Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 1

Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 1

1. Ich habe mich entschlossen, in einer Schrift zu berichten über die Nachfolger der heiligen Apostel, über die von unserem Erlöser an bis auf uns verflossenen Zeiten, über die zahlreichen, großen Ereignisse der Kirchengeschichte, über alle trefflichen kirchlichen Führer und Vorsteher in den angesehensten Gemeinden, über alle jene, welche immer wieder mündlich oder schriftlich Dienst am göttlichen Worte taten, über die Person, die Zahl und die Zeit derer, welche sich aus Neuerungssucht zu den schlimmsten Irrtümern hinreißen ließen, um sich dann als Führer zu einer Weisheit, welche keine Weisheit ist, auszugeben, wütenden Wölfen gleich, die sich schonungslos auf die Herde Christi stürzen, ferner über das Schicksal, welches das jüdische Volk unmittelbar nach seinem Frevel an unserem Heiland getroffen hatte, weiterhin über die Zeiten der zahlreichen schweren Angriffe, denen das göttliche Wort von Seiten der Heiden ausgesetzt war, über die Helden, die immer wieder unter Blut und Martern für die Lehre kämpften, endlich über die Glaubenszeugnisse in unseren Tagen und, über das stets gnädige, liebevolle Erbarmen unseres Erlösers. Ich werde dabei nicht anders denn mit dem ersten Wirken unseres Erlösers und Herrn Jesus, des Gesalbten Gottes, beginnen.

Die Schrift erbittet für mich wohlwollende Nachsicht, da es selbstverständlich unsere Kräfte nicht erlauben, eine vollkommene und fehlerfreie Arbeit zu versprechen. Wir sind nämlich die ersten, welche sich jetzt mit dieser Schrift gewissermaßen auf einen noch öden und unbegangenen Weg wagen. Auf die Führung Gottes und die mitwirkende Kraft des Herrn sind wir angewiesen. Keineswegs wäre es uns möglich, die geringsten Spuren von Menschen zu finden, welche denselben Weg wie wir gegangen wären, abgesehen einzig und allein von unbedeutenden Bemerkungen, in welchen der eine auf diese, der andere auf jene Weise Bruchstücke von Berichten über selbsterlebte Zeiten uns hinterlassen hat. Ihre Stimmen gleichen fernen Fackeln; aus der Vorzeit rufen sie wie von ferner Warte uns zu und geben uns Weisung, wie wir zu gehen haben, daß der Gang der Erzählung sicher und gefahrlos werde. Was uns aus ihren lückenhaften Berichten für den vorliegenden Zweck brauchbar schien, haben wir gesammelt und die wertvollen Mitteilungen dieser alten Schriftsteller wie Blumen auf geistigen Auen gepflückt, um zu versuchen, in historischer Darstellung ein Ganzes zu bieten. Sollten wir auch nicht die Nachfolger aller Apostel unseres Erlösers überliefern können, so sind wir schon zufrieden, die Nachfolger der berühmtesten Apostel in den noch heute angesehenen Kirchen erwähnen zu können. Mich dieser Arbeit zu unterziehen, erachte ich für dringend notwendig, da ich bisher noch keinen kirchlichen Schriftsteller kennengelernt habe, der auf diesem Gebiete seinen schriftstellerischen Eifer betätigt hätte. Auch hoffe ich, daß die Arbeit Historikern sehr nützlich sein wird. Bereits früher habe ich in meiner „Chronik“ einen Auszug der Kirchengeschichte gegeben; nunmehr aber habe ich mich entschlossen, eine ausführliche Geschichte zu schreiben.

Wie gesagt, will ich in meiner Schrift mit dem als übermenschlich erkannten Wirken Christi und seinem göttlichen Wesen beginnen. Wer die Geschichte der kirchlichen Lehre schriftlich darlegen will, muß wohl schon mit dem ersten göttlichen, der Maße unfaßbaren Wirken Christi anfangen, da wir ja gewürdigt worden sind, uns nach ihm zu benennen.

2. Da von der doppelten Natur Christi die eine, durch welche er als Gott erkannt wird, dem Haupte des Körpers gleicht, die andere, in der er um unseres Heiles willen ein gleich uns leidender Mensch geworden ist, mit den Füßen verglichen werden kann, so dürfte die folgende Ausführung nur dann korrekt sein, wenn wir in der Darstellung seiner ganzen Geschichte von dem Wichtigsten und Bedeutendsten, was gesagt werden kann, ausgehen. Auf solche Weise wird sowohl das ehrwürdige Alter als auch die Göttlichkeit des Christentums denen klar, welche es für eine Neuerung und etwas Fremdartiges halten, das erst gestern und nicht schon früher in die Erscheinung getreten sei.

Keine Schrift könnte eine genügende Beschreibung der Abstammung, der Würde, des Wesens, der Natur Christi geben. Daher sagt der Heilige Geist in den Prophetenschriften: „Wer wird sein Geschlecht aufzählen?“ Denn niemand hat den Vater gekannt außer der Sohn, und wiederum hat nie jemand den Sohn richtig erkannt außer allein der Vater, der ihn erzeugt hat. Wer außer dem Vater sollte das Licht, das vor der Welt war, die vor der Zeit erkennende und wesenhafte Weisheit, den lebenden göttlichen Logos, der am Anfange bei dem Vater war, vollkommen erkennen, ihn, den zuerst und allein vor jedem sichtbaren und unsichtbaren Gebilde und Geschöpfe Erzeugten Gottes, den obersten Führer des himmlischen, unsterblichen Geisterheeres, den „Engel des großen Ratschlusses“, den Vollbringer des verborgenen väterlichen Willens, den, der mit dem Vater das Weltall erschaffen hat und die zweite Ursache der Welt nach dem Vater ist, den wahren, eingeborenen Sohn Gottes, den Herrn, Gott und König aller Geschöpfe, der die Herrschaft und die Herrlichkeit zugleich mit der Gottheit, der Macht und Ehre vom Vater erhalten hat? In der geheimnisvollen Lehre der Schrift über seine Gottheit heißt es nämlich: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort; alles wurde durch dasselbe erschaffen, und ohne dasselbe ist nichts erschaffen worden.“ Und der große Moses, der älteste aller Propheten, gibt, da er, vom göttlichen Geiste erleuchtet, das Wesen und die Ausgestaltung des Weltalls beschreibt, die Lehre, der Weltbildner und Schöpfer des Alls habe eben Christus und keinem anderen als seinem offenbar göttlichen und eingeborenen Logos die Erschaffung der niederen Wesen überlassen und sich mit ihm über die Schöpfung des Menschen besprochen. Er berichtet: „Gott sprach: Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bilde und Gleichnisse!“ Die gleiche Ansicht vertritt noch ein anderer Prophet, indem er in seinen Psalmen über Gott verkündet: „Er sprach, und es wurde erschaffen; er befahl, und es wurde gebildet,“ Hiermit deutet er an, daß der Vater und Schöpfer als der Allbeherrscher mit Königlichem Winke befiehlt, und daß der göttliche Logos, derselbe, der von uns verkündet wird, als der zweite nach ihm, den väterlichen Befehlen gehorcht. Schon von Beginn des Menschengeschlechtes an haben alle, welche sich bekanntlich durch Gerechtigkeit und die Tugend der Frömmigkeit ausgezeichnet haben, nämlich gleich dem großen Diener Moses zunächst schon vor ihm Abraham und seine Kinder und alle, die nach ihm als Gerechte und Propheten gelebt haben, den göttlichen Logos mit den reinen Augen des Geistes erkannt und ihm als Sohn Gottes die gebührende Ehrfurcht erwiesen. Keineswegs ließ Abraham von der Anbetung des Vaters ab, wodurch er für alle zum Lehrer der Erkenntnis des Vaters geworden ist. Gott der Herr erschien, wie es heißt, als einfacher Mensch dem Abraham, da er unter der Eiche Mambre saß. Abraham fiel sofort, obwohl er mit seinen Augen nur einen Menschen sah, nieder, betete ihn als Gott an, flehte zu ihm als Herrn und gestand, daß er ihn erkenne, mit den Worten: „Herr, der du die ganze Erde richtest, stehe vom Urteile ab!“ Da nun kein vernünftiger Mensch annimmt, daß das unerzeugte und unveränderliche Wesen Gottes, des Allherrschers, sich in die Gestalt eines Mannes verwandelt habe oder in der Gestalt eines Geschöpfes die Augen täusche oder daß die Schrift hier gar Falsches berichte, da aber Gott, der Herr, der die ganze Erde richtet und das Urteil fällt, in menschlicher Gestalt erschien, wer anders als allein der von ihm ausgehende Logos kann darunter verstanden werden? Denn an die erste Ursache der Welt zu denken, ist nicht gestattet. Vom Logos heißt es in den Psalmen: „Er entsandte sein Wort und heilte sie und bewahrte sie vor dem Untergange,“ Ganz deutlich verkündet Moses diesen zweiten Herrn nach dem Vater mit den Worten: „Der Herr ließ über Sodom und Gomorrha Schwefel und Feuer regnen vom Herrn. Als derselbe dem Jakob in Menschengestalt erschien, bezeichnet ihn die göttliche Schrift als Gott; denn er sagt zu Jakob: „Nicht mehr soll dein Name Jakob heißen, sondern Israel soll dein Name sein; denn mit Gott hast du gerungen.“ Auch nannte Jakob den Namen jenes Ortes „Erscheinung Gottes“, indem er bemerkte: „Ich sah Gott von Angesicht zu Angesicht, und meine Seele wurde gerettet.“ Nicht dürfte man etwa bei diesen von der Schrift erwähnten Gotteserscheinungen an untergeordnete Engel oder Diener Gottes denken; denn wenn einer von diesen den Menschen erscheint, dann drückt sich die Schrift nicht unklar aus, sondern erklärt, wie sich leicht durch tausend Zeugnisse bestätigen läßt, ausdrücklich, daß nicht Gott und nicht der Herr, sondern Engel gesprochen hätten. Als Josua, des Moses Nachfolger, den Logos auch nicht anders als in menschlichem Aussehen und Auftreten sah, nannte er ihn, da er Führer der himmlischen Engel und Erzengel und der überirdischen Mächte und Kraft und Weisheit des Vaters ist und er nach ihm mit der Herrschaft und Gewalt über alles betraut worden war, den obersten Führer der Mächte des Herrn. Es steht nämlich geschrieben: „Es geschah, als Josua in Jericho war, da blickte er auf und sah vor sich einen Menschen stehen, in dessen Hand ein gezücktes Schwert war. Josua trat zu ihm und fragte ihn: Bist du einer der Unsrigen oder einer der Feinde? Jener entgegnete: Der vor dir jetzt erschienen ist, ist der oberste Führer der Mächte des Herrn. Da fiel Josua auf sein Angesicht auf die Erde nieder und sprach zu ihm: Mein Herr, was befiehlst du dem Knechte? Und der oberste Führer des Herrn antwortete Josua: Löse deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig!“ Aus der Gleichheit der Worte kann man entnehmen, daß jene Person niemand anderer ist als der, welcher zu Moses gesprochen hatte, dem gegenüber sich die Schrift derselben Worte in gleicher Lage bedient: „Da der Herr sah, daß Moses komme, zu schauen, rief er ihm aus dem Dornstrauch entgegen: Moses, Moses! Dieser fragte: Was gibt es? Und er antwortete: Nähere dich nicht! Löse deine Schuhe von deinen Füßen! Denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilige Erde. Und er fuhr fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs.“„ Daß es tatsächlich ein Wesen gibt, welches schon vor der Welt lebte und war und welches als Wort Gottes und sich offenbarende Weisheit dem Vater und dem Gott des Alls bei der Erschaffung aller gewordenen Dinge behilflich war, lehren nicht nur die angeführten Beweise, sondern auch der eigene Mund der Weisheit selbst, welche durch Salomon klar und deutlich folgende Geheimnisse über sich offenbart: „Ich, die Weisheit, habe mich im Zelte der Klugheit und Erkenntnis niedergelassen, und die Einsicht habe ich zu Rate gerufen. Durch mich regieren die Könige und erlassen die Herrscher ihre Gesetze. Durch mich sind die Großen groß und herrschen die Mächtigen über die Erde.“ Die Weisheit fügt noch bei: „Der Herr hat mich am Anfange seiner Wege für sein Werk erschaffen; vor der Zeit hat er mich gegründet. Im Anfange, vor Erschaffung der Erde, ehe noch die Wasserquellen hervorsprudelten, ehe noch die Berge aufgestellt wurden, vor allen Hügeln erzeugte er mich. Als er den Himmel bereitete, war ich bei ihm, und als er unter dem Himmel die Quellen sicherte, war ich bei ihm, um zu ordnen. Ich war es, mit dem er sich täglich freute. In seiner Gegenwart freute ich mich zu jeder Zeit, da er sich ergötzte an der Vollendung der Erde.“ Daß der göttliche Logos präexistierte und daß er, wenn auch nicht allen, so doch einzelnen erschienen ist, diese Tatsache haben wir in Kürze festgestellt.

