Zuletzt angesehen: 7) Fernere Unruhen daselbst

7) Fernere Unruhen daselbst

Die Dreistigkeit der Wiedertäufer wuchs bei dem schläfrigen Gange der Policey und den ungestörten glücklichen Fortschritten, die sie von Woche zu Woche machten, immer mehr und mehr. Sie maßten sich gewissermaßen jetzt das Apostel-Amt an, und weil sie sich in der jetzt neuerrichteten, vom Pabstthume getrennten Kirche, als die ersten und vornehmsten Stützen betrachteten, glaubten sie auch, daß es ihnen zustehe, den Befehlen Christi nachzukommen, wenn er spräche: Gehet hin in alle Welt, und lehret u.s.w. Sie liefen daher vor das Thor hinaus, in die umliegenden Dörfer und Flecken und predigten. Die Begierde mit welcher das Wolk einige Jahre früher den eleganten Canzelredner Hubmeyer gehört, hatte in Manchem die Lust erzeugt, sich auch zum Lehrer aufzuwerfen; hatte einer nur ein gutes Mundstück, und eine starke Dosis Dreistigkeit, so hielt er sich zu einem Volksredner oder Feldprediger bestimmt. Daher begaben sich einige nach Goldach, welches gegen Morgen, andere nach Teufen, welches gegen Mittag, wieder andere nach Oberdorf und Gossau, welches gegen Abend, und noch andere nach Kapel-Freidorf, welches gegen Mitternacht lag, um die dasigen Einwohner zum Reiche Gottes einzuladen.

Ihr erstes Geschäft, so oft sie in eine Gemeinde kamen, war, die Prediger des Ortes bey dem Volke verhaßt zu machen, und sich in Credit zu setzen; sobald sie entfernt waren, konnten sie um so ungehinderter ihre schwärmerischen Grundsätze verbreiten, und schwache Gemüther in ihr Netz ziehen. Dies geschah unter andern zu Teufen, im Kanton Appenzell, wo Johannes Krusi, ein verwegener Mensch, sich zum Volkslehrer aufgeworfen, und es mit seinem Geschwätz dahin gebracht hatte, daß die Gemeinde ihren ehrwürdigen und wohlgelehrten Pfarrer Jakob Schurtanner, absetzten. Dies schmerzte den würdigen Greis, der seiner Gemeinde so treulich vorgestanden, und im Werke der Reformation nicht ohne große Sorge, Mühe und Anstrengung die Pfade des Evangelii gebrochen hatte, so sehr, daß er bald nach dieser erfahrnen Kränkung in eine gefährliche Krankheit verfiel und starb. Wie selbst Ulr. Zwingli diesen treuen Seelenhirten geschätzt habe, ergiebt sich aus dem Umstande, daß er ihm seine neu erschienene Schrift: Der Hirt, zueignete.

Wenn das Wiedervergeltungsrecht im Leben eines Menschen selten ausbleibt und mancher Bösewicht noch in der Zeit seinen verdienten Lohn erhält, so erhellet dies auch aus dem traurigen Ende des vorhin genannten J. Krösi. Er stammte von St. Georgen, bei St. Gallen, und wohnte auch daselbst; einstmals wurde er in der Nacht von dem Hauptmann des Abts, Melchior Tegen von Schwyz, und seinen Helfershelfern, unversehens im Bett überfallen, nach Luzern geführt, und daselbst wider Landes-Gewohnheit und Sitte, zum Feuer verurtheilt.

Die wiedertäuferischen Lehrer, die ungescheut und ungehindert ihr Wesen forttrieben, schlugen nun ihr Lager an mehrern Orten in und vor der Stadt auf. Einige predigten unter der Linde vor dem Multerthor, andere in der Schießhütte, wieder andere auf freiem Felde und in Wäldern, wo sie alle Abende, und allezeit nur über eine und eben dieselbe Materie, nämlich: wider die Kindertaufe, eiferten, wie sie von Christo nicht eingesetzt, und von den Aposteln nie gebraucht, sondern von den Päbsten ohne Grund erdichtet worden sei. Denn da es bloß in der heiligen Schrift von den Gläubigen heiße, daß sie getauft werden sollten, so könne dies ja unmöglich von den Kindern zu verstehen seyn, die mehr schreien als glauben könnten. Man sollte daher mit der Taufe so lange anstehen, bis ein Christ bei heran wachsendem Alter durch eigenen Trieb, die heilige Taufe verlange, oder so er in seiner Jugend schon getauft worden wäre, nun wieder getauft würde.

Mit diesen Meinungen waren sie auch so glücklich, daß die Leute schaarweise nach St. Gallen liefen, um die Wiedertaufe zu empfangen, so daß das Taufhaus die Menge der Tauflustigen nicht mehr fassen konnte. Man nahm daher seine Zuflucht zu den Bächen, und zog hinaus an die Sitter, zu welcher an den Sonntagen ein solcher Zulauf war, daß wie Fridolin Sicher, von Bischofzell (Organist am Seifs-Münster zu St. Gallen und Caplan bei St. Jakob), ein Augenzeuge versichert, ihr Zug einer Procession ähnlich sah.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/f/franz_jf/kapitel_7.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain