Goetz, Christoph Wilhelm - Apostelgeschichte 17, 28.

Goetz, Christoph Wilhelm - Apostelgeschichte 17, 28.

Auf zu Gott! das ist der große Ruf, der durch die Natur und durch die Geschichte der Schicksale der Völker, der aus unserm Herzen und am herrlichsten aus deinem geoffenbarten Wort Gottes an uns ergeht. Auf, erhebe dich zu Gott! ruft es uns an jedem Morgen aufs Neue vernehmlich zu. O daß wir diesen Ruf beherzigen, o daß wir immer feuriger nach Aehnlichkeit und Gemeinschaft mit dir und dem, welchen du gesandt hast, Jesu Christo, ringen möchten. Amen.

Wir sind göttlichen Geschlechts.

Nie häufiger, als in unsern Tagen, vernimmt man mit großer Wichtigkeit in Schrift und Rede einen Ausdruck, der an sich etwas sehr Erhabnes bezeichnet, aber so, wie er gebraucht wird, weiter gar nichts, als den Ausdruck menschlichen Stolzes und zwanghaften Dünkels ist. Ich meine nehmlich den Ausdruck: - Menschenwürde. Von der Würde des Menschen reden und schreiben Tausende, schreiten dabei gleichsam stolz und feierlich in ihrem Selbstgefühl einher und zeigen doch ganz deutlich, daß sie einen wahren Begriff von der Würde des Menschen gar nicht haben. Fragen wir diese Sprecher von der Menschenwürde, was sie denn eigentlich darunter verstehen, so antworten sie uns: Menschenwürde bestehe in der Fähigkeit, seiner selbst bewußt zu seyn, sich selbst zu bestimmen, frei wollen, annehmen und verwerfen, denken, urtheilen, schließen zu können. Wahr ist es, ein Theil der Menschenwürde besteht darin, aber das Genannte sind mehr die Vorzüge des Menschen vor dem Thiere, es sind die charakteristischen Eigenschaften seiner Menschheit, seine Würde besteht darin eigentlich nicht. Sie kann darin nicht bestehen; denn neben allen diesen Eigenschaften läßt sich ein äußerst unwürdiger Zustand denken, es können alle diese Eigenschaften zum Bösen angewendet werden, selbst gute Geister, die diese Eigenschaften in besonders hohem Grade besaßen, fielen eben dadurch. Ja, eine einseitige Schätzung dieser Vorzüge ist an sich böse, denn sie leitet eben zu Uebermuth, Stolz, Dünkel, zu dem Bestreben, selbst Gott zu seyn und den Herrn des Lebens zu verachten oder höchstens noch gleichsam aus einem Zuge der Gewohnheit und aus Gefälligkeit zu verehren. Die wahre Würde des Menschen läßt sich bei denen, welche sich Christen nennen, von der wahren Würde des Christen nicht unterscheiden; denn wie in Christo die Menschheit in verklärter Gestalt erschien, so ist auch der Christ nichts anders, als der verklärte Mensch. Diese wahre Würde, die wir als Christen haben sollen, besteht darin, daß wir uns erkennen als Wesen göttlichen Geschlechts, aber auch mit Schmerz erkennen, daß wir, trotz unserer Abstammung von Gott, das rechte Verhältniß verloren haben und tausendfach Gott entfremdet und der Sünde hingegeben sind, und daß wir nun vor Gott uns in Reue und Buße demüthigen, Gnade und Versöhnung suchen und daß der Entschluß uns entflammt, unser ganzes Leben ihm zu weihen.

Unsre wahre Würde besteht darin, daß wir uns freuen, in Christo Jesu, unsern Heiland und Erlöser, den wahren Weg zur Annäherung mit Gott gefunden zu haben; daß wir uns freuen, ihn als den Quell unsers Lebens und unsers Heils betrachten zu dürfen, uns rühmen zu können, durch sein unschuldiges Leiden und Sterben theuer erkauft zu seyn, und daß wir nun in dieser Freude nicht uns leben, sondern dem, der für uns gestorben und auferstanden ist. Unsere wahre Würde besteht darin, daß wir Gottes Kinder heißen, und an Gott einen Vater haben, dem wir vertrauen in Freude und Schmerz, in Glück und Trübsal. Unsere wahre Würde besteht darin, daß wir als Kinder Gottes Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi sind, und daß wir darum den Tod nicht fürchten, sondern mit Freuden in das Jenseits blicken, die Herrlichkeit erwarten, die auch an uns geoffenbart soll werden, wo wir durch Glauben hindurchdringen zum Schauen und ewig beseligt erkennen, daß, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret und in keines Menschen Herz gekommen ist, denen zu Theil wird, die Gott lieben. Dieß ist unsre Würde. Vom Grab, an dem wir wallen, soll Jesus Christ dein Lobgesang empor zum Himmel schallen, dir opfre jede Seele Dank und jeder der Verlornen freu' sich ein Mensch zu sein, und jeder der Verlornen rühm' sich, erlös't zu sein.

Quelle: Goetz, Christoph Wilhelm - Andachtsbuch

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