Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 5

Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 5

Der römische Bischof Soter starb nach achtjähriger Regierung. Ihm folgte als zwölfter Bischof nach den Aposteln Eleutherus, und zwar im 57. Jahre der Regierung des Kaisers Antoninus Verus. Als damals in verschiedenen Gegenden der Erde durch die Hetze städtischer Einwohner heftige Verfolgungen gegen uns wieder aufflammten, zeichneten sich Zehntausende von Märtyrern aus, wie sich aus der Geschichte eines einzigen Volkes erschließen läßt, die der Nachwelt überliefert wurde, und die es auch tatsächlich verdient, unvergessen zu bleiben. Den ausführlichen Bericht hierüber habe ich vollständig meiner Aktensammlung über die Märtyrer einverleibt. Die Darlegung ist nicht nur historisch, sondern auch belehrend. Was davon für den vorliegenden Zweck von Bedeutung ist, will ich nunmehr auswählen und anführen. Während andere Geschichtsschreiber auf jeden Fall über militärische Siege, über Erfolge im Felde, über große Taten der Feldherren und über die Tapferkeit der Soldaten schrieben, welche sich aus Liebe zu ihren Kindern, ihrem Vaterlande und ihren sonstigen Gütern mit Blut und tausenderlei Mordtaten befleckt haben, will meine Geschichte über den Staat Gottes den friedlichen Kampf für den Seelenfrieden und mehr die Kämpfer für Wahrheit und Glauben als die Kämpfer für Vaterland und Freunde in ewigen Lettern aufschreiben, indem sie die Standhaftigkeit und die große männliche Ausdauer der Glaubensstreiter, ihre Triumphe über die Dämonen, ihre Erfolge über die unsichtbaren Widersacher und endlich ihre Siegeskronen zur ewigen Erinnerung verkündet.

1. Gallien ist das Land, in dem sich der Kampfplatz für die erwähnten Streiter befand. Die Hauptstädte Lugdunum und Vienna zeichnen sich bekanntlich durch ihren Glanz vor allen übrigen Städten des Landes aus. Die Rhone, welche das ganze Land in gewaltiger Strömung umfaßt, fließt durch beide Städte. Die dortigen hervorragenden Christengemeinden haben an die Gemeinden in Asien und Phrygien ein Schreiben über die Märtyrer geschickt, worin sie die Ereignisse auf folgende Weise erzählen. Ich gebe den Wortlaut wieder:

„Die zu Vienna und Lugdunum in Gallien lebenden Diener Christi wünschen den Brüdern in Asien und Phrygien, welche mit uns den Glauben an die Erlösung und die Hoffnung teilen, Friede und Gnade und Herrlichkeit von Gott, dem Vater, und von Christus Jesus, unserem Herrn“.

Dann folgen noch einige einleitende Bemerkungen, worauf sie den Bericht mit diesen Worten beginnen:

„Die Größe der hiesigen Drangsale, den furchtbaren Haß der Heiden gegen die Heiligen und alle Leiden der seligen Märtyrer vermögen wir weder genau zu erzählen noch kann man sie niederschreiben. Mit aller Gewalt stürmte der Widersacher auf uns ein und bereitete uns bereits auf sein späteres, furchtbares Erscheinen vor. Kein Mittel ließ er unversucht; er übte die Seinen ein und schulte sie im Kampfe gegen die Diener Gottes. Man versperrte uns nicht nur die Wohnungen, die Bäder und den Markt; ja, es durfte sich überhaupt keiner mehr von uns vor ihnen irgendwo erblicken lassen. Doch die Gnade Gottes kämpfte für uns, rettete die Schwachen und errichtete gegen den Widersacher starke Säulen, welche die Ausdauer und Kraft hatten, jeden Sturm des Bösen auf sich abzulenken. Sie nahmen es mit ihm auf und ertrugen jede Art von Schimpf und Pein. Die vielen Leiden gering achtend, eilten sie zu Christus. Durch die Tat bewiesen sie es, daß die Leiden der Jetztzeit nicht zu vergleichen sind mit der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird.

Zunächst ertrugen sie heldenmütig die Angriffe vereinter, pöbelhafter Volksmaßen: Beschimpfungen, Schläge, Zerren, Beraubungen, Steinwürfe, Verhaftungen, kurz alles, was eine aufgehetzte Maße gegen private und öffentliche Feinde zu verüben pflegt. Als sie dann auf den Marktplatz geschleppt, hier von dem Kommandanten und den Häuptern der Stadt in Gegenwart der ganzen Menge verhört worden waren und ihren Glauben bekannten, wurden sie bis zur Ankunft des Statthalters in Haft gesetzt. Und als sie vor den Statthalter geführt wurden und dieser sich uns gegenüber alle möglichen Roheiten erlaubte, war unter den Brüdern Vettius Epagathus, ein Mensch voll Liebe zu Gott und zu dem Nächsten und von solch strenger Lebensführung, daß er trotz seiner Jugend dem Priester Zacharias gleichgesetzt wurde; denn er wandelte tadellos in allen Geboten und Satzungen des Herrn und diente auf jede Art unverdrossen dem Nächsten voll Eifer für Gott und glühend im Geiste. Eine solche Persönlichkeit konnte es nicht ertragen, daß wir ungerecht verurteilt wurden. Voll Erbitterung forderte er, daß man ihn zugunsten der Brüder den Satz verteidigen lasse Bei uns gibt es nichts Gottloses und nichts Unehrerbietiges. Die Leute, welche um den Richterstuhl versammelt waren, schrien ihn, den angesehenen Mann, nieder, und der Statthalter duldete seine gerechte Forderung nicht, sondern fragte ihn nur, ob auch er Christ sei. Da er die Frage mit lauter Stimme bejahte, wurde auch er in die erwählte Schar der Märtyrer aufgenommen, er, der Tröster der Christen, der den Tröster, den Geist des Zacharias, in sich hatte, was er durch die Fülle seiner Liebe zu erkennen gab, sofern er gern bereit war, zur Verteidigung seiner Brüder sein Leben hinzugeben. Er war und ist ein echter Jünger Christi, der dem Lamme folgte, wohin es geht.

Nunmehr trat unter den übrigen eine Scheidung ein. Offen und bereitwillig wurden die einen zu den ersten Märtyrern und bekannten sich auch unumwunden mit größter Bereitwilligkeit. Andere gab es, denen die Bereitwilligkeit, die Übung und die Kraft noch fehlte und die nicht fähig waren, die Wucht des schweren Kampfes auszuhalten. Etwa zehn hatten nämlich versagt. Diese verursachten uns große Trauer und grenzenlosen Schmerz und lähmten den Mut der anderen, die nicht ergriffen worden waren und, obwohl sie alle Bitterkeiten erfahren mußten, doch mit den Märtyrern verkehrten und nicht von ihnen ließen. Damals waren wir alle sehr niedergeschlagen, weil nicht alle das Bekenntnis abgelegt hatten; wir waren es nicht aus Furcht vor den Martern, sondern weil uns das Ende, die Angst, es möchte einer abfallen, Sorge machte. Täglich wurden solche verhaftet, die würdig waren, die Zahl der Märtyrer auszufüllen, so daß von beiden Kirchen alle tüchtigen Personen, die hauptsächlich das Gemeindeleben hier trugen, festgenommen wurden. Aber auch Heiden, die im Dienste der Unsrigen standen, wurden verhaftet, da der Statthalter die allgemeine Verordnung erließ, man müsse nach uns allen fahnden. Diese Dienstboten brachten, vom Satan verführt, aus Furcht vor den Martern, welche sie die Heiligen dulden sahen, und von den Soldaten dazu aufgehetzt, gegen uns die unwahre Behauptung auf, daß wir thyesteische Mahlzeiten hätten, gleich Ödipus Umgang pflegten und noch vieles andere täten, worüber wir nicht reden und denken dürfen und wovon wir nicht einmal glauben, daß es unter Menschen je vorgekommen ist.

Als sich derartige Gerüchte verbreiteten, wurden alle gegen uns wütend, so daß selbst solche, die sich anfänglich noch wegen häuslicher Beziehungen zurückzuhalten wußten, nun rasend wurden und gegen uns mit den Zähnen knirschten. Da erfüllte sich das Wort unseres Herrn, es werde eine Zeit kommen, in der jeder, der euch töten wird, glaubt, Gott einen Dienst zu erweisen. Nunmehr hatten die heiligen Märtyrer Qualen zu ertragen, die jeder Beschreibung spotten; denn der Satan versuchte alles, auch sie zu Schmähungen zu veranlassen. Vor allem richtete sich die ganze Wut des Volkes, des Statthalters und der Soldaten gegen den Diakon Sanktus von Vienna, gegen Maturus, der zwar erst die Taufe empfangen hatte, aber sich als mutiger Kämpfer erwies, gegen Attalus von Pergamon, der ständig eine Säule und Stütze für die hiesigen Gemeinden war, und gegen Blandina, an welcher Christus zeigte, daß das, was den Menschen wertlos, gering und verächtlich erscheint, von Gott mit hohen Ehren ausgezeichnet wird, weil sich die Liebe zu Gott in Kraft offenbart und nicht in Eitelkeit prangt. Während wir alle fürchteten, und auch ihre irdische Gebieterin, die ebenfalls zu den kämpfenden Glaubenszeugen gehörte, in Sorge war, Blandina möchte wegen ihres zarten Körperbaues nicht die nötige Stärke aufbringen, ihren Glauben offen zu bekennen, wurde diese von solcher Kraft erfüllt, daß die, welche sie vom Morgen bis zum Abend nacheinander auf alle mögliche Weise marterten, müde wurden, erschlafften und sich offen, da ihre Mittel gegen sie aufgebraucht seien, für besiegt erklärten. Und sie wunderten sich, daß sie, trotzdem ihr ganzer Körper zerschunden und zerfleischt war, noch am Leben geblieben, und bekannten, schon eine einzige Marter hätte sie um das Leben bringen können, geschweige denn so viele und so grausame Foltern. Doch die Heilige sammelte wie ein tüchtiger Kämpfer immer neue Kräfte aus ihrem Bekenntnis. Ihre Kräftigung, ihre Erholung und das schmerzstillende Mittel in ihren Leiden waren die Worte: Ich bin eine Christin, und bei uns geschieht nichts Böses.

Auch Sanktus ertrug auf wunderbare, übermenschliche Art heldenmütig alle Martern, welche ihm Menschen bereiteten, und da die Gottlosen hofften, von ihm wegen der andauernden großen Qualen ein ungeziemendes Wort zu hören, bekannte er ihnen zum Trotz nicht einmal seinen Namen, auch nicht den Namen seines Volkes oder der Stadt, aus der er stammte, auch nicht, ob er Sklave oder Freigeborener sei. Auf alle Fragen antwortete er in lateinischer Sprache: Ich bin Christ. Statt seinen Namen, seine Heimatstadt, sein Volk und irgendwelche Personalien anzugeben, bekannte er nur immer wieder dieses eine Wort. Etwas anderes hörten die Heiden nicht von ihm. Daher wurden der Statthalter und die Henkersknechte sehr erbittert über ihn, so daß sie schließlich, als sie alle Mittel gegen ihn verbraucht hatten, glühende Metallplatten auf seine empfindlichsten Glieder legten. Diese brannten zwar, doch er blieb unbeugsam und unnachgiebig und ließ nicht von seinem Bekenntnis; denn er wurde von der himmlischen Quelle des lebendigen Wassers betaut und gestärkt, das aus dem Leibe Christi quoll. Der Körper allerdings war Zeuge dessen, was Sanktus widerfahren war; denn er war eine Wunde und eine Strieme, er war zusammengeschrumpft und hatte das menschliche Aussehen verloren. In ihm litt Christus, in ihm wirkte er Großes und Herrliches; er machte den Widersacher zunichte und zeigte zur Belehrung der übrigen, daß da, wo die Liebe des Vaters wirkt, nichts zu fürchten ist und daß nichts schmerzlich ist, wo sich Christi Herrlichkeit entfaltet. Als nämlich die Ruchlosen nach einigen Tagen den Märtyrer von neuem quälten in der Meinung, daß sie über ihn Herr werden könnten, wenn sie an seinem angeschwollenen, entzündeten Körper die Foltern wiederholten, zumal er nicht einmal eine Berührung mit der Hand ertragen konnte, oder daß sein während der Martern eintretender Tod die übrigen abschrecken würde, erreichten sie ihm gegenüber nicht nur nichts, vielmehr wurde sein Körper wider alles menschliche Erwarten während der nun folgenden Martern aufrecht und gerade. Sanktus bekam seine frühere Gestalt und konnte wieder seine Glieder benützen, so daß ihm das zweite Martyrium durch die Gnade Christi nicht zur Qual, sondern zur Heilung wurde.

Bezüglich Biblis glaubte der Teufel zwar, sie sei, weil sie eine von denen war, die den Glauben verleugnet hatten, bereits zu Boden gestreckt, doch suchte er sie auch noch in schändliche Verleumdung zu verstricken. Er ließ sie daher zur Folter Führen, um sie, die sich bereits schwächlich und mutlos gezeigt hatte, auch noch zu zwingen, gegen uns verbrecherische Aussagen zu machen. Doch Biblis wurde unter den Foltern wieder nüchtern und erwachte gewissermaßen aus dem Schlafe; die zeitliche Strafe erinnerte sie an die ewigen Strafen in der Hölle. Sie widersetzte sich den Lästerern mit der Erklärung: Wie können solche Menschen Kinder verspeisen, da es ihnen nicht einmal gestattet ist, das Blut unvernünftiger Tiere zu genießen! Sodann bekannte sie sich als Christin und wurde der Schar der Märtyrer beigesellt.

