Forstmann, Johann Gangolf Wilhelm - Sechste Betrachtung.

Forstmann, Johann Gangolf Wilhelm - Sechste Betrachtung.

Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!
Joh. 19, 30

Ist auch etwas, das unsre Aufmerksamkeit mehr verdienet, als dies sechste Wort unsers sterbenden Heilands? Es ist ein majestätisches Wort; ein Wort, von dem unsre ganze Seligkeit herstammet in Zeit und Ewigkeit; ein Wort, auf welches man beinahe 4000 Jahre mit großem Verlangen in der Welt gewartet hat; ein Wort, in welchem wir die ganze Reihe der göttlichen Aussprüche, mit denen der Herr seine Kirche vom Morgen der Welt an begnadiget, erfüllet finden; - ja ein Wort, das uns die ganz unergründliche Fülle der Gnade aufschließet.

Es ist vollbracht! ruft der erblassende Mund des Erlösers. Sein Werk auf Erden war zu Ende. Ich habe die Ehre Gottes auf Erden hergestellet, spricht er; ich habe alle Arten der Leiden, die mir bestimmt sind, durchgangen; ich bin mit der Taufe, davor mir so bange war, getauft; ich habe den Kelch des Leidens ausgetrunken. Durch mein Blut ist die beleidigte Gerechtigkeit zufrieden gestellet. Das Joch des starken Gewaffneten ist zerbrochen. Die Vergebung der Sünden ist der ganzen Welt erworben. Ich habe Alles vollbracht, was zur vollkommenen Erlösung und Seligmachung der Menschen gehöret. Ich habe gut gemacht, was verdorben war.

Es ist vollbracht! Vollendet ist Alles, was geschrieben ist durch die Propheten von des Menschen Sohne. Es ist kein Titel zurück geblieben, kein Buchstabe in der heiligen Schrift von meinem Leiden zu finden, der nicht an mir erfüllt wäre.

Wann wollten wir fertig werden, dafern wir Alles, was die heiligen Weissager von dem Messias vorher verkündigt, anführen wollten? Wie heißt die Schrift des alten Testaments, in welcher nicht von ihm geredet wird? Nennt uns den Propheten, dessen Griffel nicht von ihm geschrieben hat!

Was war der hohe Versöhnungstag der Juden, welcher alle Jahre einmal mit ganz besonderen Ceremonien und Opfern gefeiert, und da durch den Dienst des Hohenpriesters die Sünde des Volkes vertilget und versöhnet wurde, anders, als eine Abschaltung des großen Tages, an welchem der Heiland der Welt mit einem Opfer die Sünde der Erde tilgen, die Missethat aller Menschen versöhnen und wegnehmen sollte?

Tempel, Bundeslade, das Allerheiligste, Levite, Hohepriester, Isaak, der das Holz auf dem Rücken trägt, um als ein gehorsamer Sohn seines Vaters sich schlachten zu lassen, das Osterlamm, dessen Blut den Würgengel von den Häusern der Israeliten abhält: weiset das Alles nicht auf den Mann der Schmerzen, an dem jetzt Alles vollbracht ist? Nun ist der Kelch ausgeleeret. Es ist nichts mehr übrig. Es ist vollbracht. Das Opfer ist auf allen Altären geopfert, auf dem Altar der Erde, im Garten Gethsemane, auf dem Altare des Holzes am Kreuze. Alle Weissagungen sind vollbracht.

Nun aber sind wir auch mit diesem Worte gewiß und wahrhaftig versichert, daß Alles getilget ist und sein Ende erreicht hat, was wider uns war, was uns verdammte, was uns unglücklich machte.

Die Sünde war unser Verderben. Alles Unheil, das den Erdboden bedeckt, rührt von derselben her. Paulus nennt sie Col. 2, 14. die Handschrift, die wider uns und uns entgegen war, welche wir mit eigener Hand geschrieben hatten, die der Grund und die Ursache unserer Verdammung war. Wenn wir unsere Augen zu Gott aufheben wollten, so stand sie uns entgegen. Der Heiland hat sie, als ein Werk des Teufels, zerstört, 1. Joh. 3. 8. Er hat durch sein Leiden und Sterben die Sünden der Welt ausgetilget, - er hat die Handschrift, die uns anklagte, ausgelöscht.

