Gellert, Christian Fürchtegott - Drei Briefe an seine Schwester

Gellert, Christian Fürchtegott - Drei Briefe an seine Schwester

Leipzig, 12. April 1761

Der Vetter ist krank! Das beunruhigt mich sehr; Gott wolle doch seine Krankheit nicht zum Tode sein lassen, wenn ich nach seinem Willen bitte. Ich grüße ihn herzlich, bete für ihn, ermuntere ihn, sich Gott zu überlassen und nur sein Herz durch Buße und Glauben zu beruhigen und zu stärken, so kann er das Andere alles ohne Furcht erwarten. Die Furcht vor dem Tode macht vielleicht die meisten Krankheiten gefährlich und schrecklich; und unsere Furcht vor dem Tode kömmt nicht sowohl von dem Tode, als von dem, was auf den Tod folgt, her. Ein Kranker, der sich der Gnade Gottes versichern kann, und zu versichern sucht, der ist in der gefährlichsten Krankheit schon selbst ein Arzt. Meine Umstände, o liebe Schwester, die kennet niemand, als Gott und ich; aber Gott sei gepriesen, er hilft ja einen Tag nachdem andern überstehen. Der Frühling, der Frühling! Ein Gedanke, dessen Schreckliches ich durch nichts, als durch Gott unterdrücken kann. Ich fürchte, daß ich einer Auszehrung nahe bin. Ach Herr! lehre Du mich nur sterben; das Andere bekümmert mich nicht.

Leipzig, 1. Mai 1762

Ich betete, da ich Deinen letzten Brief gelesen hatte, mit den Worten der Kirchenfürbitte: gieb ihr, o Gott, christliche Geduld, stärke ihren Glauben u.s.w. Ja, liebe Schwester, Euer Leiden ist groß, ich fühle es vor dem meinigen nicht genug, aber ich glaube, daß Ihr mit mehr Kraft und Stärke des Geistes traget, als ich. Wir wollen für einander beten, einander trösten und uns bemühen, durch Stillesein und Hoffen stark mit Gott zu werden. „Die Elenden suchen Wasser, und ist nichts da. Ihre Zunge ist verdorret vor Durst. Ich, der Herr, will sie erhören. Ich, der Gott Israel, will sie nicht verlassen.“ Diese Stelle, die mir unlängst bei dem Lesen der Bibel aus dem Esaja Cap. 41, 17 in die Augen fiel, ist mir in dieser Woche, in der ich viel harte Stunden gehabt habe, oft ein Schild und Trost geworden. Auch Arndt in seinem andern Buche, ungefähr vom 43. Cap. an, hat uns viel Trost gesammelt. Gott stärke Euch, und segne alle die Unsrigen.

Leipzig, 5. Juli 1767.

Gott sei gelobet für die Gnade und Barmherzigkeit, nach welcher er mich mitten unter meinen Leiden dennoch bis ins drei und fünfzigste Jahr erhalten und väterlich getragen hat. Ich bin viel zu geringe aller der Barmherzigkeit und Treue, die er an mir gethan hat. Danket Gott mit mir! Er wird uns ferner helfen und auch im Alter nicht verlassen, wenn wir schwach werden, und Euch und mich unter der Last, die wir tragen, kräftiglich stärken. Ja gelobet sei er, der uns nicht läßt versucht noch beschwert werden über unser Vermögen! - Grüßet alle die Unsrigen herzlich, und lebt immerfort wohl mit ihnen.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/g/gellert/gellert-drei_briefe_an_seine_schwester.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain