Frommel, Emil - Das Gebet des Herrn in Predigten - VII. Und vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern.

Frommel, Emil - Das Gebet des Herrn in Predigten - VII. Und vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern.

Die Gnade unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft das heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Text: Matth. 6, Vers 12.
Und vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unsern Schuldigern.

Wir kommen, geliebte Gemeinde, zur fünften Bitte im Vaterunser. Sie gehört höchst nothwendig hinein in das Vaterunser. Denn wo unsre Noth anhebt zu beten, da klagt nicht nur der arme Leib, da hat die Seele ihr schmerzlichstes Weh vornehmlich zu klagen. Wir haben am verflossenen Sonntag gebetet: „Gib uns heute unser täglich Brod“, aber damit hört das Vaterunser nicht auf, wiewohl viele hier ein Punktum und einen Strich machen, als ob es hier zu Ende wäre. Auf die vierte kommt die fünfte Bitte. Nicht umsonst stehet hier zum erstenmal das Wörtchen „Und“ da. Der Herr lehret uns gar schnell von der vierten Bitte zur fünften hineilen und läßt uns keine Zeit zum Ausruhen; er bindet beide Bitten zusammen. Sie stehen ja in naher Verwandtschaft. „Gib und vergib“, das reimt sich; das Vergeben ja ist auch ein Geben. So nothwendig du jenes Geben, nämlich das tägliche Brod, brauchst für deinen Leib, so nothwendig brauchst du das Vergeben Gottes für deine Seele. Will dein Leib etwas, will deine Seele auch etwas; soll sie nicht auch ihr täglich Brod bekommen, so gut wie dein Leib? Der Seele nothwendigstes, ihr tägliches Brod aber ist die Vergebung ihrer Sünde. Glaubst du das? bekennst du deine Schuld? Fühlst du's, daß du Vergebung brauchst? Und dann: von wem begehrst du sie? Von dem, bei dem allein viel Vergebung ist? Glaubst du an Gottes Huld? Wohlan, so zeige deinen Glauben in deinen Werken: Hast du Geduld mit deinem Mitbruder, vergibst du ihm gleichwie Gott dir vergeben?

Diese drei ernsten Fragen lege dir vor, wenn du diese Bitte dir nicht zum Gerichte beten willst. Sie ist die gefährliche Bitte im Vaterunser, denn du betest dich tiefer in deine Unbußfertigkeit, tiefer in deine Selbstgerechtigkeit und in dein Gericht hinein, wenn du sie nicht recht betest.

So sprechen wir denn die fünfte Bitte: Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern. Wir bekennen durch sie unsere Schuld. Wir glauben in ihr an Gottes große Huld. Und geloben mit ihr unserm Nächsten Vergebung und Geduld.

So kommen wir denn zu Dir, Herr Gott, lieber himmlischer Vater, weil Dein lieber Sohn uns also geheißen hat zu beten. Herr wir kommen und bringen so schwere Bitte vor Dich! Gehe nicht in's Gericht mit deinen Knechten, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. Darum laß Alle aus Herzensgrund heute ihr Sündenbekenntniß ablegen, höre Du unsere große Beichte! Und dann sprich uns los von Sünd und Schuld, schaue nicht uns an, sondern Deinen lieben Sohn, der uns zu gut gestorben und am Kreuze für uns gebetet! Und dann laß uns hingehen in Deiner Kraft und von Dir beschenkt und reichlich vergeben dem Bruder seine Fehle. O Herr, laß uns nicht das Gericht, laß uns Freude und Wonne in's Herz uns beten am heutigen Tag: Erbarme Dich Aller, milder Herr Jesu! Amen.

Wohl, lieben Freunde, predigen alle Bitten von unserer Schuld, und mit jeder Bitte, die wir beten, unterschreiben wir ein Sündenbekenntniß. War's nicht so bei der ersten und den andern? Denn um das, was einem fehlt, bittet man; und fehlt uns nicht Alles im tiefsten Grunde durch eigene Schuld? Aber nicht so leise soll von unserer Sünde geredet werden. Zweimal im Vaterunser ist deutlich von ihr die Rede, heute einmal und das nächstemal wieder, denn was heißt bitten: „Führe uns nicht in Versuchung“ anders, als seine Ohnmacht eingestehen? Darum muß denn wohl die Bitte um Vergebung hochnöthig unser Bitten sein. Ich weiß zwar wohl, daß dem Menschen diese Bitte sehr entbehrlich scheint. Man betet sie mit, weil sie unter den andern steht, und nimmt sie gleichsam mit in den Kauf; aber es ist Einem nicht groß Ernst damit. Man hört gern von Tugend und Rechtschaffenheit, vom lieben Gott und von den Auen der ewigen Herrlichkeit reden - und wird ganz gerührt dabei, (denn es gibt ja Leute, die über ihre eigene Tugend weinen, wenn sie von ihr reden), aber von der Nachtseite im Menschenherzen, von den dunklen Parthien drin, von der Wüste, die man durchpilgern muß, ehe es nach Canaan geht - kurz und deutsch gesagt von der Sünde und Buße, von der Vergebung hört man nicht gerne. Aber gerne oder nicht gerne - einerlei - einmal mußt du's doch sagen und bekennen, daß du ein Sünder bist, und das ist hier in dieser Bitte, die machet uns Alle zu Sündern. Oder würde Er, der da wüßte, was im Menschen ist, uns lehren, also zu beten?