Der Grund, warum der göttliche Logos nicht wie jetzt, so auch schon früher allen Menschen und allen Völkern verkündet wurde, dürfte sich aus folgendem ergeben: Das frühere Leben der Menschen war noch nicht fähig, Christi Lehre, die voll Weisheit und Kraft ist, zu erfassen. Der erste Mensch hatte gleich am Anfange nach seinem ersten seligen Dasein das göttliche Gebot gering geachtet, war deshalb in dieses sterbliche, leidenvolle Leben geraten und hatte gegen die frühere Seligkeit in Gott diese verfluchte Erde eingetauscht. Seine Nachkommen, welche unsere ganze Erde bevölkerten, waren, von dem einen und anderen abgesehen, noch viel schlimmer geworden und hatten ein tierisches Dasein und ein widernatürliches Leben geführt. Ja sie hatten nicht einmal an Städte und Staaten, an Künste und Wissenschaften gedacht. Von Gesetzen und Verordnungen, von Tugend und Philosophie hatten sie nicht einmal eine Idee. Als Nomaden hatten sie gleich Wilden und Barbaren in der Wüste gelebt. Da sie durch das Übermaß freigewollter Bosheit die natürlichen Verstandesanlagen und die vernunftgemäßen, zarten Keime des menschlichen Herzens vernichtet hatten, hatten sie sich allen möglichen Schändlichkeiten ganz und gar hingegeben, so daß sie einander zugrunde richteten, einander mordeten, gelegentlich zu Menschenfressern wurden, sich zum Kriege gegen Gott und zu den allbekannten Kämpfen mit den Riesen erkühnten, daran dachten, die Erde zum Bollwerk gegen den Himmel zu machen, und sich in ihrem wahnsinnigen, maßlosen Hochmut anschickten, den Herrn der Welt selbst zu bekriegen. Wegen dieses Verhaltens bestrafte sie der allwissende Gott durch Überschwemmungen und rächte sich an ihnen wie an einem über die ganze Erde sich erstreckenden Urwald durch Feuer. Er schlug sie durch anhaltende Hungersnot, durch Pest und Krieg und durch Blitz und Ungewitter, sie durch bittere Strafen vor schrecklicher, schlimmster Seelenkrankheit bewahrend. Damals, als beinahe alle Menschen vom starken Schwindel der Bosheit erfaßt waren und fast alle Menschenseelen wie von einem furchtbaren Rausch verfinstert und betäubt wurden, erschien die erstgeborene und ersterschaffene Weisheit Gottes, der präexistierende Logos selbst im Übermaße seiner Menschenliebe bald den niederen Geschöpfen in Engelsgestalt, bald dem einen und anderen der alten Gottesfreunde in eigener Person als erlösende Gotteskraft eben in Menschengestalt, weil es nicht anders möglich war. Erst als nun durch diese Gottesfreunde die Samen der Gottesfurcht in die Maße getragen wurden und aus den alten Hebräern auf Erden ein ganzes Volk der Gottesfurcht erstand, erst als der Logos dieser noch an alten Gewohnheiten hängenden Volksmaße durch den Propheten Moses Vorbilder und Symbole eines geistigen Sabbats und einer (geistigen) Beschneidung und Hinweise auf andere erhabene Lehren gab, ohne aber schon in die Geheimnisse selbst einzuführen, erst als durch das Bekanntwerden der jüdischen Gesetze, welche gleich einem Wohlgeruch unter die ganze Menschheit drangen, infolge der Bemühungen von Gesetzgebern und Philosophen, die Überall auftraten, zahlreiche Völker gesitteter wurden, ihr wilder, roher, tierischer Sinn sich in Sanftmut verwandelte und sie in aufrichtigem Frieden freundschaftlich miteinander verkehrten, erst jetzt, zu Beginn des römischen Kaiserreiches, erschien allen übrigen Menschen und den Heiden des ganzen Erdkreises, da sie vorbereitet und bereits fähig waren, die Erkenntnis des Vaters anzunehmen, derselbe Lehrer der Tugenden, der Diener des Vaters in allem Guten, der erhabene und himmlische Logos Gottes, in Menschengestalt, ohne jedoch unsere körperliche Natur in etwas zu ändern. Jetzt erst wirkte und litt er, wie es die Prophezeiungen verkündet hatten, indem sie erklärten, es werde jemand, der Mensch und Gott zugleich ist, öffentlich auftreten, wunderbare Werke verrichten und sich allen Völkern als Lehrer der Verehrung des Vaters erweisen, und indem sie seine wunderbare Geburt, seine neue Lehre, das Außerordentliche seiner Taten, ferner die Art seines Todes, seine Auferstehung von den Toten und schließlich seine wunderbare Himmelfahrt prophezeiten. Die endgültige Herrschaft des Logos schaute in göttlicher Inspiration der Prophet Daniel, und in göttlichem Geiste, aber in menschlicher Form beschreibt er also die Gotteserscheinung. „Ich schaute“, sagt er „bis die Throne aufgestellt waren und der Bejahrte sich gesetzt hatte. Sein Gewand war wie weißer Schnee und sein Haupthaar wie reine Wolle. Sein Thron war Feuerflamme und dessen Räder loderndes Feuer. Ein Feuerstrom wälzte sich vor ihm dahin. Abertausende dienten ihm und Abertausende umstanden ihn. Das Gericht setzte sich, und die Bücher wurden aufgeschlagen,“ Sodann heißt es weiter: „Ich schaute, und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer, der war wie ein Menschensohn. Er schritt bis zu dem Bejahrten und wurde vor ihn geführt. Und es wurde ihm gegeben die Macht und die Ehre und das Reich, und alle Völker und Stämme und Zungen werden ihm dienen. Seine Herrschaft ist ewige Herrschaft, welche nicht aufhören wird, und sein Reich wird nicht zugrunde gehen.“ Diese Prophezeiungen kann man offenbar auf niemand anderen beziehen als auf unseren Erlöser, welcher am Anfange bei Gott war als Gott und Logos und welcher wegen seiner schließlichen Menschwerdung Menschensohn genannt wird. Mit dem Gesagten wollen wir uns nunmehr begnügen; denn in einer eigenen Schrift hatten wir die Prophetenstellen über unseren Erlöser Jesus Christus gesammelt und an anderer Stelle die Offenbarungen über ihn noch wirkungsvoller zusammengetragen.

