Dieterich, Veit - Predigt am Sonntage Misericordias Domini über Joh. 10 (V. 12-16)

Dieterich, Veit - Predigt am Sonntage Misericordias Domini über Joh. 10 (V. 12-16)

Im heutigen Evangelio sind vornehmlich drei Stücke zu merken. Das erste ist eine Lehre von unseres Herrn Christi eigenem Amt und Wohlthaten, nämlich, dass er ein Hirte sei, der Sünde und ewigen Zorn und Tod wegnimmt und uns, seinen Schäflein, Gnade, Gerechtigkeit und Leben wieder giebt und uns erhält und schützt wider alle Macht und Grimm des Teufels; und dass dieser Hirte, der Sohn Gottes, weit von allen anderen Hirten und Miethlingen zu unterscheiden sei, dass man sein eigen Wort und Wohlthat recht verstehen lerne.

Das andere Stück ist ein Troste, wie wir dieses Hirten Wohlthat erlangen.

Das dritte ist eine Weissagung von der Versammlung der Kirche aus den Juden und Heiden, und dass der Unterschied der Juden und Heiden aufhören soll.

Vom ersten Stücke wollen wir ein Gleichniss nehmen von weltlichem Regenten, damit wir hernach zum Unterschiede kommen von diesem einigen, besondern Hirten und Heilande Christo. Und sehet die weltlichen Regenten an, die sind dreierlei: Etliche sind Mörder oder Wölfe, etliche Miethlinge, etliche gute, nützliche Hirten.

Mörder und Wölfe sind die Tyrannen, als Nero und viele andere, die vornehmlich sich befleissigen, den Unterthanen Schaden zu thun, sie zu morden, ihre Weiber und Kinder zu schänden und Güter wider alle Rechte zu nehmen.

Miethlinge sind nicht so arg, sind aber faule Arbeiter und suchen ihren Geniess vornehmlich, wie viele faule Junkherren und Fürsten sind, die in ihren Ämtern vornehmlich ihren Nutzen suchen, und wenn grosse Fährlichkeit kommt, so schleichen sie davon.

Aber ein guter Hirte, als David oder Cyrus, ist ein nützlicher Regent, der Recht und Frieden erhält und schützt die Unterthanen wider unrechte Gewalt und bleibt bei ihnen in der Noth und hat Rath, Glück und Sieg. Der sind aber für und für in der Welt wenige; doch giebt Gott etliche für und für, sonst fielen die Regimente bald ganz in Haufen.

Von diesem Gleichniss gehe nun weiter und schaue das Kirchenregiment. Darin sind auch Dreierlei. Es sind Mörder und Wölfe, das ist der Teufel und alle falschen Lehrer, Ketzer, Päpste und Bischöfe, welche die rechte Lehre verfolgen.

Die anderen sind Miethlinge, das sind solche Diener, die recht lehren, aber sind faul und suchen ihren Geniess, so lange sie bleiben können; wie viele Pfarrherren sind an Orten, da man rechte Lehre predigt, die arbeiten ziemlich, aber sie streiten nicht wider die Ketzereien, strafen auch nicht, wo sie Ungnade verdienen möchten, und wenn Fährlichkeiten kommen, schleichen sie davon, kaufen Güter und warten ihrer Handthierung, wie jetzt viel geschieht.

Die dritten sind gute Hirten, als Noah, Sem, Abraham, Isaak, Jacob, Joseph und andere Patriarchen, Propheten und Apostel und rechte treue, ernstliche Prediger, die recht lehren und dürfen Sünde und unrechte Lehre strafen und fürchten nicht der gewaltigen Tyrannen und grossen Herren Ungnade, suchen nicht ihre eigene Ehre und sanftes Leben, sondern Gottes Ehre und der Kirche Seligkeit.

Das sind nun rechte nützliche Hirten; aber dieser Hirten Wort und Werk ist kräftig und seliglich nicht von ihnen selbst, sondern von einem höheren und besondern Hirten, vom Sohne Gottes.

