Engels, Jakob Gerhard – Der Heilige Geist

Engels, Jakob Gerhard – Der Heilige Geist

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Zucht.“
(2. Tim. 1,7)

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht. Der Heilige Geist ist nicht ein Geist der Furcht oder — wie es eigentlich heißt — der Furchtsamkeit; wohl ein Geist heiliger Furcht, heiliger Scheu und Ehrerbietung vor Gott. Wir wissen, schreibt derselbe Apostel, daß Gott zu fürchten ist. Und der Apostel Petrus schreibt: sintemal ihr den zum Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, mit Furcht, mit heiliger Furcht und Ehrerbietung vor Gottes Angesicht! Aber der Heilige Geist ist nicht ein Geist der Furchtsamkeit oder der Verzagtheit. Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals fürchten müßtet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! — 0 sehet Petrus an am Tage der Pfingsten! Da steht er vor Tausenden seines Volkes. Nicht wahr? Da ist nicht der Geist der Furchtsamkeit. Oder seht ihn an, wie er mit Johannes vor dem Hohen Rat steht wegen der Predigt des Evangeliums und der Heilung des Lahmen, und wie er da das freimütige Bekenntnis ablegt: „So sei nun euch und allem Volk kundgetan, daß in dem Namen Jesu Christi von Nazareth, welchen ihr gekreuzigt habt, den Gott von den Toten auferweckt hat, stehet dieser allhier vor euch gesund.“ Da ist kein Geist der Furchtsamkeit. Seht Stephanus an, den ersten Blutzeugen, wie er ebenfalls vor dem Hohen Rat steht. Da ist nichts von Furchtsamkeit. Soll ich noch an Luther erinnern, wie er vor dem Reichstag zu Worms vor Kaiser und Reich steht, und wie sein Zeugnis endet mit den Worten: Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Nicht wahr? Da ist nicht der Geist der Furchtsamkeit, sondern heiliger Furchtlosigkeit.— Ja, Gott hat uns nicht den Geist der Furchtsamkeit gegeben; wenn ja auch öfter die Furchtlosigkeit sich wieder durchkämpfen, durcharbeiten muß durch die Schwachheit und Blödigkeit des Fleisches. Aber dieser Geist arbeitet und kämpft sich auch durch. Es gibt freilich manche, die haben so ganz besonders mit einem ängstlichen, schüchternen Temperament zu tun, sind so leicht geschlagen und verzagt. Aber seht, um so nötiger habt ihr den Heiligen Geist, der die Furcht austreibt. Hier bin ich, hier ist mein Herz, für dich, für den Heiligen Geist, der da nicht ist ein Geist der Furchtsamkeit! O denket daran, ihr Brüder und Schwestern, wenn irgendwie die Furchtsamkeit und Ängstlichkeit kommen — was es auch für Furchtsamkeit und Ängstlichkeit sein mag — denkt daran, daß der Heilige Geist nicht ein solcher Geist ist! Die Lehre ergibt sich dann ganz von selbst.