3. Nun soll gezeigt werden, daß auch die Namen Jesus und Christus schon bei den alten, von Gott geliebten Propheten in Ehren standen. Moses hatte zuerst die erhabene Würde und den Ruhm, der im Namen Christus tatsächlich gelegen ist, erkannt. Denn als er gemäß dem Auftrage: „Siehe, alles sollst du fertigen nach dem Vorbilde, das dir auf dem Berge gezeigt wurde“, Typen himmlischer Dinge und Symbole und geheimnisvolle Vorbilder angeordnet hatte, bestimmte er den tauglichsten Mann zum Hohenpriester und nannte ihn Christus, Der hohenpriesterlichen Würde, welche nach seiner Anschauung jeden menschlichen Rang übertraf, legte er zu ihrer Ehre und Verherrlichung den Namen Christus bei. Er wußte also, daß Christus etwas unendlich Erhabenes bedeutet. Vom göttlichen Geiste erleuchtet, kannte Moses auch bereits genau den Namen Jesus und benützte auch ihn zur Auszeichnung. Ehe derselbe dem Moses mitgeteilt wurde, war er unter den Menschen nicht gebräuchlich. Moses aber gab den Namen Jesus (Josua) zuerst und allein demjenigen, von dem er wußte, daß er nach seinem Tode als Vorbild und Hinweis (auf Jesus) die Führung über alle übernehmen werde. Seinem Nachfolger, der früher noch nicht den Namen Jesus hatte, sondern Osee hieß, wie ihn seine Eltern genannt hatten, gab er den Namen Jesus als kostbares Ehrengeschenk, welches viel wertvoller ist als alle Königlichen Diademe. Er tat es, weil eben Jesus, der Sohn des Nave, unseren Erlöser vorbildete, welcher allein nach Moses und nach dem Aufhören des von diesem angeordneten symbolischen Gottesdienstes in die Herrschaft der wahren und reinsten Gottesverehrung eintrat. Moses legte also den beiden Männern, welche sich unter ihm durch Tugend und Ruhm vor dem ganzen Volke hervortaten, nämlich dem Hohenpriester und seinem eigenen Nachfolger, den Namen unseres Erlösers Jesus Christus zur höchsten Ehrung bei. Deutlich und unter Namensnennung verkündeten auch die späteren Propheten Christus und sagten zugleich die Auflehnung des jüdischen Volkes und die Berufung der Heidenvölker voraus. Jeremias erklärte einmal: „Der Geist vor uns, Christus, der Herr, wurde wegen ihrer Sünden gefangen, er, von dem wir sagten: In seinem Schatten werden wir leben unter den Heiden,“ Und aus der Not heraus ruft David: „Warum toben die Heiden und sinnen die Völker Eitles? Die Könige der Erde haben sich erhoben, und die Fürsten haben sich geeint wider den Herrn und seinen Christus“, Hierzu fügte er sodann im Namen Christi selbst die Worte: „Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich erzeugt. Verlange von mir, und ich werde dir die Heiden geben zum Erbe und als deinen Besitz die Grenzen der Erde. Der Name Christus schmückte aber bei den Hebräern nicht nur die Hohenpriester, welche als Vorbilder mit besonders zubereitetem Öle gesalbt wurden, sondern auch die Könige, welche auf göttlichen Befehl von den Propheten ebenfalls gesalbt wurden, um sie zu Vorbildern Christi zu machen; denn sie waren ja Vorbilder der Königlichen Herrschergewalt des einen und wahren Christus, des über alle regierenden göttlichen Logos. Nach der Überlieferung wurden aber auch einige von den Propheten selbst durch Salbung vorbildlich zu Christussen. Sie alle (die Hohenpriester, Könige und Propheten) sind also Hinweise auf den wahren Christus, den göttlichen und himmlischen Logos, den alleinigen Hohenpriester für alle, den alleinigen König der ganzen Schöpfung und den alleinigen Führer der Propheten des Vaters. Daß sie nur vorbereiten sollten, ergibt sich daraus, daß noch keiner von denen, die seinerzeit vorbildlich gesalbt worden waren, kein Priester, kein König und auch kein Prophet, diese Kraft sittlicher Größe besaß, welche unser Erlöser und Herr Jesus, der einzige und wahre Christus, geoffenbart hat. Noch keiner von denen, welche sich durch zahlreiche Geschlechter infolge ihrer Würde und ihres Ansehens bei ihren Landsleuten ausgezeichnet hatten, konnte je seine Jünger deshalb, weil er für sie vorbildlich den Namen Christus trug, Christen nennen. Auch wurde keinem von ihnen von seiten der Untergebenen göttliche Ehre erwiesen. Auch fand keiner nach seinem Tode so begeisterte Liebe, daß man bereit gewesen wäre, für den geehrten Helden zu sterben. Auch rief keiner der damaligen Männer in allen Völkern des Erdkreises so starke Bewegung hervor; denn die Vorbilder hatten nicht die Kraft der gleichen Wirkung wie die in unserem Erlöser sich offenbarende Wahrheit. Wenn auch Jesus von niemandem die Symbole und Abzeichen der hohenpriesterlichen Würde empfing, seine leibliche Abstammung auf kein Priestergeschlecht zurückführte, nicht durch eine Leibwache zur Herrschaft gelangte, nicht nach Art der alten Propheten Prophet wurde und keinerlei Würden und Ämter bei den Juden innehatte, so war er doch vom Vater mit allem ausgezeichnet, allerdings nicht mit sinnlichen Zeichen, aber dafür mit der Wahrheit selbst. Wenn er auch nicht solche Vorzüge wie die erwähnten erhielt, so verdient er doch mehr als jene Männer den Titel Christus. Da er der einzige und wahre Christus Gottes ist, hat er die ganze Welt mit seinem wahrhaft ehrwürdigen und heiligen Namen, d. i. mit Christen, erfüllt; denn nicht mehr Typen und Vorbilder, sondern die Tugenden selbst und das himmlische Leben hat er mit den Lehren der Wahrheit seinen Anhängern geschenkt. Nicht eine materielle Salbung hatte er empfangen, sondern durch den göttlichen Geist die göttliche Salbung infolge seiner Teilnahme an der unerzeugten, väterlichen Gottheit. Dies lehrt Isaias, da er im Namen Christi selbst also ruf L „Der Geist des Herrn ist über mir, darum hat er mich gesalbt; er hat mich gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen und den Gefangenen die Erlösung und den Blinden das Licht zu verkünden, Nicht nur Isaias, auch David lehrt es, da er den Herrn also anredet: „Dein Thron, o Gott, ist für alle Ewigkeit. Das Zepter deiner Herrschaft ist ein Zepter der Gerechtigkeit. Du liebst das Recht und haßest das Unrecht. Deshalb hat dich, o Gott, dein Gott mit dem Öle der Freude gesalbt zur Auszeichnung vor deinen Genossen.“ In diesen Worten wird Jesus im ersten Verse Gott genannt, im zweiten Verse mit dem Königlichen Zepter ausgezeichnet. Nach Erwähnung seiner göttlichen und Königlichen Gewalt wird er im dritten Punkte folgerichtig als Christus hingestellt, der nicht mit materiellem Öle, sondern mit dem göttlichen Öle der Freude gesalbt wird, wodurch seine Vorzüglichkeit, seine hohe Erhabenheit und seine Auszeichnung gegenüber denen, die ehedem vorbildlich und körperlich gesalbt worden waren, dargetan wird. An anderer Stelle offenbart der gleiche David über Jesus; „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege! … Aus dem Schoße vor Sonnenaufgang habe ich dich erzeugt. Der Herr hat geschworen, und nicht wird er es bereuen: Du bist der Priester ewiglich nach der Ordnung des Melchisedek.“ Dieser Melchisedek tritt in der Heiligen Schrift als Priester des höchsten Gottes auf, ohne durch irdisches öl dazu geweiht worden zu sein und ohne durch Abstammung Anspruch auf die hebräische Priesterweihe gehabt zu haben. Daher ist unser Erlöser eidlich als Christus und Priester nach der Ordnung des Melchisedek, nicht aber nach Ordnung derer bezeichnet, welche sinnliche Zeichen und Typen erhalten hatten. Darum berichtet die Geschichte nicht, daß Jesus bei den Juden gesalbt wurde, noch daß er von priesterlichem Geschlechte abstamme, sondern sagt, daß er von Gott selbst vor Sonnenaufgang, d. i. vor Erschaffung der Welt, ins Dasein getreten sei und daß er, nicht sterbend und nicht alternd, bis in die endlose Ewigkeit die Priesterwürde besitze. Ein deutlicher und schlagender Beweis für seine unkörperliche, göttliche Salbung ist, daß von allen, die bis jetzt aufgetreten sind, er allein bei allen Menschen der ganzen Welt Christus genannt und unter diesem Namen von allen bekannt und bezeugt und bei Griechen und Barbaren erwähnt wird, daß er auch jetzt noch von seinen Anhängern auf dem ganzen Erdkreis als König geehrt, mehr als ein Prophet bewundert und als wahrer und einziger Hoherpriester Gottes gepriesen wird und daß er außer all dem als präexistierender und vor aller Zeit ins Dasein getretener Logos Gottes vom Vater geachtet und geehrt und als Gott angebetet wird. Das Allerwunderbarste aber ist, daß wir, die wir uns ihm geweiht haben, ihn nicht nur mit unserer Stimme und dem Schalle unserer Worte, sondern auch von ganzem Herzen ehren, so daß wir das Zeugnis für ihn höher achten als sogar unser eigenes Leben.

4. Die Religion, die er alle Völker gelehrt, war nichts Neues und nichts Fremdes. Diese Bemerkungen mußte ich der folgenden geschichtlichen Darstellung vorausschicken, damit niemand meine, unser Heiland und Herr Jesus Christus gehöre nur der neueren Geschichte an, weil er in der Zeit im Fleische erschienen ist.