Diesen besonderen Hirten, den Sohn Gottes, musst du auch weit unterscheiden von allen Heiligen, von Patriarchen, Propheten und Aposteln. Denn diese Personen, Patriarchen, Propheten und Apostel, sind nur Lehrer und tragen dir Gottes Wort vor, wie Johannes spricht: Ich bin eine rufende Stimme. Sie nehmen nicht Sünde weg, sie wirken nicht selbst in deinem Herzen Trost und Leben, sondern Das ist des einigen Hirten Christi Amt und Werk, der wirket in den Patriarchen, Propheten und Aposteln und in allen Gläubigen. Er nimmt Sünde und Tod von ihnen, er treibet den Teufel weg und giebt den heiligen Geist, Licht, Trost und ewiges Leben, er weckt die Todten wiederum auf. Also ist er ein guter Hirte, höher und weit über alle Patriarchen, Propheten und Apostel, welche, wiewohl sie treue Diener sind, so ist doch ihr Amt kräftig, nicht von ihnen selbst, sondern durch diesen Hirten, den Sohn Gottes. Darum spricht er in dieser Rede: Ich gebe ihnen das ewige Leben, dass sie nicht in Ewigkeit verloren werden, und Niemand wird sie aus meinen Händen reissen.

Und ist solches Alles deutlich und klar gesagt, der Juden Irrthum zu strafen. Ihre Gedanken malten den Messias dem Mosi gleich; sie meinten, er würde ein Lehrer sein und ein schön weltlich Königreich anrichten wie Moses. Und sie blieben in diesem Irrthum, sie wären die lieben, heiligen Leute, die Gottes Gesetze erfüllten und verdienten Vergebung der Sünden, würden gerecht und selig wegen solcher ihrer löblichen Werke und darum würde ihnen Gott den Messias und das herrliche, gewaltige Königreich geben.

Wider diesen schändlichen Irrthum ist diese Predigt Christi gerichtet, dass man wohl lerne Unterschied machen zwischen Mosi dem Lehrer und dem Sohne Gottes, der nicht allein ein Lehrer ist, sondern der Heiland, der Sünde und Tod wegnimmt und wirket selbst in uns Gerechtigkeit und Leben, wie ich zuvor gesagt habe.

Und dieser Heiland sagt hier von zwei Werken, von Weiden und Schutz. Er giebt sein heiliges Evangelium und dadurch den heiligen Geist und macht also wiederum das Herz lebendig mit dieser Weide. Darüber will er auch sein armes Häuflein wider den Teufel, Tyrannen und allerlei Verfolgung gewaltiglich schützen und in der Noth erhalten, wie er Noah in der Sündfluth erhielt. Dieses ist ja öffentlich, dass uns andere Hirten, Regenten, Patriarchen und Apostel aus eigener Kraft nicht also schützen können, sondern es ist ein Werk dieser einigen Person Christi.

Dass aber gleichwohl die Kirche in Leiden und Verfolgungen steckt, das hat viele Ursachen, davon wir zu anderen Zeiten reden. Und wenn wir nicht solch Elende versuchten, so erkenneten wir den Schutz und die Rettung nicht. Das Elend liegt uns auf dem Halse und drückt uns grausamlich nieder, und läuft der Teufel um wie ein Wärwolf und will uns, das elende Schäflein, auffressen.

In dieser grossen Angst sollen wir den Schutz und die Rettung kennen lernen; denn da giebt unsere eigene Erfahrung, dass, so wir Zuflucht haben zu diesem Heiland, zum Sohne Gottes, der für uns ein Opfer worden ist und nun unser Hirte ist, und mit festem Glauben bei dem Evangelio bleiben, wir gewisslich erhöret und errettet werden. Es kann kein Engel und kein Mensch die grosse Barmherzigkeit, Liebe und Gnade in Christo genugsam ausreden, die er uns in solcher wunderbarlichen Rettung täglich erzeigt, davon er hier spricht: Niemand wird mir meine Schäflein aus meiner Hand reissen mögen.

Das ist ein hoher Trost, der eitel Freude und Leben ist und muss in der Erfahrung gelernt werden, dass wir Etwas davon verstehen.

Das sei vom ersten Stück ein Wenig gesagt; denn die Sachen sind so gross, dass sie Niemand genugsam erklären und begreifen kann. Doch muss man den Anfang in diesem Leben recht und eigentlich lernen.

Es haben aber auch diesen Anfang die Mörder und Wölfe, Papst, Bischöfe, Canonisten, Mönche und andere falsche Prediger mit vielen falschen abgöttischen Irrthümern ausgetilgt, haben das Volk nicht zum Hirten und zur rechten Weide und Trost gewiesen, sondern haben die blinden Leute heissen im Zweifel bleiben und da eine Kappe, dort einen verstorbenen Heiligen oder Götzen anrufen lassen. Diese schrecklichen Irrthümer soll man ernstlich strafen und fliehen, wie man sich vor Mördern und Wölfen hüten soll.