Aber, lieben Freunde, warum geht diese theure Bitte so ungern über die Lippen, warum bleiben wir so stumm und kalt dasitzen, wenn von der süßen Vergebung die Rede, warum ahnen wir nicht das kostbare Gut, welches uns in ihr dargereicht ist? Einfach darum, weil wir's nicht Wort haben wollen, daß wir Sünde und Schuld haben, weil wir ihre Last nicht fühlen. Wer nicht krank ist und nicht krank sein will, der geht nicht zum Doktor, und wen's nicht hungert, der greift auch nicht zu. Mein Christ! als du ein Kind warst und dich gegen Vater und Mutter verfehlt und sie betrübt hattest, da lag dir deine Verfehlung und ihre Betrübniß auf der Seele wie ein schwerer Berg, wenn du anders ein rechtes Kind warst. Es ließ dir keine Ruhe, bis du hingegangen bist, und um Verzeihung batst. Und siehe, da wurde es dir leicht und du warst so fröhlich den Tag über, wie wenn du neu geboren wärst, wie wenn du auf's Neue anfingest zu leben. Und das waren arme sündige Eltern, an denen du gefehlt, und dennoch war dir das Herz so schwer; und das waren arme sündige Menschen, die dir vergaben, und doch ward dir's im Herzen so wohl dabei! Armes thörichtes Menschenkind! An den großen heiligen Gott und Vater willst du nicht denken, an Ihm hättest du nie gefehlt, Ihn hättest du nie betrübt, der hätte dir nichts zu vergeben, und Seine Vergebung konnte dich nicht unaussprechlich selig und fröhlich machen?

Wenns aber drinnen in dir nicht brennte, wenn du nicht gehört, wie es in deinem Herzen zugeht wie in einem Gerichtssaal, da Kläger, Richter und Zeugen, Gedanken die sich anklagen und entschuldigen, auftreten - der Herr hat seine großen gewaltigen Zeugen gegen dich, er stellt ein heilig Schwurgericht auf, bei dem dich alles Läugnen nichts hilft. Hier liegt das Wort des Herrn, das große Gewissen der Menschheit, das dich besser kennt denn du dich selbst, und das spricht von deinem Herzen: „Sein Dichten und Trachten ist böse von Jugend auf;“ das redet von deinem sogenannten „guten Herzen,“ daß es ein trotzig und verzagt Ding sei, daß du ein steinern Herz in deiner Brust habest, und Gott dir erst ein fleischernes geben müsse. Dies Wort geht an deine Vernunft, auf die du dir so viel einbildest, und spricht: „Sie vernimmt nichts vom Geiste Gottes;“ und von deinem großen Verstand spricht es: „Da sie sich für Weise halten, sind sie zu Narren geworden, da ist Keiner der verständig sei, auch nicht Einer.“ Von deinem Mund spricht es: „Ihr Schlund ist ein offenes Grab und mit ihren Zungen trügen sie - alle Menschen sind Lügner;“ von deinen Händen: „Sie sind voll Blutes,“ und von deinen Füßen: „Es ist eitel Herzeleid in ihren Wegen,“ und wehklagend ruft es vom ganzen Menschen und vom ganzen Volk: „Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt, von den Fußsohlen bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an ihm. Der heilige Apostel spricht unser großes Sündenbekenntniß aus und ruft: „Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den wir vor Gott haben sollen,“ und Johannes, den du um seiner Milde willen so gern deinen Lieblingsapostel nennst, spricht: „So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Noch eines laß dich fragen: Wen lehrt der Herr also beten? Zöllner und Ehebrecher? Mörder und Diebe? Nein, seine Jünger lehrt er also beten, denen weder du noch ich werth sind, die Schuhriemen aufzulösen. Nicht weit brauche ich zu gehen von diesem Worte weg, um euch in dieser Kirche schweigende und doch so beredte Zeugen unsrer Schuld aufzuweisen. Was will dieser Altar uns sagen? Vor ihm sind wir einst gekniet, als wir confirmirt wurden, als wir dem Herrn Treue gelobten für Zeit und Ewigkeit. Muß er nicht Zeugniß ablegen wider uns, daß wir den Bund schmählich gebrochen, daß viele nicht mehr seit jenem Tage zu ihm genaht sind, um Trost und Leben zu empfangen? So oft dieser Tisch gedeckt wird, so oft wir geladen werden zum heiligen Mahle, was will der gebrochene Leib, was will das vergossene Blut uns sagen? Nichts anderes denn daß wir Sünder sind, die der Vergebung bedürfen. Ihr Eheleute, ihr knietet einst auch vor diesem Altar, und gelobtet vor Gottes Angesicht, mit einander nach Gottes Befehl zu leben, Glück und Unglück in Gottesfurcht zutragen, und alle Liebe und Treue zu erzeigen, bis der Tod euch scheide, - habt ihr gehalten, was ihr versprochen, und wäre kein einziger, finsterer Tag in euerer Hausgeschichte euch bekannt? So oft ist euch das Wort Gottes hier von der Kanzel aus verkündigt worden, und wo ist seine süße Frucht? Wäre nicht auch unter uns das vierfache Ackerfeld, ja selbst in jedem Herzen zu finden? Zur Kirche gehört der Kirchhof - dort steht in untilgbarer Schrift: „Der Tod ist der Sünde Sold.“ Es gäbe keinen leiblichen Tod, wenn es keinen geistlichen gäbe, der da heißt Sünde. Aber Eines und das gewaltigste Zeugniß ist wider uns: Du Herr Jesu hiengest nicht hier in dieser Kirche am Kreuze, du trügest keine Dornenkrone, du wärest nicht ohne Gestalt noch Schöne, Du riefest nicht: „Vater vergieb ihnen,“ Du riefest nicht: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen,“ wenn wir nicht den Tod verdient den nur dein Tod heilt, Du suchtest uns nicht, wenn wir nicht verloren, wenn wir nicht gottverlassen, wenn wir keiner Vergebung bedürften - hier schaue her und hier bekenne du:

Ich, ich und meine Sünden,
Die sich wie Körnlein finden
Des Sandes an dem Meer,
Die haben Dir erreget
Das Elend das dich schlüget
Und deiner Martern großes Heer!

Zu jenen Zeugnissen der Schrift tritt als Mitklägerin deine eigene Erfahrung auf. Die vollen Zuchthäuser, die überfüllten Rettungshäuser, die böse Zeit, über die du selber klagst, die unnatürlichen Gräuel und Frevel, wie sie kaum aus dem Heidenthum greller hinauf rufen können; die heimsuchende Gerechtigkeit und der ernste eiserne Schritt der Gerichte Gottes in der Zeit, und die namenlose Angst, die Alle erfaßt bei dem Gedanken an das zukünftige Gericht - redet nicht das Alles, daß Sünde und Schuld vorhanden sei? Tief unten aber in dir, da redet eine Stimme, die will sich nicht übertönen und nicht einwiegen lassen, eine Stimme, die dem wahrhaftigen Gotte Recht gibt, die heißet Gewissen. Da drunten da blutet still gar manche heimliche Wunde die dir geschlagen worden, die du mit Pflastern des Welttrostes geheilt, die aber von Zeit zu Zeit aufbricht und auf's Neue schmerzt, wenn die Wetter Gottes kommen. Je zarter und reiner das Gewissen ist, um so gewaltiger Nagt es an, je gesunder dein Auge, um so mehr schmerzt jeder Staub drin. O Seele! willst du dich nicht gefangen geben unter dieser Bitte, die deine Schuld ausspricht, womit du dein gerechtes Urtheil über dich unterschreibst? Magst du vor Menschenurtheil bestehen - wen rufst du aber an in dieser Bitte, wer ist hier dein Richter? sind's arme Menschen? Nein, dein Gott und Vater, der in's Verborgene sieht und richtet ohne Ansehen der Person - bist du untadelich auch vor Ihm? Du rühmst dich deiner guten Werke und Tugenden, aber vor Ihm sind sie Spinngewebe, womit du deine Blößen deckst. Du möchtest um keinen Preis der Pharisäer sein, der vor den lieben Gott hinsteht und ihn mit seinen Tugenden unterhält - warum schämst du dich denn, der arme Zöllner zu sein, warum scheust du den Schlag nach deiner Brust? O, es kommt eine Stunde, da treten deine Sünden wider dich - ach glaube mir, wenn du dir so im Leben mißfielest, wie du dir im Sterben einst mißfallen wirst, du würdest aus der Tiefe heute beten: Vergib uns unsre Schulden!

Doch was rede ich, als könnte mein Wort dich überführen? Einer ist's, der dich erst erleuchten muß, ehe du deine Schuld erkennst. Einer ist's, der erst mit dem Lichte kommen muß, damit du die Finsterniß erblickst, in der du sitzest. Denn wo kein Licht ist, da wird man der Finsterniß nicht gewahr - und das ist der Geist des Herrn, der uns erleuchtet. Wen aber Er erleuchtet hat, der möchte verzagen, weil er nichts denn Finsterniß in sich sieht, dem rauschen seine Sünden über‘s Haupt wie Wasserwogen, daß da eine Tiefe und dort eine Tiefe brauset. Wer das heilige Licht des göttlichen Ernstes, wer die Wucht der göttlichen Barmherzigkeit gefühlt, die über ihm groß war von Jugend auf, der fühlt seine Sünden als Schulden, die er nicht bezahlen kann, dem werden sie zur Last, die ihn erdrückt, der fühlet sich so arm vor seinem Gott, der mit Recht Gehorsam und ein reines Herz verlangen kann - der weiß es, daß wo uns unsere Sünde nicht vergeben wird, wo nicht eine gnadenvolle Hand sie in den Abgrund des Meeres versenkt und sie nicht tilgt wie den Nebel, daß sie uns hinabziehen wird, als ein Mühlstein am Hals, hinab in die Tiefe des Gerichts, in eine schaurige Nacht des Zornes Gottes - wem so seine Sünden aufwachen, der kann mit weinenden Augen und seufzender Seele nur ein Wort sagen: Vergib! ach vergib Herr! Dem stehet aber auch dann diese Bitte offen als ein großer Zufluchtsort für alle Sünder. Denn Der lehret sie beten, der da gesagt: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen,“ und bei dem Herrn lehret sie anklopfen und bitten, der da geschworen hat: „So wahr ich lebe, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß er sich bekehre und lebe.“ Wer in die Tiefe der Sündenerkenntniß gegangen in dieser Bitte, der darf auch mit ihr in die Höhe der Erbarmung schauen; wer seine Schuld bekennt, der darf auch seine Zuflucht nehmen

2. Und glauben in dieser Bitte an Gottes Huld.

Ein großes Stück Arbeit des heiligen Geistes ist es, bis einmal ein Mensch dahin kommt, daß er seine Schuld erkennt, und weiter ist es ein Großes, daß er fühlt, wie sie ihn drückt. Denn viele Tausende schlafen, wie gottlose Schuldner ruhig in erborgten Betten, und essen verschuldet Brod ohne Unruhe; sind wie die tiefen Schläfer, die da schlafen, während ihr Haus bereits brennt. Da gilts ein starkes Rufen und Rütteln, bis Einer erwacht. Aber dann sollten wir glauben, es verstände sich von selbst, daß jeder sich aufmachte und vor die rechte Schmiede gienge zu dem Herrn, der ihm allein helfen kann. Aber bei dem alten Menschen, wenn er sich bekehren soll, versteht sich nichts von selbst. Auch das muß er erst lernen, wo die Vergebung ist, denn er sucht sie da, wo sie nicht zu finden ist. „Geradezu macht die besten Renner,“ sagt ein altes Wort, aber wer läuft gerate zu auf Den hin, der Sünde und Schuld vergibt? Da geht man lieber zu sich selbst, und sieht, ob man nicht fertig wird mit seiner Schuld. Da willst du selber einmal herunterhandeln an deiner Schuld. Du berechnest sie nicht so hoch und nimmst es leicht damit. Für die und jene Sünde bringst du allerhand Entschuldigungen, sprichst von traurigen Umständen in die du gekommen, von dem hitzigen Temperament, das dir so viel zu schaffen mache, schiebst Vieles auf Unwissenheit, nennst deine Sünden: Uebereilungen, schwache Stunden, Fehler und dergleichen, und ziehst das Alles ab von der großen Summe, so daß am Ende nichts mehr oder nur wenig bleibt. Du thöricht Menschenkind! werden schon in einem großen irdischen Hause, wo viel Geld aus- und eingeht, doppelte Bücher geführt, meinst du, Gott in seinem Haushalte führte das Seine nicht auch? Magst du in dem Buche deines Gewissens ganze Seiten herausreißen, oder einzelne Posten streichen und herauskratzen, in seinem Buche bleiben sie darin stehen, du hast dich selber nur betrogen. Oder bist du einer von den finstern Geistern, die wohl gar ihren Gott anklagen, daß er die Sünde gewollt, und daß der Mensch erst durch die Sünde zur Freiheit und durch das Böse erst zum Guten gelange? Das ist eine grobe Lüge, und dein Innerstes sagt dir dabei, daß du lügst, denn dein Gott ist ein heiliger Gott, und läßt sich von dir nicht zum Sünder stempeln. Oder bist du ein Schwarmgeist, der da vermeint, dieser Bitte nicht mehr zu bedürfen, da er völlig rein sei, und die Bitte um Vergebung dem Anfänger im Christenthum überlassen will? Wie, du wüßtest nichts von der Sünde, die uns „immerdar anklebt“? Oder du sprichst: „Ich will gut machen, was gut zu machen ist, ich will ein anderer Mensch werden, und dann zu Gott kommen“. Aber du kannst keine geschehene Sünde ungeschehen machen. Kann ein ungerathen Kind, das seinen Eltern den Herzstoß gegeben, ihnen schlaflose Nächte bereitet und ihre Haare gebleicht hat, kann es eine schlaflose Nacht ungeschehen machen? Was hast du zum Gutmachen? Etwa ein paar gute Vorsätze, ein Paar Almosen, die dir Gott zuvor gegeben, ein ordentlicher Wandel, den du Gott so wie so schuldig bist?