Es ist vollbracht! Die Missethat ist vertilget, wie eine Wolke, und die Sünde, wie der Nebel. Jes. 44, 22. Sie ist nun aus dem Mittel gethan. Die Sünden liegen nicht mehr auf der Welt. Der sterbende Mittler, der sie auf sich genommen, hat sie wie eine schwere Last getragen. Das Lamm Gottes hat sie weggetragen. Er hat sie ans Kreuz geheftet, wo wir ihre Vertilgung und Vernichtung öffentlich sehen können. Nehmet zum Beweise dieser Wahrheit das Wort: Es ist vollbracht. Das Gesetz war wider uns. Es versprach uns zwar das Leben, doch unter dem Bedinge, daß wir Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften, von ganzem Gemüthe und unsern Nächsten als uns selbst lieben sollten. Weil aber das in die Welt eingedrungene Verderben alles Fleisch außer Stand gesetzt, ja ganz untüchtig gemacht hatte, einen solchen vollkommenen Gehorsam zu leisten, so drückte daher der Fluch alle Seelen der Menschen. O wir Elenden! wo blieben wir? was hielten wir dem Gesetze und dem Tode vor, wenn wir das Wort nicht hätten: Es ist vollbracht! Der Herr des Gesetzes wird ein Diener desselben. Er erfüllet dessen Forderungen an unsrer Statt; er liebt seinen Vater von ganzem Herzen und von ganzer Seele; er thut, was ihm gefällig ist. Er verkläret ihn auf Erden, und vollendet das Werk, das ihm gegeben war, daß er es thun sollte, Joh. 17, 4. Er verzehret sich als ein Brandopfer in seinem Dienste, und in dem Eifer für seine Rechte. Seine Nächsten aber, Freunde wie Feinde, liebt er nicht mehr als sich selbst, denn er lässet sein Leben für dieselben. Wir lagen unter dem Fluche, er tritt an unsre Stelle, und lasset sich als den ärgsten Uebelthäter ans Holz hängen, an welchem er, wie ein von Gott und Menschen Verfluchter, ja wie ein Anathema und der Fluch selbst anzusehen ist. Damit büßet er unsern Fluch, und nimmt denselben weg. Er ehret also das Gesetz. Er erscheinet nicht, dasselbe aufzulösen, sondern zu erfüllen. Und damit macht er uns von der Pflicht, durch des Gesetzes Werke gerecht und selig zu werden, auf ewig los. Sobald wir in ihm erfunden werden, kann uns das Gesetz nicht mehr als Feinde verfolgen. Alsdann ist es nicht wider uns. Um des Wortes willen: es ist vollbracht! werden wir angesehen als Leute, die Alles gethan und erfüllt haben, was sie zu thun schuldig waren. Der Fluch ist weg und schadet uns nicht. Der Zorn Gottes ist gestillet. Wollte sich Jemand noch vor dem Teufel fürchten, so liegt in eben diesem Worte die Gewißheit, daß demselben die Macht genommen ist. Der Teufel hatte die Macht des Todes in Händen; allein, da der Stärkere über ihn gekommen, so hat derselbe diesen Feind unsrer Glückseligkeit gestürzet. Der Fürst dieser Welt ist gerichtet. So viel hat das Wort auf sich: Es ist vollbracht! und wer wird sich unterstehen, dessen Tiefen zu ergründen?

Hat nun der Heiland Alles vollbracht, so können wir uns auch fest darauf verlassen, daß Gott mit dem blutigen Gehorsam seines Sohnes, unsers Herrn, vollkommen zufrieden sei, und zur Bezahlung für unsere Sünden weder von ihm noch von uns das Geringste mehr fordere. Weicht, Schreckgespenster! Schweigt, Feinde unserer Seelen! oder beweiset erst, daß der Heiland einen einzigen Heller an unsern Schulden uns abzutragen übrig gelassen hat! Beweiset, daß er die Wahrheit nicht geredet, da er rief: Es ist vollbracht! Alsdann erst könnt ihr eure Klagen gegen uns aufs Neue vor Gericht anstellen.

