Dieterich, Veit - Betstundenbuch oder Summarien über auserlesene Kapitel der heiligen Schrift

Inhaltsverzeichnis

Dieterich, Veit - Betstundenbuch oder Summarien über auserlesene Kapitel der heiligen Schrift

Erste Woche.

1. B. Mos. 3, Kap.

Dies Kapitel ist eine Historie, wie der Mensch durch den Teufel von Gottes Wort abgeführet worden und durch den Ungehorsam in die Sünde und Strafe Gottes gefallen sey, und dienet zur Warnung, daß wir lernen fest an Gottes Wort halten und uns vor der Sünde hüten, welche vom Teufel ihren Anfang hat und den Tod sammt allem andern Jammer über die Menschen gebracht hat.

Dagegen soll man aber auch den Trost merken, welchen hier Gott dem Adam und der Eva gibt, daß nämlich des Weibes Same, Christus, der Schlange den Kopf zertreten, das ist dem Teufel seine Macht nehmen und durch Sein Leiden uns aus Tod und Sünde zur Gerechtigkeit und zum ewigen Leben helfen solle.

Solchen Trost sollen wir fest behalten und uns das Fersenstechen des Teufels, das ist allerlei Widerwärtigkeit dieses Lebens nicht ärgern lassen; denn im Paradies hat es angefangen und muß für und für also gehen. Der Teufel gönnet uns die Seligkeit nicht; wiederum will Gott uns in Sünden nicht verderben lassen und schaffet uns Hilfe durch Seinen Sohn, der für uns am Kreuz stirbt und bezahlet. Solchen Trost und solche Hilfe sollen wir mehr achten, denn des Teufels Fluch und Feindschaft.

Gott gebe, daß - wie wir in Adam alle des Todes schuldig worden sind, also auch in Christo alle hier im Reich der Gnaden und dort im Reich der Herrlichkeit leben mögen.

Zweite Woche.

1. B. Mos, 6. Kap.

Diese Historie ist ein schreckliches Exempel, darin man Gottes Zorn wider die Sünde stehet, daß nämlich Gott drohet, Er wolle um der Sünde willen nicht allein die Menschen, sondern auch alles, was Odem hat, vertilgen. Der Text aber meldet diese Sünden als die vornehmsten: auf das erste, daß die Welt sich Gottes Geist nicht strafen lassen will, das ist, daß man Gottes Wort nicht folgen und das Leben darnach nicht bessern will, - zum andern fleischliche Unzucht - und zuletzt öffentlicher Frevel. Wo solche Sünden sind, da wird die Strafe nicht lang ausbleiben.

Gleichwie man aber aus solcher Strafe den Zorn Gottes wider die Sünde spüren muß, also stehet man auch, wie Gott gnädig ist, indem Er die Strafe lindert und hundert und zwanzig Jahre verzieht - und den frommen Noah mit den Seinigen vor solcher Strafe behütet, auf daß man lerne: wer unrecht thut, soll es entgelten; wer aber recht thut, soll es genießen.

Gott regiere uns, daß wir uns durch Betrug der Sünden nicht selbst verstocken, sondern heute, da wir Seine Stimme hören, uns bessern und zu Gott bekehren.

Dritte Woche.

1. B. Mos. 18, Kap, 16.-33. V.

Dies ist erstlich eine köstliche Historie, in welcher Gott Seine Barmherzigkeit reichlich sehen läßt, wie Er gerne alle Strafe abwenden und schonen wollte, so nur die Menschen sich zu bessern begehrten, ja daß Er um wenig frommer Leute willen eines ganzen Landes gerne verschonen wollte.

Wiederum aber ist es schrecklich, daß die Welt so arg und boshaft sein soll, daß unter so viel Leuten in einem ganzen Land nicht zehen fromme und gottesfürchtige Menschen erfunden werden.

Darum muß die Strafe über sie gehen - und Abrahams Fürbitte umsonst seyn, weil keine Besserung des Lebens folget; denn beten und sich bessern muß beides bei einander seyn.

Zum andern stehet man hier, wie die Fürbitte für andere gegen Gott so ein trefflich Ding ist. Aber wer solche Fürbitte genießen will, muß sich dazu recht schicken und darf die Fürbitte durch Unbußfertigkeit nicht hindern.

Gott gebe auch in unserm Lande theils fromme Leute, in Ansehung derer Gott mit den Bösen und Gottlosen Geduld trage und Seine Strafen zurückhalte, - theils andächtige und eifrige Beter, die mit ihrem Tag und Nacht anhaltenden Schreien Gottes Vaterherz zur Langmuth erweichen mögen.

Vierte Woche.

l. B. Mos. 19. Kap. 1.-29. V.

Dies ist eine Historie, in welcher man stehet, wie Gott an Seine Heiligen denket und sie errettet von der Strafe, so über die Gottlosen kommt. Denn die Frommen sollen ihrer Frömmigkeit genießen wie Lot.

Wiederum siehet man, weil die Sünde überhand genommen hat, und die Sodomiter keine Warnung zu Herzen nehmen wollten, daß Gottsolchen Ernst hat brauchen müssen, auf daß wir lernen uns fürchten und vor Sünde hüten, sintemal Gott sie nicht ungestraft hingehen lassen kann.

Merke aber weiter, wie sicher die Sünder sind, wenn ihr Verderben am allernächsten ist. Die Eidame des Lot, da sie gewarnet werden, halten sie es für ein Gelächter und gedenken nicht zu weichen.

Daß die Frau Lots umstehet und zur Salzsäule wird, deutet Christus im Evang. Luc. 17. dahin, daß man sich das Zeitliche nicht hindern lasse, sondern auf Gottes Wort sehe und demselbigen folge, sintemal wir der Strafe sonst nicht entrinnen können. Solche Deutung nimmt der Herr gewißlich davon, daß es bei Lots Weib nicht ein bloßes vorwitziges Hintersichsehen gewesen ist, sondern daß sie ihr die Welt auch hat lieb seyn lassen und Gottes ernstliches Drohen nicht für wahr gehalten hat. Solchen Unglauben hat Gott mit Ernst strafen und das Gedächtniß desselben andern zum Abscheu - öffentlich bleiben lassen wollen.

Gott behüte uns vor solchem geistlichen Wahnwitz und Unglauben, daß wir die Drohungen Gottes ja nicht verachten, viel weniger die Welt für den Himmel wählen, sondern vielmehr im rechten Glauben und ungeheuchelter Gottseligkeit unter allem Unglück erhalten werden mögen, - durch Christum, unsern Heiland.

Fünfte Woche.

2. B. Mos. 32. Kap.

Dies ist eine schreckliche Historie, wie das Volk Israel, welches so große Wunder in Egypten und in der Wüste gesehen und erfahren - und sich gegen Gott, Seine Gebote zu halten, so theuer verpflichtet hatte, so bald alles vergessen und in gräuliche Abgötterei gefallen ist und ein gegossen Kalb angebetet hat, - uns zum Exempel, wie es Paulus selber deutet 1. Cor. 10., daß wir nicht sicher noch vermessen seyn, sondern in Gottesfurcht stehen und lernen sollen, daß es mit uns aus ist, sobald Gott die Hand abzieht. Darum ist vonnöthen, daß wir stets bitten, daß Gott durch Seinen Geist und durch Sein Wort uns erhalten und nicht in Anfechtung führen wolle.

Darnach ist's ein feines Exempel von Mose, wie er für das Volk bittet und das Gebet allein auf Gottes Güte und Verheißung stellet, und wie Gott solches Gebet annimmt.

Indem aber Moses um des öffentlichen Aergernisses willen die Kinder Levi alles erwürgen und erstechen heißt, was sie antreffen, auf daß er dem Zorn und der Strafe Gottes zuvorkomme und den größten Theil des Volks errette, so soll die Obrigkeit daraus lernen, daß sie öffentliche Aergernisse strafe, - auf daß Gott nicht zu größerem Zorn bewegt werde und das ganze Volk darum angreife, so man öffentliches Aergerniß ungestraft läßt.

Gott bewahre uns gnädiglich vor solchem Abfall und solcher Vergessenheit Seiner Zeichen und Wunder, rüste aber auch daneben alle Obrigkeit mit dem Eifer für göttliche Ehre also aus, daß sie durch Bestrafung der Bösen Gottes allgemeine Strafen abwenden möge.

Sechste Woche.

3. B. Mos. 26. Kap

Dies Kapitel ist eine herrliche und ernstliche Predigt, in welcher Gott Sein Volk vermahnet, weil sie nun wissen, was sie thun und lassen, wie sie sich mit dem Opfern und Gottesdienst halten sollen, daß sie bei solchem Befehl bleiben und nichts davon ändern noch unterlassen.

Zugleich verheißt Er ihnen, wo sie solches thun, wolle Er sie mit reichem Segen auf dem Felde, mit Frieden im Lande und mit allem Glück überschütten.

Wiederum, wo sie es nicht thun, da sollen Krankheit, Hunger, Krieg, schädliche Thiere und alles Unglück sie treffen ohne Aufhören. Da sehet ihr nun, wo all dieser Jammer in der Welt herkommt. Darum mag sich jedermann bessern und frömmer werden, so wir anders solcher Strafen überhoben seyn wollen. Ja, Gott drohet noch ferner den unbußfertigen Sündern, daß Er mit der Strafe nicht aufhören, sondern, je mehr man mit Sünden fortfährt, desto mehr mit der Strafe anhalten wolle, - auf daß man lerne, daß Gottes Zorn durch nichts abgewendet werden mag, es sey denn, daß man sich bessere, von Sünden ablasse und Gnade begehre.

Am Ende ist's ein sehr tröstlich Stück, wie Gott solche harte Ruthen über die Sünder nicht darum gehen lasse, daß Er sie gar verderben, sondern allein darum, daß Er sie zur Buße treiben und frömmer machen und wieder zu Gnade annehmen wolle. Denn weil Gott nicht anders denn gnädig ist, will Er Seinen Gnadenbund um unserer Sünden willen nicht gar aufheben. Darum sollen wir in Sünden nicht verzagen, sondern davon ablassen und uns mit Gottes Barmherzigkeit trösten.

Lasset uns also Gott dem HErrn bei Zeiten in die Ruthe fallen und ja nicht Seinen Zorn häufen, - wenn wir aber ja denselben fühlen, vor Gott niederfallen, - nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf Seine grundlose Barmherzigkeit, - damit Er Seinen Bund des Friedens ja nicht von uns nehme.

Siebente Woche.

5. B. Mos. 32. Kap. l-43. V.

Dies ist ein Lied, in welchem Moses das Volk lehret, wie Gott ihnen so gnädig gewesen und so große Hilfe und Wohlthat bewiesen hat, daß Er's zum eigenen Volk angenommen, aus Egypten geführt, ihnen das Gesetz gegeben und endlich in’s gelobte Land gebracht hat.

Darum vermahnet er nach dem ersten Gebot, daß sie solchen Gott ehren, auf Seine Hilfe allein sich verlassen und sonst keinem fremden Gott dienen sollen.

Aber er weissaget auch, daß sie bei solcher Lehre und Pflicht nicht bleiben werden, sondern, wenn sie satt, dick und fett worden seyen, werden sie solchen Gott fahren lassen und Abgötterei treiben, - uns zum Exempel, daß wir immer fleißiger beten und niemals weniger sicher seyn sollen, als wenn wir Friede haben, und es uns wohl gehet.

Darnach aber drohet auch Moses, wie sie um Abgötterei und anderer Sünde willen mit allerlei Jammer und Unglück geplagt - und endlich ganz und gar verstört und vertilget werden sollten, und Gott Ihm ein ander Volk, die Heiden, werde auserwählen, wie denn geschehen ist, - alles darum, daß sie Gottes und Seines Wortes nicht achteten, - und uns zum Exempel. Denn so Gott Seines eigenen Volkes nicht verschonet hat, dürfen wir nicht denken, wenn wir in gleiche Sünde fallen, daß wir nicht auch gleichen Zorn und gleiche Strafe tragen sollten; - wovor uns Gott in Gnaden behüten wolle.

Achte Woche.

B. Josua 24. Kap. l -24. V.

Dies ist eine Abschiedspredigt, welche Josua, der gottselige und fromme Fürst, seinem Volk thut, daß sie bedenken sollen, was für große Wohlthat ihnen Gott erzeiget habe, und sich hüten, undankbar zu seyn und von solchem Gott und Seinem Wort abzuweichen. Solcher Befehl ist höchst nöthig, insonderheit, wo neue Regenten und Obrigkeiten auftreten; denn da folget gemeiniglich eine Aenderung, und solche Aenderung geschieht selten zur Besserung. Wo alsdann das zutrifft, daß man Gottes Furcht und Wort aus den Augen läßt, da muß Unglück mit Haufen folgen.

Insonderheit aber ist es sehr löblich und merkwürdig, wie der gottselige und fromme Fürst Josua, als das Volk sich erbot, von Gott nicht abweichen zu wollen, sie auf ein neues eidlich verpflichtet, auf daß sie nach seinem Tode solcher Verpflichtung gedenken und desto weniger abweichen möchten. Solchem Exempel sollten heutiges Tags und allezeit Regenten und Obrigkeiten folgen. Denn gleichwie sie durch Gestattung böser Gewohnheiten und Mißbräuche, auch ärgerlichen Wesens und auf andere Weise mehr nach ihrem Tod sündigen können, ebenso können sie dagegen durch gute Ordnungen, heilsame Gesetze und christliche Verpflichtung ihrer Unterthanen noch viel Gutes schaffen, wenn sie gleich längst im HErrn entschlafen sind. Es soll demnach eine fromme gottselige Obrigkeit dies Exempel wohl merken und alle Mittel und Wege brauchen, daß Gottes Wort rein und lauter und der Gottesdienst unverfälscht bleibe.

Solche Obrigkeit wird uns Gott auch geben, wenn wir Ihn eifrig darum bitten.

Neunte Woche.

B. der Richter 2. Kap.

Dieses Kapitel ist gleichsam eine Vorrede zu dem Buch der Richter, in welchem vornehmlich angezeigt wird, wie die Kinder Israel in der Heiden Abgötterei gerathen und von Gott und Seinem Wort abgewichen sind, - und wie Gott solche Sünde damit gestraft hat, daß sie ihren Feinden nicht mehr haben widerstehen mögen, sondern die Hand Gottes ist allewege wider sie zum Unglück gewesen. Daraus soll man lernen in Gottes Furcht und Willen wandeln; sonst soll es uns auch also gehen.

Sonderlich aber ist zu merken, daß der Text spricht: „Das Volk dienete dem HErrn, so lange Josua lebte und die Aeltesten nach ihm.“ Denn wo fromme Regenten und Obrigkeiten abgehen, die das Volk zum Wort und Gottesdienst halten, ist's leicht geschehen, daß das Wort sich wieder verliere; - was aber Gott in Gnaden von uns abwenden wolle.

Zehnte Woche.

2. B. Sam. 24. Kap.

Dies ist ein lehrreiches Exempel, wie auch heilige Leute, wenn sie ohne Noth und Anfechtung sind, gar leicht in Sünde und Sicherheit fallen. Deßhalb ist's nützlich und gut, daß Gott durch's Kreuz uns in Seiner Furcht erhalte.

Aus den Psalmen wissen wir, wie David, wenn er von Saul verfolgt wird, oder wenn es ihm sonst übel ergehet, betet und geduldig ist. Hier aber, nachdem er Friede hat und sich vor niemand fürchten darf, wird er sicher und will wissen, wie viel Volks er in das Feld wider die Feinde zu stellen vermöge, obschon Gott im 30. Kap. des 2. B. Mos. verboten hatte, das Volk zu zählen; wolle man's aber zählen, so solle ein jeglich Haupt sich mit einem Opfer lösen; sonst werde ihnen eine Plage widerfahren.

Solches bedenket Joab und die andern Hauptleute und widerrathens. Aber David will sich nicht bereden lassen und denket, er sey ein Herr, andere sollen ihm folgen, er brauche keinem zu folgen. Wie denn große Herren die Anfechtung haben und wollen ihres Sinnes seyn; es geräth aber nicht allezeit wohl, wie man auch an David stehet.

Insonderheit aber ist bedenklich, daß David, obgleich er seine Sünde erkennet und ihm leid seyn lasset, dennoch eine zeitliche Strafe dafür tragen muß, - und daß Gott die Sünde mit Hunger, Krieg und Pestilenz zu strafen pflegt. Darum soll man in Gottesfurcht wandeln und sich vor Sünden hüten, auch ernstlich bitten, daß Er uns vor Sünden bewahren wolle, - so wir anders dergleichen Strafen entfliehen wollen, unter welchen doch die leichteste ist, wenn Gott mit Pestilenz strafet; denn Hunger ist zu jämmerlich und Krieg zu gräulich, als der alles mit sich reißet und verwüstet.

Sollen wir ja in die Gerichte Gottes nach Seinem heiligen Rath und Willen fallen, so wollen wir mit David beten: „HErr, laß uns nicht in der Menschen Hände, sondern in Deine Hände fallen; denn Deine Barmherzigkeit ist groß.“

Elfte Woche.

2. B. der Kön. 17, Kap. 1.- 23. V.

Hier ist eine der vornehmsten Historien, in welcher man stehet, was für ein Unglück und Jammer daraus entstehe, wenn man Gottes Wort verachtet, Abgötterei treibet und sich an Seine Strafe nicht kehren noch dadurch bessern will, - nämlich daß Gott das ganze Israel, die zehen Stämme, durch ein fremd Volk gefangen nehmen, wegführen und ihr Land verheeren läßt; - wie wir zu unsern Zeiten leider auch sehen und täglich, wie zu besorgen ist, je länger je mehr erfahren werden, weil einestheils des Lästerns und Verfolgens wider die heilige erkannte Wahrheit kein Ende ist, auf der andern Seite aber die Verachtung und der Undank gegen das liebe Wort so groß wird.

Gott gebe aber, daß wir an den alten Exempeln uns spiegeln und aus anderer Leute Schaden klug werden, damit uns Gott bis an's Ende der Welt Sein Wort schenken und unsere Obrigkeit segnen wolle.

Zwölfte Woche.

2. B. der Kön. 18. Kap.

Hier gehet an die schöne Historie von dem frommen und gottseligen König Hiskia, welchen alle Regenten als ein sonderliches Vorbild mit Fleiß ansehen, und dessen Exempel sie folgen sollten, wofern sie anders Glück und Heil haben wollen.

Dieser fromme König wird gerühmet - für's erste, daß er die ärgerlichen Kirchen abgethan und dem unrechten Gottesdienst mit Ernst gewehret, dazu auch die eherne Schlange nicht verschonet habe, weil sie in einen solchen Mißbrauch gekommen war, daß die Leute ihr opferten; - zum andern wird er gerühmt, daß er Gott vertrauet, an Seinem Wort festgehalten und von Gott und Seinen Geboten nicht abgewichen sey.

Darum ist der HErr mit allen Gnaden und reichem Segen bei dem König Hiskia gewesen, daß er von seinen Feinden wunderbar erlöset worden ist, und daß alle Drohungen, welche der Erzschenke des Königs Sanherib gotteslästerlicher Weise ausgestoßen, ohne alle Kraft und Wirkung gewesen sind, obgleich er dem frommen Hiskia allen Trost beide von Gott und den Menschen ausreden will. Gott erhalte auch in unsern Herzen Seinen Trost allezeit, wenn uns solchen der Satan und die Welt durch ihre Anfechtungen und Verspottungen herausreißen wollen.

Dreizehnte Woche.

2. B. der Kön. 19. Kap.

Dies ist ein sehr schönes und tröstliches Exempel, wie der fromme König Hiskia in der größten Noth zu Gott seine Zuflucht hat, sich vor Ihm von Herzen demüthiget und um Hilfe bittet im Haus des HErrn, - ferner, wie er zu dem Propheten Jesaja sendet, daß auch dieser zu dem HErrn um Hilfe schreien wolle wider das Lästern des Königs in Assyrien. Solches aber zeigt an, welch ein Vertrauen der fromme König auf Gottes Güte gehabt habe. Darum hängt er mit festem Glauben am Trost und an der Zusage, die ihm der Prophet Jesaja that. Und dies ist auch der höchste und beste Gottesdienst, in Nöthen also Gott anzurufen, sich Seiner Barmherzigkeit und Seines Wortes zu trösten - und nicht auf der Menschen Gewalt, Geld noch Gunst zu sehen.

Es ist aber sonderlich zu merken, daß Gott das Gebet derer, die auf Seine Hilfe warten, hören und zu rechter Zeit helfen will. Wiederum will Er den Stolz und Hochmuth der Gottlosen nicht ungerochen abgehen lassen; wie man an Sanherib und seinem Heer stehet. Endlich aber ist hier zu lernen, daß man in keinem Unglück verzweifeln solle, sondern hoffen, Gott könne und wolle uns Hilfe schaffen, auch wo es uns unmöglich dünket; wie denn der König Sanherib hier abgetrieben - und in Einer Nacht hundert und fünf und achtzig tausend Mann durch den Engel erwürget worden sind, und der fromme König sammt den Seinigen wunderbar errettet wird, - uns zum Trost, daß wir auch lernen also auf Gottes Hilfe sehen und vertrauen.

Vierzehnte Woche.

2. B. der Chron, 20. Kap. 1.-30. V.

Hier ist eine sehr schöne Historie, wie der fromme König Josaphat in der Noth sich an den rechten Trost hält und zu Gott um Hilfe schreiet, Ihn an Seine Zusage und herrliche Wohlthat erinnert und bittet, Er wolle jetzt in dieser Noth auch gleichermaßen helfen. Solches Gebet erhöret Gott und schaffet wunderbarer Weise Hilfe aus aller Noth. Dies wird uns zum Exempel berichtet, daß wir auch, wie hier Josaphat ihnen heißt, an den HErrn unsern Gott glauben sollen, so werden wir Schutz finden und Glück haben.

Darnach sehen wir auch ein sonderliches Exempel großen Glaubens, wenn Josaphat an des Propheten Jehasiel Wort so wenig zweifelt, daß er sein Volk nicht anders zur Schlacht rüstet, denn als sollten sie gen Jerusalem in den Tempel gehen, nicht aber in den Streit ziehen. Er heißt sie singen, Gott danken und Seine Güte preisen, als wären die Feinde schon geschlagen und der Sieg gewonnen. An solchen Exempeln sollen wir lernen Gott vertrauen, sintemal er so leicht und unversehens in der höchsten Noth Hilfe und Rath schaffen kann, wie Er hier mit den Feinden Josaphat thut.

Wir trösten uns demnach billig und sprechen:

Tod, Sund, Teufel, Leben und Gnad, -
Alles in Händen Er hat;
Er kann erretten
Alle, die zu Ihm treten.
Kyrie Eleison! HErr, erbarme Dich unser!

Fünfzehnte Woche.

2. B. der Chron. 36. Kap. 1-21. V.

Dies ist eine Historie, wie die Kinder des Josia ungerathen und abgöttisch gewesen seyen, und wie Gott sie hart darum gestrafet habe, bis endlich der König zu Babel das Land ganz und gar verheert und das Volk gefangen weggeführet hat. Solche Strafe soll uns ja ein Exempel und eine Warnung seyn, daß wir uns vor Abgötterei hüten, Gottes Wort mit Ernst annehmen und demselbigen nachwandeln, - wofern wir anders nicht gleiche Strafe mit den Juden tragen wollen, welche siebenzig ganze Jahre unter den Heiden in allerlei Jammer und Elend um solcher Sünde willen leben mußten.

Sonderlich aber ist zu bedenken, daß die Schuld ihres Untergangs allen dreien Ständen zugeschrieben wird. Denn nachdem der Regenten und Könige Missethaten angemerkt worden sind, werden wir ferner berichtet, daß zum andern alle Obersten unter den Priestern des Sündigens viel gemacht haben, und zwar drittens sammt allem Volk, - daß also alle drei Stände sich stets über ihre Beschaffenheit prüfen sollen.

Doch lautet es auch sehr tröstlich, wenn es heißt: „Der HErr schonete (das ist: Er hätte gerne geschonet) Seines Volks und Seiner Wohnung“ - und wäre gerne des Strafens überhoben geblieben, - daß Er also ganz und gar keinen Gefallen an unserm Verderben hat.

Gott regiere uns, daß wir uns nicht selbst darein stürzen und Gott gleichsam dazu nöthigen.

Sechzehnte Woche.

B. Nehem. 9, Kap. 1.-35. V.

Hier ist eine Historie, wie das Volk zusammengekommen, ein Fasten gehalten und sich auf ein neues mit Gott verbunden hat, und wie die Leviten eine schöne lange Predigt gethan haben, in welcher sie vor dem Volk erstlich Gott loben und danken für Seine Wohlthat, die Er sonderlich den Juden je und je hat widerfahren lassen.

Darnach bekennen sie, wie sie sich gegen solchen gnädigen Gott leider allewege ungebührlich verhalten, Seines Worts nicht geachtet und Seine Propheten erwürget haben. Darum was für Unglück und Strafe ihnen begegnet sey, das haben sie alles wohl verdienet.

Auf solche Beichte folget hernach ein Gebet, daß Gott sie wieder zu Gnaden annehmen, alles Elend wenden und ihnen gnädiglich helfen wolle.

Auf diese Weise sollen wir auch beten lernen, daß wir Gottes Güte preisen, unsere Untugend und Sünde vor Ihm bekennen und beichten - und noch weiter Seiner Gnade warten und uns bessern; wozu uns Gott die Kräfte Seines heiligen Geistes verleihen wolle.

Siebenzehnte Woche.

Psalm 6.

Dies ist der erste Bußpsalm und zugleich ein herrlicher Betpsalm, uns zum gesegneten Vorbild und Gebrauch geschrieben, wenn wir, wie David, vom bösen Gewissen unserer Sünden halben angefochten werden und den Zorn Gottes sammt den Strafen theils wirklich fühlen, theils auf's künftige noch weiter fühlten. Denn es klagt David hier sehr wehmüthig über das hohe und heimliche Leiden des Gewissens, welches um der Sünde willen mit dem Fluch des Gesetzes und mit dem gedroheten Zorn Gottes sich sehr martert - und schier zum Mißglauben und zur Verzweiflung getrieben wird, - wiewohl dabei Glauben und Hoffnung untermenget sind; - ein Zustand, welcher sonst in der heiligen Schrift des Todes Bande und der Hölle Stricke, ja auch des Todes Noth und der Hölle Angst geheißen wird.

Es zeigt aber David mit seinem Exempel, daß in solchen Gewissensängsten kein besseres Mittel sey, als wahre Buße und das gläubige Gebet zu Gott, darin man um Linderung der Strafen, wie auch um Erbarmung und schleunige Hilfe bitten, - als Grund aber der Hoffnung, von Gott erhört zu werden, die unendliche Gnade Gottes in Christo gebrauchen soll, ingleichen das Lob Gottes, das Ihm nach geleisteter Erhörung werde gegeben werden, und dann die Größe des Elends und geistlichen Leidens, worin man steckt.