O, dein Herr heißt dich nicht beten: „Mache mich zu einem rechtschaffenen Menschen,“ sondern vor Allem „vergib mir die Schuld.“ Hat etwa der verlorene Sohn sich erst einen neuen Rock verdienen müssen, ehe er zum Vater kam, oder ist er nicht in seinen Lumpen gekommen und angenommen worden, wie er ging und stand? War nicht das bußfertige Herz die Hauptsache? Oder du fühlst deine Schuld und sie drückt dich zu Tode, und willst ihr und dir ein Ende machen mit deinem armen Leben? Dein Leib mag sterben, aber deine Seele nicht und deine Schuld nicht; und von der grausigen Ewigkeit, in die du ungerufen kommst, heißt es, daß dort ihr Wurm nicht stirbt, und ihr Feuer nicht verlischt!

Nein, Geliebte! Nur bei dem, an dem er gesündigt hat, kann der Mensch auch die Vergebung suchen, und Thorheit und Frevel ist es, zu sagen, daß man sich selbst seine Sünde und Schuld vergeben könne. Warum wehrst du dich zu ihm zu gehen?

O, es wallfahrtet der natürliche Mensch meilenweit barfuß und in härenem Gewande, er legt sich lieber alle Kasteiungen und Selbstpeinigungen auf, er sucht nach Trost da und dort - das Alles lieber, als daß er die paar Schritte geht in sein Kämmerlein und sich niederwirft und das „Vater ich habe gesündigt im Himmel und vor dir“ herausbringt. Und warum? Weil es hier gilt, sein Herz zu brechen und aufs Bitten sich zu legen, und Gnade zu begehren. Und das wird Einem sauer. Ach warum doch? Ja wenn hier ein unbeugsamer Richter wäre vor den du zu treten hättest, der dich mit seinem Blick zermalmte, von dem du von vornherein wüßtest, daß du bei ihm doch keine Vergebung zu hoffen hättest, da könnte ich es fassen daß du zagtest. Dennoch habe ich gehört, daß Leute den Muth fanden vor den erbittertsten Feind zu treten und um Gnade zu bitten. Ich sage aber mit David: „Ich will lieber in Gottes Hand, denn in Menschenhände fallen,“ Denn siehe! Wer legt dir denn diese Bitte in den Mund? Du dir selbst? Nein, des Vaters einig Kind lehrt dich also beten. Ist also nicht diese Bitte die süßeste, freundlichste Einladung an dich zu kommen? Kann es etwas Rührenderes geben, als wenn dein Gott dir selber die Worte vorspricht, die du nachsprechen sollst? Ja, wer lehrt dich beten, „Vergib uns unsre Schulden?“ Es ist der Herr, der da gekommen ist, deine Schuld zu tilgen, der sein Blut für dich vergossen, das dich rein macht von allen Sünden, der sterbend für dich gebetet und dir aus dem Grabe den Fried en mitgebracht hat. An Sein Herz hat er alle Mühseligen und Beladenen gerufen und gesagt: „Kommet her zu mir, Ich will euch erquicken.“ Und nun da er sitzet zur Rechten Gottes, vertritt er uns und ist, ob Jemand sündiget, unser gerechter Fürsprecher bei Gott, und darauf hin wolltest du's nicht wagen, zu beten: „Vergib?“ Steht denn nicht noch dazu am Anfang der süße Vatername Gottes? O, es ist uns, als ob wir in dieser Bitte die Worte hörten: „Und da sein Vater ihn von Ferne sah, jammerte ihn sein und lief ihm entgegen und fiel ihm um den Hals und küßte ihn!“ So lockt dich die Bitte selbst und zeigt dir den freien Weg, gibt dir selbst den Laufpaß und die Bittschrift mit, als stünde darauf: „An meines großen Gottes Huld und Gnade.“