Damit man aber auch nicht seine Lehre für neu und fremd halte, gerade als wäre sie von einem Neuling aufgestellt, der sich in nichts von den übrigen Menschen unterscheidet, darum wollen wir kurz auch hierüber berichten. Als vor nicht langer Zeit das Erscheinen unseres Erlösers Jesus Christus allen Menschen Licht brachte, da trat sofort es war zu der im geheimnisvollen Ratschluß (Gottes) vorausbestimmten Zeit ein bekanntlich neues, nicht kleines, nicht schwaches, auch nicht irgendwo in einem Winkel der Erde hausendes Volk auf, ein Volk, welches das stärkste und gottesfürchtigste von allen Völkern ist und welches insofern unausrottbar und unbesiegbar ist, als es für immer den Schutz Gottes genießt; es ist jenes Volk, das zu seiner Ehre überall nach Christus genannt wird. Einer der Propheten, der mit dem Auge göttlichen Geistes die Zukunft vorausschaute, war über dieses Volk so entzückt, daß er in die Worte ausbrach: „Wer hat solches gehört? Oder wer hat solches gesagt? Dauerten die Geburtswehen für ein Land nur einen einzigen Tag? Und wurde ein Volk auf einmal geboren?“ Der gleiche Prophet deutet auch im voraus den Titel des Volkes an mit den Worten: „Diejenigen, welche mir dienen, werden einen neuen Namen Führen, der auf der Erde gepriesen sein wird.“ Doch wenn wir auch sicher Neulinge sind und die wirklich neue Bezeichnung „Christen“ noch nicht lange bei allen Völkern bekannt ist, so ist doch, wie wir im folgenden nachweisen wollen, unser Leben und die Art unseres Auftretens nicht erst vor kurzem von uns durch religiöse Bestimmungen festgelegt, sondern gewissermaßen schon von Beginn des Menschengeschlechtes an durch natürliche Erwägungen der alten Gottesfreunde bestimmt worden. Das hebräische Volk ist nicht neu, sondern eben wegen seines Alters allgemein geachtet und allgemein bekannt. Seine Überlieferungen und seine Schriften erwähnen nun Männer aus alter Zeit, zwar nur wenige an Zahl, aber ausgezeichnet durch Frömmigkeit, Gerechtigkeit und alle übrigen Tugenden: einige vor der Sintflut, andere nach derselben, von den Söhnen und Nachkommen des Noah den Abraham, den die Söhne der Hebräer als ihren Führer und Stammvater feiern. Würde jemand alle diese durch Gerechtigkeit ausgezeichneten Männer, von Abraham an bis hinauf zum ersten Menschen, als Christen, wenn auch nicht dem Namen, so doch der Tal nach erklären, so dürfte er der Wahrheit nicht widersprechen. Denn wenn der Name Christ sagen will, daß der Christ sich infolge der Erkenntnis Christi und infolge seiner Lehre durch Klugheit und Gerechtigkeit, durch Mäßigkeit und Standhaftigkeit sowie durch das fromme Bekenntnis des einen und einzigen, über alle herrschenden Gottes hervortun soll, dann sind die erwähnten Männer in all diesem nicht weniger eifrig gewesen als wir. So wenig wie wir dachten auch jene an eine körperliche Beschneidung oder an eine Beobachtung der Sabbate. Auch kümmerten sie sich nicht, so wenig wie wir jetzigen Christen, um Speisegebote und Speiseverbote, welche zuallererst Moses für die späteren Geschlechter aus symbolischen Gründen erlassen halte. Genau kannten sie auch den Christus Gottes; denn wie gezeigt wurde, erschien er dem Abraham, offenbarte sich dem Isaak, sprach mit Israel und verkehrte mit Moses und den späteren Propheten. Man kann daher finden, daß jene gottbefreundeten Männer sogar des Namens Christus gewürdigt worden waren. Denn es heißt von ihnen: „Vergreifet euch nicht an meinen Christussen und versündiget euch nicht an meinen Propheten! Die Art der Gottesverehrung, welche vor nicht langer Zeit durch die Lehre Christi allen Völkern verkündet wurde, muß man also offenbar für die erste, die allerälteste und ursprünglichste, schon von den Gottesfreunden zur Zeit Abrahams geübte ansehen. Wenn man einwendet, Abraham habe doch später den Befehl zur Beschneidung erhalten, so ist zu bedenken, daß deutlich von ihm bezeugt wird, er sei schon vor der Beschneidung infolge seines Glaubens gerechtfertigt worden; denn das göttliche Wort sagt: „Abraham glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet.“ Da Abraham schon vor der Beschneidung gerechtfertigt war, empfing er von dem sich ihm offenbarenden Gott, d. i. von Christus, dem Logos Gottes, bezüglich derer, welche später in ähnlicher Weise wie er gerechtfertigt werden sollten, wörtlich folgende Offenbarung: „Und in dir werden alle Stämme der Erde gesegnet werden und „Er wird werden zu einem großen und zahlreichen Volke, und in ihm werden gesegnet sein alle Völker der Erde.“ Offenbar sind diese Worte an uns in Erfüllung gegangen. Wie Abraham, da er den Götzendienst und die Verkehrtheit seiner Ahnen verlassen hatte und da er den einzigen, allmächtigen Gott bekannte und ihn mit Werken der Tugend, nicht aber durch die Zeremonien eines Gesetzes, das Moses erst später gegeben hatte, verehrte, durch den Glauben an den ihm erschienenen Logos Gottes, den Christus, gerechtfertigt und ihm in dieser Eigenschaft erklärt worden war, daß in ihm alle Stämme der Erde und alle Völker gesegnet werden sollen, so wird augenfällig Gott nach Abrahams Art in der Jetztzeit nur von Christen auf dem ganzen Erdkreise durch Werke, die alle Worte übertreffen, verehrt. Was soll uns also noch weiterhin abhalten, zu gestehen, daß wir, die wir von Christus abstammen, und die Gottesfreunde der Vorzeit das gleiche Leben und dieselbe Art der Gottesverehrung haben? Somit haben wir den Beweis erbracht, daß die durch die Lehre Christi geforderte Art der Gottesverehrung nicht neu und fremd, sondern, um die Wahrheit zu sagen, die erste, die einzige, die wahre ist. So viel hierüber.

5. Nach dieser notwendigen Einleitung zu unserer geplanten Kirchengeschichte wollen wir nunmehr gewissermaßen den Marsch beginnen mit der Menschwerdung unseres Erlösers. Zuvor aber wollen wir Gott, den Vater des Logos, und unseren sich offenbarenden Erlöser und Herrn Jesus Christus, den himmlischen Logos Gottes, anrufen, daß er uns helfe und beistehe zur wahrheitsgetreuen Erzählung.

Es war das 42. Jahr der Regierung des Augustus und das 28. Jahr seit der Unterwerfung Ägyptens und dem Tode des Antonius und der Kleopatra, womit die Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten ihr Ende gefunden hatte, da wurde unser Erlöser und Herr Jesus Christus unter Quirinius, dem Statthalter von Syrien, zur Zeit der damaligen ersten Volkszählung gemäß den Prophezeiungen zu Bethlehem in Judäa geboren. Über diese Volkszählung unter Quirinius berichtet auch Flavius Josephus, der berühmteste Schriftsteller der Hebräer, indem er zugleich die zu derselben Zeit entstandene Sekte der Galiläer erwähnt, von der unser Lukas in der Apostelgeschichte also erzählt: „Hierauf erhob sich Judas, der Galiläer, in den Tagen der Volkszählung und gewann das Volk für sich; auch er kam um, und alle, welche ihm gefolgt waren, zerstreuten sich. Damit stimmt der erwähnte Josephus im 18. Buche seiner „Altertümer“ überein. Er berichtet wörtlich: „Der Senator Quirinius, ein Mann, der schon die übrigen Ämter bekleidet hatte, durch alle Stufen bis zur höchsten Würde emporgestiegen war und auch sonst großen Einfluß besaß, kam mit einigen Begleitern nach Syrien, vom Kaiser als Richter entsandt und mit der Aufgabe der Vermögensschätzung betraut. Bald darauf schreibt er: „Judas, der Gaulaniter, ein Mann aus der Stadt Gamala, reizte gemeinsam mit dem Pharisäer Saddok zum Aufstande auf; sie gaben aus, daß die Schätzung nichts anderes als die volle Knechtung bezwecke, und forderten das Volk auf, für die eigene Freiheit einzutreten. Über diesen Judas bemerkt Josephus im zweiten Buche seines „Jüdischen Krieges“: „Damals reizte ein Galiläer, namens Judas, seine Landsleute zum Aufstande auf und schalt sie, daß sie sich die Steuern an die Römergefallen ließen und außer Gott noch sterbliche Herrscher annähmen.“ Soweit Josephus.