Gegen das Ende des Psalms zeigt David auch an, und zwar allen angefochtenen und mit ihm also betenden bußfertigen Sündern zum Trost, daß solche Gebete erhöret und sie aus ihren Anfechtungen gerettet werden sollen. Zugleich aber straft er die Uebelthäter und falschen Heiligen, welche gemeiniglich solche angefochtene Leute hassen und wohl gar verfolgen. Denn ihr Trost stehet allein auf ihrem Trotz, auf zeitlicher Glückseligkeit und eingebildeter Heiligkeit; auch wissen sie nichts von solcher geistlichen Anfechtung; daher sie eben die ärgsten Feinde des reinen Glaubens sind, der durch jenes Feuer geläutert wird.

Nun - Gott wolle bei uns und allen andern, so oft wir um unserer Sünde willen Gewissensängsten fühlen und die Strafgerichte empfinden, durch Seinen heiligen Geist zuvörderst wahre Buße wirken und uns alsdann zu einem gläubigen Bußgebet selbst tüchtig machen, - wolle uns auch, so oft wir also beten, in Gnaden erhören - und damit unsere Feinde, sowohl leibliche als geistliche, zu Schanden machen, - durch Jesum Christum. Amen.

Achtzehnte Woche.

Psalm 25.

Dies ist ein herrlicher Betpsalm, worin David an seinem eigenen Exempel uns lehrt, wie wir uns verhalten sollen, wenn wir von allerlei Feinden verfolget werden, sonderlich von solchen, die da gerne sehen, daß wir zu Schanden würden. Denn er weiset uns an, daß wir auch da ein kindliches Vertrauen auf Gott setzen und denselben anstehen sollen, Er wolle es unsern Feinden nicht gelingen lassen, sondern uns durch Seinen heiligen Geist und durch Sein Wort zum Guten immerdar anweisen, vor Sünden aber bewahren, - unsere vorigen Missethaten, insonderheit die Sünden unserer Jugend, aus Gnaden uns vergeben - und uns auf dem rechten Weg Seiner Gebote beständig erhalten, - auch den Segen eines frommen Lebens uns zu erkennen geben, daß nämlich die Wege des HErrn eitel Güte und Wahrheit sind denen, die Seinen Bund halten.

Bei dieser Gelegenheit bricht David aus, - was wohl zu behalten ist, - die Glückseligkeit eines gottesfürchtigen Menschen vorzustellen, die unter anderm darin bestehet, daß Gott ihm den besten Weg weisen, seine Seele im Guten wohnen, ihn das Land besitzen lassen, die Geheimnisse Seines Reichs und Seiner väterlichen Vorsehung ihm offenbaren und Seine Bundestreue an ihm erweisen werde. Das soll uns denn locken, daß wir uns auch, wie David, der wahren Gottseligkeit befleißigen und dabei hoffen, Gott werde diesen großen Segen auch uns nach Seiner Verheißung angedeihen lassen.

Hiebei und darum weiset uns David ferner an, daß wir in dergleichen Gebet immer brünstiger werden und damit beständig anhalten, - auch die Ursachen, welche uns dazu bewegen können, sowohl selbst recht bedenken, als auch Gott dem Allmächtigen in Glauben und Demuth vortragen sollen, - als da ist das kindliche Vertrauen zu Gott und zu Seiner Güte, - die manchfaltige Gefahr, in welcher wir auf dieser Welt unter den feindseligen Leuten schweben, - unsere Einsamkeit und das daher entstehende Elend, - unsere Herzensangst und das sehnliche Verlangen nach Vergebung unserer Sünden, - die Menge unserer leiblichen und geistlichen Feinde - sammt der billigen Sorge, daß wir sonst, wofern wir nämlich ohne Gottes Regierung und Handleitung wären, zu Schanden werden möchten.

Zuletzt lernen wir aus diesem Psalm auch, daß wir nicht für uns allein, sondern auch für andere, ja für die ganze Kirche Gottes zugleich und für die Erlösung derselben aus aller Noth bitten sollen.

Nun - der barmherzige Gott erwecke unsern Geist zu einem solchen Gebet; ja, Er mache uns auch dazu tüchtig, und wenn wir zu Ihm also beten, so erhöre Er uns um Jesu Christi willen. Amen.

Neunzehnte Woche.

Psalm 32,

Dies ist der andere Bußpsalm und zugleich ein ausbündig schöner Lehrpsalm. Denn es lehrt uns hier David, was für eine erschreckliche Wirkung die Sünde habe, zumal wenn man sie verschweigen und nicht erkennen oder bekennen will; sie mache nämlich, daß einem die Gebeine verschmachten, darüber man täglich heulen muß; ja, sie verursache, daß die Hand Gottes schwer auf einem liege, und daß einem der Saft vertrockne, wie es im Sommer dürre wird.

Darnach lehret dieser Psalm auch, wie sich das Sündengift leider in alle Menschen ergossen habe - so ganz und gar, daß auch die Heiligen nicht ohne alle Sünde seyen, sondern dieselbe in sich fühlen und um Vergebung der Sünden Gott anflehen müssen. Das sollen wir ihnen denn nachthun.

Ueberdies werden wir hier gelehrt, daß die wahre Glückseligkeit oder das wahre Wohl eines Menschen in der Rechtfertigung desselben oder darinnen bestehe, daß Gott ihm - als einem Bußfertigen und Gläubigen - aus Gnaden um Christi willen seine Uebertretung vergebe und ihm seine Sünde bedecke oder seine Missethat ihm nicht zurechne; doch dürfe auch bei ihm, nämlich bei dem bußfertigen Sünder, kein Falsch weder in der Buße überhaupt noch in irgend' einem Stück derselben, auch nicht in der Zusage des neuen Gehorsams seyn.

Weiter, - obwohl auch die heiligen und gerechtfertigten Leute auf Erden nicht ohne alle Sünde sind, so bestehen doch dieselben ihre Sünden meistentheils in der Erbsünde und deren Neigungen, - darnach in solchen Sünden, die aus Unwissenheit, Schwachheit oder Uebereilung geschehen, welche sie aber Gott in täglicher Buße reuig abbitten. Dagegen sind die Sünden der Unheiligen größtentheils herrschende Sünden, welche sie aus vorsätzlicher Bosheit, wider besser Wissen und Gewissen, auch wohl mit Freuden thun - nach dem Willen des Teufels, der sie in seinen Stricken gefangen hält, - und über welche sie nicht Buße thun.

Auch wird uns hier noch ein anderer wichtiger Unterschied der Art gezeigt, nämlich dieser, daß die Sünden der gerechtfertigten und heiligen Leute ihnen nicht zugerechnet werden, mithin nicht aufgedeckt daliegen, und das um Christi willen, an den sie glauben; denn „es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist“ (Röm. 8, 1). Der Unheiligen Sünden aber werden ihnen allerdings zugerechnet und stehen frei offen da - wegen ihres Unglaubens. - Der Heiligen Wunden haben Pflaster und sind verbunden, werden auch durch Christi Wunden geheilet (Jes. 53, 5). Der Unheiligen Wunden aber stehen offen und sind laut Jes. 1, 6 nicht verbunden; sie stinken und eitern vor deren Thorheit, können auch nicht heil werden, ja sind tödtlich, so lange sie selbst in der Unbußfertigkeit bleiben. - Inzwischen sind sie beiderseits wahrhaftig wund und wahrhaftig Sünder.

Endlich haben wir hier zu lernen, welches die schönen Eigenschaften der Sündenvergebung und der Rechtfertigung bei Gott seyen. Es entstehet nämlich daraus eine rechte Befriedigung des Gewissens und Geistes in uns, - eine herzliche Freude in der Seele, daß wir von der Sünde und ihren Wirkungen los und bei Gott in Gnaden sind, - ein fester Vorsatz, daß wir nicht nur selbst künftig gottselig leben, sondern auch andere zu einem heiligen Leben anweisen und antreiben, vor Sünden aber sie warnen - und ihnen deshalb sowohl die göttlichen Strafgerichte nachdrücklich vorstellen wollen, welche über die Gottlosen unfehlbar kommen werden, als auch die reiche Gnade und den vielfältigen Segen des HErrn, dessen die Gottesfürchtigen gewiß zu gewarten haben. Darum sollten wir ja billig mit allem Fleiß um die Rechtfertigung bei Gott besorgt seyn und solche zu erlangen trachten.

Nun - Gott gebe, daß wir allen Gräuel der Sünden erkennen, über unsere eigenen Sünden wahre Buße thun - und die Vergebung derselben in der rechten Ordnung der Buße und des Glaubens suchen, daß wir auch die Rechtfertigung aus dem Glauben erlangen - und darauf uns nebst andern zum neuen Gehorsam erwecken lassen - und in demselben uns beständig üben mögen bis an unser seliges Ende. Amen.

Zwanzigste Woche.

Psalm 38.

Dies ist der dritte Bußpsalm und zugleich ein trefflicher Betpsalm, worin David vor dem Angesichte Gottes seine Sünden bußfertig und reuig bekennt, auch über die erschrecklichen Wirkungen derselben klagt, welche darin bestehen, daß sie ihm sein Herz verzagt und sein Gewissen unruhig machen, welches ihm dann nichts als Gottes Pfeile, das ist Zorn, Drohen, Tod und Hölle sehen läßt. Darüber sey er in große Traurigkeit verfallen, welche bei ihm Mark und Bein, Kraft und Saft verzehret, auch Gesicht und Farbe, alle Sinnen und Geberden verstellet habe; woraus man stehet, daß recht Sünde fühlen und vom bösen Gewissen geängstet seyn eine Marter über alle Marter sey.

Dazu helfen weiter getrost die leiblichen Verfolger mit ihren Feindseligkeiten. Denn indem ein solcher geängsteter Mensch diese auch fühlen muß, und Gott dabei den Trost und die Hilfe verzieht, so wird er dadurch weiter ins Gewissen gejagt und muß Schrecken über Schrecken empfinden, als zürne Gott aufs heftigste über ihn.

Doch wehret sich David dawider mit Beten und erhebt sich in Kraft der göttlichen Verheißungen und ergreift seine Sache beim rechten Heft, nämlich daß seine Buße vor Gott recht und gut sey. Da folgt denn bei ihm wieder Trost im Glauben, also daß er nicht verzweifelt, sondern fest hält.

Darnach lehrt er uns hier an seinem Exempel bedenken, daß von den Sünden neben hohen Anfechtungen im Gewissen auch öfters leibliche Strafen und Gerichte kommen, darunter einer verzagen möchte.

Es weiset aber David auch einen jeden geängsteten Sünder an, daß er über seine Sünden wahre Buße thun, das ist sie herzlich bereuen, vor Gott bekennen und Ihm dieselben wehmüthig abbitten, - und daß er aus rechtem Herzensglauben um die gnädige Vergebung derselben, wie auch um Linderung der Strafen Gott anflehen, solche auch von Ihm hoffen und mit der Erhörung seines Gebets sich trösten solle.

Diesen Psalm sollten die rohen Leute darum öfters lesen, weil sie daraus deutlich sehen können, was für Jammer und Herzeleid endlich um der begangenen Sünden willen über einen Menschen kommen, - ob sie dadurch von Sünden abgeschreckt und zur Buße bewogen werden möchten.

Es sollen ihn aber auch diejenigen lesen, welche auf dem Weg der Buße wirklich stehen, damit sie dadurch angetrieben werden, in der Buße weiter fortzugehen und nicht abzulassen, bis sie solche wahrhaftig gethan.

Wir können diesen Psalm auch als ein Bußgebet gebrauchen, worin wir, wie David, um Vergebung unserer Sünden und um Abwendung der weiteren Strafe, auch um Linderung der gegenwärtigen demüthig bitten - und die rechten Beweggründe der Erhörung anbringen lernen, damit wir uns gegen die Aengsten des Gewissens wieder aufrichten können.

Nun - Gott wirke in uns allen heilsame Erkenntniß unserer Sünden und wahre Buße, - und wenn wir Ihn in dem Kampf der Buße um Seine Gnade bitten, so erhöre Er uns auch und tröste uns - um Christi willen. Amen.

Einundzwanzigste Woche.

Psalm 51.

Dies ist der vierte Bußpsalm und zugleich einer der vornehmsten Lehrpsalmen, darin uns David recht lehrt, was Sünde sey, wo sie herkomme, was sie schade, und wie man ihrer loswerden könne. Denn in diesem Psalm wird so klar und deutlich, wie sonst nirgends, von der Sünde angezeigt, daß sie ein Erbfall und uns angeboren sei, dawider kein Werk, sondern allein Gottes Gnade und Vergebung helfe. Gott muß uns durch Seinen Geist wiederum neu schaffen - und zum neuen Wesen und zur neuen Kreatur gebühren; sonst ist die Sünde so mächtig, daß sie auch die Gebeine zerschmettert (- verstehe: mit Schrecken und Zagen -), bis uns Seine Gnade zu Trost kommt.

Darnach, wann wir aus Gnaden und Geist wiederum neu worden sind, alsdann können wir recht leben, loben, denken, lehren, ja auch leiden und Kreuz tragen; - was eben die rechten Opfer und Gottesdienste sind, so daß die andern Opfer alle, welche ohne solches Opfer von den tollen Heiligen geschehen, verworfen werden.

Wir können also diesen Psalm wie ein Formular gebrauchen, wenn wir zu der Zeit, da wir Buße thun, zu Gott beten wollen. Denn da stehet gleich vornean die Bitte um Gnade und die Vergebung der Sünde; darnach werden die kräftigsten Ursachen solcher Bitte beigefügt, und dann die Gründe der Erhörung.

Auch ist zu merken, daß neben der Reue und dem Glauben, welche die wesentlichen Stücke der heilsamen Buße sind, auch die Zusage des neuen Gehorsams hier deutlich gelehret werde, in welcher wir Gott versprechen, daß wir nicht nur selbst fromm leben, sondern auch andere zu einem heiligen Leben und Wandel anweisen wollen, während wir sie vorher mit unsern Sünden geärgert haben.