Wir freuen uns indessen über unsere Vollendung, deren wir durch dies Wort versichert sind! Das ist die Grundfeste, darauf unser Glaube ruhet! So nahet sich der Glaube mit Freudigkeit zu seinem Priester am Kreuze. Was sollte mich anklagen, spricht er, bin ich doch von dir selbst absolviret? Meine Schuld ist ja abgeführt. Wer will verdammen, da du mich für gerecht erklärest? Wenn meine Seel' den Tag bedenket, da meine Sonn' zur Nacht geeilt, da sich mein Arzt zu Tod' gekränket, da seine Wunden mich geheilt, da er sein letztes Wort gesprochen, da meinem Haupt das Herz gebrochen, so nehme ich dies Opfer an, das mich allein versöhnen kann. Der Schluß ist richtig: Weil der Heiland gestorben, so sind wir nicht mehr in unsern Sünden. Wir werden vor dem Gerichte Gottes als eitel Gerechte angesehen. Nachdem wir mit Gott versöhnet sind durch den Tod seines Sohnes, so können wir allen Feinden, die uns unsere Missethaten vorwerfen, getrost antworten: Sie sind bezahlt durch des Lammes Blut! Woher wissen wir das? Hier ist sein Wort: Es ist vollbracht! Das ist der unumstößliche Grund unserer Zuversicht und vollen Freudigkeit.

Das bleibt ohne Aufhören die Losung seines Volkes: Allein zu Dir, Herr Jesu Christ, mein Hoffnung steht auf Erden; ich weiß, daß du mein Tröster bist, kein Trost mag mir sonst werden. Auch in unsern letzten Stunden befehlen wir uns getrost dem, an welchen sich Stephanus wandte. Das Wort: es ist vollbracht! führet uns sicher in die künftige Welt. Zum Eingange in das ewige Reich unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi wird auch nichts mehr erfordert, als was nun vollbracht ist. Dies Wort ist das fürstliche Siegel, das unter der Versicherung: Wir sind Erben Gottes und Miterben Christi (Röm. 8, 17.), als unter einem offenen Briefe stehet. Jesu Wunden sind der offene Brief, in welchem die künftige Glückseligkeit uns verschrieben ist; dies Wort ist das Siegel, damit ja nicht der geringste Zweifel bei uns Platz habe. Dies Wort macht es, daß wir muthig durch die Welt gehen, mit einem Herzen, das weder furchtsam noch traurig ist, aufstehen und uns niederlegen, uns freuen, wenn wir das Krachen unsrer Hütte fühlen, wenn der Arzt verzagt, und keinen Rath mehr weiß, ja daß wir unser Heimweh nicht zurück halten können, so bald man uns zu verstehen giebt, daß keine Hoffnung zu unserm hiesigen Aufenthalte länger übrig sei.

Die Augen schließen sich, und die Seele geht mit diesem Gedanken voll Glauben und Hoffnung in die Ewigkeit. Und wie? Kann sie betrogen werden? Wird sie es jetzt anders finden, als sie hier geglaubt und gehofft hatte? Da sie von ihrem Herrn und Haupte verlanget, daß er ihr um seines Verdienstes willen eine Wohnung, ein Plätzchen in seines Vaters Hause anweisen möge, um deß willen, weil er ihr Heiland ist, weil er Alles vollbracht hat, wird es ihr da versagt werden? Wer wollte das gedenken? Sehet da das Siegel unsrer Hoffnung!

Liebe Seelen! So lasset uns denn wahrnehmen des Wortes, das wir hören. Es ist vollbracht! Das ist ein theuerwerthes und unsrer Aufnahme würdiges Wort.

Woher kommt's aber, möchte man fragen, daß gleichwohl so viele erlöste Menschen, für welche Alles vollbracht ist, in Sünden sterben und an Leib und Seele verderben? Daß wir geborne und wirkliche Sünder und Uebertreter des Gesetzes sind, kann die eigentliche Ursache nicht sein. Denn wie heißt der Mensch, der unter diese Zahl nicht gehörte? Haben wir nicht Alle gesündigt? Röm. 3, 12.