Als Christus durch die Ausdauer seiner Heiligen die furchtbaren Strafmittel wirkungslos gemacht hatte, ersann der Teufel neue Wege: er verordnete Einkerkerung an finsterem, schlimmem Orte, Ausspannung der Füße am Pflocke bis zum Fünften Loche und alle übrigen Qualen, welche grimmige und dabei vom Teufel geleitete Henkersknechte an den Gefangenen zu vollziehen pflegten. Die meisten erstickten im Gefängnisse, d. i. alle jene, von welchen der Herr es wollte, daß sie auf solche Weise aus dem Leben schieden, um ihnen seine Herrlichkeit zu offenbaren. Mochten die Christen auch in schrecklicher Weise mißhandelt werden, daß es schien, als wäre keinerlei Pflege mehr imstande, ihnen noch das Leben zu retten, so hielten sie doch im Gefängnis aus. Es fehlte ihnen menschliche Hilfe, doch der Herr stärkte und kräftigte sie an Leib und Seele, so daß sie auch andere trösteten und ermunterten. Die jungen Leute allerdings, welche erst verhaftet wurden, hielten, obwohl sie noch keine körperlichen Foltern auszustehen hatten, die Beschwerden des Kerkers nicht aus, sondern starben darin.

Der heilige Pothinus, der mit dem bischöflichen Dienst in Lugdunum betraut war, ein Mann von mehr als neunzig Jahren, körperlich ganz geschwächt und infolge dieser körperlichen Gebrechlichkeit schwer atmend, wurde dank seiner Sehnsucht nach dem Martyrium durch die Kraft des Geistes gestärkt. Auch er wurde vor den Richterstuhl geschleppt. War auch sein Körper durch Alter und Krankheit gebrochen, so war doch seine Seele noch so frisch, daß Christus in ihr triumphieren konnte. Als ihn die Soldaten vor den Richterstuhl geführt hatten unter dem Geleite der städtischen Behörden und der ganzen Volksmaße, welche alles Mögliche gegen ihn schrie, als wäre er Christus, da legte er ein herrliches Bekenntnis ab. Auf die Frage des Statthalters, wer der Gott der Christen sei, antwortete er: Wenn du würdig bist, wirst du ihn erkennen. Darauf wurde er erbarmungslos hin- und hergerissen und mußte Schläge vieler Art über sich ergehen lassen. Während die, welche in seiner Nähe waren, ihn mit Händen und Füßen auf verschiedene Weise ohne Ehrfurcht vor seinem Alter mißhandelten, warfen die Fernerstehenden, was sie gerade zur Hand hatten, gegen ihn. Alle glaubten sich stark zu versündigen und zu vergehen, wenn sie es an Hemmungslosigkeit ihm gegenüber fehlen ließen; durch ihr Vorgehen meinten sie, Rache für ihre Götter zu nehmen. Kaum mehr fähig zu atmen, wurde Pothinus ins Gefängnis geworfen, wo er nach zwei Tagen seinen Geist aufgab.

Hierauf offenbarte sich das große Walten Gottes und das unergründliche Erbarmen Jesu in einer Weise, wie es selten in der Brüdergemeinde in Erscheinung tritt, wie es aber der Art Christi entspricht.

Es wurden nämlich auch die, welche bei der ersten Verhaftung den Glauben verleugnet hatten, eingesperrt und bekamen ebenfalls die Leiden zu kosten. Die Verleugnung hatte ihnen damals nichts genützt. Im Gegenteil, während die, welche offen bekannten, was sie waren, nur als Christen eingekerkert wurden, ohne daß ihnen sonst etwas zur Last gelegt werden konnte, wurden diese als Mörder und Verbrecher eingesperrt, waren also gegenüber den anderen doppelt gestraft. Während jene von der Freude am Martyrium, der Hoffnung auf die Verheißungen, der Liebe zu Christus und dem Geiste des Vaters aufgerichtet wurden, fühlten sich diese vom Gewissen so sehr gequält, daß man sie schon beim Vorübergehen an ihren Gesichtszügen aus allen anderen heraus erkennen konnte. Während jene heiter einhergingen, auf ihren Gesichtern Herrlichkeit und Gnade lag, selbst von ihren Fesseln wie von reizendem Schmucke umgeben waren, einer Braut in gold- und buntverbrämtem Gewande glichen und den Wohlgeruch Christi in einer Weise offenbarten, daß einige glaubten, sie seien mit irdischen Würzen gesalbt, schritten diese mit niedergeschlagenen Augen, tiefgebeugt, finster und ohne Haltung einher und mußten sich überdies selbst von den Heiden als ehrlose, feige Menschen beschimpfen lassen; denn ihren ehrenvollen, ruhmreichen, lebenspendenden Titel hatten sie preisgegeben und den Vorwurf, Mörder zu sein, eingetauscht. Solcher Anblick veranlaßte die übrigen zur Festigkeit, so daß sie, wenn sie verhaftet wurden, unbedenklich, ohne sich von teuflischen Einflüsterungen beeinflussen zu lassen, das Bekenntnis ablegten“.

Nach einigen Zwischenbemerkungen fahren die Berichterstatter also fort:

„Danach nun starben sie schließlich auf jede denkbare Art ihren Bekennertod. Aus bunten Farben und mannigfachen Blumen fochten die Märtyrer einen einzigen Kranz und brachten ihn dem Vater dar. Und es sollten die edlen Helden für die verschiedenen Kämpfe, die sie mutig bestanden hatten, und für ihre herrlichen Siege den schönen Kranz der Unsterblichkeit empfangen. Maturus, Sanktus, Blandina und Attalus wurden den wilden Tieren im Amphitheater als öffentliches Schauspiel roher Heiden vorgeworfen; unsertwegen wurde nämlich ein außerordentlicher Tierkampf festgesetzt. Maturus und Sanktus mußten im Amphitheater noch einmal alle möglichen Martern über sich ergehen lassen. Gerade als wenn sie vorher überhaupt noch nichts zu leiden gehabt oder vielmehr als wenn sie ihren Widersacher bereits in mehreren Vorentscheidungen bezwungen hätten und es den Wettstreit um den Siegeskranz selbst gelte“, ertrugen sie von neuem alle hier üblichen Geißelhiebe, das Umherzerren durch die wilden Tiere und alles, was die rasende Menge bald da, bald dort mit Geschrei verlangte, und zuletzt noch den eisernen Stuhl; das Rösten ihrer Glieder auf demselben hüllte sie in Fettdampf. Aber auch damit gaben sich die Heiden nicht zufrieden. Sie gerieten immer mehr in Raserei und wollten Herr über ihre Standhaftigkeit werden. Doch trotzdem bekamen sie von Sanktus nichts anderes zu hören als das Bekennerwort, das er von Anfang an zu sprechen pflegte.

Da die Märtyrer trotz des schweren Ringens immer noch am Leben blieben, wurden sie schließlich getötet, an jenem Tage an Stelle der ganzen bunten Reihenfolge in den Gladiatorenkämpfen der Welt zum Schauspiel geworden. Blandina wurde an einem Pfahle aufgehängt und sollte den auf sie losgelassenen wilden Tieren zur Speise dienen. Dadurch, daß die Angebundene in ihrem inbrünstigen Gebete die Kreuzesform zeigte, flößte sie den Kämpfern großen Mut ein; denn in ihrem Kampfe schauten sie so mit ihren fleischlichen Augen in der Schwester den, der für sie gekreuzigt worden war. Damit wollte sie die Gläubigen überzeugen, daß jeder, der um der Herrlichkeit Christi willen leidet, für immer in Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott steht. Da nun keines der wilden Tiere Blandina berührte, wurde sie vom Holze abgenommen und wiederum in den Kerker geworfen, um sie für einen neuen Kampf aufzubewahren. In wiederholtem Ringen sollte sie Siegerin werden, der listigen Schlange die unabänderliche Verdammnis bereiten, und die Brüder ermutigen. Sie, die kleine, schwache, verachtete Christin, sollte, angetan mit dem großen, unbesiegbaren Kämpfer Christus, in vielem Ringen den Widersacher niederwerfen und im Wettkampf mit dem Kranze der Unsterblichkeit gekrönt werden.

Als auch Attalus, der ein angesehener Mann war, von der Menge ungestüm verlangt wurde, trat er infolge seines guten Gewissens kampfbereit ein; denn trefflich hatte er sich in den Reihen der christlichen Kirche geschult, und stets hatte er bei uns der Wahrheit Zeugnis gegeben. Er wurde im Amphitheater herumgeführt, wobei ihn eine Tafel mit der lateinischen Inschrift ankündigte: „Dies ist Attalus, der Christ“ und das Volk kochte vor Wut auf ihn über. Da erfuhr der Statthalter, daß er ein Römer sei, weshalb er befahl, ihn zu den übrigen zurückzuschicken, die im Kerker waren, und darüber an den Kaiser berichtete, dessen Weisung er nun abwartete.

Die Zwischenzeit aber verlief für die Märtyrer nicht in Untätigkeit und ohne Frucht. Gerade in ihrem geduldigen Ausharren offenbarte sich die unermeßliche Barmherzigkeit Christi. Durch die Lebendigen wurden nämlich die Toten wieder zum Leben erweckt; die Glaubenszeugen wurden zur Gnade für die, welche den Glauben nicht bekannt hatten. Große Freude wurde der jungfräulichen Mutter zuteil, da sie die, welche sie tot geboren, als Lebende wieder erhielt. Durch jene Märtyrer kehrten die meisten derer, die den Glauben verleugnet hatten, zurück und wurden noch einmal in ihren Schoß aufgenommen und noch einmal zum Leben erweckt. Durch jene lernten sie bekennen und traten sie nunmehr voll lebendiger Kraft unter dem liebevollen Einfluß Gottes, der nicht den Tod des Sünders will, sondern sich dem Reuigen barmherzig erweist, vor den Richterstuhl, um sich von neuem durch den Statthalter ausfragen zu lassen.

Da der Kaiser in seinem Reskripte verordnete, die einen hinzurichten, die aber, welche den Glauben verleugneten, freizugeben, ließ der Statthalter zu Beginn des hiesigen großen Festes, zu welchem große Scharen von Menschen aus allen Völkern zusammenströmen, die Heiligen zu Ehren der Maße in theatralischem Pomp vor seinen Richterstuhl Führen. Nach einem abermaligen Verhöre ließ er die, welche sich als römische Bürger erwiesen, enthaupten, die übrigen aber den wilden Tieren vorwerfen. In besonderer Weise wurde Christus durch die verherrlicht, welche ehedem ihren Glauben verleugnet hatten, nunmehr aber sich wider die Erwartung der Heiden als Christen bekannten. Man wollte sie nach gesondertem Verhöre in Freiheit setzen; doch sie bekannten den Glauben und gesellten sich zu der Schar der Märtyrer. Ferne davon aber blieben diejenigen, welche nie eine Spur von Glauben, nie Sinn für ein bräutliches Gewand, nie Verständnis für Gottesfurcht hatten, sondern schon durch ihren Lebenswandel die rechte Lehre lästerten. Ich meine die Kinder des Verderbens. Alle anderen aber schlossen sich der Kirche an.

Während ihres Verhörs stand neben dem Richterstuhle ein gewisser Alexander aus Phrygien, seinen Kenntnissen nach ein Arzt, der sich schon viele Jahre in Gallien aufhielt und fast überall wegen seiner Liebe zu Gott und seiner Offenheit im Reden bekannt war; er besaß nämlich apostolische Gaben. Da er die Christen durch Zuwinken zum Bekenntnisse ermunterte, kam er denen, die den Richterstuhl umstanden, wie eine gebärende Mutter vor. Unwillig darüber, daß die, welche ehedem den Glauben verleugnet hatten, ihn nun wiederum bekannten, schimpfte die Menge über Alexander als den Urheber des Gesinnungswechsels, worauf der Statthalter ihn zur Rede stellte, ihn fragte, wer er sei, und ihn auf seine Erklärung hin, er sei Christ, voll Erbitterung zu den wilden Tieren verurteilte. Ihnen wurde er am folgenden Tage zugleich mit Attalus vorgeworfen; denn um der Maße einen Gefallen zu erweisen, ließ der Statthalter Attalus noch einmal vor die wilden Tiere Führen. Nachdem beide im Amphitheater alle möglichen ausgesuchten Foltern gekostet und den schwersten Kampf bestanden hatten, wurden auch sie schließlich getötet. Alexander klagte nicht, gab überhaupt keinen Laut von sich, sondern sprach nur in seinem Herzen mit Gott. Und Attalus richtete, als er auf den eisernen Stuhl gesetzt wurde und ringsum brannte und der Dampf vom Körper aufstieg, an die Menge auf Lateinisch die Worte: Sehet! Was ihr tut, heißt man: Menschen verzehren; wir aber verzehren weder Menschen, noch tun wir sonst etwas Böses. Auf die Frage, welchen Namen Gott habe, antwortete er: Gott hat nicht einen Namen wie ein Mensch.

Schließlich, am letzten Tage der Kampfspiele, wurde Blandina noch einmal vorgeführt mit Pontikus, einem jungen Menschen von etwa 15 Jahren; täglich waren sie hereingebracht worden, damit sie die Martern der übrigen sähen. Man zwang sie nun, bei den Götzen zu schwören. Da sie aber standhaft blieben und die Götzen verachteten, wurde die Menge über sie erbittert, so daß sie weder mit der Jugend des Knaben Mitleid, noch vor dem weiblichen Geschlecht Ehrfurcht hatte. Man lieferte sie allen Schrecken aus und wandte gegen sie eine Folter nach der anderen an, um sie immer wieder zum Schwören zu veranlassen. Doch umsonst. Denn Pontikus, von der Schwester in einer Weise angespornt, daß auch die Heiden merkten, daß sie ihm Mut machte und Halt gab, gab im standhaften Ertragen aller Pein seinen Geist auf. Und nachdem die heilige Blandina als letzte von allen wie eine tüchtige Mutter ihre (geistigen) Kinder ermuntert und sie siegreich zum König vorausgeschickt hatte, mußte auch sie noch alle Kämpfe der Kinder durchkosten, um dann, froh und jubelnd über das Ende, zu ihnen zu eilen. Es war, als wenn sie nicht den wilden Tieren vorgeworfen, sondern zu einem Hochzeitsmahle geladen worden wäre. Nachdem sie gegeißelt, den wilden Tieren vorgeworfen und geröstet worden war, steckte man sie zuletzt in ein Netz und warf sie einem Stiere vor. Als sie vom Tiere wiederholt emporgeschleudert worden war, wofür sie infolge ihrer unerschütterlichen Hoffnung auf das, was sie glaubte, und infolge ihres Verkehres mit Christus gar kein Empfinden mehr hatte, wurde auch sie getötet. Selbst die Heiden mußten zugeben, daß bei ihnen noch nie ein Weib so viele Qualen solcher Art erduldet hatte.

Aber gleichwohl war ihre Wut und ihre Grausamkeit gegen die Heiligen nicht befriedigt. Denn, wilde und rohe Stämme, die ein wildes Tier aufgehetzt, ließen sich nur schwer besänftigen. Ihre Verwegenheit vergriff sich noch in abartiger Weise an den Leichnamen. Da sie sich nicht von menschlichem Verstande leiten ließen, brachte sie ihre Niederlage nicht zur Besinnung. Diese erregte vielmehr wie bei einem Tiere noch mehr ihren Zorn. Statthalter und Volk hörten nicht auf, an uns ihren ungerechten Haß auszulassen, damit die Schrift erfüllt werde: Der Sünder sündige noch mehr, und der Gerechte werde noch gerechter! Diejenigen, welche im Gefängnis erstickten, wurden von ihnen den Hunden vorgeworfen. Und sorgfältig wachten sie Tag und Nacht darüber, daß wir keinen bestatteten. Die von den Tieren und vom Feuer übrig gelassenen, zerfleischten und verkohlten Körperreste und von den übrigen Märtyrern die Köpfe samt ihrem Rumpfe wurden zur Schau gestellt und ebenfalls mehrere Tage unter militärischer Bewachung unbeerdigt gelassen. Die einen knirschten über die Märtyrer vor Wut mit den Zähnen und verlangten noch grimmigere Rache an ihnen, die andern lachten und spotteten über sie unter Lobpreisung ihrer Götzen, denen sie die Bestrafung der Christen zu verdanken glaubten. Diejenigen aber, welche noch einigermaßen Würde beobachteten und noch etwas Mitleid zu haben schienen, schmähten, indem sie wiederholt fragten: Wo ist ihr Gott? Was nützte ihnen ihre Gottesverehrung, die ihnen noch mehr wert war als ihr eigenes Leben? So verschieden äußerten sich die Heiden. Bei uns aber herrschte große Trauer, weil wir die entseelten Körper nicht beerdigen konnten. Weder war uns die Nacht dazu behilflich, noch ließ sich mit Bestechung und mit Bitten etwas erreichen. Sorgfältig hielten die Wächter Wache, gleich als hätten sie großen Gewinn davon gehabt, daß sie unbeerdigt blieben.“ Bald darauf fährt der Bericht also fort:

„Nachdem die Leiber der Märtyrer auf alle mögliche Weise zum abschreckenden Beispiel gedient und sechs Tage unter freiem Himmel gelegen hatten, wurden sie von den Frevlern völlig verbrannt und ihre Asche in die nahe Rhone geworfen, damit auch kein Restchen mehr auf der Erde davon übrig bliebe. Ihr Handeln entsprang dem Wahne, Herr über Gott zu werden und die Auferstehung der Märtyrer zu verhindern. Diese sollten, wie sie sagten, mitnichten Hoffnung auf eine Auferstehung haben, auf die vertrauend sie eine fremde, neue Religion bei uns einführen, die Qualen verachten und bereitwillig und freudig in den Tod gehen. Nun wollen wir sehen, ob sie auferstehen und ob ihr Gott ihnen helfen und sie aus unserer Hand erretten kann! „

2. Solche Drangsale hatten die christlichen Kirchen unter dem erwähnten Kaiser zu bestehen. Daraus kann man auf ihr Schicksal in den übrigen Provinzen ohne Mühe schließen. Es lohnt sich, aus dem gleichen Schreiben noch weitere Sätze wörtlich anzuführen, in welchen die Würde und Güte der erwähnten Märtyrer also geschildert wird:

„So eifrig haben sie Christus, welcher, da er in Gottesgestalt war, es nicht als Raub ansah, Gott gleich zu sein, nachgeahmt, daß sie, obwohl sie in so hohen Ehren standen und nicht nur ein- oder zweimal, sondern wiederholt offen Bekenntnis abgelegt hatten und von den Tieren weg wieder ins Gefängnis geworfen worden waren und Brandmale, Striemen und Wunden am ganzen Körper trugen, sich selbst gar nicht als Märtyrer bezeichneten und es uns durchaus nicht gestatteten, sie also zu benennen. Wenn einer von uns sie in einem Briefe oder in einer Anrede als Märtyrer ansprach, wurde er von ihnen scharf zurechtgewiesen. Gerne überließen sie den Titel eines Märtyrers Christus, dem treuen und wahren Märtyrer, dem Erstgeborenen aus den Toten, dem Urheber des göttlichen Lebens. Sie verwiesen auf die Märtyrer, welche schon heimgegangen waren, und sagten: Diese sind wirklich Märtyrer, da Christus sie infolge ihres Bekenntnisses für würdig erachtete, aufgenommen zu werden, und ihr Martyrium kraft ihres Todes besiegelte; wir dagegen sind unbedeutende, minderwertige Bekenner. Unter Tränen baten sie inständig ihre Brüder, sie möchten flehentlich um ihre Vollendung beten.

Wenngleich sie in ihren Taten die Kraft des Martyriums offenbarten, da sie mit vollem Freimut zu den Heiden sprachen und sich durch ihre Standhaftigkeit, Furchtlosigkeit und Unerschrockenheit als Helden erwiesen, verbaten sie es sich, von der Furcht Gottes erfüllt, doch, daß sie von den Brüdern Märtyrer genannt wurden.“

Bald darauf heißt es:

„Sie hatten sich unter die gewaltige Hand Gottes gedemütigt, von der sie jetzt so sehr erhöht worden sind. Für alle wußten sie damals Entschuldigungen und niemanden klagten sie an. Alle lösten sie, niemanden banden sie. Für die Peiniger beteten sie wie der vollkommene Märtyrer Stephanus: Herr rechne ihnen diese Sünde nicht an! Wenn dieser für die gebetet hatte, welche ihn steinigten, um wieviel mehr hat er es für seine Brüder getan!“

Nach einigen Worten fährt der Bericht also fort:

„Aus reinster Liebe kämpften sie den schwersten Kampf gegen den Widersacher, damit das Tier erwürgt würde und diejenigen, welche es früher verschlungen zu haben glaubte, lebendig wieder ausspeie. Denn nicht waren sie gegenüber den Gefallenen von Stolz erfüllt. Vielmehr teilten sie von ihrem Überfluß den Bedürftigen in mütterlichem Erbarmen mit. Vor dem Vater vergossen sie ihretwegen reichliche Tränen und baten um Leben, und er gab es ihnen“, und dieses Leben teilten sie mit dem Nächsten, als sie, in allem siegreich, zu Gott heimgingen. Da sie den Frieden stets geliebt und uns zum Frieden ermahnt hatten, sind sie im Frieden zu Gott gegangen, der Mutter nicht Trauer, den Brüdern nicht Aufregung und Kampf, sondern Freude, Friede, Eintracht und Liebe hinterlassend.“

Dieser Bericht über die Liebe der seligen Märtyrer zu den gefallenen Brüdern mag von Nutzen sein wegen des unmenschlichen, unbarmherzigen Verhaltens derer, die später schonungslos gegen die Glieder Christi vorgegangen sind.

3. Die gleiche Schrift über die erwähnten Märtyrer enthält noch eine andere erwähnenswerte Geschichte. Und es wird gestattet sein, sie zur Kenntnis der Leser zu bringen. Sie verhält sich also. Da Alcibiades, einer der Bekenner, ein äußerst karges Leben Führte, schon früher außer Brot und Wasser gar nichts zu sich nahm und diese Lebensweise auch im Gefängnis beibehielt, empfing Attalus nach seinem ersten Kampfe, den er im Amphitheater bestanden hatte, die Offenbarung, es sei von Alcibiades nicht recht, daß er auf die Gaben Gottes verzichte und den anderen Anstoß gebe. Alcibiades gehorchte, aß ohne Bedenken von allem und dankte Gott. Die Gnade Gottes hatte nämlich die Bekenner nicht unbeachtet gelassen; der Heilige Geist war ihr Ratgeber. Hierüber so viel.

Da sich damals die Anhänger des Montanus, Alcibiades und Theodotus, in Phrygien bei vielen als Propheten auszugeben begannen und noch sehr viele andere wunderbare, in verschiedenen Kirchen damals zutage tretende Taten der göttlichen Gnade in vielen den Glauben an die prophetische Begabung auch jener Männer bestärkten, und da die Meinungen über diese Männer geteilt waren, hatten die Brüder in Gallien auch noch ihr eigenes, frommes und für den wahren Glauben entschieden eintretendes Urteil über sie beigefügt. Auch übermittelten sie von den Märtyrern, welche bei ihnen gestorben waren, verschiedene Briefe, welche diese, da sie noch in Ketten waren, an die Brüder in Asien und Phrygien und auch an Eleutherus, den damaligen römischen Bischof, im Interesse des kirchlichen Friedens geschrieben hatten.

4. Dieselben Märtyrer empfahlen dem erwähnten römischen Bischof auch Irenäus, der damals bereits Presbyter der Kirche von Lugdunum war. Sie stellten dem Manne ein sehr rühmliches Zeugnis aus, wie die folgenden Worte bekunden:

„Wir beten für dich, Vater Eleutherus, um Freude in Gott jetzt und immer. Unseren Bruder und Genossen Irenäus haben wir beauftragt, dieses Schreiben zu überbringen, und bitten dich, daß du dich seiner annehmest wegen seines Eifers für den Bund Christi. Denn wenn wir wüßten, daß der Stand einem Manne Gerechtigkeit gebe, dann hätten wir ihn vor allem als Presbyter, was er tatsächlich ist, empfohlen.“

Wozu soll ich das in dem erwähnten Schreiben enthaltene Verzeichnis der Märtyrer, welche teils enthauptet, teils wilden Tieren vorgeworfen wurden, teils im Gefängnis entschliefen, wiedergeben und die Zahl der damals noch lebenden Bekenner anführen? Wer dafür Interesse hat, der kann sich darüber leicht genaue Kenntnis verschaffen, wenn er den Bericht zur Hand nimmt, welchen wir, wie erwähnt, unserer Aktensammlung über die Märtyrer einverleibt haben. Dies geschah unter Antoninus.

5. Von seinem Bruder, Kaiser Mark Aurel, wird erzählt, daß er im Kampfe mit den Germanen und Sarmaten in große Not geriet, weil sein Heer von Durst gequält wurde. Da knieten sich die Soldaten der sog. melitenischen Legion, welche infolge ihres Glaubens von jener Zeit an noch bis auf den heutigen Tag besteht, als sie schon dem Feinde gegenüber Stellung genommen, auf den Boden, wie es bei uns während des Betens Brauch ist, und flehten zu Gott. Dieser Anblick schon erschien den Feinden wunderbar. Aber es sollte sogleich, wie die Erzählung weiß, noch etwas viel Wunderbareres folgen: ein Unwetter, das die Feinde in Flucht und Verderben trieb, und ein Regen, der über die Truppe mit den Betern sich ergoß und der gesamten Mannschaft, nahe daran, an Durst zu sterben, Erquickung brachte. Diese Geschichte wird sowohl von nichtchristlichen Schriftstellern, welche über die damalige Zeit geschrieben haben, berichtet, als auch von unseren eigenen Geschichtsschreibern mitgeteilt. Aber die heidnischen Schriftsteller erwähnen zwar das Wunder, geben indes, weil dem Glauben fremd, nicht zu, daß es auf unsere Bitten hin erfolgt ist. Die Unsrigen jedoch überliefern als Freunde der Wahrheit in einfacher und ehrlicher Weise die Tatsache.

Zu den letzteren dürfte auch Apollinarius gehören, der erzählt, daß von der Zeit an die Legion, durch deren Gebet das Wunder gewirkt worden war, vom Kaiser ein an das Ereignis erinnerndes Prädikat erhalten habe, d. h. mit dem lateinischen Worte „Blitzschleuderer“ bezeichnet worden sei. Ein glaubwürdiger Zeuge dürfte weiter Tertullian sein, der an den Senat zugunsten unseres Glaubens eine schon früher von uns erwähnte lateinische Apologie geschrieben hat und darin die Geschichte mit stärkerem, kräftigerem Beweise bestätigt. Er schreibt, noch zu seiner Zeit seien Briefe des erleuchtetsten Kaisers Markus vorhanden gewesen, worin dieser bezeugt, daß sein Heer, als es in Germanien daran war, infolge Wassermangels zusammenzubrechen, durch das Gebet der Christen gerettet worden sei. Er erzählt von ihm auch noch, er habe diejenigen mit dem Tode bedroht, welche gegen uns Klage Führen wollten. Tertullian fährt nach dieser Erzählung also fort:

„Was sind das für Gesetze, gottlos, ungerecht, grausam, die nur gegen uns zur Anwendung kommen? Vespasian, der Sieger über die Juden, hat sie nicht beobachtet, und Trajan hat sie durch sein Verbot, nach den Christen zu fahnden, zum Teil außer Kraft gesetzt. Weder Hadrian, der doch den kleinsten Dingen übertriebene Sorgfalt schenkte, noch der sogenannte Pius haben sie bestätigt.“ Doch über jene Geschichte mag jeder urteilen, wie er will.

