5) Die Wiedertäufer greifen in St. Gallen weiter um sich

Keßler, der ohnehin kein Freund von Streitigkeiten war, zog sich aus der Sache, und ließ diese Angelegenheit ruhen. Nun trug sich aber zu, daß Wolfg. Ulmann, der unterdessen die Bekanntschaft des Hochreutener, - wie wir oben gemeldet, - gemacht, und sich in die schwärmerische Lehre der Wiedertaufe vertieft hatte, von seiner Reise nach Schafhausen, wo er die Wiedertaufe erhalten, zurück gekommen war; dieser rühmte sich großer Heimlichkeiten und Offenbahrungen, die er auf seiner Reise empfangen hätte, und gab sie für den wahren Grund der Gerechtigkeit und des Heils aus. Viele von seinen Zuhörern wurden durch seine Heimlichkeiten ganz hitzig und durstig, und wünschten gleichfalls davon unterrichtet zu werden.

Es war am 18ten März 1525 als sich auf der Weberzunft eine große Menge christlicher Freunde in der Meinung versammelten, den bemeldten W. Ulmann zu bitten, daß er dem Dominikus Zili, Schullehrer, helfen wolle, die Vorlesung in der Kirche zu halten, um den Grund der Seligkeit zu erfahren. Ulmann trat aber alsbald mitten unter die Brüder, und rief mit heller Stimme, der himmlische Vater habe ihm eingegeben, er solle sein Wort nicht in der Kirche - wo sich damals noch die Heiligenbilder befanden - von der Canzel verkünden, weil in dem steinernen Gebäude noch keine Wahrheit sey gesagt worden, und auch noch keine gesagt würde. Wünsche man aber seine biblischen Erklärungen anzuhören, so sey er bereit am Markt, auf dem Brül oder irgendwo, das ihnen zu offenbahren, was ihm der himmlische Vater eingeben werde. Ueber diese Worte entsetzten sich die christlichen Freunde, und hielten über den Gegenstand Umfrage. Einer unter ihnen bemerkte: man sollte wohl bedenken, daß die Obrigkeit ihnen im vorigen Jahre zum Behuf ihrer Vorlesungen die Kirche eingeräumt habe, und daß es leichtfertig seyn würde, wenn sie sie wieder verlassen, und an andern gemeinen Orten zusammen kommen wollten. Wieder ein anderer gab sein Befremden zu erkennen, daß Ulmann so unbesonnene Reden ausstoße, er habe doch noch nie gehört oder gelesen, daß die Apostel das Vlk nach ihrem Gefallen, die Predigt zu hören genötiget hätten, sondern man habe sich glücklich geschätzt ein gutes Plätzchen zu finden, da man seine Andacht in ungestörter Ruhe habe verrichten können, es hätte mögen im Tempel, in der Synagoge, oder irgendwo seyn. Ulmann aber verharrete auf seiner Rede, und die ihm anhiengen, entschlugen sich des Gotteshauses, als vor einer Lügenstätte, rotteten sich zusammen in den Häusern, auf Bergen und in Wiesen, hielten die übrigen, welche dies nicht nachthaten für Heiden, sich aber für die christliche Kirche; - und so entstand die erste Spaltung unter den Evangelischen in St. Gallen.

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