Der Heilige Geist ist ein Geist der Kraft. Jesus hat den Seinen verheißen: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein. Wir haben dann Kraft, zu glauben an den Herrn Jesum mit lebendigem Glauben. Wir können uns dann halten an den, den wir nicht sehen, als ob wir ihn sähen. 0, das will etwas heißen, an den Herrn Jesum zu glauben, den wir nicht sehen. Niemand kann Jesum einen Herrn, seinen Herrn heißen, ohne durch den Heiligen Geist. Wir haben dann auch Kraft zur Gottseligkeit und zur Nachfolge Jesu. Die Gebote Gottes sind uns dann nicht schwer. Wir haben dann auch Kraft zum Gebet. Der Heilige Geist hilft unserer Schwachheit auf; denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebühret, aber der Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen. Wir haben dann auch Kraft zur Geduld, die sich in allen Proben beweist und bewährt. Wir haben Kraft zum Bekennen des Namens Jesu ohne Ansehen der Person, so daß wir auch um Jesu willen Schande und Leiden ertragen und überwinden können. Wir haben dann Kraft zu hoffen auf das unvergängliche und unbefleckte und unverwelkliche Erbe mit lebendiger Hoffnung, wie wir ja eben hörten: daß ihr völlige Hoffnung habet durch die Kraft des Heiligen Geistes. Ja, der Heilige Geist ist ein Geist der Kraft. — O, sehet Petrus am Tag der Pfingsten! Wie ist sein Zeugnis so einfach, ohne Schmuck der Worte! Aber er hat den Geist der Kraft, und darum wirkt’s, und es geht Tausenden durchs Herz. Seht den Apostel Paulus! Er schreibt an die Korinther: „Ich, da ich zu euch kam, kam nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch zu verkündigen die göttliche Predigt. Denn ich hielt mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch, ohne allein Jesum Christum, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch mit Schwachheit und mit Furcht und mit großem Zittern, und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft, auf daß euer Glaube bestehe nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft“ (1. Kor. 2, 1—5). — O denkt daran, ihr Brüder und ihr alle, die ihr Pfingstsegen begehrt: Der Heilige Geist ist ein Geist der Kraft! So hat es der Herr Jesus den Seinen verheißen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.“ Nur dann wird es wahr? „Wie dein Tag, so deine Kraft!“ 0 wie tut uns dieser Geist der Kraft so not! „Hier bin ich, Herr, hier ist mein Herz!“

Der Heilige Geist ist ein Geist der Liebe. Durch den Heiligen Geist ist die Liebe ausgegossen in unsere Herzen. Diese Liebe erweist sich nach allen Seiten, als Liebe zu Gott, zu dem Heiland, als Liebe zu den Brüdern und zu allen Menschen. Im Zusammenhang unserer Stelle hat der Apostel ganz besonders die Liebe zu den Brüdern und zu allen Menschen im Auge. Habe ich den Geist der Kraft, dann gebrauche ich diese Kraft, die mir geschenkt ist, nicht zu selbstsüchtigen Zwecken, nicht, um Ehre für mich zu erlangen. Nein, ich stelle die Kraft in den Dienst der Liebe, ich verwende sie zum Heil der Seelen, zum Aufbau des Guten, des Reiches Gottes, was freilich nicht geschehen kann ohne Abbruch des Bösen. — Sehet Petrus und die anderen Apostel einmal recht an, wenn ihr den Geist der Liebe verstehen wollt, der sich in den Dienst der Liebe stellt! Wie hätte es so nahe gelegen, nachdem die Jünger Jesu so lange verschmäht und verachtet gewesen waren, jetzt, nachdem der Herr sich zu ihnen bekannt und sie so herrlich ausgerüstet hatte — denkt nur an das Sprachwunder! — o wie hätte es so nahe gelegen, doch einen gewissen Glanz auf sich selber fallen zu lassen! So hätte es auch der Geist der Welt sicher getan. Der spiegelt sich gern in allem Großen, was er erlangt hat oder erlangt zu haben meint. Aber hier ist es ganz anders. Petrus und die Apostel haben nur das Heil der Seelen im Auge. Sie reden so einfach, einfältig, verständlich, lassen sich nicht erbittern durch den Spott der Leute: „Sie sind voll süßen Weines.“ Sie halten an am Ermahnen, nötigen die Seelen, ins Haus des Herrn herein zu kommen. Petrus, der sich früher so gern überhob, ist nun ganz anders geworden, und auch die anderen Apostel. Ja, der Heilige Geist, der da ist ein Geist der Kraft, ist auch ein Geist der Liebe. Und dadurch, daß die Liebe sich mitteilt, sich in der Kraft und Wahrheit beweist, fließt sie immer noch durch den Heiligen Geist aus dem Herzen unseres Gottes und Heilandes und wird stärker und vermehrt sich, so daß es einem nicht mehr schwer wird, das Böse mit Gutem zu überwinden und als ein Kind des Segens durch diese Welt zu gehen. 0 du Geist der Liebe, gelobt sei Gott, daß du da bist! „Hier bin ich, hier ist mein Herz!“