Wir wollen den Verlauf der Ereignisse weiter verfolgen! Nachdem Pothinus in einem Alter von vollen 90 Jahren mit den gallischen Märtyrern zur Vollendung gelangt war, wurde Irenäus Nachfolger in dem bischöflichen Amte der Kirche von Lugdunum, wo Pothinus Hirte gewesen. Irenäus aber war, wie wir erfahren haben, in seiner Jugend Hörer Polykarps. Im dritten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ gibt er die Reihenfolge der römischen Bischöfe an und stellt einen Katalog auf bis Eleutherus, dessen Zeitgeschichte wir eben behandeln; unter ihm hatte er ja seine Schrift ausgearbeitet.

6. Irenäus schreibt: „Nachdem die seligen Apostel die Kirche gegründet und eingerichtet hatten, übertrugen sie dem Linus das bischöfliche Amt. Dieses Linus gedenkt Paulus in den Briefen an Timotheus. Auf Linus folgt Anenkletus. Nach diesem - an dritter Stelle von den Aposteln an gerechnet - erhält Klemens den Episkopat. Er sah noch die seligen Apostel und verkehrte mit ihnen und vernahm mit eigenen Ohren die Predigt der Apostel und schaute noch mit Augen, was überliefert war. Doch nicht er allein, denn es lebten damals noch viele, welche von den Aposteln den Unterricht empfangen hatten. Als unter diesem Klemens unter den Brüdern in Korinth ein nicht unbedeutender Streit ausgebrochen war, sandte die römische Kirche an die Korinther ein ganz nachdrückliches Schreiben, rief sie zum Frieden und frischte ihren Glauben und die Überlieferung auf, die sie vor kurzem von den Aposteln erhalten hatte.“

Bald darauf fährt Irenäus also fort: „Auf diesen Klemens folgt Evaristus, auf Evaristus Alexander. Als sechster Bischof nach den Aposteln wird sodann Xystus aufgestellt, nach diesem Telesphorus, der glorreiche Märtyrer, sodann Hyginus, Pius, Anicet. Nachdem auf Anicet Soter gefolgt, hat jetzt Eleutherus als zwölfter Nachfolger der Apostel die bischöfliche Würde inne. In dieser Ordnung und Reihenfolge ist die kirchliche apostolische Überlieferung und die Predigt der Wahrheit auf uns gekommen.“

7. Übereinstimmend mit der Darstellung, die wir oben gegeben, hat Irenäus in seiner aus Fünf Büchern bestehenden Schrift „Entlarvung und Widerlegung der fälschlich sog. Wissenschaft“ diese Dinge berichtet. Im zweiten Buche der gleichen Schrift teilt er mit, daß es bis zu seiner Zeit noch in manchen Kirchen göttliche Wunder gegeben habe. Er sagt:

„Nicht haben (die Häretiker) die Kraft, in gleicher Weise einen Toten zu erwecken, wie der Herr sie erweckt hat oder wie es die Apostel getan haben durch ihr Gebet oder wie es oftmals in der Gemeinde der Brüder geschah, wo dann, wenn aus wichtigen Gründen die ganze Kirche einer Gegend unter vielen Fasten und Opfern darum gefleht hatte, der Geist des Verstorbenen zurückkehrte und der Mensch den Gebeten der Heiligen geschenkt wurde.“

Sodann erklärt Irenäus: „Wenn (die Häretiker) aber einwenden sollten, daß auch die Taten des Herrn nur Gaukelei gewesen, dann wollen wir sie auf die Worte der Propheten verweisen und aus ihnen zeigen, daß über ihn alles so vorausgesagt wurde, wie es tatsächlich geschehen ist, und daß er allein der Sohn Gottes ist. Daher wirken auch seine wahren Jünger, die von ihm die Gnade empfangen haben, in seinem Namen zum Wohle der übrigen Menschen, entsprechend der Gabe, die der Einzelne von ihm erhalten hat. Die einen von ihnen treiben wirklich und wahrhaft Teufel aus, so daß oftmals diejenigen, welche von den bösen Geistern gereinigt wurden, den Glauben annahmen und nun zur Kirche gehören. Andere wiederum erkennen die Zukunft und besitzen die Gaben des prophetischen Schauens und Redens, wieder andere heilen die Kranken durch Handauflegung und machen sie gesund. Selbst Tote sind, wie wir erwähnten, bereits erweckt worden, um noch mehrere Jahre unter uns zu weilen. Wer vermöchte nun die Gnadengaben aufzuzählen, welche die Kirche auf der ganzen Erde von Gott empfangen hat und im Namen Jesu Christi, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden ist, tagtäglich zum Segen der Völker wirkt und durch welche sie niemanden betrügt und sich selbst nicht bereichert? Wie sie dieselben unentgeltlich von Gott empfangen hat, verwaltet sie dieselben auch unentgeltlich.“

An anderer Stelle schreibt Irenäus: „Wie wir hören, besitzen viele Brüder der Kirche prophetische Gaben, sprechen durch den Geist in vielen Sprachen, offenbaren das Verborgene zum Nutzen der Menschen und verkünden die Geheimnisse Gottes.“ So viel über die Tatsache, daß sich noch bis zu den erwähnten Zeiten bei denen, die würdig waren, die Auszeichnung, Wunder zu wirken, erhalten hat.

8. Da wir zu Beginn unseres Werkes versprochen haben, bei Gelegenheit die Berichte der alten Presbyter und Schriftsteller der Kirche anzuführen, worin sie die bezüglich der heiligen Schriften auf sie gekommenen Überlieferungen niederlegten, und da Irenäus zu diesen Schriftstellern gehörte, so wollen wir seine Worte wiedergeben, und zwar zunächst diejenigen, welche sich auf die heiligen Evangelien beziehen. Sie lauten So:

„Matthäus hat bei den Hebräern in deren Muttersprache ein Evangelium geschrieben, während Petrus und Paulus in Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche begründeten. Nach dem Tode dieser beiden Apostel hat uns Markus, der Schüler und Dolmetscher des Petrus, das, was Petrus predigte, ebenfalls schriftlich überliefert. Lukas, der Begleiter des Paulus, hat das von Paulus verkündete Evangelium niedergeschrieben. Endlich hat Johannes, der Schüler des Herrn, der auch an dessen Brust geruht, während seines Aufenthaltes zu Ephesus in Asien sein Evangelium herausgegeben.“

So berichtet Irenäus in dem erwähnten dritten Buche seines genannten Werkes. Im Fünften Buche äußert er sich über die Offenbarung des Johannes und über die Zahl, welche dem Antichrist beigelegt wird, also: „Die Sache verhält sich so, und in allen bewährten und alten Handschriften findet sich diese Zahl. Und auch jene, welche Johannes von Angesicht gesehen haben, bezeugen es, und die Rechnung lehrt uns, daß sich die Namenszahl des Tieres nach griechischer Zählung aus den Buchstaben des Namens ergibt.“ Bald darauf sagt er über denselben Johannes:

„Wir wagen es nun nicht, über den Namen des Antichrist etwas mit Sicherheit zu behaupten. Wenn sein Name in der jetzigen Zeit hätte bekannt werden sollen, dann wäre er durch den mitgeteilt worden, der auch die Offenbarung geschaut hat. Denn nicht vor langer Zeit wurde sie geschaut, sondern beinahe in unseren Tagen, nämlich gegen das Ende der Regierung des Domitian.“ So berichtet Irenäus über die Offenbarung. Er erwähnt aber auch den ersten Brief des Johannes und Führt sehr viele Zeugnisse daraus an. Ebenso gedenkt er des ersten Briefes des Petrus. Den „Hirten“ kennt er nicht bloß, er anerkennt ihn auch, wenn er sagt: „Mit Recht sagt die Schrift: Vor allem glaube, daß es nur einen einzigen Gott gibt; er hat das All erschaffen und geordnet…“. Auch benützte er Worte aus der Weisheit Salomons, da er etwa sagt: „Schau Gottes wirkt Unsterblichkeit, Unsterblichkeit aber läßt in Gottes Nähe sein.“ Ferner erwähnt er Denkwürdigkeiten eines apostolischen Presbyters, dessen Namen er aber verschweigt, und zitiert von ihm Erklärungen zur Heiligen Schrift. Weiter gedenkt er Justins des Märtyrers und des Ignatius und benützt auch Zeugnisse aus deren Schriften Er verspricht, in einer eigenen Arbeit Marcion aus dessen Schriften zu widerlegen. Vernimm auch seine Worte über die Übersetzung der göttlichen Schriften durch die Siebzig! Er schreibt: „Gott ist also Mensch geworden, und der Herr selbst hat uns erlöst, indem er uns das Zeichen der Jungfrau gegeben hat, aber nicht, wie einige von denen sagen, die das Schriftwort jetzt also zu übersetzen wagen: Siehe, das junge Weib wird empfangen und einen Sohn gebären! So haben nämlich Theodotion aus Ephesus und Aquila aus Pontus, beide jüdische Proselyten, übersetzt, und ihnen folgten die Ebionäer, sofern sie behaupteten, er sei von Joseph erzeugt worden.“

Bald darauf fährt Irenäus also fort: „Bevor nämlich die Römer ihre Herrschaft aufgerichtet und die Mazedonier noch die Herren von Asien waren, ließ Ptolemäus, der Sohn des Lagus, in dem ehrgeizigen Bestreben, die von ihm eingerichtete Bibliothek in Alexandrien mit den ernsthaften Schriften aller Menschen auszustatten, an die Bewohner von Jerusalem den Wunsch übermitteln, ihre Schriften ins Griechische übertragen zu besitzen. Diese, damals noch unter mazedonischer Herrschaft, schickten siebzig Älteste an Ptolemäus, die in den heiligen Schriften wie in beiden Sprachen unter ihnen am besten bewandert waren. Tatsächlich war es Gott, der hier tun hieß, was er wollte. Da Ptolemäus jeden einzeln zu erproben wünschte und zudem befürchtete, sie möchten etwa auf Grund gemeinsamer Verabredung die in den Schriften liegende Wahrheit in ihrer Übersetzung verschleiern, trennte er sie voneinander und gab den Befehl, daß alle eine und dieselbe Übersetzung fertigen sollten. Und so verfuhr er bei allen Büchern.

Da sie nun vor Ptolemäus zusammenkamen und ihre Übersetzungen verglichen, da wurde Gott verherrlicht, und die Schriften erwiesen sich als wahrhaft göttlich. Denn alle Siebzig hatten dieselben Texte mit denselben Ausdrücken und denselben Worten von Anfang bis zum Ende wiedergegeben, so daß selbst die anwesenden Heiden erkannten, daß die Bücher unter göttlicher Eingebung übersetzt worden seien. Daß Gott solches gewirkt, ist nicht auffallend. Denn als während der Gefangenschaft des (jüdischen) Volkes unter Nebukadnezar die Bibel vernichtet worden war und die Juden nach siebzig Jahren in ihre Heimat zurückkehrten, schrieb der Priester Esdras aus dem Stamme Levi in der Zeit des Perserkönigs Artaxerxes unter göttlicher Inspiration alle Worte der früheren Propheten von neuem nieder und stellte so dem Volke das mosaische Gesetz wieder her.“ Soweit Irenäus.

9. Nachdem Antoninus die Herrschaft neunzehn Jahre innegehabt hatte, übernahm Kommodus die Regierung. In seinem ersten Jahre erhielt Julian die bischöfliche Würde über die Kirchen in Alexandrien, nachdem Agrippinus dieses Amt zwölf Jahre geführt hatte.

10. Damals leitete ein wegen seiner Gelehrsamkeit sehr berühmter Mann namens Pantänus die Schule der Gläubigen in Alexandrien. Alter Sitte gemäß bestand dort eine Anstalt für den Unterricht in den heiligen Wissenschaften, die bis in unsere Tage sich erhalten und, wie wir wissen, mit guten philosophischen und theologischen Kräften besetzt war. Unter diesen soll sich damals Pantänus ganz besonders hervorgetan haben. Er war aus der Philosophenschule der sog. Stoiker hervorgegangen. Wie man erzählt, zeigte er solchen Feuereifer für die göttliche Lehre, daß er als Verkünder des Evangeliums Christi unter den Völkern des Ostens auftrat und sogar bis Indien zog. Es gab nämlich tatsächlich damals noch Wortverkündiger die Menge, die das Verlangen hatten, ihren göttlichen Eifer, die Apostel nachzuahmen, zur Ausbreitung und Vermehrung des göttlichen Wortes einzusetzen. Zu ihnen gehörte Pantänus, der nach Indien gekommen sein soll, wo er, wie berichtet wird, bei einigen dortigen Bewohnern, die von Christus Kenntnis hatten, das schon vor seiner Ankunft dorthin gelangte Matthäusevangelium vorgefunden habe. Bartholomäus, einer der Apostel, soll diesen gepredigt und ihnen die Schrift des Matthäus in hebräischer Sprache hinterlassen haben, die damals noch erhalten gewesen sei. Auf Grund zahlreicher Verdienste wurde Pantänus schließlich Vorsteher der Katechetenschule in Alexandrien, wo er mündlich und die Schätze der göttlichen Lehren auslegte.