Wer diese Bitte zum erstenmal recht gebetet hat, der hat seinen geistlichen Geburtstag wiederum gefeiert. Einmal hat er ihn ja schon gefeiert; das war in der Stunde, da das Wasser der heiligen Taufe ihm das Bad der Wiedergeburt wurde. Denn mit der Vergebung der Sünden beginnt das neue Leben. Denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit. In Paulo sing das neue Leben an, als er jauchzen konnte: „Mir ist Erbarmung widerfahren,“ und in Maria Magdalena, als „ihr viel vergeben war,“ und beim verlornen Sohn, als ihn sein Vater an's Herz drückte. Wohl mußt du einmal, daß ich so sage, um einen großen Generalpardon gebeten haben; aber diese Bitte öffnet dir zum täglichen Pardon die Thüre. „Denn wer gewaschen ist, der bedarf nur die Füße zu waschen,“ das heißt die Sünden des täglichen Wandels sich vergeben zu lassen. Das ist das Element, in dem er neu lebt: die tägliche Erbarmung und Gnade Gottes; das ist das Gnadenbrod, das er täglich in seines Vaters Hause essen darf. Und das reicht für Alle, für die Hungrigsten und Bedürftigsten ohne Unterschied. Ja für Alle ist Vergebung da. Ich sage das nicht umsonst. Denn es fehlen die Kains- und Judasgedanken nicht, die in finsterer Verzweiflung reden: „Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden könnte.“ Das Menschen Herz ist so trotzig auf der einen Seite, daß es nicht glauben will an die Größe seiner Schuld, und so verzagt auf der andern, daß es nicht glauben kann an die Größe der Gnade Gottes. Da zieht Mancher der mächtigen Gnade Gottes die Schranken und spricht: „Meine Sünden kannst du mir nicht vergeben, Alle können Vergebung haben, nur ich nicht.“ Als ob des Herrn Arm zu kurz sei, als ob Er seine Gnade nicht walten ließe über dir, so viel höher denn der Himmel über der Erde ist, und als ob der Spruch nicht stände im alten Bunde: „Wenn deine Sünde blutroth wäre, so soll sie dennoch schneeweiß werden;“ und nicht im neuen der andere: „Denn so uns unser Herz verdammt, so wissen wir, daß Gott größer ist, denn unser Herz.“ Heißt die Bitte denn etwa: „Vergib uns unsere kleinen Schulden?“ macht denn der Herr einen Unterschied unter ihnen? Wohl, ich kenne jene eine und einzige Sünde, die dem Menschen nicht vergeben wird. Wer die begangen hat, weiß selbst es nicht, und hat keine Sorge ihretwegen; das ist aber deine Sünde nicht, unruhige und bittende Seele! Vergiß es nicht, trauernde Seele, daß zu einem bußfertigen Mörder der Herr gesagt: „Wahrlich ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“

Ja siehe des Herrn Wort ist das sichere Unterpfand, daß wir wahrhaftig Vergebung haben. Denn da möchte wohl Einer sagen: „Woher weiß ich's denn und ist's gewiß, daß mir vergeben, ich suhle oft so wenig davon?“ Dem Herrn sei Dank, daß sein Vergeben nicht auf unser armes Empfinden und Fühlen gesetzt ist! Ach wenn der Eltern Liebe nicht weiter gienge, als ihr Kind davon empfindet und fühlt, wie arm wäre sie! nein, nicht unserm armen schwankenden Gefühl, das heute so und morgen so empfindet, vertraut der Herr diesen theuern Schatz der Vergebung an, sondern unserm festen Glauben an sein Wort. Glaube - und dir ist vergeben. „Dir geschehe wie du glaubest“ - nicht wie du fühlst, hat der Herr gesagt. „Laß dir an meiner Gnade genügen,“ sagt der Herr zu Paulo. Einen Vorschmack der Seligkeit, die in der Vergebung liegt, kann dir der Herr da und dort geben - sei's nun, daß diese Seligkeit und Gnade dich so überwältigt, daß sie dich stumm macht oder daß du ausbrichst in Jauchzen und Dankpsalmen - nicht an diesen Stunden, nicht an deinem Jauchzen, sondern an Seinem Wort und deinem Glauben hängt's. Darum werde Keiner irre. Größer denn deine Schuld, höher denn deine Gedanken und tiefer denn deine Empfindung ist deines Gottes Huld.

Diese Huld aber unseres Gottes lehret uns

3. Gegen den Nächsten Geduld.

Das will der Zusatz zu dieser Bitte sagen: „Als auch wir vergeben unsern Schuldigern,“ und Luther erklärt es in unserm Katechismus schlicht und kindlich: „So wollen auch wir wiederum herzlich vergeben und gerne wohlthun denen, die sich an uns versündigen.“ Es ist ein kindliches, heiliges Gelübde und Versprechen zunächst, was wir hier geben. Es ist das einzige Versprechen das der Herr im Vaterunser verlangt. Es gibt ja viele Gebete, die mit thörichten Versprechungen anfangen und endigen, als stehe man mit seinem Gott in einem Contract. Solche Gebete werden hier gerichtet und gestraft. Denn dies Versprechen und Gelübde kommt nicht aus einem pharisäischen Sinn, der vor seinen Gott hinsteht und mit ihm abrechnet und ihm sagt: „Vergib mir, den ich vergebe ja auch,“ sondern es ist ein seliges Dankopfer für die erfahrene Gnade. Wenn's stark regnet, so laufen die Tonnen unter dem Dach über; und wer viel Vergebung empfangen, der liebet dann auch viel. Zu dieser Bitte gehörten in jeden Katechismus drei Bilder gemalt. Ich meine jenes Erste: dasitzt ein König auf dem Thron, und vor ihm kniet zitternd und bleich Einer, der ihm zehntausend Pfund schuldig ist, und er hat nicht zu bezahlen. Und der König läßt sich erweichen und schenkt sie ihm. Und nun geht er weg und sein Angesicht leuchtet, und in den Augen glänzen noch die Thränen seiner Angst und Noth - und wir sollten nun renken, es käme das zweite Bild, wo er seinem Mitknecht um den Hals fällt und die hundert Groschen schenkt und kein Wort davon hören will - aber statt dessen ein trauriges zweites Bild: Er sieht den Mitknecht kommen, geht auf ihn zu und würgt ihn und will ihn in's Gefängniß werfen, bis er alles bezahle. - Nicht wahr, das ist ein schwarzes Bild gegen jenes erste? Darum kommt auch das Dritte, wo der König sein Wort wieder zurücknimmt, und die Vergebung wieder aufhebt. Nun siehe: Mit dem Worte „vergib uns unsre Schulden“ sind wir vor den König getreten - er hat uns die Schuld erlassen. So wenig als bei jenem Schuldner hat er bei dir die Bedingung hinzugesetzt: „Du mußt aber zuerst vergeben,“ Nein, er vergibt zuerst, damit du in der Kraft der empfangenen Vergebung hingehst und auch vergibst. Das soll die Frucht seiner Vergebung, das Zeichen sein, daß du sie wirklich empfangen hast, wenn du deinem Bruder vergibst. Das ist dein williges und nicht erzwungenes Dankopfer, das du nun darbringst, und darum sprechen wir so zuversichtlich, als hätten wir schon vergeben: „Wie wir vergeben unsern Schuldigern,“ als sei's nicht anders möglich.