Zuletzt werden wir angewiesen, für unsere Nächsten, ja für die ganze Kirche Gottes zu bitten, daß nämlich derselben Gott auch gnädig seyn und ihren Dienst aus Gnaden sich wohl gefallen lassen wolle.

Nun - der gütige Gott erbarme sich unser um Christi willen und vergebe uns in Gnaden unsere Sünden - und heilige uns mit Seinem guten Geist, damit wir Ihm dienen können in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die vor Ihm gefällig ist. Amen.

Zweiundzwanzigste Woche.

Psalm 73.

Dies ist ein herrlicher Lehrpsalm wider das allgemeine und große Aergerniß, wenn die Gottlosen reich sind, und es ihnen wohl gehet, so daß sie dabei der armen, betrübten und frommen Leute spotten, gleich als kenne oder achte Gott dieselbigen nicht, sie aber und ihr Werk wären heilig; was sie lehren und sagen, sey köstlich Ding und lauter himmlische, göttliche Weisheit und Heiligkeit. Das thut dann wehe, wenn eine fromme Seele sieht, daß sie ein Narr seyn, das ist ein Verächter Gottes heißen muß. Allein da heißt's: Halte fest, - gehe in's Heiligthum, - höre Gott in Seinem Wort, was der von ihnen sagt, - siehe an die alten Exempel, sonderlich in den biblischen Historien, - so wirst du finden, daß sie plötzlich zu Nichte worden sind; denn es ist kein Fels noch Grund da, sondern eitel schlüpfriger Boden.

Der Hauptspruch, worauf der ganze Psalm ruhet, stehet gleich vornenan und heißt so: „Israel, - das ist das Häuflein der Frommen - hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist.“

Darauf wird weitläufig die staunenswerthe, jedoch zeitliche Glückseligkeit der Gottlosen in der Welt angeführt, woran sich oft manche fromme und geplagte Seele stößt und ärgert, - zumal wenn sie bedenkt, daß, obwohl sie sich der ungeheuchelten Gottseligkeit befleißige, sie dennoch so oft verfolgt und gedrückt werde. Da wird dann gezeigt, daß diesem schweren Aergerniß nicht besser abgeholfen werden könne, als wenn man in das Heiligthum Gottes und in die Schrift gehet und dabei der Gottlosen schreckliches Ende beherzigt. Daher soll eine fromme Seele, die sich zuvor geärgert hat, erkennen, daß sie unrecht thue, wenn sie sich an der Glückseligkeit der Bösen in der Welt ärgert; vielmehr soll sie sich fest entschließen, an Gott hängen zu bleiben und von demselben nicht zu lassen, es möge in der Welt gehen, wie es wolle.

Nun - Gott gebe uns allen einen solchen Sinn, daß wir uns entweder an dem zeitlichen Glück der Gottlosen und an dem vielfältigen Unglück der Gottseligen niemals ärgern, oder, wenn wir uns je daran geärgert haben, daß wir bald wieder in uns schlagen und gegen dergleichen Aergerniß mit Gottes Wort und mit der Betrachtung Seiner weisen Negierung uns wappnen - und dabei den Vorsatz fassen, nimmermehr von Gott zu weichen, sondern Seiner Güte und Seines Trostes in Geduld allezeit zu warten, - durch Jesum Christum. Amen.

Dreiundzwanzigste Woche.

Psalm 85.

Dies ist ein Betpsalm, worin Gott um Abwendung der schweren Strafgerichte und sodann um Zuwendung der erneuerten Gnade flehentlich angerufen wird. Die Strafgerichte aber sind damals, wie es scheint, diese gewesen, daß es gemangelt hat an Gottes Wort und treuen Predigern, dazu auch an gutem Regiment und frommer Obrigkeit, endlich auch an Friede, an Früchten und guter Zeit; - wie denn solche Plagen gemeiniglich an einander hängen. Darum bitten hier die Frommen, daß Gott wiederum reden wolle, damit die Seinen nicht auf eine Thorheit verfallen und vor Ungeduld lästern oder andere Götter suchen möchten, - ingleichen, daß unter den Leuten Friede, Einigkeit, Wahrheit und Liebe wachsen und das Land fruchtbar werden möge, auf daß sie in gottseligem Wesen ein feines, ehrbares Leben führen und in Ruhe des Friedens genießen könnten, wie St. Paulus 2. Tim. 2. beten lehrt.

Es kann demnach dieser Psalm dann gebraucht werden, wann Gott das Land oder eine Stadt und Gemeine mit allgemeinen Plagen und Strafen um der Sünde willen heimsuchet. Auch können und sollen wir aus diesem Gebet der Kinder Korah lernen, wie wir uns bei einbrechenden Stadt- und Landplagen zu bezeigen haben. Wir sollen uns nämlich alsdann in wahrer Buße zum Gebet wenden und Gott demüthig anflehen, daß Er solche Strafen wegnehmen, dafür aber wieder gute und glückliche Zeiten in Gnaden beschehren und durch Seinen heiligen Geist die Herzen der Menschen zum wahren Glauben und heiligen Leben oder zur nöthigen Besserung bringen wolle, wie er wohl öfters in den vorigen Zeiten gethan hat. Denn das ist der Inhalt dieses Psalms, daß erstlich als Grund der Bitte die vorigen Wohlthaten Gottes erwähnt werden, - daß ferner die Bitte selbst bei Gott vorgebracht wird mit beigefügten Ursachen der Erhörung, - und daß zuletzt das gläubige Vertrauen zu Gott auch an den Tag gelegt wird.

Nun, o gnädiger Gott, wende auch von uns um Christi willen alle - sowohl gemeine als besondere - Strafen gnädiglich ab, - oder nimm sie von uns wieder hinweg, wenn Du uns damit gezüchtiget hast, - und thue uns gutes, wie wir auf dich hoffen, - so wollen wir Dich dafür loben allezeit. Amen.

Vierundzwanzigste Woche.

Psalm 90.

Dies ist ein Lehrpsalm, worinnen Moses lehret, wo der Tod herkomme, nämlich von der Sünde, welche Gott allein kennet, und die aller Welt verborgen und doch von Adam uns allen angeboren ist.

Auch zeiget hier Moses an, wie kurz und elend das Leben auf Erden sey, so daß es wohl ein klägliches Sterben heißen könne. Doch sey dies dazu gut, - spricht er -, daß wir dadurch vermahnet werden, Gottes Gnade und Hilfe zu suchen, der uns von dem allen erlöse. Denn die nicht an den Tod gedenken und kein Elend fühlen, bleiben tolle Narren, fragen auch nichts nach Gottes Gnade und Hilfe.

Endlich beschließt Moses den Psalm mit der Bitte, daß uns Gott Sein Werk, das ist Hilfe von Sünde und Tod erzeigen und Christum senden - und unser Werk, so lange wir hier leben, fördern, das ist beide geistliches und weltliches Regiment gnädiglich bestätigen und erhalten wolle.

Es ist dieser Psalm ein kurzes, feines, reiches und volles Gebetlein und so eingerichtet, daß erstlich Gott gelobet wird wegen Seiner großen Güte gegen uns, - darnach wegen Seiner Ewigkeit, - weiter wegen Seiner allgemeinen Regierung, welche man nicht hindern kann, - ferner wegen Seiner Unermeßlichkeit. - Darauf folgt hingegen eine wehmüthige Klage über die Eitelkeit, Mühseligkeit und Kürze des menschlichen Lebens. - Darnach kommt eine demüthige Bitte um Erleuchtung, damit wir dieses unser Elend recht erkennen und dadurch klug gemacht werden, ingleichen um Gnade und göttlichen Segen in Christo. - Zuletzt ist eine Zusage, daß wir Gott für solche hohe Wohlthaten loben und preisen wollen.

Nun, o ewiger Gott, gib uns, Dich in Deiner Vollkommenheit und Unsterblichkeit, uns aber in unserer Unvollkommenheit und Sterblichkeit zu erkennen, damit auch wir klug werden - und Deine Gnade in Christo bei Zeiten suchen - und auch finden und erlangen mögen. Amen.

Fünfundzwanzigste Woche.

Psalm 91.

Dies ist ein kräftiger Trostpsalm, der uns zum Vertrauen auf Gott reizt, und zwar in aller Noth und Anfechtung; denn er ist voll reicher, tröstlicher Verheißung, aus dem ersten Gebot gezogen, - und ist einer von den Psalmen, darin uns die lieben Engel als unsere Schutzherren und Geleitsmänner verkündiget werden, was sehr tröstlich und wohl zu merken ist.

Wir können und sollen diesen Psalm gebrauchen in allerlei gefährlichen Zeitläuften und bei ansteckenden, pestartigen Krankheiten, doch aber auch in andern Nöthen. Denn es wird uns darin das Vertrauen zu Gott mit seinen Ursachen, Eigenschaften, Früchten und Segnungen trefflich beschrieben, und alle Worte sind so kräftig, daß sie ein solches Vertrauen gar wohl in uns erwecken können.

Zuletzt wird sogar Gott selbst redend eingeführt wie Er den Frommen und Gläubigen sammt und sonders Seine Hilfe, Seinen Schutz und die Errettung aus der Noth gar nachdrücklich zusagt.

Nun, o gnädiger Gott, sey auch unser Schutz und Beistand in aller Noth - und gib, daß wir allezeit als Deine frommen und gläubigen Kinder leben, - Deines Beistandes und der Beschirmung Deiner heiligen Engel uns versichern - und der Erfüllung Deiner Verheißung uns erfreuen können, - durch Jesum Christum. Amen.

Sechsundzwanzigste Woche.

Psalm 102.

Das ist der fünfte Bußpsalm und zugleich ein herrlicher Betpsalm, wie die Ueberschrift desselben bezeugt, - in welchem die lieben alten Väter, des schweren levitischen Gottesdienstes und der Last des Gesetzes der Sünden müde, sich herzlich nach dem Reich der Gnade in Christo sehnen und rufen; - sie bitten auch, Er wolle das christliche Zion bauen und geistliche Steine und Kalk zurichten, daß es doch endlich einmal anginge, und Er in allen Königreichen Seine Ehre sehen ließe und den geistlichen Gefangenen von Sünde und Tod hülfe; - wofür sie zusammenkommen und Ihm danken, das ist im rechten Zion dienen möchten; - und das alte Testament möge aufhören. Denn außer Christo ist ja doch nichts, als daß unsere Kraft auf dem Weg gedemüthiget und unsere Tage verkürzet werden, das ist ein elendes, kurzes und jämmerliches Leben; - aber in Christi Reich ist ewiges Leben und kein Ende der Zeit. Denn Er ist's, der vor Himmel und Erde gewesen und dieselben gemacht hat - und sie auch wiederum ändern und erneuern wird. Darum ist Er außer und über aller Zeit, und Seine Jahre haben kein Ende, und da ist kein Sterben.

Wir können diesen Psalm als ein köstliches Gebet zu Gott in allerlei Noth gebrauchen, sonderlich in Gewissensnöthen, wenn unser Herz der Sünde halben bei dem Werk der Buße in Aengsten ist.

Denn da werden wir erstlich angeleitet, daß wir eine demüthige Bitte zu Gott schicken sollen um ein gütiges Gehör und um ein gnädiges Gesicht, - darnach, daß wir unser Elend, worin wir stecken, und welches wir bei der Buße und bei den Gewissensängsten am meisten fühlen, Gott dem HErrn beweglich vortragen sollen.

Hierauf wird uns die Majestät und Gnade Gottes gerühmt - zu dem Ende, daß wir auf diesen Grund unsere demüthige Bitte um Hilfe und Trost und um die Vergebung der Sünden, auch um das Heil der ganzen Kirche gründen sollen.

Endlich werden wir gelehrt, einen heiligen und festen Vorsatz zu fassen und Gott dem Allmächtigen zu versprechen, daß wir uns der Frömmigkeit befleißigen, unsere Pflicht im Gehorsam Seiner Gebote beobachten und Ihn - sowohl zu Haus für uns - als auch in den öffentlichen, kirchlichen Versammlungen - loben und preisen wollen, und zwar, eben darum, weil Er sich unser selbst und anderer Elenden so väterlich annimmt - und in Seinem Reich der Gnade sowohl als der Herrlichkeit uns zu erfreuen so liebreich verspricht.

Nun, o gnädiger Gott, das Reich wollten wir gerne haben. Solches Dein Reich komme. Amen.

Siebenundzwanzigste Woche.

Psalm 130.