Der Heilige Geist ist auch ein Geist der Zucht, ein Geist der Besonnenheit, der Selbstbeherrschung; wie es auch an einer anderen Stelle heißt: die Geister der Propheten sind den Propheten untertan. Wer den Heiligen Geist hat, der lebt im Worte Gottes, und das Wort Gottes ist ihm durch den Heiligen Geist lebendig, und durch das Wort Gottes sind ihm Schranken gezogen, innerhalb deren er wandelt. Da kann man sich nicht übermäßiger Freude oder übermäßiger Traurigkeit hingeben. Man kann nicht in verkehrte Worte ausbrechen. Nein, wer den Heiligen Geist hat, der wandelt in den Schranken des Wortes Gottes, er steht in heiliger Zucht, er ist besonnen und vorsichtig, er beherrscht sich selbst. Ja, wer den Heiligen Geist hat, bei dem kommt zu der Kraft und der Liebe die Zucht. Die Zucht ist die Hüterin der Kraft und der Liebe. Die Zucht bewahrt die Kraft vor blinden, verkehrten Ausbrüchen und Ausfällen, und die Zucht bewahrt die Liebe vor blinder Gefälligkeit, vor Menschengefälligkeit und ruft es einem tief ins Herz hinein: „Wenn ich wollte den Menschen gefällig sein - nämlich in verkehrter Weise - dann wäre ich Christi Knecht nicht mehr“. — Sehet Petrus an und die anderen Apostel am Tage der Pfingsten! Da ist unter den Zeichen des Feuers und des Windes der Heilige Geist ausgegossen. Sie sind voll des Heiligen Geistes, sie reden mit anderen Zungen. O, denkt euch einmal hinein: was ist das eine Weihestunde, eine Stunde, wo wie in kaum einer anderen die ewige Welt in der Menschen Herzen und Leben eintritt! Aber der Heilige Geist ist ein Geist der Zucht. Wir sehen da nichts von Schwärmerischem, Überspanntem. Wie tritt uns neben der heiligen Freude, neben der Kraft und der Liebe die Zucht, die Besonnenheit, die Selbstbeherrschung entgegen, die in allen Dingen Maß zu halten weiß! Oder seht den Apostel Paulus an, seht den Feuereifer seines Geistes, seht bei ihm den Geist der Kraft und der Liebe, aber auch der Zucht, der an allen Orten und zu jeder Zeit das Rechte tut, das Rechte redet und das Wort der Wahrheit recht teilt! O wie haben wir diesen Geist der Zucht so nötig, besonders auch in unseren Tagen, wo auf dem geistlichen Gebiet so mancherlei Erscheinungen Vorkommen! Hier bin ich! Hier ist mein Herz!

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht. O, es ist etwas Großes, ich möchte anbeten! — Wo es nun richtig mit jemand steht, wo das geistliche Leben in Ordnung ist, da ist das Dreifache vereinigt: Kraft, Liebe, Zucht. Die Kraft macht uns männlich und stark, die Liebe macht uns zart und sorgfältig, und die Zucht macht uns demütig, bescheiden und vorsichtig. — 0 seid gegrüßt im Namen Jesu am heiligen Pfingstfest, ihr, die ihr etwas von diesem Geist habt! Wandelt im Geist, geht treu um mit dem, was ihr empfangen habt, streckt euch nach dem, das da vorne ist! Was ist es, ihr Brüder, was vor uns liegt? Mehr von diesem Geist, nicht der Furchtsamkeit, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht! Danach strecken wir uns hin, da tritt alles andere zurück. Darum feiern wir Pfingsten. Unsere Losung ist: — es ist die meine; ist es auch die deine? — Vorwärts! Die Tore sind offen in Christo. Tretet ein, nehmet, empfanget!

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