Und zwar sollst du vergeben wie Gott vergibt. Sieh, er vergibt Jedem, und zwar nicht einmal, sondern unermüdlich, und wir? ach wir machen so großen Unterschied, wir theilen die Vergehungen, Schmähungen und Beleidigungen gegen uns ein in solche, die man etwa vergeben kann, und in andere, die man nicht vergeben darf, weil man dadurch seiner Ehre schadet! Wir wollen auch wie Petrus sagen: Herr, ist's genug, daß ich siebenmal vergebe? Wir wollen uns notiren, wie oft wir vergeben haben, und dann einen Strich machen und sagen: So, jetzt ist's genug! Soll dein Gott auch so mit dir verfahren? oder möchtest du denn nicht lernen in dieser Bitte vergeben, wie dein Gott vergibt? Er, der Herr vergibt bereitwillig. Uns muß man erst dazu bringen durch allerhand Mittel. Wir wollen uns einmal eine Weile erst besinnen, ehe wir vergeben; da muß einer nach dem andern erst hinter uns geschickt werden, der uns Gründe vorbringt und gutspricht - der Herr aber sucht den Sünder auf, um ihn zur Umkehr, zur Versöhnung einzuladen, um ihm die Süßigkeit derselben vor Augen zu stellen, er will uns das Wort selbst auf die Lippen legen, wodurch wir um Vergebung bitten lernen. Wolltest du nicht auch den ersten Schritt entgegen thun deinem Schuldiger? Oder meinst du, das dürftest du nicht thun, du vergäbst dir Etwas, oder du machtest deinen Feind nur hochmüthig dadurch und bestärktest ihn in seinem Unrecht? Mein Christ, woher weißt du das? Weißt du denn, wann die feurigen Kohlen deinem Feinde anfangen zu brennen? Wenn sie nicht gleich brennen, so warte doch - und wenn sie erst nach deinem Tode zu brennen anfingen! Lerne vergeben, wie dein Gott vergibt, so bereitwillig und auch so rein und ganz und so völlig wie er. Wenn wir vergeben, so ist's gar oft deswegen, weil's eben mit unserm Vortheil zusammenhängt. Es ist uns unangenehm, mit Jemanden auf einem gespannten Fuße zu leben. Oder es ist Jemand, der uns sehr schaden könnte und hinderlich sein am Fortkommen - wie schnell sind wir da zum Vergeben und Friedehalten geneigt! Die Hand auf's Herz gelegt, geliebte Freunde! ist's wirklich bei unserm Vergeben immer Christi Geist, das Gefühl der eigenen Schuld und die Erfahrung der göttlichen Vergebung, die uns willig macht zu vergeben? Sogenannter Anstand und Bildung, Klugheit und Eigennutz und so weiter, die thun das Ihre zumeist dabei und nicht selten steht hinter unserer Vergebung der Pharisäer, der den Hut vor sich selber abzieht und spricht: „Das ist doch einmal schön von dir gewesen! Ich danke dir Gott, daß ich doch nicht bin wie der, dem ich eben vergeben habe,“ Siebe, wie anders Gottes Vergebung! Er bedarf keines Menschen, freie, reine Liebe ist's, die da vergibt. Du bittest aber auch hier, daß dir der Herr es gebe, so völlig zu vergeben, wie Er. Siehe, ich tilge deine Missethat wie einen Nebel - ich will ihr nicht mehr gedenken - so spricht der Herr, wenn von seiner Vergebung die Rede ist. Er thut seine Hand weit auf, Er löscht die Schule ganz aus und wir? O für die eigene Sünde haben wir ein so schlechtes Gedächtnis), und für die fremde Sünde ist es so treu. Da reden wir so viel von dem „im Herzen hab' ich vergeben, aber ich mag nichts mehr mit ihm zu thun haben,“ oder daß man wohl vergeben aber nicht vergessen könne - was heißt das Alles anders, als mit der einen Hand geben und mit der andern wieder nehmen? Wolltest du, daß Gott dir so vergibt? Nicht umsonst sagt der Herr: daß wir von Herzen vergeben sollen einem jeglichen seine Fehler, das heißt also nicht blos im Herzen, sondern von Herzen.