Dies ist der sechste Bußpsalm und zugleich ein köstlicher Betpsalm, der aus rechter Davidischer Andacht und rechtem Verstand Davids gehet. Denn er bekennt, daß niemand durch eigene Werke und Gerechtigkeit, sondern allein durch Gnade und Vergebung der Sünde, die Gott in Christo verheißen hat, gerecht seyn und werden könne. Auf solche Verheißung und solches Wort bauet er und tröstet er sich, ermahnet auch das ganze Israel, es solle ebenso thun und lernen, daß bei Gott der Gnadenstuhl und die Erlösung sey; - Israel könne und müsse durch Ihn allein von allen Sünden ledig, das ist durch Vergebung (sonst wäre es nicht Gnade) gerecht und selig werden; - wo das nicht geschieht, werde es wohl in der Tiefe bleiben und vor Gott nimmermehr bestehen können. - Siehe, das ist ein rechter Meister und Doctor der heiligen Schrift, der hat verstanden, was das heiße: „des Weibes Same soll der Schlange den Kopf zertreten“ (1. B. Mos. 3.), und - „durch Deinen Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden“ (1. B. Mos. 12. und 22). Darum stecken solche Verheißungen und Weissagungen von Christo beide in diesem Vers: „Er wird Israel erlösen ans allen seinen Sünden.“ Auf diesen Vers und aus ihm gehet der ganze Psalm, welcher übrigens so eingerichtet ist, daß die flehentliche Bitte um Erhörung gleich vornenan steht - und in derselben zugleich die Gewissensangst vorgestellt, auch die Hilfe bei Gott dawider gesucht und die Beweggründe der Erhörung angebracht werden, nämlich diese: daß niemand bestehen könnte, wenn Gott Sunde zurechnen wollte, - ingleichen, daß Gott allein Sünde vergeben könne, - und daß die geängstete Seele mit großem Verlangen auf solche gnädige Vergebung der Sünden warte. Darnach werden andere Glieder der Kirche Gottes auch ermahnet, daß sie gleichfalls auf den HErrn in ihrer leiblichen und geistlichen Noth hoffen sollen. Zuletzt wird das gläubige Vertrauen zu Gott in allen Bußfertigen kräftig gestärkt - mit der Versicherung, daß Gott das geistliche Israel erlösen werde aus allen seinen Sünden.

Ach ja, du barmherziger Gott, bringe uns zur wahren Buße, - erhalte uns im festen Glauben, - erhöre unser Gebet, wenn wir Dich um die Vergebung unserer Sünde anrufen, - und vergib uns dieselbigen nach Deiner großen Güte - durch Jesum Christum. Amen.

Achtundzwanzigste Woche.

Psalm 139.

Dies ist ein Dankpsalm, worin David Gott preiset, daß Er ihn so wunderbar versehen hat und noch regieret in allen seinen Werken, Worten und Gedanken, - ja daß, wo er stehe, gehe, schlafe oder wache, und sogar im Mutterleibe, ehe er erschaffen war, Gott bei ihm gewesen sey und geordnet habe, wie er gebildet werden, und wie lange er leben solle; als wollte er sagen: Es stehet ja in keines Menschen Kunst noch Macht, wie er leben, thun, reden, denken, - wo und wann, woher und wohin er kommen soll, - sondern es ist alles lauter Gotteswerk und Gotteskunst.

Aber - was machen denn die Gottlosen, die solches nicht glauben, sondern mit ihren eiteln Werken selbst alles richten und thun wollen? Sie wollend gethan haben, was sie thun, - und wollen noch dazu Verdienst, Ruhm und Ehre bei Gott davon haben, - während sie doch nicht Ein Wort aus sich selbst reden und nicht Einen Gedanken für sich selbst fassen können; - sie wissen dazu nicht, was sie machen, - wie sie geschaffen seyen, - wie sie leben, reden und denken.

So nun aber alles, was wir sind und thun, Gottes Werk und Kunst ist, was vermessen sich dann die Menschen dieses hohen Werks, daß sie sich selbst fromm machen, - freien Willen haben - und von Sünden und Tod sich loswirken können und wollen? Solche können nicht recht von Gott und Seinen Werken reden.

Es wird fast nirgends in der ganzen heiligen Schrift auf Ein Mal so viel Treffliches von Gott und Seinen Eigenschaften gesagt, wie in diesem Psalm.

Denn gleich im Anfang wird mit großem Staunen eine schöne Betrachtung über die Allwissenheit Gottes, über Seine Allgegenwart und über Seine - sowohl allgemeine als besondere - Vorsehung und Vorsorge vor uns angestellt.

Darnach wird die wundervolle Schöpferkraft Gottes herausgestrichen, nach welcher Er uns im Mutterleib geschaffen, gebildet, belebt, - aus dem mütterlichen Leib gezogen - und uns Zeit und Tage, wie lange wir auf Erden leben sollen, bestimmet hat - und solches noch an einem jeden thut.

In andächtiger Erwägung dessen folgt darauf ein billiger und heftiger Eifer über alle diejenigen, welche Gott und solche Seine Eigenschaften nicht erkennen wollen - oder wohl gar ihnen widersprechen - und daher in aller Ruchlosigkeit ihr Leben zubringen.

Ach, behüte Du uns, HErr, davor, - leite uns zu Deiner lebendigen Erkenntniß - und erhalte uns bei derselben, - auf daß wir Dich allein fürchten und lieben, Dir aber auch aus wahrem Glauben vertrauen - und auf dem rechten Weg bleiben, der ewiglich bestehet, - durch Jesum Christum. Amen.

Neunundzwanzigste Woche.

Psalm 143.

Dies ist der siebente Bußpsalm und zugleich ein herrlicher Betpsalm, worin David um Gnade und Vergebung der Sünde in den Aengsten seines Gewissens bittet. Zu solchen Aengsten treiben einen die Feinde der Gnade, die Gesetztreiber, noch mehr, als welche die betrübten, blöden Gewissen am allermeisten plagen - und sie in's Finstere, das ist in die Verzweiflung jagen, und zwar mit ihren schweren Lasten und unerträglichen Lehren der Menschengebote, deren sie doch keines mit einem Finger selbst anrühren, wie Christus sagt Matth. 23.

Aber hier bezeugt David, es müsse die Gnade helfen und nicht das Recht, weil vor Gott kein lebendiger Mensch bestehen kann, wenn Er mit ihm in's Gericht gehen will, wie das auch alle alten Geschichten und Werke des HErrn bezeugen. Denn allen alten heiligen Vätern und sogar auch dem Abraham hat Gott aus Liebe und Gnade und nicht aus Recht geholfen, wie auch St. Petrus sagt Apostelgesch. 15.: „Es haben weder wir noch unsere Väter solche Last tragen können, sondern wir hoffen durch die Gnade Christi selig zu werden, gleichwie sie es geworden sind.“

Solche Werke Gottes und alte Exempel, spricht David, sehe ich an und tröste mich ihrer. Denn die Väter sind ebensowohl aus lauter Gnade getröstet und von Sünden errettet worden, als ich, und sind gerade so Sünder gewesen, wie ich; es gilt hier kein Rühmen der Gerechtigkeit oder Heiligkeit, wie die falschen Propheten uns Plagen, und die Heuchler zu thun pflegen.

Darum stehet eben gleich im Anfang dieses Psalms die Bitte um gnädige Anhörung des Gebets und um die Abwendung der schweren Strafgerichte und um die erwünschte Vergebung der Sünden.

Gott nun hiezu zu bewegen, wird das große Elend und die geistliche sowohl als leibliche Noth erzählet, welche die Sünde angerichtet hat.

In der Fortsetzung des Gebets richtet sich der bußfertige Sünder auf mit den Exempeln der Alten, welchen Gott aus Gnaden ihre Sünden vergeben, und von denen Er Seinen Zorn wieder genommen hat.

Darauf wird mit dem Gebet eifrig angehalten - und immer eine Bitte nach der andern vorgebracht - und gleich die Ursache der Erhörung mit dazugesetzt; - was wir denn dem David ablernen und nachmachen sollen.

Nun, o gnädiger Gott, erhöre auch unser Gebet, wenn wir Dich um die Vergebung unserer Sünden und sonst um Deine Gnade und Hilfe anrufen, - führe uns aus Deinem Worte die Exempel der Alten, denen Du geholfen hast, kräftig zu Gemüth, - mehre dadurch unsern Glauben und das Vertrauen zu Dir in uns, - mache uns brünstig in der Andacht, - laß Dir unsern Gebetseifer gnädig gefallen - und erhöre uns um Jesu Christi willen. Amen.

Dreißigste Woche.

Sprüchw. Sal, l. Kap,

In diesem Kapitel zeigt Salomo erstlich an, warum er dies Buch und seine Sprüchwörter gemacht habe, nämlich, daß die Leute Weisheit, Zucht, Verstand, Ehrbarkeit und Frömmigkeit daraus lernen - und eben darum dasselbe fleißig lesen - oder, wenn es ihnen vorgelesen wird, wohl Achtung darauf geben - und sich in ihrem ganzen Leben darnach richten sollen.

Denn weil der bösen Exempel in der Welt viel sind, und der Teufel so geschäftig ist, uns zur Sünde zu verführen, und wir selbst unserer sündlichen Natur halben zum Bösen so leichtlich zu bewegen sind, so ist's hoch vonnöthen, daß ein Mensch in Gottes Furcht wandele - und gute Achtung auf sich selber habe.

Darum vermahnet Salomo uns alle, daß wir solche Lehre und Zucht mit Fleiß annehmen - und den bösen Exempeln der gottlosen Welt nicht folgen sollen, so daß wir auch Unrecht thun - und um Gelds und anderen zeitlichen Voltheils willen dem Nächsten zu Schaden leben wollten; sondern dem Wort Gottes sollen wir folgen, welches wir reichlich haben, das uns auch treulich genug gepredigt wird.

Werden wir es aber nicht thun, sondern solche Vermahnung verachten - und entweder selbst allerlei Sünden treiben - und andere dazu verführen und anreizen, oder von andern uns dazu verführen und anreizen lassen, so soll es uns nicht allein übel darüber gehen, sondern wir sollen auch in Unglück ohne allen Trost sterben und verderben.

O Du barmherziger Gott, behüte uns gnädiglich vor solchem Verderben - und auch vor aller Verachtung Deines Wortes - und vor Aergerniß und Verführung; pflanze dagegen eine rechtschaffene Liebe und Lust in uns zu demselben, insbesondere auch zu diesen heilsamen Sprüchen, welche Dein heiliger Geist dem weisen König Salomo in's Herz gegeben und in die Feder diktirt hat, und mache uns tüchtig, denselben willig und treulich nachzukommen, auf daß wir Deines Segens hie zeitlich und dort ewig theilhaftig werden mögen, - durch Jesum Christum. Amen.

Einunddreissigste Woche.

B. des Proph. Jes. 1. Kap.

Das ist eine scharfe Gesetzpredigt, in welcher Gott zum ersten über Sein Volk klaget, daß keine Strafe an ihnen helfen wolle; und weil sie in ihrem gottlosen Leben bleiben - und durch Buße sich nicht bekehren wollen, drohet Er, daß Er weder Opfer noch Gebet von ihnen annehmen, sondern je länger je härter mit der Strafe anhalten wolle. Was uns denn bewegen soll, daß wir in uns gehen und nachdenken, ob wir nicht auch solche seyen, an denen keine Strafe bisher gefruchtet, und die daher noch weiter um der anhaltenden Sünden willen göttliche Strafgerichte zu empfinden haben; was erschrecklich wäre.

Nächst diesem verspricht doch gleichwohl Gott Seinem Volk allhier, wo sie Buße thun, ihr Leben bessern und Gottes Wort folgen würden, so wolle Er mit der Strafe auch nachlassen. Diese Zusage der angebotenen Gnade nun - für den Fall der erfolgenden Buße - soll auch uns erwecken und reizen, daß wir über unsere Sünden bei Zeiten wahre Buße thun - und alles gottlose Wesen ablegen - und künftig frömmer leben, damit wir solcher Verheißung auch theilhaftig werden können. .- Am Ende lasset Gott auch das kleine Häuflein der Frommen trösten, daß Er zwar um der Bösen willen Strafe ergehen lassen werde, nichtsdestoweniger aber die Seinigen darunter erhalten - und sie durch Sein Wort weiter fromm und gerecht machen, auch sonst ihnen alles Gute thun wolle. Wenn also auch unter uns einige gottselige Herzen erfahren müssen, daß Gott mit allgemeinen Stadt- und Landplagen einbreche - und damit das unbußfertige Volk strafe, und sie selbst einige Trübsale dabei leiden, so sollen sie für ihre Person nicht verzagen, sondern geduldig seyn - und sich dem allmächtigen Gott zu Seinem Schutz durchs Gebet befehlen, auch Seiner Zusage sich getrösten und hoffen, daß sie derselbe aus dieser Noth auch erretten - oder durch einen seligen Tod in das Reich Seiner Herrlichkeit aufnehmen - und ihnen alles Leid, das sie hier in der Welt haben ausstehen müssen, mit unaussprechlicher Freude ersetzen werde.

Nun - Gott gebe, daß wir uns durch Seine Strafgerichte, die er uns hie und da empfinden lasset, und auch durch die Drohungen und Exempel derselben aus dem Sündenschlaf erwecken - und durch Seine süßen Verheißungen uns locken lassen, bei Zeiten Buße zu thun lind der Heiligkeit uns zu befleißigen; unter den einbrechenden Strafen der Gottlosen aber erhalte Er alle Frommen und Gottseligen im wahren Glauben - und lasse sie Seine Hilfe sehen - durch Jesum Christum. Amen.

Zweiunddreissigste Woche.

B. des Proph. Jes. 55. Kap.

Aus diesem Kapitel sehen wir, wie begierig der allmächtige Gott sey, das Heil der Menschen durch Christum und durch die Predigt von Christo zu befördern.

Denn gleich anfangs steht eine liebreiche und dabei ernstliche Vermahnung an alle Völker und Leute, daß sie das Evangelium, (das ist die Lehre von Christo, Seinem Verdienst und Seinen Wohlthaten, welche auch umsonst Vergebung der Sünden durch Christum anbeut,) annehmen, andere Predigt und Lehre aber, - darin sie Christum und die Seligkeit nicht finden, dadurch sie auch zur Vergebung der Sünden nimmermehr kommen können, man thue und leide gleich, was man immer thun und leiden kann, - fahren lassen sollen.

Darum heißt Jesaja den HErrn suchen, weil Er zu finden ist, und Ihn anrufen, weil Er nahe ist, sintemal doch bei Ihm allein - und sonst bei niemand anders weder im Himmel, noch auf Erden - Vergebung der Sünden zu finden ist.