11. Zu seiner Zeit war in Alexandrien durch sein Studium der göttlichen Schriften wohl bekannt Klemens, ein Namensvetter jenes Apostelschülers, der ehedem die römische Kirche regiert hatte. In seinen Hypotyposen erwähnt er Pantänus mit Namen und bezeichnet ihn als seinen Lehrer. Auch im ersten Buche seiner „Teppiche“ scheint er mir auf ihn anzuspielen, wenn er nach Nennung der bedeutenderen, ihm bekannten Nachfolger der Apostel also erklärt:

„Diese Schrift soll nicht etwa ein Kunstwerk sein, das man zur Schau stellen kann, sondern eine Sammlung von Aufzeichnungen für das Alter, ein Schutzmittel gegen die Vergeßlichkeit nur ein schattenhaftes Abbild jener klaren und lebendigen Lehren und jener heiligen und wahrhaft verehrungswürdigen Männer, die zu hören ich gewürdigt ward. Von ihnen war einer - der Jonier - in Griechenland, ein anderer in Großgriechenland; der eine stammte aus Cölesyrien, der andere aus Ägypten. Wieder andere lebten im Orient, von welchen einer ein Assyrer, ein anderer aus Palästina ein Hebräer der Abstammung nach war. Zur Ruhe kam ich bei dem, den ich zuletzt getroffen, der aber an Bedeutung der Erste war; in seiner Verborgenheit in Ägypten hatte ich ihn aufgespürt. Diese Männer hielten an der wahren Überlieferung der heiligen Lehre fest, welche sie in gerader Linie von den heiligen Aposteln Petrus und Jakobus, Johannes und Paulus wie ein Kind vom Vater empfangen hatten, obwohl allerdings Kinder den Vätern selten ähnlich sind. Und sie reichten durch Gottes Gnade bis in unsere Zeit herein, um den von den Vorfahren und den Aposteln ererbten Samen zu säen.“

12. Damals war Bischof der Kirche in Jerusalem der noch jetzt von vielen gefeierte Narcissus. Er war der 15. Bischof seit dem jüdischen Kriege unter Hadrian. Daß die Kirche in Jerusalem erst von diesem Kriege an aus Heidenchristen sich zusammensetzte, nachdem sie zuvor aus Leuten der Beschneidung bestanden, und daß ihr erster heidenchristlicher Bischof Markus war, haben wir bereits mitgeteilt. Nach den dortigen Bischofslisten folgten auf Markus als Bischöfe Kassian, auf diesen Publius, dann Maximus, Julian, Gaius, Symmachus, Gaius II., Julian II., Capito, Valens, Dolichianus und schließlich Narcissus, welcher in der mit den Aposteln beginnenden Reihenfolge der 30. Bischof ist.

13. Um diese Zeit verfaßte Rhodon, der aus Asien stammte und, wie er selbst erzählt, in Rom Schüler des oben erwähnten Tatian war, verschiedene Schriften und wandte sich mit anderen auch gegen die Häresie des Marcion. Er berichtet, daß sich dieselbe damals in verschiedene Richtungen gespalten habe, zählt diejenigen auf, welche die Spaltungen herbeigeführt, und widerlegt gründlich die von jedem derselben ersonnenen falschen Lehren. Vernimm seine eigenen Worte!

„Da sie nun an einer unhaltbaren Meinung festhalten, sind sie unter sich uneins. Denn während Apelles, einer aus ihrer Schar, ein Mann, der sich seines Wandels und seines Alters rühmt, den Sprüchen einer besessenen Jungfrau namens Philumena folgend, nur ein einziges Prinzip annimmt, obwohl er die prophetischen Schriften aus einem diesem feindlichen Geiste erstehen läßt, sprechen andere, wie der Schiffer Marcion, von zwei Prinzipien; zu ihnen gehören Potitus und Basilikus. Diese folgten dem pontischen Wolfe. Da sie sich so wenig wie dieser die Gegensätze in den Erscheinungen erklären konnten, machten sie sich die Sache leicht und nahmen einfach, ohne nach Beweisen zu fragen, zwei Prinzipien an. Wieder andere unter ihnen gerieten auf noch schlimmere Bahnen und behaupten nicht nur zwei, sondern drei Urwesen. Begründer und Führer dieser Richtung ist, wie ihre Anhänger lehren, Syneros.“ Derselbe Rhodon schreibt, daß er auch mit Apelles eine Unterredung gehabt habe. Seine Worte sind:

„Als der greise Apelles sich mit uns in eine Diskussion einließ, wurde er überführt, wie unrecht er in vielen Dingen hatte. Daraufhin sagte er, es gehe durchaus nicht an, den Glauben zu untersuchen, es müsse vielmehr jeder bei seinem Glauben bleiben. Wer seine Hoffnung auf den Gekreuzigten setze - so erklärte er -, werde das Heil finden, wenn er nur in guten Werken erfunden werde. Das allerdunkelste Problem in seiner Lehrmeinung war, wie gesagt, die Lehre von Gott. Er nahm allerdings nur ein einziges Prinzip an, wie auch wir lehren.“

Nachdem sodann Rhodon die ganze Lehre des Apelles dargelegt, fährt er fort: „Auf meine Worte: Woher hast du den Beweis für deine Lehre, oder wie kommst du dazu, nur ein einziges Prinzip zu behaupten? Antworte uns! entgegnete er: Die prophetischen Schriften widerlegen sich selbst, da sie keineswegs die Wahrheit gesagt haben; denn sie stimmen miteinander nicht überein, sind falsch und widersprechen sich selbst. Warum es nur ein einziges Prinzip gäbe, behauptete er nicht zu wissen; er fühle sich nur angetrieben, so zu glauben. Als ich ihn sodann beschwor, die Wahrheit zu sagen, schwur er, es entspräche der Wahrheit, wenn er sage, er wisse nicht, warum nur ein einziger unerzeugter Gott sei, und daß er das nur glaube. Ich lachte ihn aus und tadelte ihn, weil er sich als Lehrer ausgab, aber es nicht verstand, seine Lehre zu beweisen.“

In der gleichen Schrift, die er an Kallistion richtet, bekennt Rhodon, daß er in Rom Schüler Tatians gewesen sei. Er berichtet auch, daß Tatian ein Buch der Probleme verfaßt habe. Da Tatian es unternahm, darin die schwierigen und dunklen Stellen in den göttlichen Büchern vorzuführen, kündete Rhodon an, in einer eigenen Schrift Lösungen zu den Problemen Tatians zu geben, Auch ist ein Kommentar Rhodons zu dem Sechstagewerk vorhanden. Der erwähnte Apelles hatte sich nämlich tausendfach gegen das Gesetz des Moses versündigt, in mehreren Schriften die göttlichen Bücher verlästert und sich nicht geringe Mühe gegeben, dieselben, wie er wenigstens meinte, zu entlarven und zu widerlegen. Soviel hierüber.

14. Wiederum erregte der Feind der Kirche Gottes, welcher das Gute tödlich haßt und das Böse liebt und welcher keine Gelegenheit, den Menschen nachzustellen, je vorübergehen läßt, seltsame Häresien gegen die Kirche. Die einen schlichen gleich giftigen Schlangen in Asien und Phrygien umher und priesen Montanus als Paraklet und seine Anhängerinnen Priscilla und Maximilla als die Prophetinnen des Montanus.

15. Die anderen erhoben sich zu Rom. An ihrer Spitze standen Florinus, der das kirchliche Amt des Presbyters niedergelegt hatte, und neben ihm Blastus, der in gleicher Weise abgefallen war. Diese hatten noch mehrere von der Kirche abwendig gemacht und zu sich hinübergezogen. Bezüglich der Wahrheit suchte jeder eigene, neue Wege zu gehen.

16. Gegen die sog. kataphrygische Sekte hat jene Macht, welche für die Wahrheit kämpft, zu Hierapolis in Apollinarius, der schon früher erwähnt wurde, und außer ihm in noch mehreren anderen gebildeten Männern jener Zeit eine starke, unbezwingbare Schutzwehr aufgestellt. Dieselben haben auch uns reichlichen Stoff für unsere Geschichte hinterlassen. Einer der genannten Männer berichtet zu Beginn seiner Schrift gegen die Häretiker zunächst, daß er sich auch mündlich gegen sie gewandt habe. Er schreibt nämlich in der Einleitung also:

„Obwohl du mich, teurer Avircius Marcellus, schon vor langer und geraumer Zeit angegangen hast, gegen die Häresie jener Leute zu schreiben, die sich nach Miltiades nennen, habe ich doch bis jetzt zurückgehalten, nicht aus Unvermögen, die Lüge zu widerlegen und für die Wahrheit einzutreten, sondern aus Furcht und Besorgnis, ich möchte vielleicht da und dort den Schein erwecken, als wollte ich dem Worte der neutestamentlichen Frohbotschaft etwas ergänzend beifügen, da doch keiner, der entschlossen ist, nach diesem Evangelium zu leben, etwas beifügen noch abstreichen darf. Da ich aber bei meinem kürzlichen Aufenthalt zu Ancyra in Galatien wahrnehmen mußte, daß sich die dortige Kirche von dieser neuen, nicht, wie sie sagen, Prophetie, sondern, wie sich zeigen wird, Pseudoprophetie betören ließ, so haben wir uns, so gut es ging und soweit es der Herr fügte, in der Gemeinde mehrere Tage über jene Männer und ihre Lehre im einzelnen ausgesprochen. Die Folge war, daß diese Kirche sich freute und in der Wahrheit befestigt, die Gegenpartei aber für jetzt zurückgeschlagen und die Widersacher in Trauer versetzt wurden. Als uns die Presbyter der dortigen Gemeinde in Gegenwart unseres Mitpriesters Zoticus aus Otrus baten, wir möchten eine Aufzeichnung dessen, was wir gegen die Feinde der wahren Lehre vorgebracht, hinterlassen, willfahrten wir zwar nicht, gaben aber das Versprechen, hier, wenn der Herr es fügt, die Schrift zu verfassen und sie ihnen baldigst zuzusenden.“

Nach diesen und noch weiteren einleitenden Worten geht er auf den Urheber der erwähnten Häresie über und berichtet also: „Ihr Auftreten und ihre vor kurzem erfolgte häretische Lostrennung von der Kirche hatten folgenden Anlaß. Im phrygischen Mysien soll ein Dorf namens Ardabau liegen. Daselbst soll ein Mann namens Montanus, einer von denen, die erst zum Glauben übergetreten waren, zur Zeit, da Gratus Prokonsul in Asien war, in dem unbändigen Verlangen, Führer zu sein, dem Widersacher Zutritt gestattet haben und, von Geistern beeinflußt, plötzlich in Verzückung und Ekstase geraten sein, so daß er anfing, Laute auszustoßen und seltsame Dinge zu reden und in einer Weise zu prophezeien, die offenkundig der alten kirchlichen Überlieferung und überkommenen Lehre widersprach. Von denen, welche damals seine unechten Worte hörten, wiesen ihn die einen als verrückten, vom Teufel besessenen, im Geiste des Irrtums befangenen und aufrührerischen Menschen voll Erbitterung zurecht und suchten ihn am Reden zu hindern, eingedenk der eindringlichen Mahnung des Herrn, sich sorgfältig vor falschen Propheten in acht zu nehmen. Die anderen seiner Zuhörer aber, voll stolzen Vertrauens auf die Heiligkeit seines Geistes und auf seine prophetische Begabung, aufgeblasen und das Gebot des Herrn vergessend, bezaubert und irregemacht, drangen in den Tollheit stiftenden, schmeichlerischen, aufwiegelnden Geist, daß er sich nicht zum Schweigen zwingen lasse.

Durch List also oder vielmehr durch diese Art von Trug arbeitete der Teufel am Verderben der Treulosen und erregte und entflammte, wider Gebühr von ihnen geehrt, ihren Sinn, der sich eingeschläfert vom wahren Glauben abgekehrt. Er erweckte dazu noch zwei Weiber und erfüllte sie mit dem falschen Geiste, so daß sie gleich dem erwähnten Montanus Unsinniges, Wirres und Fremdartiges sprachen. Da der Geist (des Montanus) die, welche sich an ihm freuten und auf ihn stolz waren, selig pries und sie durch die Größe seiner Verheißungen aufgeblasen machte, da und dort allerdings auch in geschickter und Vertrauen heischender Weise unverhohlen verurteilte, um den Schein eines Richters zu erwecken (obwohl die Zahl der Phrygier, welche sich täuschen ließen, nur gering war), da anderseits der freche Geist die ganze, überall unter dem Himmel verbreitete Kirche zu lästern lehrte, weil der Lügenprophet weder Ehre noch Zutritt bei ihr erhielt, so kamen die Gläubigen Asiens wiederholt an verschiedenen Orten zusammen, prüften die neue Lehre, erkannten ihre Gemeinheit und verurteilten die Sekte, worauf diese Leute aus der Kirche hinausgeworfen und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden.“

So berichtet der zu Beginn und widerlegt durch das ganze Buch den Irrtum der Montanisten. Im zweiten Buche äußert er sich sodann über das Lebensende der erwähnten Personen also: „Da sie uns auch als Prophetenmörder verschrien, weil wir ihre maßlos geschwätzigen Propheten, welche nach ihrer Lehre der Herr dem Volke zu senden verheißen hat, nicht aufnahmen, so mögen sie uns doch bei Gott die Frage beantworten: Teuerste, ist unter der Schar, die mit Montanus und seinen Weibern zu schwätzen begonnen, ein einziger, der von den Juden verfolgt oder von den Sündern getötet worden wäre? Nein! Auch ist keiner von ihnen um seines Namens willen ergriffen und gekreuzigt worden. Keineswegs! Wahrlich, keine von den Frauen ist in jüdischen Synagogen je gegeißelt oder gesteinigt worden. Nie und nirgends! Wohl aber sollen Montanus und Maximilla eines ganz anderen Todes gestorben sein. Nach einem weit verbreiteten Gerüchte haben sich beide unter dem Einfluß eines Tollheit stiftenden Geistes erhängt, nicht zu gleicher Zeit, sondern zu der Zeit, die einem jeden zum Sterben bestimmt war. So wären sie gleich dem Verräter Judas gestorben und aus dem Leben geschieden. Auch wird vielfach erzählt, daß Theodot, der seltsame erste Verwalter ihrer sog. Prophetie, einst durch Entrückung und Erhebung in den Himmel verzückt worden sei und sich dem Geiste des Irrtums anvertraut habe, dann aber, zur Erde hinabgeschleudert, elend zugrunde gegangen sei. So wird wenigstens berichtet. Jedoch, Teurer, da wir das Erzählte nicht gesehen haben, sollen wir nicht glauben, etwas Bestimmtes darüber zu wissen. Es kann sein, daß Montanus, Theodot und das erwähnte Weib in dieser Weise geendet, es kann aber auch sein, daß sie eines anderen Todes gestorben.“