Nun folgt das andere Stück, wie wir diesen Trost erlangen und des guten Hirten geniessen. Dieses Stück muss man auch oft erholen; denn was wäre Jemand damit geholfen, so Einer von einem grossen Schatze redete und sagte nicht darin, wie man ihn erlangen möchte. Darum sprechen nicht wir Menschen, sondern das ewige, unwandelbare göttliche Wort: Mit Glauben und Vertrauen auf diesen guten Hirten, den Sohn Gottes, erlangt man Vergebung der Sünden, Errettung aus dem Zorne Gottes und aus dem Tode und das ewige Leben und allen Trost, davon hier gesagt wird.

Von diesem Glauben redet der Hirte hier also, da er spricht: Meine Schäflein kennen mich. Item, meine Schäflein hören meine Stimme. Dieses Erkennen und Stimmehören das ist vertrauen auf diesen Hirten, laut seiner gnädigen Verheissung; denn der Glaube hängt sich an diesen Hirten durch die Stimme, das ist, durch die Verheissung.

Da David verzagt ist und Gottes Zorn wider seine grosse Sünde, Ehebruch, Mord, schreckliches und vielfältiges Ärgerniss fühlt, da muss er sich mit dieser Absolution trösten, die er von Nathan gehört hat: Gott hat deine Sünde weggenommen, und weiss, dass ihm Gnade zugesagt ist um des künftigen Messias willen. Also vertrauet er auf diesen Messias durch die Verheissung und empfängt Trost und Leben, bleibt nicht im Zweifel stecken, weiss auch, dass er von der Sünde und vom ewigen Tode nicht wegen seines Verdienstes, Werk oder Tugenden errettet wird, sondern ohne sein Verdienst durch den Sohn Gottes.

Also müssen wir auch diesen Trost erlangen durch Glauben und Vertrauen auf diesen Hirten, durch seine Stimme, das ist, durch die Verheissung; nicht wegen unserer eigenen Würdigkeit und Verdienst. Und wiewohl wir schwach sind und in solcher Angst sehr zappeln, so muss doch der Glaube dem Zappeln widerstreben und die Verheissung nicht fallen lassen, sondern muss schliessen: Dieses ist gewisslich Gottes Wille, auch gegen deine Person, wie die Verheissung lautet.

Und du sollst nicht gedenken: Die Verheissung mag wohl Anderen zu Gute kommen; aber ich bin zu unwürdig, sie gehört nicht mir. Diesem lügenhaften Gedanken sollst du mit grossem Ernste widerstreben. Denn dieser gute Hirt hilft nicht um deines Verdienstes willen, sondern wegen seiner grossen Gütigkeit und Barmherzigkeit und will allen Menschen helfen, die seine Stimme hören, das ist, die also mit Glauben die Verheissung, die allen Menschen angeboten ist, annehmen.

Dass man nun Etwas von diesem Trost verstehe, so müssen wir in der Angst und Anrufung Solches erfahren. Da lernen wir, was dieser Glaube ist, und dass er gewisslich Trost und Errettung erlangt.

Aber diesen grossen Trost verdunkeln Etliche und machen ihn bitter mit Phantaseien und Fragen, welche Menschen die Schäflein und Auserwählten sind? Und wollen also vorhin wissen, ob sie auserwählt sind. Wider diese Phantaseien soll das Herz wohl gerüstet sein.

Und merke, dass dieser Text klar allhier spricht: Meine Schäflein hören meine Stimme. Der Sohn Gottes weiset dich selbst auf seine Stimme, und so du die Stimme willst hören und nicht selbst verachtest, so bist du eine Schäflein. Und wer endlich also die Stimme, das ist, die Verheissung höret und mit Glauben annimmt, der ist gewisslich auserwählt.

Viele Leute machen sich selbst irre mit diesen Phantaseien, und hat Augustinus die Leute in solche Phantaseien geführt. Aber du sollst lernen, dass dich der Hirte selbst auf seine Stimme weiset und saget dir, dass du also ein Schäflein werdest, so du die Stimme hörest und nur Glauben annimmst.

Und so du gelernt hast, dass alle diese Menschen Schäflein sind, die dieses Hirten Stimme hören und mit Glauben annehmen, so ergreife denn diesen grossen Trost, der hernach folgt: Niemand wird mir meine Schäflein aus den Händen reissen! An diesem Trost halt fest, und wisse, dass du alsdann gewisslich der Schäflein eins bist, die der Sohn Gottes auf seinen Armen trägt und mit den Händen gefasst hat, und will dich wider den Teufel und alle Teufels List und Macht schützen und erretten, will dich den Wolf nicht verschlingen lassen, will dich nicht in Sünde, Irrthum und ewigem Tode stecken lassen, will dich regiren und nicht in Irrthum oder Sünde wiederum fallen lassen.