Hierauf folgt eine Unterweisung für alle die, welche an dem Reich Christi und an dessen Wohlthaten Theil haben wollen, daß nämlich ihre Gebühr darin bestehe, daß sie wahre Buße thun und sich täglich in der Buße üben.

Es reizet auch der Prophet dazu mit den lieblichsten Verheißungen von der Erbarmung und Gnade Gottes; auch tröstet er die, so sich wahrhaftig bekehren lassen, damit, daß das Wort des Evangelii seine Frucht bei ihnen gewiß bringen - und ihre Herzen fröhlich machen werde, wenn man anders mit Glauben daran hält.

So bleibt denn dies unsre Schuldigkeit, daß wir Gott für solche Gnade loben, Christum von Herzen lieb haben, die in der Person und Lehre Christi uns angebotene Gnade in rechter Ordnung der Buße und des Glaubens annehmen, nach dem Wort und Willen Gottes heilig leben - und sodann zu Gott und Seiner Gnade uns alles Guten, zumal im Geistlichen, versehen - und der ewigen Seligkeit in Geduld warten.

Nun, o gütiger Gott, erwecke Du selbst durch Deinen guten Geist unsere sonst trägen Herzen, daß wir Deine Gnade, die Du uns so freundlich anbietest, willig, aber doch so, wie sich's gebühret, annehmen - und in derselben würdiglich wandeln - und sodann getrost der Früchte Deiner Liebe und Deines Segens warten, solche auch genießen mögen - hie zeitlich und dort ewiglich - durch Jesum Christum. Amen.

Dreiunddreißigste Woche.

B, des Proph. Jes. 58. Kap.

Hier haben wir eine scharfe Predigt gehört, worin Gott durch den Propheten diejenigen heftig straft, welche sich an gewisse äußerliche, nur zum Schein geschehende und auf ein Verdienst der Werke abzielende Heuchelgottesdienste hängen; dergleichen das selbsterwählte Fasten und die dabei äußerlich mit angebrachten wehmüthigen oder kläglichen Bezeigungen sind, - ferner, wenn man sich anstellt, als suche man Gott und Sein Wort, leider aber nach dessen Wort und Willen nicht lebet, daneben auch gegen den Nächsten allerlei Hurtigkeit und Unbarmherzigkeit ausübet.

Darum eifert Gott über solches Heuchelwesen und dergleichen Unfreundlichkeit; ja Er bezeuget, daß Er nicht nur kein Wohlgefallen daran haben könne, wenn man sich gleich noch so fromm stellet, sondern daß Er's auch ernstlich strafen werde, - und vermahnet darauf, daß man solche Heuchelwerke, die mit Unbarmherzigkeit gegen den Nächsten verknüpft sind, fallen lassen - und ein reines freundliches Herz gegen jedermann haben- und dem Worte Gottes nachleben solle.

Dazu reizet hernach der Prophet durch die göttlichen Verheißungen, wenn er im Namen Gottes alles Gute an Leib und Seele denjenigen verspricht, welche nach solcher Unterweisung thun, und daß sogar ein ganze Stadt, ein ganzes Land und Volk es reichlich genießen solle.

Zuletzt ist hier eine besondere Vermahnung zur gottgefälligen Sabbathfeier zu finden, daß wir nämlich an dem Sabbath des HErrn nicht dasjenige, was uns in unsern verkehrten Lüsten und in unserm eigennützigen Sinn, sondern das, was Gott dem HErrn gefällig ist - und zur wahren Heiligung dienet, thun sollen; wo abermal eine reiche Verheißung dabei steht, wenn man auch darin Gott gehorsam ist.

Nun - der allmächtige Gott behüte uns durch Seinen heiligen Geist, daß wir auf keine Heuchelei und auf keinen selbsterwählten Gottesdienst mit Scheinheiligkeit verfallen; Er regiere uns auch, daß wir alle Härtigkeit gegen den Nächsten fahren lassen - und dagegen alle Barmherzigkeit an den Bedrängten und sonst Notleidenden aus Liebe erweisen, auch den Sabbath des HErrn, wie es Christen gebühret, feiern, damit wir Seiner Verheißung und Seines Segens theilhaftig werden, - durch Jesum Christum. Amen.

Vierunddreißigste Woche.

B. des Proph. Jes. 59. Kap.

Das ist eine harte Strafpredigt wider die Sünde des Volks, daß Gott sie gerne hören und ihnen gerne helfen wolle, aber ihrer Sünden halber es nicht thun könne, sintemal nicht allein Mord, falsche Predigt und andere Untugend, sondern auch falsche Heiligkeit unter ihnen im Schwang gehe, welche Er mit einer Spinnewebe vergleicht, als wollte Er sagen: Es ist wohl ein Gewebe, aber man wird sich übel darein kleiden und damit decken. Denn falsche Heiligkeit ist der Art, daß sie ohne Gottes Wort durch eigene Werke Gott versöhnen und Seine Gnade erlangen will. Darum weissaget hier der Prophet, Gott werde mit Seinem Gericht kommen und die bösen Buben strafen.

Wir sollen also hieraus lernen, woher die Ungnade Gottes mit ihren Wirkungen, den so erschrecklichen Gerichten, komme, nämlich von den Sünden der Menschen, welche so gar sehr dem HErrn zuwider sind, daß sie auch Gott und uns von einander scheiden, und daß sie das Angesicht Gottes von uns verbergen, so daß wir nicht erhöret werden können. Und damit wir wissen, was Gott für Sünde halte, wird ein großes Register sündlicher Dinge angeführt, darnach man sich billig prüfen soll, ob man nicht auch dergleichen an sich habe.

Weiter wird gezeigt, die Sünde habe die böse Art an sich, daß man meint, man werde Nutzen und Ehre davon haben, - so bringe sie dagegen Schaden und Schande; ja, sie mache den Menschen ganz blind, dumm und toll, daß er alles verkehrt angreift und ausrichtet. Darum sollten wir uns billig vor Sünden hüten - und, wo wir gesündiget, in Zeiten wahre Buße thun.

Doch wird auch dem frommen Häuflein alles Gute versprochen, damit ein jeder sich dadurch reizen lasse, von Sünden abzustehen, dagegen Gutes zu thun und in dem Guten zu beharren.

Nun, o heiliger Gott, öffne uns die Augen und Herzen, daß wir sehen, was für Herzeleid die Sünde uns bringe, und uns also vor derselben hüten; erwecke uns auch durch Deinen heiligen Geist, daß wir lernen fromm seyn und uns in der Gottseligkeit üben, auf daß wir Deinen verheißenen Segen aus Gnade erlangen, - durch Jesum Christum. Amen.

Fünfunddreissigste Woche.

B. des Proph. Jerem. 2. Kap.

Dies ist eine ernstliche Strafpredigt, darin Gott den damaligen Israeliten erstlich vorhält, wie viel Gutes Er sowohl ihnen selbst, als auch ihren Vorfahren erwiesen habe, da Er sie aus Egypten geführet, in der wilden Wüste ernähret und hingegen in das treffliche, gute Land Canaan gebracht.

Dafür hätten sie Ihm, dem HErrn, fein anhangen sollen, weil Er ihnen so wenig Ursache gegeben, Ihn zu verlassen und sich von Ihm anderswohin zu wenden. Er klaget jedoch, daß sie sich von Ihm zu den falschen Göttern der Heiden gewendet, daß sie das Land, welches doch des HErrn Erbtheil war, auch sonst noch mit andern Sünden verunreiniget, und daß dazu auch diejenigen wacker geholfen, die sich doch solchem Unwesen mit aller Macht eifrigst hätten widersetzen sollen, nämlich ihre Priester und Propheten.

Weil ihnen aber ihre Götzen wenig helfen konnten, so nennet Er sie deßwegen Leute, die an Ihm, dem HErrn, eine lebendige Quelle verlassen - und sich hingegen ausgehauene Brunnen gemacht haben, die doch kein Wasser geben, und strafet damit ihr Thun nicht nur als thöricht, sondern auch als so unverantwortlich und gräulich, daß sich der Himmel darüber entsetzen möchte; wie Er auch dorten Jes. 1, 2. sagt: „Höret, ihr Himmel, und du, Erde, nimm zu Ohren; denn der HErr redet: Ich habe Kinder auferzogen, und sie sind von Mir abgefallen.“

Weil nun dafür die damaligen Israeliten billig schwere Strafe verdienen, zumal, da sie ihr Unrecht nicht erkennen, sondern sich noch überdies weißbrennen oder unschuldig seyn wollen, so drohet Er ihnen demnach auch, daß Er sie ihren Feinden zum Raub geben wolle, die über sie wie die Löwen brüllen, ihre Stadt verwüsten und ihnen den Kopf zerschlagen werden, und daß ihnen der menschliche Arm, auf welchen sie sich verlassen, dawider nicht helfen werde. Denn wenn Gott strafen will, so kann der Menschen Gewalt dawider allerdings nicht schützen.

Dessen haben demnach auch wir gewärtig zu seyn, wenn wir Gott dem HErrn für Seine Wohlthaten auch nicht besser danken, als weiland die Israeliten. Denn Seine Wohlthaten sollen uns ein Trieb zur wahren Frömmigkeit und Gottseligkeit seyn, weil wir ja Gott sonst keinen andern Dank beweisen können, als daß wir uns Ihm für Seine Barmherzigkeiten zu einem Opfer begeben, das da lebendig, heilig und Ihm wohlgefällig sey.

Aber es gehet jetzt leider gemeiniglich auch wie bei den ehemaligen Israeliten, daß, je mehr Gott Gutes thut, je mehr man von ihm abweicht - und sich allerlei Sünden und Lastern ergibt; davon wir doch keinen Nutzen, sondern nichts, als den größten Schaden haben; denn dadurch wird Gott von uns auch erzürnet, so daß Er mit Seinen Gutthaten fortziehet - und uns hingegen alles Unglück über den Hals schicket.

Dawider ist alsdann der Menschen Hilfe auch kein nütze. Wahre Buße aber hilft desto gewisser, als für welche Gott auch den damaligen Israeliten verhieß, daß Er sie wieder zu Gnaden annehmen wolle. Denn wiewohl sie durch ihr Sündenwesen geistlichen Ehebruch wider Ihn begangen - und damit verdienet hätten, daß Er sie ebensowenig wieder annehmen sollte, als ein anderer Mann sein Weib wieder annehmen wird, wenn sie von ihm gelaufen - und inzwischen mit wer weiß wie vielen Schandbuben gehuret hat, so wolle Er sie, woferne sie nur wahre Buße thun würden, doch gleichwohl wieder zu Gnaden annehmen.

Das haben aber auch wir von wahrer Buße als Frucht zu hoffen; und die wolle uns Gott darum auch geben - und sie durch Seinen heiligen Geist in uns kräftig wirken - um unseres HErrn Jesu Christi willen. Amen.

Sechsunddreißigste Woche.

B. des Proph. Jerem. 3. Kap.

In diesem Kapitel stellet Gott der Herr zuerst eine Vergleichung an zwischen dem damaligen Königreich Juda und dem Königreich der zehen übrigen Stämme Israels - und klagt, daß, obwohl an beiden nicht viel Gutes sey, so sey doch Israel noch fromm gegen Juda zu nennen. Warum? Weil dieses letztere so verstockt sey, daß, ob es wohl gesehen habe, wie jenes um seiner Abgötterei und andern Sünden willen gestraft worden, es sich doch daran nicht spiegeln - noch sich dadurch bessern lassen wollte. Denn Gottes Strafen sollen allerdings andern ein Exempel seyn, daraus sie sehen mögen, was auch sie zu gewarten haben, wenn sie in gleichen Sünden verharren, und dadurch sie sich schrecken lassen sollen, von solchen Sünden abzustehen und Buße zu thun.

Wenn sich durch solche Buße auch das damalige Israel zu dem HErrn wieder bekehren werde, so thut Er demselben in diesem Kapitel zum andern auch die Verheißung, wie gnädig Er es wieder annehmen, nicht aber ewiglich mit ihm zürnen wolle. „Denn Ich bin barmherzig,“ spricht Er. Durch solche Güte Gottes und durch solchen Reichthum Seiner Barmherzigkeit sollen sich die Sünder allerdings zur Buße leiten lassen.

Denn so will Er hernach der Barmherzigkeit immer noch mehr an ihnen erzeigen; wie Er auch hier den Israeliten verheißt - und sie unter andern auch auf die gnadenreiche Zeit des neuen Testamentes vertröstet, da die Bundeslade und die Opfer nicht mehr seyn, sondern dieses und alles andere Schattenwerk der Ceremonien aufhören - und hingegen an unserm HErrn Jesu der Körper und das durch solche Schatten vorgebildete Wesen an das Licht gestellet - und zu Ihm auch die Heiden bekehret werden sollen.

Auf solche Verheißung folget aber auch eine Drohung, wie es dem damaligen Haus Israel im entgegengesetzten Fall ergehen solle, wenn sie nicht Buße thun, sondern mit Uebelthun vor dem HErrn fortfahren würden, nämlich, daß man sodann ein kläglich Heulen und Weinen von ihnen hören werde, verstehe: über die Strafen, die ihnen noch außer den bisher schon erlittenen von Gott widerfahren würden.

Um aber diesen Strafen zuvorzukommen, gehet der Prophet dem Volk endlich auch noch mit einem schönen Bußgebet voran, darin er im Namen desselben gegen Gott den HErrn ein demüthiges und reuiges Bekenntniß ihrer Sünden ablegt - mit dem Erbieten, weil sie nun in der That erführen, was sie sich mit ihrer Abgötterei und andern Sünden zugezogen, so wollten sie sich hinfüro im Gegentheil zu Ihm, dem HErrn, wenden, der allein ihr Gott, und außer welchem doch sonst keine Hilfe noch Heil für sie zu finden sey. Denn nach gethaner Sünde und davon erlittenem Schaden soll man allerdings demüthige Erkenntniß und Abbitte der Sünden vornehmen.