Wenn Manche unter uns nur aufrichtig mit sich umgehen und sagen sollten, wie es ihnen im Herzen wäre, so müßten sie bekennen, daß sie nicht glauben. Wahrhaftig glauben: Gott ist um meinetwillen ein Mensch geworden, hat all das tausendfache Elend von der Krippe bis zum Kreuze getragen, hat gar die Noth geschmecket, die die Verdammten quälet, hat sich's so unendlich viel kosten lassen, ehe er sagen konnte: Es ist vollbracht! - das, sagen wir, wahrhaftig glauben, und dabei doch in Untreue, Undank und Ungehorsam gegen einen solchen Gott, in Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit gegen seine Marter und Wunden beständig fortgehen, die Welt lieb haben und was in der Welt ist, in Dingen sein Vergnügen suchen, die den Sohn Gottes in solche Umstände gebracht, ein Sclave der Augenlust, der Fleischeslust und des hoffärtigen Wesens bleiben; gehet das an? Nein! Es fehlet den armen Leuten an Glauben!

Doch wir sehen auch Seelen unter uns, die wirklich um ihr Heil bekümmert sind, die sich daher beeifern, das Böse zu lassen, und die Pflichten, welche ihnen das Gesetz des Herrn vorschreibt, aus aller Macht, so viel an ihnen ist, zu erfüllen.

Wir sehen euch in einer schönen Gestalt. Es ist wahr: dem äußerlichen Ansehen nach seid ihr besser als eure gottlosen Brüder. Wer euch kennet, der muß gestehn: ihr jaget einer Gerechtigkeit nach. Ihr trachtet darnach, daß ihr durch die enge Pforte möget eingehen. Ihr seid nicht gleich dem Faulen, der es bei guten Wünschen bewenden lässet, und darüber stirbt, sondern ihr zerarbeitet euch in der Menge eurer Wege, und daher höret man aus eurem Munde so viele Reden vom Kampfe, mühsamen Streite, Selbstverleugnung, Kreuzigung des Fleisches, und andern unzähligen Beschwerden, die euch das Leben bitter und verdrießlich machen. Und warum bemühet ihr euch so viel und mancherlei? Was ist die Ursache aller eurer Plagen? Gehet heraus mit der Sprache! Ist es nicht die? Ihr wollt Gott versöhnen. Ihr wollt es dahin bringen, daß euch Gott gnädig sei. Ihr wollt eure Seelen retten. Wir wünschten alle, die uns hören, in den Umständen zu sehen, daß man von ihnen sagen könnte: Die Leute denken weiter, als auf diese kurzen Tage, die sobald dahin schwinden. Allein, der Weg, den ihr wählet, ist ein Irrweg. Und die Quelle, aus welcher alle eure saure Bemühungen herfließen, ist keine andere, als die in eurem Herzen liegende Feindschaft gegen den Heiland und sein Kreuz.

Gott hat es förmlich beschworen, daß sein Sohn, - hört ihrs! - sein Sohn soll Hoherpriester sein. Gott hat ihm das Amt eines Mittlers selbst aufgetragen, und ihn in demselben ewig bestätiget. Der Heiland tritt in seinen letzten Stunden vor seinen Vater, und vor euch, und ruft: „Es ist vollbracht. Ich habe Alles vollkommen ausgerichtet.“ Eure gottlosen, noch im Schlafe liegenden Brüder achteten darauf nicht. Ihr aber beweiset mit eurer ganzen Heiligkeit, daß ihr Feinde von seiner Genugthuung seid, daß ihr den Schwur Gottes zu entkräften und die Lippen des sterbenden Mittlers der Unwahrheit zu beschuldigen suchet. Er ist ein Opfer für uns geworden, und ihr machet euer Lager auf einem hohen und erhabenen Berg und gehet daselbst noch hinauf zu opfern. Jes. 57,7. Er hat sich müde gearbeitet in euren Sünden und hat sie weggebracht. Ihr solltet nichts thun, als ihm zu den Füßen fallen, dieselben mit Thränen netzen, ihn euren Herren nennen, und aus Gnaden und Erbarmen, um seiner Wunden willen, Vergebung der Sünden von ihm erwarten. Gott ist versöhnt! lieben Seelen! Was soll denn die Frage: Womit soll ich den Herrn versöhnen? Mit Bücken vor dem hohen Gott? oder soll ich meinen ersten Sohn für meine Uebertretung geben? oder meines Leibes Frucht für die Sünde meiner Seele? Mich. 6,6. 7. Sie ist vergebens. Es ist vollbracht. Wollt ihr selbst noch etwas vollbringen? Das heißet das Mittleramt des Heilandes beschimpfen, die Vollgültigkeit seines Verdienstes kränken. Und so könnt ihr kein Theil behalten in der Gemeine des Herrn. Mich. 2, 5. Seine Hand hat gesieget wider alle eure Widerwärtigen, daß eure Feinde ausgerottet sind. Und ihr stellet euch nicht anders an, als ob noch keiner besieget wäre, sondern ihr sie erst vertilgen müßtet. Ihr jaget der Gerechtigkeit nach, aber einer falschen Gerechtigkeit. Besinnet euch! Kehret um, damit ihr erfahret, was es heißet: Glauben an den, der die Gottlosen selig macht!