6. Damals, als Herodes als erster Ausländer die Herrschaft über das jüdische Volk erhielt, erfüllte sich die Prophezeiung des Moses: „Nicht wird es fehlen an einem Herrscher aus Juda noch an einem Führer aus seinen Lenden, bis der kommt, dem es vorbehalten ist“ und den Moses auch die Erwartung der Heiden nennt. Die Weissagung blieb unerfüllt, solange die Juden unter einem eigenen Volksführer leben konnten, nämlich von Moses bis zur Herrschaft des Augustus. Unter diesem wurde Herodes als erster Fremdling von den Römern mit der Herrschaft über die Juden betraut. Er war, wie Josephus überliefert, von väterlicher Seite Idumäer, von mütterlicher Seite Araber. Nach Afrikanus, einem nicht unbedeutenden Schriftsteller, behaupten solche, die gut über ihn informiert sind, daß Antipater, sein Vater, der Sohn eines gewissen Herodes aus Askalon gewesen sei und daß dieser letztere zu den Tempeldienern des Apollo gehört habe. Antipater wurde als Kind von idumäischen Räubern gestohlen und blieb bei ihnen, da sein Vater zu arm war, um ihn loskaufen zu können. Er wurde in ihren Bräuchen erzogen und trat später in freundschaftliche Beziehung zu dem jüdischen Hohenpriester Hyrkanus. Der Sohn des Antipater war der zur Zeit unseres Erlösers lebende Herodes. Als das Reich der Juden auf diesen Mann überging, war nunmehr gemäß der Prophezeiung die Erwartung der Heiden nahe; denn mit Herodes hörten die jüdischen Herrscher und Führer auf, welche von Moses ab ununterbrochen regiert hatten. Vor der Gefangenschaft der Juden und ihrem Abtransport nach Babylon hatten die Juden zunächst Saul und David als Könige. Vor den Königen regierten Herrscher, welche man Richter nannte und welche nach Moses und dessen Nachfolger Josua die Führung übernommen hatten. Nach der Rückkehr aus Babylon hatten die Juden, sofern Priester an der Spitze standen, ununterbrochen eine aristokratisch-oligarchisehe Verfassung, und zwar bis der römische Feldherr Pompeius erschien, Jerusalem mit Gewalt eroberte und durch Betreten des Allerheiligsten den Tempel entweihte und bis er den Aristobulus, welcher bis dahin als Glied einer alten Herrscherreihe König und Hoherpriester zugleich war, mit seinen Kindern gefangen nach Rom schickte, dessen Bruder Hyrkanus die hohepriesterliche Würde übertrug und das ganze jüdische Volk nunmehr den Römern tributpflichtig machte. Bald nachdem Hyrkanus, der letzte in der ununterbrochenen Reihe der Hohenpriester, in die Gefangenschaft der Parther geraten war, erhielt zum ersten Male, wie gesagt, ein Ausländer, nämlich Herodes, die Herrschaft über das jüdische Volk, und zwar aus der Hand des römischen Senates und des Kaisers Augustus. Unter ihm erfolgte tatsächlich die Erscheinung Christi und der Prophezeiung gemäß die erwartete Erlösung und Berufung der Heiden. Seitdem nun die aus Juda stammenden Fürsten und Führer, ich meine die, welche aus dem jüdischen Volke hervorgingen, aufgehört hatten, da war es natürlich sofort mit der Bedeutung der hohenpriesterlichen Würde vorbei, welche von den Ahnen ab regelmäßig auf die nächsten Nachfolger im Geschlechte übergegangen war. Auch hierfür ist Josephus maßgebender Zeuge. Er berichtet: „Sobald Herodes von den Römern mit der Herrschaft betraut worden war, stellte er nicht mehr Hohepriester aus dem alten Geschlechte auf, sondern verlieh diese Würde unbekannten Männern; ähnlich wie Herodes verfuhr bei Anstellung der Priester auch sein Sohn Archelaus und nach diesem die die Herrschaft über die Juden an sich reißenden Römer, Josephus erzählt auch: „Herodes verschloß zuerst das heilige Gewand des Hohenpriesters und versiegelte den Verschluß mit seinem eigenen Siegel und gestattete den Hohenpriestern nicht mehr, dasselbe bei sich zu behalten. Sein Nachfolger Archelaus und nach diesem die Römer handelten in gleicher Weise. Noch eine andere Prophezeiung hat sich mit dem Erscheinen unseres Heilandes Jesus Christus erfüllt. Um dies zu zeigen, möchten wir noch folgendes erwähnen. Ausdrücklich und aufs bestimmteste nennt die Schrift im Buche Daniel die Zahl der sog. Jahreswochen bis zum Führer Jesus, worüber wir uns an anderen Stellen ausgesprochen haben, und prophezeit, daß nach ihrem Ablauf der bei den Juden üblichen Salbung ein Ende bereitet werde. Klar hat sich gezeigt, daß diese Weissagung zur Zeit der Geburt unseres Heilandes Jesus Christus sich erfüllt hat.

Um der Chronologie willen mußten wir diese Ausführungen vorausschicken.

7. Da Matthaus und Lukas uns auf verschiedene Weise in ihren Evangelien das Geschlechtsregister Christi überliefert haben und da die meisten glauben, daß sich dieselben widersprechen und alle Gläubigen sich in Unkenntnis der Wahrheit abmühen, eine Erklärung der Stellen ausfindig zu machen, darum teilen wir einen hierüber auf uns gekommenen Bericht mit, welchen der etwas weiter oben von uns erwähnte Afrikanus bezüglich der Übereinstimmung der evangelischen Geschlechtsregister in einem Briefe an Aristides gegeben hat und worin er die Anschauungen der anderen als gezwungen und unrichtig dartut. Die Erklärung, welche er selbst übernommen hat, gibt er also wieder: „Die Aufzählung der Namen in den Stammtafeln war in Israel entweder physisch oder gesetzlich; physisch war sie, wenn der leibliche Sohn folgte, gesetzlich, wenn ein Fremder an Kindes Statt angenommen wurde auf den Namen des ohne Kinder gestorbenen Bruders. Da nämlich die Hoffnung auf die Auferstehung noch nicht klar war, so suchte man einen Ersatz für die künftige, verheißene Auferstehung in der sterblichen Auferstehung, damit der Name des Hingeschiedenen nicht ausgetilgt würde. Da nun von den in unseren Geschlechtsregistern genannten Personen die einen als leibliche Kinder den Vätern folgten, während die anderen nach Männern benannt wurden, von denen sie nicht erzeugt worden waren, so sind die aufgezählten Männer zum Teil Väter der Natur nach, zum Teil Väter der Form nach. Weil nun die Evangelien im einen Falle die natürliche Zeugung berücksichtigten, im anderen Falle eine, gesetzliche Gewohnheit, so irrt sich keines der beiden. Die von Salomon und die von Nathan abstammenden Geschlechter wurden durch die Neubelebungen der Kinderlosen bzw. die zweiten Ehen sowie durch die natürliche Zeugung so sehr miteinander verkettet, daß man mit Recht behaupten kann, die gleichen Personen stammen zugleich von verschiedener Seite ab, nämlich von Vätern, die es dem Scheine nach sind, und von solchen, die es in Wirklichkeit sind. Die beiden Berichte sind also vollständig richtig; wenn auch unter verschiedenen Verschlingungen, Führen sie doch wahrheitsgemäß zu Joseph. Damit das Gesagte verständlich wird, will ich die Verkettungen der Familien erklären. Zählt man die Glieder von David über Salomon, dann ist das drittletzte Matthan; denn dieser erzeugte Jakob, den Vater Josephs. Zählt man aber wie Lukas von Davids Sohn Nathan ab, dann ist das drittletzte Melchi; denn Joseph war der Sohn des Heli, des Sohnes des Melchi. Mit Bezug auf Joseph müssen wir nun zeigen, inwiefern sowohl Jakob in der auf Salomon zurückführenden Linie wie Hell in der auf Nathan zurückgehenden Linie als Josephs Vater erklärt wird, inwiefern beide, nämlich Jakob und Heli, Brüder waren und inwiefern deren Väter, nämlich Matthan und Melchi, obwohl sie verschiedenen Geschlechtern angehören, als Großväter Josephs bezeichnet werden. Matthan und Melchi heirateten einer nach dem anderen dasselbe Weib, und ihre Söhne wurden Brüder als Kinder der gleichen Mutter; denn das Gesetz verbot einer Witwe nicht, sich wieder zu verheiraten, mochte sie geschieden leben oder mochte ihr Mann gestorben sein. Aus Estha nach der Überlieferung sein Weib erzeugte zuerst Matthan, der von Salomon abstammte, den Jakob; nach seinem Tode heiratete Melchi, der sein Geschlecht auf Nathan zurückführte, also wenn auch dem gleichen Stamme, so doch, wie gesagt, einem anderen Geschlechte angehörte, die Witwe und erhielt von ihr als Sohn den Heli. Wir können also verstehen, daß Jakob und Heli, die zwei verschiedenen Geschlechtern angehören, doch als Kinder der gleichen Mutter Brüder waren. Jakob nun nahm, da sein Bruder Heu kinderlos starb, dessen Weib zu sich und erzeugte aus ihr als drittes Glied den Joseph, welcher zwar der Natur nach ihm gehörte, weshalb das Schriftwort sagt: Jakob erzeugte den Joseph, dem Gesetze nach aber ein Sohn des Heu war; denn ihm hatte Jakob, sein Bruder, den Samen erweckt. Die Stammtafeln Josephs bleiben also zu Recht bestehen. Denn im einen Falle sagt der Evangelist Matthäus in seinem Berichte: Jakob aber erzeugte den Joseph, während im anderen Falle dagegen Lukas schreibt: (Jesus) war, wie man glaubte, so fügt er bei der Sohn des Joseph, des Sohnes des Heli, des Sohnes des Melchi. Lukas hätte die gesetzliche Abstammung nicht klarer andeuten können; er bediente sich bei der Eigenart seiner Genealogie bis zum Schluß nicht des Ausdruckes er erzeugte, da er allmählich bis zu Adam, den Sohn Gottes hinaufstieg, Dieser Bericht ist keineswegs unbegründet und aus der Luft gegriffen. Die leiblichen Verwandten des Erlösers haben auch noch, sei es rühmend, sei es einfach erzählend, auf jeden Fall wahrheitsgemäß, folgendes überliefert. Nachdem idumäische Räuber die Stadt Askalon in Palästina überfallen und aus dem Götzentempel des Apollo, welcher an der Stadtmauer lag, den Antipater, den Sohn des Götzendieners Herodes, mit der übrigen Beute in Gefangenschaft geschleppt hatten, wurde Antipater infolge der Unfähigkeit des Priesters, für seinen Sohn Lösegeld zu zahlen, in den Sitten der Idumäer erzogen und befreundete sich später mit dem jüdischen Hohenpriester Hyrkanus. Als er zu Pompeius eine Gesandtschaft für Hyrkanus übernommen und diesem das von seinem Bruder Aristobul bedrängte Reich wieder frei gemacht hatte, ward ihm das Glück, Verwaltungsbeamter in Palästina zu werden. Nachfolger des Antipater wurde, nachdem dieser aus Neid wegen seines großen Glückes hinterlistig ermordet worden war, sein Sohn Herodes, welchem später von Antonius und Augustus durch Senatsbeschluß die Königliche Gewalt zuerkannt wurde. Des Herodes Söhne waren Herodes und die anderen Tetrarchen. So weit stimmt der Bericht mit der griechischen Geschichte überein. Die bis zu jener Zeit in den Archiven aufbewahrten Aufzeichnungen der Geschlechter der Hebräer und derjenigen, welche auf Proselyten wie auf Achior, den Ammoniter, oder auf Ruth, die Moabiterin, zurückführten, sowie derjenigen, welche sich mit solchen vermischt hatten, die gleichzeitig aus Ägypten eingewandert waren, ließ Herodes verbrennen, da das Geschlecht der Israeliten zu ihm keinerlei Beziehung hatte und ihn das Bewußtsein seiner niederen Herkunft ärgerte. Er glaubte nämlich als Edelgeborener zu erscheinen, wenn auch andere nicht die Möglichkeit hätten, aus den öffentlichen Urkunden nachzuweisen, daß sie von den Patriarchen oder Proselyten oder den sog. Fremdlingen, den Mischlingen, abstammen. Einige wenige jedoch konnten, weil sie sich entweder aus dem Gedächtnis oder durch Benützung von Abschriften Privatregister besorgt hatten, sich rühmen, die Erinnerung an ihre edle Abstammung gerettet zu haben. Zu diesen gehörten die Erwähnten, welche wegen ihrer Beziehung zu dem Geschlechte des Erlösers Herrenverwandte genannt wurden und welche sich von den jüdischen Dörfern Nazareth und Kochaba aus über das übrige Land ausgebreitet und die vorliegende Ahnentafel teils nach dem Gedächtnis, teils aus ihren Familienbüchern so gut wie möglich erklärt hatten. Sei dem, wie ihm wolle, niemand dürfte eine verlässigere Erklärung finden können. Da man keine bessere und verlässigere Erklärung finden kann, wollen wir uns mit der erwähnten zufriedengeben, wenn sie auch nicht mit Beweisen belegt werden kann. Auf jeden Fall sagt das Evangelium die Wahrheit.“ Am Ende des gleichen Briefes fügt Afrikanus noch bei: „Matthan, der Nachkomme des Salomon, erzeugte den Jakob. Nach dem Tode des Matthan erzeugte Melchi, der Nachkomme des Nathan, aus dem gleichen Weibe den Heli. Reh und Jakob waren also Brüder als Söhne der gleichen Mutter. Da Reh ohne Kinder starb, erweckte ihm Jakob einen Samen und erzeugte ihm den Joseph, welcher also der natürliche Sohn des Jakob und der gesetzliche Sohn des Reh ist. Joseph war somit der Sohn des einen wie des anderen.“

Soweit geht der Bericht des Afrikanus.

Da dies die Ahnenreihe des Joseph war, so ist sie selbstverständlich auch der Stamm, aus welchem zugleich Maria hervorgegangen war; denn nach dem Gesetze des Moses war es nicht gestattet, eine Ehe mit Fremdstämmigen einzugehen. Es war Gesetz, daß die Ehe nur mit Gliedern desselben Volkes und desselben Stammes geschlossen werden dürfe, damit nicht das Familienerbteil von einem Stamm auf den anderen übergehe.

Soviel hierüber.

8. Nachdem Christus gemäß den Prophezeiungen zu Bethlehem in Juda zur geoffenbarten Zeit geboren war, fragten die Magier aus dem Morgenlande den Herodes, wo sich der geborene König der Juden aufhalte; denn sie hätten seinen Stern gesehen und wären von dem Wunsche, den Geborenen als Gott anzubeten, erfüllt gewesen, so daß sie diese große Reise unternommen hätten. Darüber wurde Herodes nicht wenig aufgeregt, da er meinte, seiner Herrschaft drohe Gefahr. Er forschte daher bei den Gesetzgebern des Volkes nach, wo sie die Geburt Christi erwarteten. Da er von der Prophezeiung des Michäas über Bethlehem erfuhr, erließ er den Befehl, die saugenden Knäblein in Bethlehem und der ganzen Umgebung, sofern sie entsprechend der von den Magiern gemachten Zeitangabe zwei Jahre und darunter waren, zu töten, in der Meinung, daß nun sicher und es war wahrscheinlich auch Jesus von dem gleichen Schicksale wie seine Altersgenossen ereilt würde. Jesus aber entkam dem Anschlage, da seine Eltern in einer Engelserscheinung über die drohende Gefahr unterrichtet wurden und das Kind nach Ägypten gebracht wurde. Davon erzählt auch die Heilige Schrift im Evangelium. Es ist der Mühe wert, auch noch auf den Lohn zu achten, den Herodes für sein Vorgehen gegen Christus und dessen Altersgenossen empfing. Denn gleich darauf, ohne nur etwas zu warten, ereilte ihn noch zu seinen Lebzeiten die göttliche Gerechtigkeit und gab ihm einen Vorgeschmack dessen, was ihm nach seinem Hinscheiden bevorstand. Wie er den äußeren Glanz seiner Regierung durch ständiges häusliches Unglück, durch schändliche Ermordung von Weib und Kindern und anderen ihm durch Verwandtschaft und Freundschaft nahestehenden Personen verdunkelt hat, kann ich jetzt gar nicht aufzählen. Ein Bericht hierüber würde jede Schauermäre in Schatten stellen; auch hat Josephus ausführlich darüber in dem den Herodes betreffenden Abschnitt seiner Geschichte geschrieben. Wie er gleich bei seinem Anschlag auf unseren Erlöser und auf die übrigen Kinder von einem von Gott verhängten Übel gepackt und in den Tod geschickt wurde, sagt uns am besten der gleiche Schriftsteller, Im siebzehnten Buche der „Jüdischen Altertümer“ beschreibt er den Untergang seines Lebens wörtlich also: „Die Krankheit des Herodes wurde immer heftiger; denn Gott bestrafte ihn für seine Verbrechen. Langsam zehrendes Fieber machte seine große Hitze denen, welche ihn berührten, nicht so bemerkbar, wie es im Inneren fraß. Schrecklich war seine Gier, etwas zu genießen, und nicht konnte er ihr widerstehen. Seine Eingeweide eiterten, und besonders schmerzten ihn die Gedärme. Eine flüssige, schleimige Maße war um seine Füße, und eine ähnliche Krankheit zeigte sich um seinen Unterleib. Seine Geschlechtsteile faulten und erzeugten Würmer. Zu atmen war ihm nur in aufrechter Stellung möglich, und es wurde ihm beschwerlich durch den widerlichen Geruch und die wiederholten Beklemmungen. Alle Glieder wurden krampfhaft gespannt und verliehen ihm unwiderstehliche Kraft. Gottbegnadete Männer, welche die Gabe hatten, derartige Erscheinungen zu deuten, erklärten, Gott nähme an dem König für seine vielen Gottlosigkeiten Rache.“ So berichtet Josephus in dem erwähnten Werke. Ähnliche Mitteilungen macht er über Herodes in dem zweiten Buche seiner Geschichte. Er schreibt: „Da ergriff die Krankheit seinen ganzen Körper und lieferte ihn zahlreichen Leiden aus. Er hatte schleichendes Fieber und ein unerträgliches Jucken an der ganzen Haut und ständige Schmerzen in den Gedärmen. Seine Füße waren angeschwollen wie die eines Wassersüchtigen, der Unterleib war entzündet, und die faulenden Geschlechtsteile erzeugten Würmer. Dazu kamen Beschwerden im Atmen, das ihm nur in aufrechter Stellung möglich war, und alle seine Glieder wurden in einer Weise vom Krampf erfaßt, daß gottbegnadete Männer seine Krankheit für eine Strafe erklärten. Aber trotzdem er mit so großen Schmerzen zu ringen hatte, hing er noch am Leben, hoffte auf Genesung und dachte an Heilmittel. Er begab sich daher über den Jordan und gebrauchte die warmen Wasser von Kallirhoê. Dieselben sind süß und trinkbar und fließen in den Asphaltsee. Da die Ärzte empfahlen, den ganzen Körper mit warmem Öle zu beleben, legte man ihn in eine Wanne voll öl, worauf er jedoch zusammenbrach und die Augen verdrehte, als hätte er seinen Geist aufgegeben. Auf den nun folgenden Lärm der Dienerschaft hin erschrak er und kam wieder zu sich, doch dachte er nicht mehr an Genesung, weshalb er befahl, an die Soldaten je 50 Drachmen und an seine Heerführer und Freunde große Summen zu verteilen. Herodes kehrte nach Jericho zurück, verstimmt und fast dem Tode zürnend. Er verfiel nun auf eine furchtbare Idee. Er ließ die angesehenen Männer aller Ortschaften von ganz Judäa in das Hippodrom verbringen und dort einsperren, rief dann seine Schwester Salome und deren Mann Alexander zu sich und erklärte ihnen: Ich weiß, daß die Juden meinen Tod festlich begehen werden. Aber es ist mir möglich, mich um anderer willen betrauern zu lassen und eine glänzende Leichenfeier zu erhalten, sofern ihr bereit seid, meinen Befehlen zu gehorchen. Sobald ich gestorben bin, sollen Soldaten die bewachten Männer umstellen und eiligst niedermetzeln, damit ganz Judäa und jedes Haus, ob es will oder nicht, meinetwegen weine.“ Bald darauf schreibt Josephus: „Da Herodes von Hunger und krampfhaftem Husten gepeinigt wurde, entschloß er sich, vom Schmerz überwältigt, dem Schicksal zuvorzukommen. Er nahm einen Apfel und verlangte dazu ein Messer; er hatte nämlich die Gewohnheit, ihn mit dem Messer zu essen. Dann schaute er vorsichtig umher, ob nicht etwa jemand ihn in seinem Vorhaben verhindern könnte, und erhob seine Rechte in der Absicht, sich zu töten.“ Außerdem berichtet der gleiche Schriftsteller, daß Herodes vor seiner Sterbestunde noch einen weiteren leiblichen Sohn töten ließ; es war der dritte, da er schon zuvor zwei in den Tod geschickt hatte. Darauf habe er sofort unter nicht geringen Schmerzen sein Leben beschlossen. So war das Lebensende des Herodes. Er erlitt damit eine gerechte Strafe dafür, daß er, unserem Erlöser nachzustellen, die Knäblein in der Gegend von Bethlehem hatte ermorden lassen. Nach dessen Tode befahl ein Engel im Traume dem in Ägypten weilenden Joseph, er solle sich zugleich mit dem Kinde und dessen Mutter nach Judäa begeben; denn so offenbarte er diejenigen, welche dem Kinde nach dem Leben trachteten, seien gestorben. Der Evangelist bemerkt noch ergänzend: „Als (Joseph) hörte, daß Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes regiere, fürchtete er sich, dorthin zu gehen; im Traume unterwiesen, zog er in das Gebiet von Galiläa.“

9. Der erwähnte Geschichtsschreiber berichtet ebenfalls über die Thronbesteigung des Archelaus nach Herodes. Er erzählt, daß Archelaus auf Grund des Testamentes seines Vaters Herodes sowie infolge einer Bestimmung des Kaisers Augustus die Herrschaft über die Juden erhalten und nach zehn Jahren wieder verloren habe, worauf seine Brüder Philippus, der junge Herodes und Lysanias die Tetrarchien verwalteten.

Im achtzehnten Buche seiner „Altertümer` berichtet Josephus, daß Judäa dem Pontius Pilatus übertragen worden sei im zwölften Jahre der Regierung des Tiberius, welcher, nachdem Augustus 57 Jahre regiert hatte, die Alleinherrschaft übernommen habe; Pilatus sei volle zehn Jahre, fast bis zum Tode des Tiberius im Amte geblieben. Damit ist offenbar das vor kurzem erst herausgegebene Machwerk von Erinnerungen an unseren Erlöser erledigt, worin zunächst schon die chronologischen Angaben die Verfasser Lügen strafen. In das vierte Konsulat des Tiberius, d. i. in das siebte Jahr seiner Regierung, wird hier das verlegt, was über das Leiden des Heilandes frech erdichtet wird. Doch zu dieser Zeit war Pilatus in Judäa nachweisbar noch gar nicht am Ruder, sofern man dem Zeugnis des Josephus Glauben schenken darf, welcher in der erwähnten Schrift ausdrücklich erklärt, daß Pilatus im zwölften Jahre der Regierung des Tiberius von diesem zum Prokurator über Judäa bestellt wurde.

10. Es war, als Tiberius nach dem Evangelisten im Fünfzehnten Jahre regierte, Pontius Pilatus im vierten Jahre die Verwaltung innehatte und das übrige Judäa unter den Tetrarchen Herodes, Lysanias und Philippus stand, da, unter diesen Regenten, kam unser Erlöser, der Christus Gottes, „bei seinem ersten Auftreten etwa 30 Jahre alt“, zur Taufe des Johannes und begann nun die Verkündigung des Evangeliums.

Die göttliche Schrift erzählt, daß Jesus seine ganze Lehrtätigkeit unter den Hohenpriestern Annas und Kaiphas entfaltet habe; sie will sagen, daß die ganze Zeit seiner Lehrtätigkeit sich völlig abgewickelt habe in den Jahren, welche zwischen die Amtstätigkeit dieser beiden Männer fiel. Da Jesus unter dem Hohenpriester Annas seine Tätigkeit begann und noch bis zur Herrschaft des Kaiphas wirkte, beträgt die Zwischenzeit nicht ganz vier Jahre. Weil nämlich damals bereits die Bestimmungen des Gesetzes außer Kraft waren, so bestand nicht mehr der Brauch, daß die gottesdienstlichen Funktionen lebenslänglich und auf Grund der Abstammung übertragen wurden. Von den römischen Statthaltern wurden bald diese, bald jene mit der hohenpriesterlichen Würde betraut, welche sie aber nicht länger als ein Jahr bekleideten. Josephus berichtet, daß nach Annas noch vier Hohepriester nacheinander bis Kaiphas gefolgt seien. In der gleichen Schrift seiner „Altertümer“ sagt er: „Valerius Gratus entzog die priesterliche Würde dem Ananus und erklärte zum Hohenpriester Ismael, den Sohn des Phabi. Auch diesen setzte er bald wieder ab und ernannte Eleazar, den Sohn des Hohenpriesters Ananus, zum Hohenpriester. Nach Verlauf eines Jahres enthob er auch diesen seiner Stelle und übergab die hohepriesterliche Würde Simon, dem Sohne des Kamith. Doch auch dieser behielt die Würde nicht, und Josephus, der auch Kaiphas genannt wird, wurde sein Nachfolger.“ Daraus folgt, daß die ganze Zeit der Lehrtätigkeit unseres Erlösers nicht ganz vier Jahre betrug; denn von Annas bis Kaiphas haben vier Hohepriester in vier Jahren je ein Jahr lang Dienst getan, Die evangelischen Berichte` bezeichnen also mit Recht Kaiphas als Hohenpriester des Jahres, in welchem unser Erlöser gelitten hat; aus ihnen ergibt sich auch, daß sie bezüglich der Zeit, da Christus lehrte, nicht im Widerspruch mit den vorliegenden Mitteilungen stehen. Nicht sehr lange nach Beginn seiner Lehrtätigkeit berief unser Erlöser und Herr die zwölf Apostel; um sie vor seinen übrigen Jüngern auszuzeichnen, hatte er ihnen allein den Namen Apostel verliehen. Außerdem wählte er sich „noch siebzig andere aus, die er zu zwei und zwei vor sich her in alle Orte und Städte sandte, in welche er gehen wollte“.

11. Von der bald erfolgten Enthauptung Johannes des Täufers durch den Jüngeren Herodes berichtet sowohl die göttliche Urkunde der Evangelien wie auch Josephus, welcher die Herodias mit Namen erwähnt und erzählt, daß Herodes die Frau seines Bruders geheiratet habe, nachdem er seine erste, gesetzlich ihm angetraute Gattin, eine Tochter Aretas, des Königs der Peträer, verstoßen und Herodias ihrem noch lebenden Manne entführt hatte. Er verwickelte sich, nachdem er ihretwegen den Johannes hatte hinrichten lassen, in einen Krieg mit Aretas wegen der Schändung von dessen Tochter. Als es in diesem Kriege zur Schlacht kam, ging - so berichtet Josephus - das ganze Heer des Herodes zugrunde zur Strafe für sein Vorgehen gegen Johannes. Derselbe Josephus gesteht auch, daß Johannes der Gerechteste unter den Gerechten gewesen sei und getauft habe; er stimmt also mit dem überein, was das Evangelium über ihn geschrieben hat. Ferner berichtet er, daß Herodes wegen der Herodias den Thron verloren habe und mit ihr ins Ausland nach Vienna in Gallien zur Strafe verbannt worden sei. Diese Berichte finden sich im achtzehnten Buche der „Altertümer“, wo Josephus wörtlich also schreibt: „Manche von den Juden glaubten, daß das Heer des Herodes von Gott vernichtet worden sei, um gerechte Rache für Johannes, den sog. Täufer, zu nehmen. Herodes hatte nämlich diesen töten lassen, obwohl er ein braver Mann war und die Juden veranlaßte, zuerst die Tugend zu pflegen, dem Nächsten gegenüber Gerechtigkeit, Gott gegenüber Frömmigkeit zu üben und dann zur Taufe zu kommen. Denn nur dann sei die Taufe vor Gott angenehm, wenn nicht mehr Sünden der Verzeihung bedürfen, sondern wenn der Körper gereinigt wird zum Zeichen dafür, daß die Seele durch Gerechtigkeit rein ist. Da auch das übrige Volk herbeiströmte und die Leute sich durch seine Worte völlig hinreißen ließen, fürchtete Herodes, sein gewaltiger Einfluß auf die Menschen möchte, weil sie sich in allem nach ihm zu richten schienen, sie zu einem Aufstand veranlassen, und hielt es darum für viel besser, ihn, noch ehe er etwas Unerhörtes unternehmen würde, aus dem Leben zu schaffen, als später nach eingetretenen Ereignissen schmerzlich vor vollendeter Tatsache zu stehen. Auf den Verdacht des Herodes hin wurde Johannes gefesselt nach Macharas, in die oben erwähnte Burg, geschickt und dort hingerichtet.“ Nachdem Josephus diese Berichte über Johannes gegeben hat, gedenkt er in dem gleichen Geschichtswerke auch unseres Erlösers, und zwar mit folgenden Worten: „Zu jener Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Mann nennen darf. Denn er wirkte Wunder und war der Lehrer wahrheitsliebender Menschen, Viele Juden und auch viele Heiden gewann er für sich. Er war der Christus. Obwohl ihn Pilatus auf Denunziation unserer angesehensten Männer hin zum Kreuzestode verurteilt hatte, verharrten die, welche ihn von Anfang an geliebt hatten, in seiner Verehrung. Es war ihnen nämlich sicher, daß er am dritten Tage wieder zum Leben erwachte, nachdem schon die göttlichen Propheten die Auferstehung und tausend andere wunderbare Ereignisse über ihn vorausgesagt hatten. Auch heute noch existiert dieses Geschlecht der Christen, welches sich nach jenem benannt hat.“ Da ein Schriftsteller, der von den Hebräern selbst abstammte, in dieser Weise über Johannes den Täufer und über unseren Erlöser in seiner Schrift berichtet, wie können da noch diejenigen, welche Erinnerungen gegen beide erdichtet haben, dem Vorwurf der Frechheit entgehen? Doch genug hierüber.

12. Die Namen der Apostel unseres Erlösers sind jedem aus den Evangelien bekannt. Von den siebzig Jüngern jedoch findet sich nirgends ein Verzeichnis. Einer von ihnen soll Barnabas gewesen sein, dessen die Apostelgeschichte an verschiedenen Stellen, ganz besonders aber Paulus in seinem Briefe an die Galater gedenkt. Unter ihnen war auch, wie man erzählt, Sosthenes, welcher zugleich mit Paulus an die Korinther schrieb. So berichtet wenigstens Klemens im Fünften Buche seiner Hypotyposen. Dortselbst rechnet er auch Kephas, von dem Paulus erklärte: „Als aber Kephas nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Angesicht“, zu den siebzig Jüngern und nennt ihn einen Namenskollegen des Apostels Petrus. Auch Matthias, der an Stelle des Judas in die Zahl der Apostel aufgenommen wurde, sowie derjenige, welcher gleich ihm durch das Los ausgezeichnet worden war, sollen gewürdigt worden sein, zu den Siebzig zu zählen. Wie man erzählt, gehörte auch Thaddäus zu ihnen. Was die Tradition von ihm weiß, werde ich sofort genau ausführen. Daß übrigens unser Erlöser mehr als siebzig Jünger hatte, wird man bei genauer Beachtung finden, wenn man nämlich auf das Zeugnis des Paulus hört, der sagte, „Jesus sei nach seiner Auferstehung von den Toten zuerst dem Kephas erschienen, sodann den Zwölfen, nach diesen zugleich mehr als 500 Brüdern, von welchen einige bereits entschlafen seien, die meisten aber zur Zeit des Briefes noch lebten; hierauf sei er dem Jakobus erschienen, der einer von den sog. Brüdern des Heilands war. Schließlich fügt Paulus, da es außer den genannten Männern in Nachahmung der Zwölf sehr viele Apostel gab, zu welchen auch Paulus gehörte, noch bei: „Sodann erschien er allen Aposteln.“ Soviel hierüber.