Das Alles sollst du wohl merken und diesen hohen Trost täglich in deinem Gebete betrachten und diese Stimme dieses gnädigen Hirten hören und alle deine Anrufung und Glauben darauf haben; denn der Glaube muss also durch die Stimme erwecket werden.

Das dritte Stück ist eine Weissagung, die ist auch überaus trefflich. Es saget der Herr, er habe einen Schafstall, da er Hirte über sei. Das sind ohne Zweifel sein Volk, die Juden. Danach spricht er weiter, er habe noch andere Schafe, aber die sind nicht aus diesem Stalle, verheisset doch, er wolle dieselben auch weiden, dass also, gleich wie nur ein Hirte ist, auch nur ein Schafstall sei.

In dieser Weissagung sind sonderlich zwei Dinge wohl zu merken, das erste, dass der Herr Christus deutlich von anderen Schafen sagt, die nicht aus diesem Stalle sind, dessen er damals Hirte war. Denn Solches zeigt an und zwingt, dass dieser Hirte nicht allein wolle der Juden Hirte sein, und dass die Juden nicht allein sollen Gottes Volk sein, sondern Gott will ein Gott Beider, der Juden und Heiden sein. Und dass dieser Hirte will sein Leben nicht allein für die Juden, sondern auch für die Heiden lassen, Das ist wohl zu merken. Das andere, er sagt nicht, dass, wenn die Heiden in einen Schafstall wollen, sie Juden werden, sich beschneiden lassen und das Gesetz Mosis halten müssen; allein Das sollen und müssen sie thun, dass sie dieses Hirten Stimme hören. Das ist ganz und gar, was dazu gehört, wenn du ein Christ sein und in den rechten Schafstall willst; wie denn die Stimme vom Himmel auch zeuget, da Gott der Vater spricht: Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören.

Es heisst aber hören nicht allein die Ohren herhalten, sondern, was Christus verheisst, mit starkem Vertrauen und Glauben annehmen und daran sich fest und allein halten. Das ist das einige Stück, das uns zu schaffen macht und in diesen Schafstall und in das ewige Leben bringt; nämlich der Glaube an Christum.

Ja, sprichst du, wo bleiben denn die guten Werke und ein heiliges Leben? Antwort: Dasselbe wird alsdann auch folgen. Denn wer zu diesem Hirten und in diesen Schafstall kommt, Der empfähet alsdann den heiligen Geist, der macht rechte, fromme Schäflein aus uns, dass wir Niemand Leides thun, Jedermann fördern und dienen, in Leiden geduldig sind, mit Hoffnung und Gebet uns aufhalten und allenthalben nach Gottes Wort uns halten, welches unmöglich ist, man habe denn zuvor dieses Hirten Stimme gehört und mit Glauben angenommen.

In Solchem ist des Papstes Lehre auch durchaus irrig und verführerisch; der weiset nicht allein die Schäflein nicht dahin, dass sie ihres Hirten Stimme hören, ja er verfolgt auch solche Stimme und verdammt's und heisst's Ketzerei, und weiset daneben das arme Völklein auf Mönchsorden, Messe hören, Fasten, Wallfahrtengehen, der Heiligen Fürbitte und Verdienst suchen und dergleichen. Aber hüte dich, folge der Stimme des Vaters vom Himmel: Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören; und wisse, wenn du dieses Hirten Stimme hörest, dass du sein Schäflein und er dein Hirte sein und dir das ewige Leben geben will. Das verleihe uns unser lieber Herr Christus. Amen.

Gebet

Herr Gott, himmlischer Vater ,der du uns elende Menschen väterlich bedacht und deinen Sohn zum Hirten über uns gesetzt hast, dass er nicht allein mit seinem Worte uns weiden, sondern auch durch seinen Schutz wider Sünde, Tod und Teufel uns erretten und erhalten soll, wir bitten dich, gieb durch deinen heiligen Geist, dass, gleichwie dieser Herr uns kennt und unserer Noth sich annimmt, wir wiederum in allerlei Anliegen ihn auch erkennen, uns an ihn halten, Hilfe und Trost bei ihm suchen und gewarten und seiner Stimme von Herzen folgen und also durch ihn selig werden. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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