Besser aber wäre es, wenn man den Schaden, der aus der Sünde folgt, zuerst bedächte - und sich deßwegen davor hütete. Weil jedoch die Wenigsten solchen Schaden, den die Sünde mit sich bringet, vorher recht bedenken, so sollen wir doch endlich aus erlittenem Schaden klug werden - und sehen, wie wir der Sünde und des daraus erwachsenden Unheils los werden mögen. Dazu ist aber kein ander Mittel, als demüthiges Bekenntniß der Sünden, gläubiges Abbitten derselben und künftige Lebensbesserung, die Gott darum auch uns und allen andern Sündern gnädiglich verleihen wolle - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Siebenunddreissigste Woche.

B. des Proph. Jerem, 5. Kap.

Aus diesem Kapitel ist vorerst mit Betrübniß zu ersehen, wie allgemein dazumal der Verfall unter dem jüdischen Volk und sonderlich in der Stadt Jerusalem gewesen. Denn Gott gebeut, man solle in der Stadt eine Haussuchung thun, ob man irgend einen Frommen finde, der recht thue und nach dem Glauben frage, als nach welchem die Augen des HErrn am meisten sehen, und ohne welchen es unmöglich ist, Gott zu gefallen (Hebr. 11, 6.); und wenn ja, so verheißet Er daneben, daß Er gnädig seyn und verschonen wolle; wie Er dergleichen Verheißung vorzeiten auch dem Abraham gethan, daß, wenn Er zu Sodom und in der Nachbarschaft nur zehen Gerechte finden werde, so wolle Er um derselben willen auch des ganzen Landes verschonen (4. Mos. 18).

Daraus ist zu ersehen, was für einen edlen Schatz die arge Welt an den Frommen und Gläubigen habe, denen sie doch wenig Dank dafür weiß, sondern feindet sie vielmehr an - und thut ihnen alles Uebel. Dennoch aber sind solche Fromme gleichsam der gottlosen Weltkinder Vormauer und Schutz, die den Zorn Gottes, der sonst über solche Gottlose ausbrechen würde, aufhalten und abwenden. Darum wohl einem Land, wenn noch etliche solche Gerechte und Fromme in demselben gefunden werden, noch besser aber, wenn derselben je mehr je lieber sind!

Allein gleichwie weiland zu Sodom keine zehen Gerechte anzutreffen waren, ebenso muß Gott der HErr in unserm Kapitel auch über das damalige Jerusalem klagen, daß dort die Frommen dazumal auch sehr dünn gesäet gewesen seyen, und daß es an denselben nicht etwa nur unter ihren Gewaltigen, das ist beim Wehr- und Lehrstand, die doch des HErrn Weg und ihres Gottes Recht vor allen hätten wissen und darob halten - und dem gemeinen Mann darin mit einem guten Exempel hätten vorangehen sollen. „Aber,“ - heißet es, - „dieselben hatten auch allesammt das Joch zerbrochen und die Seile zerrissen.“

Da sie sich aber dafür von Gott schon genug gestraft sahen, so hätten sie sich demnach durch solche Strafe bessern lassen sollen. Allein sie gaben auf solche Strafe leider nichts. Darum spricht denn auch der Prophet von ihnen: „HErr, Du schlägst sie zwar, aber sie fühlend nicht; Du plagest sie, aber sie bessern sich doch nicht. Sie haben ein härter Angesicht, denn ein Fels, und wollen sich nicht bekehren.“

Weil nun aber solche noch ziemlich gelinden Strafen an ihnen nicht verfangen wollten, so mußte ihnen der Prophet drohen, daß Gott zu noch viel schwereren und schärferen Strafgerichten wider sie greifen - und dieselben in der That nur allzu gewiß an ihnen vollstrecken werde; wie ihnen denn auch hernach widerfahren ist, obwohl sie es nicht glauben wollten, sondern des HErrn Propheten, die ihnen dieselben zuvor verkündigten, nur für Wäscher hielten und sagten: „So übel wird es uns nicht gehen, Schwert und Hunger werden wir nicht sehen.“

Das stehet aber uns zu einem Vorbild geschrieben, damit wir uns vor gleicher Verstockung und Sicherheit hüten - oder sonst gewärtig seyen, daß, wenn auch wir uns durch diese und jene noch gnädigen und erträglichen Züchtigungen Gottes nicht zur Buße wollen bringen lassen, Gott sodann noch härter auf uns zuschlagen werde; und wenn wir uns vor solchen Seinen Gerichten nicht warnen lassen - oder dieselben, wenn wir davor gewarnet werden, nicht glauben wollen, so werde Er sie uns endlich zu empfinden geben - und den Glauben solchergestalt handgreiflich machen.

Vor solcher verstockten Sicherheit wolle Er uns aber gnädiglich bewahren - und solch steinernes Herz aus uns wegnehmen - und durch Seinen heiligen Geist ein fleischernes und zur Buße erweichlicheres Herz in uns schaffen - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Achtunddreißigste Woche.

B. des Proph. Jerem 8, Kap.

In diesem Kapitel vergleichet Gott der HErr die damaligen Israeliten wegen ihres Sündenwesens zuerst mit einem, der da gefallen, oder mit einem Wandersmann, der auf seiner Wanderschaft auf einen Irrweg gerathen sey, welcher ihn, anstatt ihn an den verlangten Ort zu bringen, desselben verfehlen mache.

Denn muthwillig sündigen ist allerdings auch einen schweren Fall thun, dieweil man dadurch aus der Gnade Gottes - und dagegen in dessen Zorn und Ungnade - und in die Schuld aller von Gott in Seinem Worte für die Sünde gedroheten zeitlichen und ewigen Strafen fällt. Und wohl mit Recht mag solches auch ein in die Irre gerathen heißen; denn ein Sünder weichet allerdings von dem rechten und heilsamen Weg ab, der zu Gott und zum Leben führet, und läuft dagegen solche Sündenwege, die zuletzt auf das ewige Verderben oder die ewige Verdammniß hinauslaufen.

Daher stehet auch dorten im 5. Kap. des V. der Weish., daß solche Sünder einstmals in der Hölle mit Reue und vor Angst des Geistes also sagen - und die Sündenwege, auf denen sie vorher gewandelt, folgendermassen beklagen werden: „Ach, wir haben des rechten Wegs gefehlet - und sind gewandelt wüste Umwege, aber den Weg des HErrn haben wir nicht gewußt.“

Deßwegen sollte nun aber ein jedweder Sünder auch thun, wie einer, der da gefallen ist, oder wie ein anderer, der in der Irre gehet, zu thun pfleget; das ist: gleichwie einer, der gefallen ist, so geschwind, als er nur kann, von solchem seinem Fall wieder ausstehet, - und gleichwie einer, der in der Irre gehet, sobald er es merket, daß er sich verirret habe, solchen Irrweg wieder verläßt - und von demselben wieder auf den rechten Weg zu kommen sucht, - ebenso sollte ein Sünder auch durch wahre Buße und Bekehrung unverzüglichst von seinem Sündenfall wieder aufstehen - und trachten, durch solche Buße auch schleunigst von den schändlichen Um- und Irrwegen seiner Sünden wieder zurecht zu kommen.

Allein in unserm Kapitel klaget Gott über die damaligen Israeliten, daß sie, anstatt also durch Buße aufzustehen - und sich wieder nach dem rechten Weg umzuthun, lieber in allen ihren Sünden darnieder liegen bleiben - und in solcher Irre lieber noch immer weiter fortgehen; denn es sey keiner unter ihnen, „dem seine Bosheit leid wäre, und der da spräche: Was mache ich doch?“

Um sie aber deßwegen zu beschämen, hält Er ihnen auch das Exempel mancher unvernünftigen Thiere vor, indem er sagt: „Ein Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit; eine Turteltaube, Kranich und Schwalbe merken ihre Zeit, wann sie wiederkommen sollen.“ Weil aber die damaligen Israeliten die Zeit nicht in Acht nehmen wollten, da sie durch wahre Buße zu dem HErrn wiederkehren sollen, so hatten sie sich dessen allerdings zu schämen, und es ist auch allen andern Sündern eine große Schande, wenn sie, die von Gott mit Vernunft und Verstand begabet sind, sich dennoch in etwas Gutem übertreffen lassen von unvernünftigen und verstandlosen Creaturen. Darum heißet es auch Jes. 1: „Ein Ochse kennet seinen Herrn, und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennet es nicht, und mein Volk vernimmt es nicht.“

Wie aber darauf an solchem Ort sogleich auch noch dieses folget: „O wehe des sündigen Volks“, ebenso muß der Prophet Jeremias dem verstockten Volk in unserm Kapitel ein gleiches Wehe verkündigen - und sagen, daß, wiewohl sie sich schmeichelten - und darin leider auch gestärket würden von ihren Priestern und Propheten, solches Wehe werde sie nicht treffen, sondern sie würden wohl Friede von demselben haben, so werde doch dasselbe nur allzugewiß über sie kommen, und zwar schon so bald und plötzlich, daß man der Feinde Getümmel und das Schnauben ihrer Rosse und das Schreien ihrer Gäule gleichsam schon von ferne höre.

Das sollen wir uns aber zur Warnung dienen lassen, wenn wir nicht gleiche Strafe auch über uns ziehen wollen, daß wir desto geschwinder Buße thun - und durch dieselbe je eher je lieber wieder aufstehen - und zu Gott wiederkehren; wozu Er uns und allen andern Sündern auch Seine Gnade verleihen wolle - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Neununddreissigste Woche.

B. des Proph. Jerem. 14. Kap.

In diesem Kapitel beschreibet und beklaget der Prophet erstlich die grausame Dürre und daraus entstandene Hungersnoth, die dazumal im Lande Israel herrschte. Darnach aber zeiget er auch deren Ursache an, nämlich des Volks Sünden, und sagt, daß die solche Strafe billig verdient haben. „Ach HErr,“ spricht er, „unsere Missethaten habend ja verdienet; denn unser Ungehorsam ist groß, damit wir wider dich gesündiget haben.“

Demnach lehret hier Jeremias, wie Dürre, Mißwachs, Theuerung und Hungersnoth anzusehen seyen, nämlich daß dieselben nicht etwa nur von des Himmels Gestirn herrühren, noch viel weniger von dem Teufel und seinen Zauberern, Hexen und Unholden, sondern von Gott, der damit die Sünder strafen wolle; wie darum auch dorten 5. Mos. 28 geschrieben stehet: „Wirst du nicht gehorchen der Stimme des HErrn, deines Gottes, so wird der Himmel, der oben über deinem Haupt ist, ehern seyn, und die Erde unter dir eisern; der HErr wird deinem Lande Staub und Asche für Regen geben“; und 3. Mos. 26 heißt es: „Ich will euren Himmel wie Eisen - und eure Erde wie Erz machen; eure Mühe und Arbeit soll vergeblich seyn, daß euer Land sein Gewächs nicht gebe, und die Bäume im Lande ihre Früchte nicht bringen.“ Darum haben wir in solchem Fall wider niemand, als wider uns selbst zu murren.

Ferner aber werden uns in diesem Kapitel auch die Mittel angewiesen, durch welche solche Strafe wieder abzuwenden oder zu mildern sey. Denn deren Abwendung und Milderung auch dazumal für die Israeliten zu erhalten, greift der Prophet einestheils zu demüthigem Bekenntniß seiner und seines Volkes Sünden, indem er sagt: „HErr, wir erkennen unser gottloses Wesen - und unserer Väter Missethat; denn wir haben wider Dich gesündiget.“ Das andere Mittel aber läßt der Prophet ein eifrig und inbrünstig Gebet seyn, darin er Gott dem HErrn vorhält, Er solle, obschon es das Volk gar wenig verdienet habe, daß Er ihnen helfe, es doch um Sein selbst und Seines Namens Ehre willen thun, damit nicht Sein Name im entgegengesetzten Fall von den Heiden gelästert werden möchte, als könne Er ihnen nicht helfen. Auch erinnert Jeremias den HErrn an den Bund, den Er mit ihren Vätern gemacht habe, und will sagen, der HErr solle nicht sowohl an ihre Sünden und Uebertretungen, als vielmehr an solchen Seinen Bund gedenken - und wegen desselben Gnade gegen sie anwenden.

Und dies, nämlich einerseits das liebe Gebet, andererseits aber bußfertige Erkenntniß und reumüthiges Bekenntniß unserer Sünden, sind auch in allerlei Beschwerlichkeiten die besten Mittel, welche wir darum in allen gemeinen und besonderen Nöthen vor die Hand nehmen sollen. Denn „des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist; Elias war ein Mensch, gleich wie wir, und er betete ein Gebet, daß es nicht regnen sollte; und es regnete auch nicht auf Erden drei Jahre und sechs Monden; und er betete abermal, und der Himmel gab den Regen, und die Erde brachte ihre Frucht“; wie Jakobus schreibet Jak. 5, 16-18.