13. Der Fall Thaddäus verlief also: Da die Gottheit unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus infolge ihrer wunderbaren Machtentfaltung bei allen Menschen bekannt wurde, gewann sie auch von denen, welche im Auslande, weit weg von Judäa, wohnten, viele Tausende für sich, weil sie auf Heilung von Krankheiten und vielen anderen Beschwerden hofften. König Abgar z. B., welcher ruhmreich über die Völker jenseits des Euphrat regierte und an einer schweren körperlichen, mit menschlicher Kraft nicht zu heilenden Krankheit litt, wandte sich, als er von dem berühmten Namen Jesus und von seinen allgemein beglaubigten Wundern hörte, in einem Briefe hilfeflehend an ihn mit der Bitte, geheilt zu werden. Auf sein Verlangen, zu kommen, ging Jesus damals allerdings nicht ein, doch würdigte er ihn eines eigenen Briefes, in welchem er versprach, einen seiner Jünger an ihn zu schicken, um ihn von der Krankheit zu befreien und zugleich ihm und allen seinen Angehörigen das Seelenheil zu geben. Und nicht lange stand es an, da erfüllte sich das Versprechen. Nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu nämlich schickte Thomas, einer von den zwölf Aposteln, auf göttlichen Antrieb hin den Thaddäus, der ebenfalls zu den siebzig Jüngern Christi gehörte, als Prediger und Verkündiger der christlichen Heilslehre nach Edessa, so daß durch ihn das Versprechen unseres Erlösers in Erfüllung ging. Für diese Tatsache gibt es ein schriftliches Zeugnis, das den Archiven der damals Königlichen Stadt Edessa entnommen ist. In den dortigen amtlichen Urkunden, welche über die früheren Ereignisse und auch über die Geschichte des Abgar berichten, ist auch die erwähnte Begebenheit bis auf den heutigen Tag aufbewahrt. Am besten ist es, die Briefe selbst zu hören, die wir dem Archiv entnommen und wörtlich aus dem Syrischen übersetzt haben. Sie lauten wie folgt:

Abschrift des Briefes, welchen der Fürst Abgar an Jesus geschrieben und durch den Schnelläufer Ananias an ihn nach Jerusalem gesandt hatte: „Abgar Ukkama, der Fürst, entbietet Jesus, dem guten Heilande, der in Jerusalem erschienen ist, seinen Gruß. Ich habe von dir und deinen Heilungen Kunde erhalten und erfahren, daß diese ohne Arznei und Kräuter von dir gewirkt werden. Du machst nämlich, wie erzählt wird, Blinde sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein, treibst unreine Geister und Dämonen aus, heilst die, welche schon lange von Krankheiten gequält werden, und erweckst Tote. Auf alle diese Nachrichten hin sagte ich mir: entweder bist du Gott und wirkst diese Wunder, weil du vom Himmel herabgestiegen bist, oder du bist, weil du dieses wirkst, der Sohn Gottes. Daher wende ich mich in diesem Briefe an dich mit der Bitte, dich zu mir zu bemühen und mich von meinem Leiden zu heilen. Ich habe nämlich auch gehört, daß die Juden wider dich murren und dir Böses tun wollen. Ich habe eine sehr kleine, würdige Stadt, welche für uns beide ausreicht.“

Das Antwortschreiben Jesu, vermittelt durch Ananias, den Eilboten des Fürsten Abgar: „Selig bist du, weil du an mich glaubst, ohne mich gesehen zu haben. Es ist nämlich über mich geschrieben, daß die, welche mich gesehen haben, nicht an mich glauben, und daß die, welche mich nicht gesehen haben, glauben und leben sollen. Bezüglich deiner schriftlichen Einladung, zu dir zu kommen, mußt du wissen: es ist notwendig, daß ich zuerst all das, wozu ich auf Erden gesandt worden bin, erfülle und dann, wenn es erfüllt ist, wieder zu dem zurückkehre, der mich gesandt hat. Nach der Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jünger senden, damit er dich von deinem Leiden heile und dir und den Deinigen das Leben verleihe.“

Mit diesen Briefen ist noch folgender Bericht in syrischer Sprache verbunden: „Nach der Himmelfahrt Jesu sandte Judas, der auch Thomas genannt wurde, den Apostel Thaddäus, einen der Siebzig, zu Abgar. Er kam und wohnte bei Tobias, dem Söhne des Tobias. Sobald man davon erfuhr, wurde dem Abgar mitgeteilt: Ein Apostel Jesu ist gekommen, wie er es dir im Briefe angekündigt hatte. Thaddäus begann nun, in der Kraft Gottes jede Krankheit und Schwachheit zu heilen, so daß sich alle verwunderten. Als Abgar von seinen herrlichen, wunderbaren Taten und den Heilungen hörte, da kam er auf die Vermutung, daß dieser es ist, von dem Jesus im Briefe gesagt hatte: Nach der Himmelfahrt werde ich dir einen meiner Jünger senden, damit er dich von deinem Leiden heile. Er ließ daher den Tobias, bei dem jener wohnte, zu sich kommen und sprach zu ihm: Ich habe gehört, daß ein wundertätiger Mann zu dir gekommen ist und in deinem Hause wohnt. Führe ihn zu mir! Tobias ging nun zu Thaddäus und sagte ihm: Der Fürst Abgar hat mich zu sich kommen lassen und mir befohlen, dich zu ihm zu Führen, auf daß du ihn heilest. Thaddäus erwiderte: Ich komme, denn in Kraft bin ich zu ihm gesandt . Am folgenden Tage in der Frühe machte sich Tobias auf, nahm den Thaddäus mit sich und ging zu Abgar. Als er kam, da zeigte sich sofort schon beim Eintreten dem Abgar in Gegenwart der umstehenden hohen Würdenträger ein deutliches Gesicht im Antlitz des Apostels Thaddäus. Kaum sah es Abgar, da fiel er vor Thaddäus nieder, und Staunen ergriff alle, welche es sahen. Das Gesicht allerdings sahen sie nicht, es erschien nur dem Abgar. Dieser fragte den Thaddäus: Bist du wirklich ein Jünger Jesu, des Sohnes Gottes, der mir gesagt hatte: Ich werde dir einen meiner Jünger senden, damit er dich heile und dir das Leben verleihe? Thaddäus erwiderte: Weil du vertrauensvoll an den geglaubt hast, der mich gesandt hat, darum wurde ich zu dir geschickt. Und wenn du wiederum glaubst, werden deinem Glauben entsprechend die Wünsche deines Herzens in Erfüllung gehen. Abgar sagte zu ihm: Ich habe so sehr an ihn geglaubt, daß ich bereit gewesen wäre, mit einem Heere die Juden, welche ihn gekreuzigt hatten, niederzuhauen, wenn nicht die Herrschaft der Römer mich daran gehindert hätte. Thaddäus entgegnete: Unser Herr hat den Willen seines Vaters erfüllt und ist dann zu seinem Vater aufgefahren. Abgar sagte zu ihm: Auch ich habe an ihn und seinen Vater geglaubt. Thaddäus sprach: Daher lege ich in seinem Namen meine Hände auf dich. Nachdem er dies getan hatte, wurde Abgar sofort von seiner Krankheit und seinem Leiden geheilt. Abgar wunderte sich, daß das. was er über Jesus gehört hatte, dem entsprach, was er an seinem Jünger Thaddäus beobachtete, welcher nicht nur ihn ohne Arznei und ohne Kräuter heilte, sondern auch Abdus, den Sohn des Abdus, welcher an Podagra litt. Dieser kam ebenfalls zu ihm, fiel ihm zu Füßen nieder und wurde unter Gebet und Handauflegung geheilt. Auch noch viele andere Bürger heilte er; er wirkte große Wunder und predigte das Wort Gottes. Hierauf erklärte Abgar: Du, Thaddäus, wirkst dieses in der Kraft Gottes, auch wir haben dich bewundert. Doch ich bitte dich nun auch, mir über die Erscheinung Jesu und über seine Wunder zu berichten und mir zu sagen, in welcher Kraft er die Taten verrichtete, von welchen ich gehört habe. Thaddäus antwortete: Jetzt will ich schweigen. Da ich aber gesandt bin, das Wort zu verkünden, versammle mir morgen alle deine Bürger! Vor diesen werde ich predigen und in ihnen werde ich das Wort des Lebens aussäen, indem ich berichte von dem Erscheinen Jesu, von seiner Sendung, von dem Zwecke, zu welchem ihn der Vater geschickt hat, von seiner Kraft, seinen Wundern und den Geheimnissen, die er der Welt mitteilte, von der Art und Weise, in der er die Wunder wirkte, von seiner neuen Lehre, von seiner Erniedrigung und Demütigung und von der Art, wie er sich demütigte, selbst entäußerte und seine Gottheit klein machte, von seiner Kreuzigung, seinem Abstieg in den Hades, vom Niederreißen des Zaunes, der von Urzeit her nicht niedergerissen wurde, von der Auferstehung von den Toten und davon, daß er, während er allein herabgestiegen war, in Begleitung einer großen Schar zu seinem Vater auffuhr. Abgar erteilte nun den Befehl, die Bürger sollten sich am kommenden Morgen versammeln und die Predigt des Thaddäus anhören Sodann gab er die Weisung, dem Thaddäus Gold und Edelmetalle zu schenken. Doch dieser nahm es nicht an mit dem Bemerken: Wie sollen wir, nachdem wir eigenes Vermögen aufgegeben haben, fremdes Gut annehmen? Dies geschah im Jahre 340.

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