ortes, da der Rauch der Qual aufsteigen wird von Ewigkeit zu Ewigkeit! Sodom gerichtet, verworfen; es waren also keine zehn Gerechte in Sodom erfunden! Abraham stehet Gottes Zorngericht, aber er erfährt es nicht. Und Lot und sein Haus? wie ist es mit seinem Bruder Lot? Auch über diesen sind die Flügel Gottes gebreitet. Da Gott die Stätte verderbte, gedachte er an Abraham, und geleitete Lot aus der Stadt. Warum ist dies hinzugesetzt? Darum, daß wir erkennen, Untergang der Ungerechten, Errettung der Gerechten sind eine in einander laufende Geschichte, und darum, daß ein jeder die Hand auf sein Herz lege und spreche: dies Glück sei das meine, werde das meine! Wenn wir unsres Bundes mit dem Herrn gewiß sind, was heißt uns denn verzagen? Ist Gott für mich, wer mag wider mich sein? O Freunde, wie drohend die Zeichen am Horizont der Zeit stehn, und durch was für Schrecken unser Pilgerweg noch hindurch gehn mag; welcher Druck der Leiden, welche Angst des Sterbens uns vorbehalten ist, wie schaurig das Land der Ewigkeit und der Rauch vom Ofen uns anblicken mag, sind wir in Gottes Schooße geborgen, so trifft es uns nicht. Sind wir in Christi Arche gerettet, so ziemt auch uns Zuversicht und Muth auf solch' einen Hort und wir denken, wie ein alter Kirchenvater sagt: „es ist herrlich auf sturmbewegtem Schiffe zu fahren, wenn man weiß, daß es nicht scheitern kann.“ Hier ist der Fels im Sturm. Wer sich wohl berathen will, der nehme bei Zeiten seine Zuflucht zu ihm! Hier ist gut und sicher stehn unter dem Wogengedränge der heftigsten Gerichte. Fürchtet euch nicht, spricht der Herr, die ihr die Gerechtigkeit kennt, du Volk, in welches Herzen mein Gesetz ist. Hebet eure Augen auf gen Himmel und schauet unten auf die Erde. Denn der Himmel wird wie ein Rauch vergehn und die Erde wie ein Kleid veralten, und die darauf wohnen, werden dahin sterben wie Das; aber mein Heil bleibet ewiglich und meine Gerechtigkeit wird nicht verzagen. (Jes. 51.) Angezogen mit den Kleidern dieses Heils und im Glauben an den Mittler, der Gerechtigkeit gewiß, die vor Gott gilt, wessen trösten sich Angesichts aller Gerichte die Gottesfürchtigen? Ich antworte mit dem Worte des Propheten (Maleachi 3, 16.): die Gottesfürchtigen trösten sich unter einander also: der Herr merket's und höret's, und ist vor ihm ein Denkzettel geschrieben für die, so den Herrn fürchten und an seinen Namen gedenken. Sie sollen, spricht der Herr Zebaoth des Tages, den ich machen will, mein Eigenthum sein und ich will ihrer schonen, wie ein Mann seines Sohnes schont, der ihm dient. Glücklich, wer in diese Bucht sein Schifflein gebracht hat! Amen.

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