Aber, lieben Freunde, es liegt noch etwas Anderes in diesem Zusatz, als blos die süße Frucht der erhaltenen Vergebung. Man hat diese Bitte nicht umsonst die „gefährliche Bitte“ genannt. Ein unversöhnlich Herz bittet sich den Fluch damit auf den eigenen Kopf. Denn Gottes Vergebung kann eben nur da haften, wo der Mensch vergibt. Begibst du nicht, so geht dir's wie dem Schalksknecht, auf den die ganze alte Schuld wieder zurückgewälzt wurde, der Alles bis auf den letzten Heller bezahlen mußte. Nun stand es schlimmer als vorher. Ist dir's nicht Ernst mit dem „wie wir vergeben unsern Schuldigern,“ so nützt dich die Bitte „vergib uns unsere Schuld“ rein nichts, ja noch mehr, du forderst Gott heraus, an dir ein Gleiches zu thun. Welch schauerlich Gebet! Jedes Vaterunser, das du darum Morgens oder Abends betest, ist eine Gewissensfrage an dich, ob du nicht eingedenk wirst allda, daß dein Bruder etwas wider dich habe? Es ist ein aufgehobener Finger deines Gottes, es ist ein Stachel, der dich treibt zu eilen mit der Vergebung „so lange du noch bei ihm auf dem Wege bist.“ Entweder er oder du kommen plötzlich vom Wege und dann? Gedenke daran: Ankommen vor Gottes Thron und eine Feindschaft mitbringen? Wie wär's wenn du wüßtest, daß du in vier Wochen sterben müßtest? Was würdest du thun? Würdest du nicht auch zum bittersten Feinde gehen und um Vergebung bitten? Wer sagt dir aber, du Thor, ob der Herr nicht heute Nacht deine Seele von dir nehmen wird, und wo ist deine Vergebung? Vergib uns unsre Schuld - hast du in diesen Worten nicht schon die starke Erinnerung daran, daß dir der Herr die Bitte für den Nächsten auf die Lippen gelegt, ja auch die Bitte für den Feind - und du wolltest sie wieder Lügen strafen durch deine Unversöhnlichkeit? in einem Athemzuge segnen und fluchen?

Nicht also, lieben Freunde! Laßt diesen Nachsatz uns nicht zum Gericht, laßt ihn uns zum Segen, zum Troste werden. Zum Troste sage ich: denn siehe, deine Vergebung soll dir ein sicheres Pfand sein der Vergebung deines Herrn. Will's dir vorkommen, als ob Gott dir nicht vergeben wolle: schau auf deine Vergebung! Kannst du vergeben, du armes liebeleeres Herz, wie viel mehr kann dein reicher Gott dir vergeben! Darum sagt Luther: „Vergibst du, so hast du den Trost und Gewißheit, daß dir im Himmel vergeben wird, nicht um deines Vergebens willen, denn Er thut es frei und umsonst; sondern daß Er uns Solches zur Stärke und Sicherheit als zum Wahrzeichen setze neben der Verheißung, die mit diesem Gebote stimmt: Vergebet, so wird euch vergeben,“ und abermal: „So ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben.“ -

Meine Freunde! Im Anfange der Predigt haben wir diese Bitte zusammengebunden mit der vierten und gesagt, daß die Vergebung der Sünden das tägliche Brod der Seele sei. Es kommt im Leben die Zeit und Stunde, da brauchen wir kein irdisch Brod mehr, wir können's dann vielleicht nicht einmal mehr ertragen. Dann wird uns die Bitte um's geistliche Brod recht werth. Sie ist eine rechte Sterbebitte und ach, sie wird bei vielen Tausenden nur zu spät aufwachen. Im Arme liebender Menschen, denen man die letzte Abbitte gethan und die man völlig der Vergebung versichert, ist's lieblich, selig aber ist's im Arm der vergebenden und tragenden Liebe Gottes einzuschlafen. Nach beiden greifst du. „Ich kann nicht ruhig einschlafen, wenn ich nicht zwei Gefährten bei mir habe, um die ich den Arm schlinge,“ sagte einst ein erfahrener Christ. „Das eine ist mein Heiland mit seiner Vergebung, der liegt im einen Arm, und das andere ist mein Nächster dem ich vergeben und er mir, der liegt im andern, so schlafe ich still und ruhig.“ So schlafe auch du ein - heute und einst in der letzten Nacht! Amen.

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