Ferner berichtet der Schriftsteller in dem gleichen Buche, daß die damaligen heiligen Bischöfe den Versuch gemacht hätten, den Geist in Maximilla zu widerlegen, daß sie aber daran durch solche, die offenbar mit dem Geiste in Verbindung standen, verhindert worden seien. Er schreibt: „Der in Maximilla wirkende Geist möge in dem gleichen Buche nach Asterius Urbanus doch nicht sagen: Ich werde wie ein Wolf von den Schafen weggetrieben. Ich bin kein Wolf. Ich bin das Wort, der Geist, die Kraft. Möge sie doch die Kraft des Geistes klar offenbaren und beweisen, und möge sie durch ihren Geist die bewährten Bischöfe Zoticus aus dem Dorfe Kumane und Julianus aus Apamea, welche damals erschienen waren, um die Sache zu untersuchen und mit dem geschwätzigen Geiste zu disputieren, zur Zustimmung zwingen! Die Anhänger des Themison allerdings hatten diesen Männern den Mund verschlossen und ihnen nicht gestattet, den falschen, verführerischen Geist zu widerlegen.“

Nachdem der Schriftsteller in dem gleichen Buche noch andere Bemerkungen zur Widerlegung der falschen Weissagungen der Maximilla eingefügt, deutet er die Zeit an, da er schrieb, erwähnt zugleich ihre Prophezeiungen, in welchen sie Kriege und Aufstände voraussagte, und deckt deren Unwahrheit auf. Er sagt: „Ist denn nicht bereits auch diese Lüge offenbar geworden? Denn seit dem Tode jenes Weibes sind bis auf den heutigen Tag schon mehr als dreizehn Jahre verstrichen, ohne daß ein lokaler oder ein Weltkrieg entstanden wäre; ja selbst die Christen genießen durch Gottes Erbarmen dauernden Frieden.“

Soviel aus dem zweiten Buche. Auch aus dem dritten Buche will ich noch ein paar Worte anführen. Gegenüber denen, welche sich rühmen, daß es auch in ihren Reihen mehrere Märtyrer gebe, äußert er sich hier also: „Wenn sie sich nun in allen erwähnten Punkten geschlagen sehen und in Verlegenheit sind, dann suchen sie Zuflucht bei ihren Märtyrern und behaupten, die vielen Märtyrer, die sie hätten, wären ein deutlicher Beweis für die Kraft ihres sog. prophetischen Geistes. Doch dieser Schluß ist, wie mir dünkt, durchaus unrichtig. Denn auch einige andere Häresien haben sehr zahlreiche Märtyrer, und dennoch werden wir sie nicht anerkennen und nicht zugeben, daß sie die Wahrheit haben. Wenn so, um diese zuerst zu nennen, die nach der Häresie des Marcion benannten Marcioniten vorgeben, sehr viele Märtyrer Christi zu haben, so bekennen sie doch Christus nicht in Wahrheit.“ Bald darauf heißt es weiter: „Wenn daher Glieder der Kirche, welche zum Martyrium für den wahren Glauben berufen sind, zufällig mit sog. Märtyrern der phrygischen Sekte zusammentreffen, halten sie sich von diesen ferne und gehen, ohne mit ihnen Gemeinschaft gepflogen zu haben, in den Tod; denn nicht wollen sie den Geist anerkennen, der durch Montanus und seine Frauen spricht. Daß dem so ist, hat sich in unseren Tagen zu Apamea am Mäander an den Märtyrern bestätigt, welche mit Gaius und Alexander aus Eumenea den Zeugentod erlitten.“

17. In diesem Buche wird auch erwähnt, daß der Schriftsteller Miltiades gegen die genannte Häresie geschrieben habe. Nachdem der Verfasser einige Worte angeführt, fährt er also fort: „Da ich diese Worte in einer ihrer Schriften fand, welche sich gegen das Buch unseres Bruders Miltiades richten, worin dieser dartut, daß ein Prophet nicht in Ekstase reden dürfe, habe ich sie in Kürze wiedergegeben.“

Etwas weiter unten zählt er in dem gleichen Buche diejenigen auf, welche unter dem Neuen Bunde geweissagt haben; zu ihnen rechnet er eine gewisse Ammia und Quadratus. Er sagt: „… der falsche Prophet aber in der Ekstase, dem rücksichtslose Verwegenheit zur Seite geht. Er fängt mit freiwilliger Unwissenheit an und geht sodann, wie oben gesagt, in unfreiwillige Raserei über. Doch wird man weder aus dem Alten noch aus dem Neuen Bunde einen Propheten nennen können, der auf solche Weise vom Geiste ergriffen worden wäre. Sie werden sich nicht auf Agabus oder Judas oder Silas oder die Tochter des Philippus oder Ammia in Philadelphia oder Quadratus oder auf sonst jemanden berufen können; denn mit diesen haben sie nichts zu tun.“

Bald darauf heißt es weiter: „Wenn nach Quadratus und nach Ammia in Philadelphia, wie sie behaupten, die dem Montanus sich an schließenden Weiber die prophetische Gabe erhalten haben, dann möge man uns die nennen, welche bei ihnen als Nachfolger des Montanus und seiner Weiber die Prophetie überkommen haben. Denn die prophetische Gabe muß sich nach der Lehre des Apostels in der ganzen Kirche bis zur letzten Wiederkunft erhalten. Doch es dürfte ihnen nicht möglich sein, jemanden zu nennen, obwohl bereits vierzehn Jahre seit dem Tode der Maximilla verstrichen.“ Soweit jener Schriftsteller. Der von ihm erwähnte Miltiades hat uns auch noch andere Denkmäler seiner eigenen theologischen Studien hinterlassen. Er schrieb sowohl gegen die Heiden als auch gegen die Juden, und zwar trat er an jede der beiden Fragen in je zwei Büchern heran. Gegen die weltlichen Machthaber verfaßte er ferner eine Verteidigungsschrift zugunsten seiner Philosophie.

18. Die sog. kataphrygische Häresie, welche damals noch in Phrygien blühte, widerlegte der Kirchenschriftsteller Apollonius. Er verfaßte gegen sie eine eigene Schrift, worin er ihre vorgeblichen Weissagungen Wort für Wort als falsch widerlegte und das Leben der häretischen Führer wahrheitsgemäß schilderte. Vernimm seine eigenen Worte über Montanus!

„Doch wer dieser neue Lehrer ist, zeigen seine Taten und seine Lehre. Er ist es, der die Trennung der Ehen lehrte, Fastengesetze erließ, Pepuza und Tymion, kleine Städte Phrygiens, als Jerusalem bezeichnete, in der Absicht, daselbst Leute aller Gegenden zu vereinen. Er ist es, der Steuereinnehmer aufstellte, unter dem Titel Opfer Geschenke anzunehmen verstand und den Verkündigern seiner Lehre Lohn auszahlte, auf daß die Predigt seiner Lehre durch Schlemmerei an Kraft gewänne.“

Dies ist sein Urteil über Montanus. Über seine Prophetinnen schreibt er später also: „Wir beweisen nun, daß eben diese Prophetinnen die ersten gewesen sind, die ihre Männer verlassen haben, nachdem sie vom Geiste erfüllt worden waren. Wie sehr haben sie also gelogen, wenn sie Priscilla als Jungfrau bezeichneten!“ Sodann fährt der Schriftsteller fort: „Glaubst du nicht, daß die ganze Schrift es einem Propheten verbietet, Geschenke und Geld anzunehmen? Wenn ich nun sehe, daß die Prophetin Gold, Silber und kostbare Gewänder angenommen hat, soll ich sie da nicht ablehnen?“

Im weiteren Verlaufe seines Berichtes erzählt er von einem ihrer Bekenner folgendes: „Ferner hat Themison, mit habsüchtiger Scheinheiligkeit angetan, das Zeichen des Bekenntnisses nicht ertragen, sich vielmehr mit einer großen Geldsumme vom Kerker losgekauft. Während er doch deswegen hätte Busse tun sollen, wagte er es, sich als Märtyrer zu rühmen, in Nachahmung des Apostels einen katholischen Brief zu verfassen, diejenigen, welche mehr als er selbst den Namen von Gläubigen verdienten, zu belehren, mit nichtssagenden Worten zu fechten und den Herrn, die Apostel und die heilige Kirche zu schmähen.“

Über einen anderen Mann wieder, den sie unter die Zahl der von ihnen verehrten Märtyrer rechnen, schreibt er: „Um nicht von mehreren zu sprechen, gebe uns die Prophetin Auskunft über Alexander, der sich als Märtyrer bezeichnet und mit dem sie Schmausereien sich hingibt und den auch viele verehren! Über seine Räubereien und anderen Verbrechen, derentwegen er bestraft worden ist, brauchen wir nicht zu reden; im Archiv sind sie aufbewahrt. Wer nun vergibt dem andern die Sünden? Vergibt der Prophet dem Märtyrer seine Räubereien oder der Märtyrer dem Propheten seine Habsucht? Denn obwohl der Herr gesagt hat Ihr sollt weder Gold noch Silber noch zwei Röcke besitzen, haben sich diese Leute ganz im Gegensatz dazu durch den Erwerb dieser verbotenen Dinge versündigt. Wie wir zeigen werden, haben ihre sog. Propheten und Märtyrer nicht nur von den Reichen, sondern sogar von den Armen, den Waisen und Witwen ihr Scherflein gefordert. Und wenn sie ein gutes Gewissen haben, dann mögen sie vortreten und Rede und Antwort stehen, damit sie, im Falle sie überführt werden, wenigstens für die Zukunft von ihren Sünden ablassen. Es ist notwendig, die Früchte des Propheten zu prüfen; denn an der Frucht wird der Baum erkannt. Damit jedoch die Wißbegierigen die Geschichte Alexanders kennenlernen, so bemerke ich: er wurde von dem Prokonsul Amilius Frontinus in Ephesus nicht wegen seines Glaubens verurteilt, sondern wegen der Räubereien, die er als bereits Abtrünniger verübt hatte. Die Lüge, er sei um des Namens des Herrn willen verurteilt worden, täuschte die dortigen Gläubigen und erwirkte seine Loskaufung. Doch die eigene Heimatgemeinde nahm ihn nicht auf, weil er Räuber war. Wer über ihn Genaueres erfahren will, dem steht das öffentliche Archiv Asiens zur Verfügung. Auch der Prophet, mit dem er doch viele Jahre verbunden war, will ihn nicht mehr kennen. Dadurch, daß wir Alexander entlarven, enthüllen wir auch das Wesen des Propheten. Ähnliches könnten wir an vielen zeigen, und wenn sie Mut haben, mögen sie sich der Prüfung unterziehen!“

An einer anderen Stelle seiner Schrift sagt er über die Propheten, auf welche sie stolz sind, noch folgendes: „Wenn sie die Tatsache leugnen, daß ihre Propheten Geschenke angenommen haben, so mögen sie doch wenigstens so viel zugeben, daß, wenn ihnen die Annahme von Geschenken nachgewiesen ist, sie keine Propheten sind! Und hierfür werden wir unzählige Beweise erbringen. Es ist übrigens notwendig, alle Früchte eines Propheten zu prüfen. Sage mir: Färbt sich ein Prophet? Schminkt sich ein Prophet? Liebt ein Prophet den Schmuck? Spielt ein Prophet Brett und Würfel? Leiht ein Prophet auf Zinsen aus? Sie mögen klar es aussprechen, ob so etwas erlaubt ist oder nicht! Ich aber will zeigen, daß es bei ihnen vorgekommen ist.“

Der gleiche Apollonius erzählt in derselben Schrift, daß es zur Zeit der Abfassung seines Werkes gerade vierzig Jahre waren, daß Montanus seine angebliche Prophezeiung begonnen hat. Ferner berichtet er, daß Zoticus, dessen auch der vorerwähnte Schriftsteller gedachte 7, gegen Maximilla sich erhob, die sich in Pepuza als Prophetin ausgab, und den in ihr wirkenden Geist zu widerlegen versuchte, woran er jedoch von ihren Gesinnungsgenossen gehindert wurde. Auch gedenkt Apollonius unter den damaligen Märtyrern eines gewissen Thraseas. Ferner teilt er als Überlieferung mit, der Heiland habe seinen Aposteln befohlen, sie sollten zwölf Jahre Jerusalem nicht verlassen. Er benützt auch Zeugnisse aus der Offenbarung des Johannes und erzählt, derselbe Johannes habe in Ephesus einen Toten in göttlicher Kraft zum Leben erweckt. Noch manches andere erwähnt er und tut die Verirrungen der genannten Sekte treffend und vollständig dar. Soweit Apollonius.

19. Die Schriften des Apollinarius, die gegen die genannte Sekte gerichtet sind, werden von Serapion erwähnt, der nach der Überlieferung zu jener Zeit nach Maximinus Bischof der Kirche von Antiochien war. Er gedenkt dessen in seinem Briefe an Karikus und Pontius, worin auch er dieselbe Sekte zurechtweist und dabei also spricht: „Damit ihr aber wißt, daß das Treiben dieser lügenhaften Genossenschaft, welche sich als neue Prophetie bezeichnet, von allen Brüdern der Erde verabscheut ist, übersende ich euch Briefe des Klaudius Apollinarius, des seligen Bischofs von Hierapolis in Asien. In diesem Briefe des Serapion finden sich auch Unterschriften verschiedener Bischöfe. Einer derselben unterzeichnet sich also: „Ich, Aurelius Quirinjus, Märtyrer, bete, daß es euch gut gehe.“ Eine andere Unterschrift lautet: „Älius Publius Julius aus der Kolonie Debeltus in Thrazien, Bischof: so wahr Gott im Himmel lebt, hat der selige Sotas in Anchialos den Dämon der Priscilla austreiben wollen, aber die Heuchler haben es nicht zugelassen.“ Auch noch von mehreren anderen Bischöfen, welche mit diesen Männern übereinstimmten, finden sich eigenhändige Unterschriften in dem erwähnten Briefe. Soviel über die Frage des Montanismus.