Wenn ihr aus den Augen der Ruchlosen Thränen fließen und sie ihre bisherige Blindheit beweinen sehet, so fliehet sie nicht. Macht Gesellschaft mit ihnen und beweinet eure Heiligkeit. Eure Gerechtigkeit ist durch das sechste Wort der sterbenden Liebe verdammt, und alle eure Werke, so gut sie auch scheinen, sind, indem ihr eine Leiter zum Himmel aus denselben macht, wahrhaftig nichts anders als Todsünden. Was der Heiland angefangen, das hat er auch selbst vollkommen ausgeführt, und uns nichts zu thun, zu büßen oder zu leiden für unsre Sünden übrig gelassen.

Nehmet dieses Wortes wahr, ihr armen Seelen, die ihr es wisset, wer ihr seid, wo ihr von Rechtswegen hingehöret; denen es in die Augen leuchtet, daß sie in ihrem ganzen Leben nichts Gutes, sondern lauter Böses vollbracht haben! Es ist eine selige Stunde, wenn uns alles Recht zur Seligkeit, das wir vor Andern zu haben uns einbilden, wegfallt, wenn wir uns in unsrer Blöße sehen, und uns nichts mehr übrig bleibet, als das Warten auf Hülfe; da merkt man auf das Wort: Es ist vollbracht!

Niemand denke, was geht mich das an? So redet der Unglaube. Denn ihr, ihr Alle seid gemeinet. Eure Sünden sind nun gebüßet. Eure Schulden sind abgetragen. Ihr seid absolviret und losgesprochen. Wir verdenken es euch nicht, wenn ihr fraget: Ist's möglich? Darum schreiet der sterbende Erlöser es euch ins Herz: „Ja, Ja! es ist vollbracht. Für dich, mein Kind, leide ich den Tod, mit dir hat's keine Noth. Deine Schmach ist mein, mein Verdienst ist dein, du sollst selig sein.“

Wie muß doch wohl einem armen Wurme zu Muthe sein, der sich in der Sünde krümmt und windet, wenn er dies Wort gläubig anhöret. Freuet euch, verdammte Sünder; Gefangene, gehet heraus aus euren Gefängnissen! Der Strick ist entzwei, und ihr seid frei! Jetzt ist es keine Zeit in Banden zu liegen, oder sich neue Fesseln anlegen zu lassen. Fallet vor dem Manne nieder, der euch das Leben geschenket hat, und dankt es ihm. Und wenn ein Furchtsamer, ein Verzagter euch etwa begegnet, und damit zu schrecken suchet, daß ihr nur nicht zu laut singen und euch nicht zu viel eures Herrn und verwundeten Gottes rühmen solltet, weil ihr aller Tage Abend noch nicht erlebet, und wohl Helden wieder gestürzet wurden; so antwortet und denkt: Das Letztere weiß ich; allein ich bin kein Held, und mag auch aus meiner Kraft keiner werden. Ein armer Sünder bin ich, Gott ist barmherzig, das Eine bekenne ich, das Andre glaube ich; darum bitt' ich demüthiglich: Gott sei mir armen Sünder gnädig. Mit meiner Macht ist nichts gethan, ich war' gar bald verloren, es streit't für mich der rechte Mann, den Gott selbst hat erkoren. Der steht mir für Alles. Er hat Alles vollbracht. Darum weiß ich es nun auch gewiß, daß ich hinfort durch keinen Riß auf dieser seiner Segenserd' von meinem Haupt getrennet werd'; weil er sein Wort den armen Seelen hält, so glaub' ich mich schon vollends durch die Welt!

Amen.

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