Farel, Guillaume - Artikel für eine öffentliche Disputation

Farel, Guillaume - Artikel für eine öffentliche Disputation

Wilhelm Farell, allen Christlichen Lesern! Ich achte einem jeden Christlichen Menschen sey nichts bessers zu thun, dann daß er die lautere Warheit, welche Christus sich selbst zu seyn bezeuget, mit hohem Fleiß und Ernst ergründe. Um solcher willen hat mich nutz und gut zu seyn bedunckt, so wol zu meiner als auch meines Nächsten Erbauung, welche uns Christus selbst am allermeisten auferleget hat, einige Propositiones herfür zu bringen, in welchen begriffen ist die Summ Christlicher Freyheit, und durch welche die Tyranie menschlicher Satzung darnider gelegt wird, auf daß dem weltlichen Schwert seine Gewalt bleibe, davon ja nur nicht einer ausgenommen wird. Darum so viel euer hier zu gegen seyt, die ihr begehret etwas zu förderen, und des Nächsten Erbauung und Heyl nutz seyn wollet. Auch ihr Hirten, welchen die Sorg der Christlichen Herd aufgeleget ist, und allen anderen, denen das Amt zu lehren befohlen ist, ja ihr, die ihr euch selbst mit Eid verpflichtet und verbunden habet, daß ihr Schützer und Schirmer der Warheit seyn wollet, oder auch ihr, die ihr wollet, daß die römischen Decreta für recht gehalten werden sollen, kommet her und gebet begehrte Ursach eueres Glaubens, der in euch ist, über diese meine Propositiones an diesem hellen Tag als Kinder des Lichtes, und keiner besorge sich, als ob er unrecht thät, wann er herfür an den Tag kommet, lauffet auch, wie uns der HErr zu solchem vermahnet, mit Christlichen Herzen herzu, und dringet darauf, daß allein das Wort GOttes überhand nehme. Daß ihr dieses thun wollet, bitte und ermahne ich euch durch JEsum Christum unseren Behalter, der uns so trungendlich befohlen hat die Sorg unseres Nächsten.

  1. Christus hat uns die allervollkomneste Regel zu leben vorgezeichnet, welcher nicht gebührt etwas hinzu zu setzen, oder etwas darvon zu nehmen.
  2. Allein die Gebote GOttes mögen aus dem Glauben geschehen, also, daß es gottlos ist, wann einer einer anderen Parthey anhängt, oder einer unter andern Geboten lebet, dann Christi Geboten, unter welchen sich befindet: Wer sich nicht enthalten möge, derselbige soll zur Ehe greiffen.
  3. Es ist fremd von dem evangelischen Licht, daß man nach jüdischer Gewohnheit Unterscheidung der Kleider, der Speisen, und der Ceremonien hält.
  4. Die Gebete, welche von vielen Worten sind, und nicht nach dem Gebet Christi, oder nicht nach Christlicher Form regulirt sind, mögen nicht ohne Gefahr aufgesetzet und gebetet werden, also daß es besser wär, daß das, was man darum giebt, den Armen ausgetheilt, und nicht zum Samen und Zundel grosser Uebel aufbehalten würde, ja man sollte mit allem Fleiß unterstehen, daß alle Dinge zur Reinigkeit gebracht würden, das da geschäh, so die Leute die heil. Schrift zu studiren gehalten würden, und nicht nur einen Unterscheid hätten in mancherley Kleidungen.
  5. Das wahrlichste Amt der Priester ist, daß sie dem Wort GOttes obliegen, demselbigen sollen sie also verbunden seyn, daß sie nichts höhers halten, und so ihnen andere Sachen zu Handen stossen, die nicht füglich mit dem Wort gehandlet werden mögen, so sollen sonderbahre Diener dazu verordnet werden. In dieser Sach siehet man eine verdamlich, damit ich nicht sage, die schädlichste Schläffrigkeit vieler.
  6. Die Gebote Christi soll man nicht frevenlich in Rathschläge kehren, auch nicht hinwiederum die Rathschläge in Gebote, dann das ist des Teuffels Amt. Zu diesem gehört auch, daß derjenigen Geitz verdamlich ist, die um des Gewinns willen predigen: Christen sollen halten, das zu fliehen, und fliehen, das zu halten ist.
  7. Derjenige unterdrückt das Evangelium, der das Evangelium ungewiß machet, und derjenige beschämt sich Christi, der seinen Bruder nicht ohne Falschheit lehret, und die Menschen mehr förchtet, als GOtt.
  8. Welcher hoffet aus eigener Krafft oder Gewalt selig oder gerecht zu werden, und nicht durch den Glauben, der richtet sich auf zu einem GOtt durch den freyen Willen, und wird durch die Gottloßigkeit erblendet.
  9. Das soll man am allermeisten begehren und bitten, das der heil. Geist eingibt, und die Opfer der Christen sollen allein GOtt geopfferet werden.
  10. Welche am Leib gesund sind und nicht ganz dem Wort GOttes obligen, dieselbigen sind nach des Apostels Spruch schuldig mit der Hand zu arbeiten.
  11. Ein Christ soll sich vor dem Faßnachtspiel und der jüdischen Gleichsnerey im Fasten und allem, das nicht durch Eingebung des Geistes geschiehet, wie auch vor denen Götzen hüten.
  12. Welche Sachen sich jüdischen Satzungen und Bürden vergleichen, und Christlicher Freyheit nicht geziemen, sondern dieselbige niderdrücken, dieselbigen sollen von dem Christen-Volck nicht erlidten werden.
  13. Wir sollen Sorge tragen, daß uns Christus anscheine, sintemal wir nicht durch die Beherrschung des Gestirnes und anderer Elemente, sondern durch desselbigen Kraft regirt werden, welches wir gänzlich hoffen, geschehen wird, so alle Dinge nach evangelischer Regel regirt und aller Hader und Zank hindan gesetzet werden, damit der Friede, welcher alle Sinnen übertrifft, in unseren Herzen wohne, Amen.

Beyträge zur Erläuterung der Kirchen-Reformations- Geschichten des Schweitzerlandes Johann Conrad Füßlin Vierter Theil Zürich, bey Heidegger und Comp. 1749

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