20. Gegen die, welche in Rom die gesunde Ordnung der Kirche störten, verfaßte Irenäus verschiedene Briefe. Einen betitelte er „An Blastus über das Schisma“, einen anderen „An Florinus über die Alleinherrschaft Gottes oder daß Gott nicht der Urheber von Bösem sei.“ Diese Meinung schien nämlich Florinus zu verfechten. Wegen dieses Mannes, der sich zum Irrtum des Valentinus hinüberziehen ließ, verfaßte Irenäus auch noch die Studie „Über die Achtzahl“. Darin gibt er auch zu erkennen, daß er die erste nachapostolische Generation noch angetroffen habe. Ebendort haben wir gegen Ende des Buches eine sehr beachtenswerte Bemerkung gefunden, die wir unserer Schrift einfügen zu müssen glauben. Sie lautet:

„Wenn du dieses Buch abschreiben willst, dann beschwöre ich dich bei unserem Herrn Jesus Christus und bei seiner glorreichen Wiederkunft, wann er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten, daß du deine Abschrift sorgfältig vergleichest und nach diesem Exemplar berichtigest, von dem du sie abgeschrieben hast. Auch diese Beschwörung sollst du in gleicher Weise abschreiben und deinem Exemplare beigeben!“

Diese heilsame Bemerkung des Irenäus geben wir wieder, auf daß wir jene alten, wahrhaft heiligen Männer als schönstes Beispiel einer äußerst gewissenhaften Sorgfalt vor Augen haben. In dem vorhin erwähnten Briefe an Florinus gedenkt Irenäus auch seines Verkehrs mit Polykarp, wenn er sagt:

„Diese deine Lehren, Florinus, sind - um mich schonend auszudrücken -. nicht gesunder Anschauung entsprungen. Diese Lehren widersprechen der Kirche; sie stürzen ihre Bekenner in die größte Gottlosigkeit. Selbst die außerhalb der Kirche stehenden Häretiker haben niemals solche Lehren aufzustellen gewagt. Auch die vor uns lebenden Presbyter, die noch mit den Aposteln verkehrten, haben dir diese Lehren nicht überliefert. Denn als ich noch ein Knabe war, sah ich dich im unteren Asien bei Polykarp; du hattest eine glänzende Stellung am kaiserlichen Hofe und suchtest die Gunst Polykarps zu erwerben. Ich kann mich nämlich viel besser an die damalige Zeit erinnern als an das, was erst vor kurzem geschah; denn was man in der Jugend erfährt, wächst mit der Seele und bleibt mit ihr vereint. Daher kann ich auch noch den Ort angeben, wo der selige Polykarp saß, wenn er sprach, auch die Plätze, wo er aus- und einging, auch seine Lebensweise, seine körperliche Gestalt, seine Reden vor dem Volke, seine Erzählung über den Verkehr mit Johannes und den anderen Personen, welche den Herrn noch gesehen, seinen Bericht über ihre Lehren, ferner das, was er von diesen über den Herrn, seine Wunder und seine Lehre gehört hatte. Alles, was Polykarp erfahren von denen, die Augenzeugen waren des Wortes des Lebens, erzählte er im Einklang mit der Schrift.

Seine Worte habe ich durch das mir gewordene Erbarmen Gottes damals mit Eifer aufgenommen; nicht auf Papier, sondern in mein Herz habe ich sie eingetragen, und durch die Gnade Gottes käue ich sie immer getreulich wieder. Vor Gott kann ich bezeugen, daß, wenn jener selige, apostolische Presbyter solche Irrlehren gehört hätte, er laut aufgeschrien, sich die Ohren verstopft und seiner Gewohnheit gemäß ausgerufen hätte: O guter Gott, für welche Zeiten hast du mich aufbewahrt, daß ich solches erleben muß! Er wäre fortgeeilt von dem Orte, an dem er sitzend oder stehend solche Lehre vernommen hätte. Diese Wahrheiten werden bestätigt durch die Briefe, welche Polykarp teils an benachbarte Gemeinden, die er zu befestigen suchte, teils an einzelne Brüder, die er mahnte und ermunterte, geschrieben hat.“ So berichtet Irenäus.

21. Um dieselbe Zeit, unter der Regierung des Kommodus, wurden unsere Verhältnisse ruhiger, und durch die Gnade Gottes erhielten die Kirchen des ganzen Erdkreises Frieden. Damals Führte das Wort des Heiles Seele um Seele aus allen Geschlechtern zur frommen Verehrung des Gottes des Alls, so daß selbst mehrere von denen, welche in Rom infolge von Reichtum und Abstammung höchstes Ansehen genossen, mit ihrem ganzen Hause und ihrer ganzen Verwandtschaft den Weg ihres Heiles beschritten. Dies konnte aber der Dämon, der das Gute haßt und von Natur übelwollend ist, nicht ertragen, weshalb er sich von neuem zum Kampfe rüstete und mannigfache Anschläge wider uns ersann. Er brachte in der Stadt Rom Apollonius, einen Mann, der unter den Gläubigen jener Zeit wegen seiner Bildung und Gelehrsamkeit in hohem Ansehen stand, vor den Richter. Er hatte nämlich einen seiner für solche Zwecke ihm treu ergebenen Diener dazu veranlaßt, als Ankläger gegen den Mann aufzutreten. Allein dem Schurken war die Zeit für die Anstrengung des Prozesses nicht günstig. Da nach kaiserlichem Befehle die Ankläger der Christen der Todesstrafe verfielen, wurden ihm gemäß dem Urteile durch den Richter Perennius sofort die Beine zerschlagen. Obwohl sodann der gottgeliebte Märtyrer auf wiederholtes ungestümes Drängen des Richters hin und nach dessen Forderung, sich vor dem Senate zu rechtfertigen, in Gegenwart aller eine sehr geistreiche Verteidigungsrede für den von ihm bekannten Glauben gehalten hatte, wurde er durch Senatsbeschluß enthauptet. Denn nach einem alten Gesetze durften die Christen, welche einmal vor Gericht gestanden, nicht freigegeben werden, sie hätten denn ihre Meinung geändert. Wer nun des Apollonius Worte vor dem Richter, seine Antworten auf die Fragen des Perennius und seine ganze Verteidigungsrede vor dem Senate kennenlernen will, kann sie aus unserer Sammlung der alten Märtyrerakten erfahren.

22. Im zehnten Jahre der Regierung des Kommodus folgte Viktor auf Eleutherus, welcher das bischöfliche Amt dreizehn Jahre innegehabt hatte. In dem gleichen Jahre übernahm Demetrius die Leitung der Gemeinden in Alexandrien, nachdem Julian volle zehn Jahre regiert hatte. Damals lebte auch noch der bereits oben erwähnte Serapion, welcher - von den Aposteln an gerechnet - achter Bischof der Kirche von Antiochien war. Cäsarea in Palästina stand Theophilus vor, und in der Kirche in Jerusalem waltete damals noch Narcissus, dessen oben gedacht wurde, des Amtes. Zu gleicher Zeit war Bacchyllus Bischof von Korinth in Griechenland und Polykrates in Ephesus. Außer diesen lebten damals noch, wie es sich versteht, unzählige andere ausgezeichnete Männer. Mit Namen haben wir aber füglich nur jene aufgezählt, welche uns den unverfälschten Glauben in Schriften hinterlassen haben.

23. Damals war ein nicht unbedeutender Streit entstanden. Während nämlich die Gemeinden von ganz Asien auf Grund sehr alter Überlieferung glaubten, man müsse den 14. Tag des Mondes, an welchem den Juden die Opferung des Lammes befohlen war, als Fest des Erlösungspascha feiern und auf jeden Fall an diesem Tage, gleichviel welcher Wochentag es gerade sein mochte, die Fasten beenden, war es bei den Kirchen auf dem ganzen übrigen Erdkreise nicht üblich, es auf diese Weise zu halten; man beobachtete vielmehr gemäß apostolischer Überlieferung den noch heute gültigen Brauch, daß an keinem anderen Tage als dem der Auferstehung unseres Erlösers die Fasten beendet werden dürfen. Es fanden daher Konferenzen und gemeinsame Beratungen von Bischöfen statt, und alle gaben einstimmig durch Rundschreiben die kirchliche Verordnung hinaus, daß das Geheimnis der Auferstehung des Herrn an keinem anderen Tage als am Sonntag gefeiert werden dürfe und daß wir erst an diesem Tage das österliche Fasten beenden dürfen. Noch jetzt sind vorhanden ein Schreiben der damals in Palästina zusammengetretenen Bischöfe, von welchen Bischof Theophilus von Cäsarea und Bischof Narcissus von Jerusalem den Vorsitz Führten, ein Schreiben der in Rom versammelten Bischöfe, welches die gleiche Streitfrage behandelt und den Namen des Bischofs Viktor trägt, ein Schreiben der Bischöfe des Pontus, deren Vorsitzender Palmas als der Älteste war, ein Schreiben der Gemeinden in Gallien, deren Bischof Irenäus war, ferner ein Schreiben der Bischöfe in Osroëne und in den dortigen Städten, ein Privatschreiben des Bischofs Bacchyllus von Korinth und noch Schreiben von sehr vielen anderen Bischöfen. Sie bekunden eine und dieselbe Meinung und Ansicht und geben das gleiche Urteil ab. Ihr einstimmiger Beschluß ist erwähnt.

24. An der Spitze der Bischöfe Asiens, welche behaupteten, man müsse an dem ihnen von alters her überlieferten Brauche festhalten, stand Polykrates. In dem Briefe, welchen er an Viktor und die römische Kirche schrieb, äußerte er sich über die Überlieferung, die auf ihn gekommen, also: „Unverfälscht begehen wir den Tag; wir tun nichts dazu und nichts hinweg. Denn auch in Asien haben große Sterne ihre Ruhestätte gefunden, welche am Tage der Wiederkunft des Herrn auferstehen werden. An diesem Tage wird der Herr mit Herrlichkeit vom Himmel kommen und alle Heiligen aufsuchen, nämlich: Philippus, einen der zwölf Apostel, der in Hierapolis entschlafen ist, mit seinen beiden bejahrten, im jungfräulichen Stande verbliebenen Töchtern, während eine andere Tochter, die im Heiligen Geiste wandelte, in Ephesus ruht, und Johannes, der an der Brust des Herrn lag, den Stirnschild trug, Priester, Glaubenszeuge und Lehrer war und in Ephesus zur Ruhe eingegangen ist, ferner den Bischof und Märtyrer Polykarp von Smyrna und den Bischof und Märtyrer Thraseas aus Eumenea, der in Smyrna entschlafen. Soll ich noch den Bischof und Märtyrer Sagaris, der in Laodicea entschlafen, und den seligen Papirius und Melito, den Eunuchen, anführen, welcher stets im Heiligen Geiste wandelte und nun in Sardes ruht, wartend auf die Heimsuchung vom Himmel, da er von den Toten erstehen soll?

Diese alle haben gemäß dem Evangelium das Pascha am 14. Tage gefeiert; sie sind keine eigenen Wege gegangen, sondern der vom Glauben gewiesenen Richtung gefolgt. Auch ich, Polykrates, der geringste unter euch allen, halte mich an die Überlieferung meiner Verwandten, von denen einige auch meine Vorgänger waren. Sieben meiner Verwandten waren nämlich Bischöfe, und ich bin der achte. Und stets haben meine Verwandten den Tag gefeiert, an welchem das Volk den Sauerteig entfernte. Ich nun, Brüder, der 65 Jahre im Herrn zählt und mit den Brüdern der ganzen Welt verkehrt hat und die ganze Heilige Schrift gelesen hat, ich lasse mich durch Drohungen nicht in Schrecken setzen, Denn Größere als ich haben gesagt Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. „

Dem fügt er über die Bischöfe, die bei ihm waren, als er das Schreiben abfaßte, und die seine Meinung teilten, folgendes bei: „Ich könnte die Bischöfe erwähnen, die bei mir waren und die ich eurem Wunsche gemäß einberufen mußte und auch einberufen habe. Wollte ich ihre Namen niederschreiben: ihre Zahl wäre groß. Obwohl diese wissen, daß ich ein unbedeutender Mensch bin, so stimmen sie doch meinem Briefe zu. Und sie wissen, daß ich nicht vergebens meine grauen Haare getragen, daß ich vielmehr stets in Christus Jesus gewandelt bin.“

Daraufhin versuchte Viktor, der Bischof der römischen Kirche, die Gemeinden von ganz Asien sowie die angrenzenden Kirchen insgesamt als ketzerisch von der Gemeinschaft und Einheit auszuschließen, und rügte sie öffentlich in einem Schreiben, worin er alle dortigen Brüder insgesamt als außerhalb der Kirchengemeinschaft stehend erklärte. Doch nicht allen Bischöfen gefiel dies Vorgehen Viktors. Sie stellten an ihn geradezu die Gegenforderung, für Friede, Einigung und Liebe einzutreten. Noch sind ihre Briefe erhalten, in denen sie Viktor ziemlich scharf angreifen. Unter anderen richtete auch Irenäus im Namen der ihm untergebenen gallischen Brüder ein Schreiben an ihn. Darin tritt er zwar dafür ein, daß man nur am Sonntage das Geheimnis der Auferstehung des Herrn feiern dürfe, aber er mahnt auch Viktor würdig und eindringlich, er solle nicht ganze Kirchen Gottes, die an alten, überlieferten Bräuchen festhalten, ausschließen, und fährt wörtlich also fort:

„Es handelt sich nämlich in dem Streite nicht bloß um den Tag, sondern auch um die Art des Fastens. Die einen glauben nämlich, nur einen einzigen Tag, andere zwei, andere noch mehr fasten zu sollen; wieder andere dehnen die Zeit ihres Fastens auf vierzig Stunden, Tag und Nacht, aus. Diese verschiedene Praxis im Fasten ist nicht erst jetzt in unserer Zeit aufgekommen, sondern schon viel früher, zur Zeit unserer Vorfahren, welche wohl nicht peinlich genau waren und darum eine in Einfalt und Schlichtheit entstandene Gewohnheit auf die Folgezeit vererbten. Aber trotz dieser Verschiedenheit lebten all diese Christen in Frieden, und leben auch wir in Frieden. Die Verschiedenheit im Fasten erweist die Einheit im Glauben.“

An diese Worte schließt Irenäus noch Bemerkungen, die ich als hierher gehörig anführen möchte. Sie lauten: „Auch die vor Soter lebenden Presbyter, welche der Kirche vorstanden, an deren Spitze du nunmehr stehst, nämlich Anicet, Pius, Hyginus, Telesphorus, Xystus, haben weder selbst diese Praxis beobachtet, noch sie ihren Gemeinden gestattet. Doch, obwohl sie dieselbe nicht beobachteten, hatten sie nichtsdestoweniger Friede mit denjenigen, welche aus Gemeinden kamen, in denen die Praxis eingehalten wurde. Und doch hätte die Ausübung des Brauches denen, die ihn nicht hatten, den Gegensatz erst recht zu Bewußtsein bringen sollen. Niemals wurden aus solchem Grunde Leute ausgeschlossen, vielmehr schickten die, welche vor dir Presbyter waren, obwohl sie die Praxis nicht hatten, an die, welche sie hatten und aus solchen Gemeinden kamen, die Eucharistie. Als der selige Polykarp unter Anicet in Rom weilte und zwischen ihnen wegen einiger anderer Fragen kleine Differenzen entstanden waren, schlossen sie sogleich Frieden. Denn in dieser wichtigsten Frage kannten sie unter sich keinen Streit. Weder vermochte Anicet den Polykarp zu überreden, jenen Brauch nicht mehr festzuhalten, den dieser mit Johannes, dem Jünger unseres Herrn, und mit den übrigen Aposteln, mit denen er verkehrte, ständig beobachtet hatte; noch überredete Polykarp den Anicet, ihn zu beobachten, da dieser erklärte, er müsse an der Gewohnheit der ihm vorangegangenen Presbyter festhalten. Trotz dieser Differenzen blieben beide in Gemeinschaft. Und Anicet gestattete aus Ehrfurcht dem Polykarp in seiner Kirche die Feier der Eucharistie. Und im Frieden schieden sie voneinander. Und es hatte Frieden die ganze Kirche; sowohl die, welche es so hielten, als jene, welche es nicht so hielten.“

In solcher Weise mahnte Irenäus, der seinen Namen verdiente und tatsächlich ein Friedensmann war, zum Frieden der Kirchen und trat für ihn ein. Nicht nur mit Viktor, sondern auch mit sehr vielen anderen Kirchenfürsten verhandelte Irenäus brieflich in ähnlicher Weise über die entstandene Streitfrage.

25. Die vor kurzem erwähnten Bischöfe von Palästina, nämlich Narcissus und Theophilus sowie Kassius, Bischof von Tyrus, Klarus, Bischof von Ptolemais, und die mit ihnen versammelten Bischöfe, behandelten ausführlich die durch apostolische Überlieferung auf sie gekommene Erblehre bezüglich des Osterfestes und schlossen ihr Schreiben mit den Worten: „Sorget dafür, daß von unserem Briefe an jede Gemeinde Abschriften geschickt werden, damit wir keine Schuld denen gegenüber haben, welche leichtsinnig in die Irre gehen. Wir tun euch kund, daß man in Alexandrien das Fest am gleichen Tage begeht wie bei uns. Wir stehen nämlich miteinander im brieflichen Verkehr, so daß wir den heiligen Tag übereinstimmend und zugleich feiern.“

26. Außer den angeführten Schriften und Briefen des Irenäus ist von ihm noch vorhanden eine sehr kurze, überaus schlagende Schrift gegen die Hellenen mit dem Titel „Über die Wissenschaft“, und eine Schrift „Zum Erweise der apostolischen Verkündigung“, welche er einem Bruder namens Marcian widmete, und ein „Buch verschiedener Reden“, in welchem er den Brief an die Hebräer und die sog. Weisheit Salomons erwähnt und daraus einige Worte zitiert. Dies sind die Schriften des Irenäus, welche zu unserer Kenntnis gekommen sind.

27. Nachdem Kommodus die Herrschaft dreizehn Jahre innegehabt und Pertinax nach dessen Tode nicht ganz sechs Monate regiert hatte, wurde Severus Kaiser. Von den alten Kirchenschriftstellern der damaligen Zeit sind noch heute vielerorts zahlreiche Denkmale ihrer Tüchtigkeit und ihres Fleißes erhalten. Die Schriften, die wir in Erfahrung gebracht haben, sind etwa: die Schrift Heraklits auf den Apostel, die Schrift des Maximus über die bei den Häretikern viel besprochene Frage nach dem Ursprung des Bösen und über das Gewordensein des Stoffes, die Schrift des Kandidus über das Sechstagewerk, die des Apion über das gleiche Thema, die des Sextus über die Auferstehung, die des Arabianus über ein anderes Thema und die Schriften von unzähligen anderen, von denen wir, da uns jeder Anhaltspunkt fehlt, weder die Zeit festzulegen noch eine geschichtliche Erinnerung zu bieten vermögen. Und weiter sind von sehr vielen, von denen wir auch die Namen nicht kennen, Schriften auf uns gekommen. Es sind rechtgläubige, kirchlich gesinnte Männer, wie eines jeden Auslegung der göttlichen Schrift bekundet, aber wir kennen sie nicht, da die Schriften die Namen der Verfasser nicht anführen.

28. Einer dieser Männer verfaßte gegen die Häresie des Artemon, welche in unserer Zeit Paulus von Samosata zu erneuern suchte, eine Schrift, in der eine Erzählung überliefert wird, die für unser Thema von Bedeutung ist. Die Schrift weist nach, daß die erwähnte Häresie, welche lehrt, der Erlöser sei ein bloßer Mensch gewesen, erst vor kurzem entstanden ist, während ihre Stifter ihr ein hohes Alter nachrühmen wollten. Nachdem sie zur Widerlegung ihrer infamen Lüge verschiedenes andere vorgebracht, erzählt sie wörtlich:

„Sie behaupten nämlich, daß alle früheren Christen und auch die Apostel das empfangen und gelehrt hätten, was (die Häretiker) nun lehren, und daß bis zur Zeit Viktors, der nach Petrus der 23. Bischof in Rom war, die wahre Lehre sich unverfälscht erhalten habe. Erst von dessen Nachfolger Zephyrin an sei die Wahrheit verfälscht worden. Diese Behauptung könnte man vielleicht noch glauben, wenn nicht schon die göttlichen Schriften ihr entgegenstünden. Es existieren aber auch noch Schriften von Brüdern, welche über die Zeit Viktors hinaufreichen und die diese sowohl gegen die Heiden als auch gegen die damaligen Häresien zugunsten der Wahrheit geschrieben haben. Ich meine die Schriften von Justin, Miltiades, Tatian, Klemens und vielen anderen, worin überall die Gottheit Christi gelehrt wird. Wer kennt nicht die Schriften des Irenäus, Melito und der übrigen, welche verkünden, daß Christus Gott und Mensch ist? Wie viele Psalmen und Lieder, die von Anfang an von gläubigen Brüdern geschrieben wurden, besingen Christus, das Wort Gottes, und verkünden seine Gottheit! Da nun seit so vielen Jahren die kirchliche Meinung verkündet wurde, wie kann man da annehmen, daß man bis Viktor im Sinne der Häretiker gelehrt habe? Schämen sie sich denn nicht, solche Lügen gegen Viktor auszusagen, der doch, wie sie genau wissen, den Schuster Theodot, den Urheber und Vater dieser abtrünnigen, Gott leugnenden Bewegung, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen hatte, weil er als erster Christus einen bloßen Menschen nannte? Hätte Viktor, wie sie vorgehen, ihrer gotteslästerlichen Lehre entsprechend gedacht, wie hätte er Theodot, den Urheber dieser Häresie, exkommunizieren können?“

Soviel über Viktor. Nachdem dieser zehn Jahre regiert hatte, wurde Zephyrin etwa im zehnten Jahre der Regierung des Severus sein Nachfolger. Der Verfasser des erwähnten Buches über den Urheber der genannten Häresie gibt auch noch einen Bericht über ein Ereignis unter Zephyrin. Er schreibt wörtlich:

„Ich will nun viele meiner Brüder an ein bei uns vorgefallenes Ereignis erinnern, von welchem ich glaube, daß es, wenn es in Sodoma geschehen wäre, selbst dessen Bewohner verwarnt hätte. Es lebte, nicht vor langer Zeit, sondern in unseren Tagen ein Bekenner Natalius. Dieser hatte sich einst von Asklepiodot und einem anderen Manne namens Theodot, einem Geldwechsler, verführen lassen. Diese beiden aber waren Schüler des Schusters Theodot, welcher von Viktor, der, wie gesagt, damals Bischof war, dieser Meinung oder vielmehr dieser Torheit wegen als erster von der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde. Sie überredeten Natalius, daß er sich gegen Besoldung von monatlich 150 Denaren zum Bischof dieser Häresie ernennen lasse. Nachdem er sich so ihnen angeschlossen hatte, wurde er wiederholt vom Herrn in Gesichten gewarnt. Denn unser gütiger Gott und Herr Jesus Christus wollte nicht, daß ein Zeuge seiner eigenen Leiden außerhalb der Kirche lebe und zugrunde gehe. Da Natalius, durch die Würde des Vorsitzenden und durch die die meisten verderbende Gewinnsucht berückt, jene Gesichte wenig beachtete, wurde er schließlich von heiligen Engeln die ganze Nacht hindurch gegeißelt und heftig gepeinigt, so daß er sich, als er am Morgen aufgestanden war, mit einem Sache bekleidet und mit Asche bestreut, eiligst unter Tränen dem Bischof Zephyrin zu Füßen warf. Nicht nur vor dem Klerus, sondern auch vor den Laien fiel er nieder und erweichte durch seine Tränen die gütige Kirche des barmherzigen Christus. Nach vielen Bitten und nach Vorzeigung der Striemen, welche ihm die Geißelung verursacht hatte, wurde er unter sorgfältiger Prüfung in die Gemeinschaft aufgenommen.“

Diesen Worten wollen wir noch andere Bemerkungen des gleichen Schriftstellers über dieselben Häretiker beifügen. Sie lauten: „Sie haben die göttlichen Schriften ohne Scheu verfälscht, die Richtschnur des alten Glaubens aufgehoben und Christus verleugnet. Sie fragen nicht, was die heiligen Schriften sagen, sondern mühen sich eifrig ab, logische Schlüsse zu finden, um ihre Gottlosigkeit zu begründen. Wenn ihnen jemand ein Wort der göttlichen Schrift vorhält, dann forschen sie darüber, ob dasselbe gestatte, den konjunktiven oder den disjunktiven Schluß anzuwenden. Unter Verachtung der heiligen Schriften Gottes beschäftigen sie sich mit Geometrie; denn sie sind Erdenmenschen, sie reden irdisch und kennen den nicht, der von oben kommt. Eifrig studieren sie die Geometrie Euklids. Sie bewundern Aristoteles und Theophrast. Galen gar wird von einigen vielleicht angebetet. Soll ich es noch eigens vermerken, daß die, welche die Wissenschaften der Ungläubigen brauchen, um ihre Häresie zu beweisen, und den kindlichen Glauben der göttlichen Schriften mit der Schlauheit der Gottlosen fälschen, mit dem Glauben nichts zu tun haben? Und so legten sie an die göttlichen Schriften keck ihre Hände und gaben vor, sie hätten dieselben verbessert.

Daß ich hiermit nicht falsch über sie berichte, davon kann sich jeder, der will, überzeugen. Wenn nämlich jemand die Abschriften eines jeden von ihnen sammeln und miteinander vergleichen wollte, würde er finden, daß sie vielfach nicht übereinstimmen. So stehen die Abschriften des Asklepiades nicht im Einklang mit denen des Theodot. Zahlreich sind die Beispiele, die sich aufweisen lassen; denn ihre Schüler haben sich mit großem Fleiß das aufgeschrieben, was jeder von ihnen, wie sie selbst sagen, verbessert, in der Tat aber verfälscht hatte. Mit diesen Abschriften stimmen wiederum nicht überein die des Hermophilus. Ja die Abschriften des Apolloniades stimmen nicht einmal unter sich selbst überein. Man darf nur die früher hergestellten mit denen vergleichen, welche sie später umgemodelt haben, und man wird finden, daß sie stark voneinander abweichen. Wie vermessen ein solches Vergehen ist, müssen sie wohl auch selbst erkennen. Entweder glauben sie nicht, daß die göttlichen Schriften vom Heiligen Geiste diktiert sind, entweder sind sie also ungläubig, oder sie halten sich selbst für weiser als den Heiligen Geist. Und was bedeutet dies anders denn Verrücktheit? Sie können nämlich nicht leugnen, daß diese Verwegenheit ihre eigene Tat ist, da ja die Abschriften von ihrer Hand gefertigt sind. Von ihren (christlichen) Lehrern haben sie solche Schriften nicht erhalten, und sie können keine Abschriften vorweisen, die die Vorlage für ihre Texte bildeten. Einige von ihnen haben sich nicht einmal bemüht, die Schriften zu fälschen, sondern haben kurzweg das Gesetz und die Propheten geleugnet und sind unter dem Vorwand, für die Gnade einzutreten, durch ihre gesetzlose und gottlose Lehre in den tiefsten Abgrund des Verderbens gestürzt.“ Soviel hierüber.

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