Gleichwie es aber in diesen Worten merklich heißt: „Das Gebet des Gerechten, ja das Gebet des Gerechten vermag viel,“ also will darnach zum Gebet auch wahre Bußfertigkeit hinzugethan seyn; denn wo die nicht auch dazukommt, so ist das Flehen, das Beten, das Fasten, das Opfern - und alles andere, was nur äußerlich und leiblich ist, gar umsonst und vergebens; Gott will es weder hören noch sehen; wie Er in diesem Kapitel auch sagt. Ja es ist selbst der Frommen Fürbitte für die Unbußfertigen vergebens; weßwegen auch der HErr dem Propheten Jeremia solche Fürbitte verbietet, indem Er sagt: „Du sollst nicht für dies Volk um Gnade bitten.“

Gehet hingegen das Gebet aus bußfertigem Herzen, so dürfen wir uns alsdann versichert halten, daß Gott auch eingedenk seyn werde Seines Bundes, den Er mit uns in der heiligen Taufe gemacht hat, und daß Er uns auch die Hilfe, um welche wir Ihn anrufen, obwohl wir dieselbe gar wenig verdienen, doch um Seines Namens Ehre willen erzeigen werde; und dafür sey solchem Seinem Namen Preis und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Vierzigste Woche.

B. des Proph, Jerem. 15. Kap.

Der erste Theil dieses Kapitels hält in sich eine heftige Klage Gottes wider die Unbußfertigkeit und Halsstarrigkeit des damaligen jüdischen Volks - sammt einer Bedrohung, was für grausame Strafen Er, der HErr, deßwegen wider sie ergehen lassen wolle.

Daraus ist zu sehen, wie schrecklich der HErr durch Sünden - und sonderlich durch unbußfertiges Fortfahren in denselben beleidiget und erzürnet werde, daß Er gleichsam eine ganz andere Natur an sich nimmt. Denn wenn man Ihn furchtet und Ihm gehorchet, so ist Er gnädig und barmherzig, erhöret das Gebet derer, so zu Ihm schreien, nimmt sich ihrer an - und hilft ihnen aus allen Nöthen. Aber wenn man Ihn mit Unbußfertigkeit zu lange aufhält, so wird Er nach Ausweis dieses Kapitels des Erbarmens müde, verstopft Seine Ohren vor dem Gebet solcher Unbußfertigen, ja will auch der frömmsten Leute Fürbitte für sie nicht annehmen noch achten; wie hier von Mose und Samuel stehet, die die doch sonst durch ihre Fürbitte so viel bei Gott haben ausrichten können.

Er will solche Unbußfertige nicht mehr ansehen, es gehe ihnen gleich so übel, als es nur immer wolle. Ja, Er will sie selbst mit den allergrausamsten Strafen, die man erdenken kann, heimsuchen, und es sollend nach ihnen auch noch ihre Kinder und Nachkommen entgelten, zumal wenn die es auch nicht besser machen, als die Eltern.

Darum heißt es in diesem Kapitel, daß die damaligen Israeliten auch noch um der Sünden Manasse willen leiden sollen, wie auch im Gesetz stehet: „Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der bei denen, die Mich hassen, die Sünden der Väter heimsuchen will auch an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied.“ Es ist demnach wahr, was Sirach dorten saget Kap. 5, 6 - 8: „Denke nicht: Gott ist sehr barmherzig; Er wird mich nicht strafen, ich sündige, wie viel ich will. Er kann bald also zornig werden, als Er gnädig ist, und Sein Zorn über die Gottlosen hat kein Aufhören. Darum verzeuch nicht, dich zum HErrn zu bekehren, und schieb es nicht von einem Tage auf den andern.“

Der andere Theil dieses Kapitels aber begreift eine Klage des Propheten Jeremiä in sich - sammt einem Gebet, das er zu Gott gethan, und wie er darauf von Gott getröstet worden.

Als er nämlich aus Befehl Gottes die besagten Strafen dem Volk verkündiget, wurde man ihm darüber feind, und er mußte sich von jedermann als einen Lügner ausschelten lassen, ja Leibes- und Lebensgefahr ausstehen; was ihn so unmuthig machte, daß er, durch eine menschliche Schwachheit übereilet, seines Lebens und Berufs müde und überdrüssig wurde - und daher wünschte, daß er lieber nie geboren seyn möchte. Solche seine Noth klagt er aber hernach Gott dem HErrn, und der tröstet ihn darauf, er solle nicht so ungeduldig seyn. Denn werde er, der Prophet, sich nur getreulich zu Ihm halten, so wolle Er, der HErr, sich auch wieder zu ihm halten - und ihm beistehen - und ihn gleichsam zur ehernen Mauer machen, so daß seine Feinde und Verfolger, wenn sie gleich wider ihn streiten würden, ihm doch nichts anhaben, sondern ihren Kopf an ihm zu Schanden laufen sollten.

Das ist auch für alle andern treuen Lehrer und Prediger ein herrlicher Trost. Denn denen gehet es oft auch wie Jeremiä, daß sie nichts anders, als Haß, Feindschaft und Verfolgung dafür kriegen, wenn sie wider ihrer Zuhörer Sünden eifern - und ihnen Gottes Gerichte und Strafen dafür drohen. Aber wenn sie sich nur auch zu dem HErrn halten - und in ihrem Amt und Beruf auch getreu sind, so dürfen sie sich gleichfalls darauf verlassen, daß der HErr sich sodann auch zu ihnen halten - und ihrer Feinde und Verfolger Lügen, Lästern, Drohen und Verfolgungen auch zu Schanden machen werde.

Indeß erhalte Er, der HErr, auch uns Sein Wort, daß es, wenn wir es haben, auch unsers Herzens Freude und Wonne sey, - um unsers HErrn Jesu willen. Amen.

Einundvierzigste Woche.

Klagl. Jerem. 1. Kap.

Dies Kapitel zeiget uns, wie Gott an den damaligen Israeliten das endlich wahr gemacht und erfüllet hat, was er ihnen sowohl durch Jeremias, als auch durch andere Propheten wegen ihrer Sünden und wegen ihrer verstockten Unbußfertigkeit in denselben so manchmal vorher hatte drohen und verkündigen lassen, nämlich daß Jerusalem und der Tempel durch den König von Babel zerstöret und mit Feuer verbrannt, und das Volk in die babylonische Gefangenschaft weggeführt werden solle.

Sie wollten vorher nicht glauben, daß es dazu kommen würde, sondern meinten, weil sie sagen konnten: „Hier ist des Herrn Tempel!“ so werde es keine Noth mit ihnen haben, und Gott werde es nimmermehr geschehen lassen, daß solchem Seinem Hause von den Heiden dergleichen widerfahren solle; - wie aus dem 7. Kap. unsers Propheten zu sehen ist. Wenn ihnen demnach die Propheten davon weissagten, so hieß es bei ihnen: „Das ist der HErr nicht, und so übel wird es uns nicht gehen; Schwert und Hunger werden wir nicht sehen; ja, die Propheten sind Wäscher - und haben Gottes Wort nicht; es gehe über sie selbst also“; wie in unsers Propheten 5. Kap. V. 12 und 13 zu lesen ist.

Allein - was sie zuvor nicht glauben wollten, das mußten sie endlich empfinden - und ihnen den Glauben in die Hand gehen sehen. Denn Gottes Wort lügt nicht, sondern ist wahrhaftig; und wie Er, der Herr, alles, was Er gutes verheißet und zusaget, gewiß hält, ebenso gewiß hält Er auch, was er drohet, wenn man dem nicht zuvor kommt durch wahre Buße. Weil es aber an dieser bei den Israeliten derselben Zeit fehlte, so ließ Er denn endlich den König von Babel über sie kommen - und durch denselben an ihnen erfüllen, was Er ihnen vorher durch Seine Propheten so manchmal hatte drohen lassen.

Davon gibt nun aber der Prophet Jeremias in diesem ersten Kapitel seiner Klaglieder eine lebhafte Beschreibung - und führet die Stadt Jerusalem, als ihren damaligen Zustand erzählend, und aller Welt klagend ein. Und zwar leget er ihr diese Klage in den Mund: „Euch sage ich allen, die ihr vorübergehet: Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sey, wie mein Schmerz, der mich getroffen hat. Denn der HErr hat mich voll Jammers gemacht am Tage Seines grimmigen Zorns“ Was so viel sagen will, als - daß nicht wohl Eine Stadt, oder daß wenig Städte zu nennen seyn werden, die von Gott auch so schrecklich heimgesucht worden, als sie, die Stadt Jerusalem, dazumal mit ihren Kindern.

Aber - so gehet es. Je länger Gott mit der Strafe vorher an sich hält, und je mehr Wohlthaten Er vorher erzeiget, desto nachdrücklicher und desto schwerer straft Er dagegen hernach, wenn man solchen Reichthums Seiner Barmherzigkeit und Seiner Langmuth mißbrauchet - und sich denselben nicht zur Buße leiten lasset.

Insonderheit aber und zuvörderst klaget Jerusalem darüber, daß die Straßen gen Zion wüste liegen, weil niemand mehr auf ein Fest komme, und daß ihre Priester seufzen, weil aller Gottesdienst darniederliege; woraus zu sehen, was für ein elend Ding es ist, wenn Gottes Wort entzogen - und der öffentliche Gottesdienst aufgehoben wird.

Die Welt erkennet nun zwar nicht, was für eine große Wohlthat Gottes es sey, wenn Er guten Frieden gibt, daß man haufenweise zum Gottesdienst kommen und denselben besuchen kann. Wenn aber Gott solches Sein Wort hernach theuer werden lasset - und durch den Krieg alle guten Ordnungen nebst dem öffentlichen Gottesdienst zerstören läßt, (was er eben darum thut, weil man solche Gutthat vorher nicht mit dankbarem Gemüth erkennet,) da stehet man alsdann erst, was man gehabt und verloren habe, und da holete man Gottes Wort gerne über Meer, wenn man es finden könnte.

Darum - so lange wir Gottes Wort haben - und in guter Ruhe den Gottesdienst abwarten können, sollen wir solche Gutthat erkennen - und dankbar gebrauchen - und mit David laut des 8. V. seines 26. Psalms die Stätte des Hauses des HErrn und den Ort, da Seine Ehre wohnet, lieben, vor allem aber Seinem Wort auch fein gehorsam seyn - oder uns widrigenfalls die Rechnung machen, wie dorten stehet im 11. Kap. des Briefes an die Römer: Hat Gott der natürlichen Zweige nicht verschonet, so werde Er gewiß für gleiche Schuld mit gleicher Strafe unser auch nicht verschonen. Er gebe uns demnach ein gehorsameres und bußfertigeres Herz - durch unsern HErrn JEsum Christum. Amen.

Zweiundvierzigste Woche.

Klagl. Jerem. 3. Kap.

In diesem Kapitel zeiget der Prophet einesteils an, wie das damalige Jerusalem die jämmerliche Zerstörung, in welcher es lag, auch an ihm verdienet habe, weil es ihn zu einem so elenden Mann gemacht, wie er sagt, und weil er nicht allein, wie er hernach spricht, mit seinen Weissagungen und Warnungen, die er ihnen vorher geprediget, allem ihren Volk nur ein Spott - und täglich ihr Liedlein habe seyn müssen, sondern weil sie ihn zum Lohne für dieselben sogar in eine Grube - und in dieselbe Steine auf ihn hinunter geworfen - und sein Haupt mit Wasser überschüttet, daß er sich deßhalb seines Lebens erwogen und gesprochen: „Nun bin ich gar dahin.“

Darinnen erkennet aber auch Jeremias des HErrn Hand, und daß ihn solch Leiden nicht würde getroffen haben, wenn es nicht von Gott über ihn wäre verhänget worden. Darum spricht er: „Wer darf sagen, solches geschehe ohne des HErrn Befehl?“ und braucht auch vorher immer die Redensarten: „Er, der HErr, hat mich in Finsterniß gelegt, wie die Todten in der Welt; Er hat mich vermauert, daß ich nicht herauskann, und mich in harte Fesseln gelegt“ u. s. f.

Das sollen auch andere fromme Herzen erkennen; und wenn ihnen auch Leiden, Trübsal und Verfolgung zuhanden kommet, sollen sie solches nicht nur den Creaturen, von denen sie es erdulden müssen, zuschreiben, sondern auch bedenken, daß Gott die oberste Ursache sey, von der ihnen ihr Kreuz herkomme; wie darum auch Hiob saget: „Der HErr hat's genommen.“

Gleichwie aber aus dieser Erwägung bei Jeremia die geistliche Anfechtung entstand, daß Fleisch und Blut bei ihm auf die Gedanken gerieth, Gott müsse, weil Er solche Trübsale über ihn verhänget habe, auf ihn heftig ergrimmt - und gleichsam in einen Löwen und Bären gegen ihn verwandelt seyn, - zumal weil auch sein Gebet nicht schon so bald erhöret werde, als er es gerne gehabt hätte, (denn er spricht: „Wenn ich gleich schreie und rufe, so stopft Er die Ohren zu vor meinem Gebet,“) - ebenso gerathen andere fromme Herzen zur Zeit der Trübsal auch oft in gleiche geistliche Anfechtung; wie denn auch Hiob meinte, Gott sei ihm in einen Grausamen verwandelt (Hiob 30, 21), und auch David spricht: „Hat denn Gott vergessen, gnädig zu seyn - und Seine Barmherzigkeit vor Zorn verschlossen?“ (Ps. 77, 10.)

Allein - da sollen es alle andern frommen Herzen auch machen, wie der Prophet Jeremias, und durch den Geist solcher Anfechtung des Satans und des Fleisches tapfern Widerstand thun - und sich mit ihrem Herzen doch auch auf die Güte des HErrn verlassen - und erkennen, daß der HErr sie nicht von Herzen - oder aus einem in Seinem Herzen gegen sie gehegten Haß und Zorn plage und betrübe, sondern daß Er ihnen Kreuz und Trübsal deßwegen zuwende, weil es für ein frommes Herz ein gar köstlich Ding ist, das Joch des Kreuzes zu tragen. Darum sollen sie unter solchem Kreuzesjoch, so lange es währet, auch fein geduldig seyn - und in fröhlicher Hoffnung erwarten, daß der HErr, nachdem Er sie betrübet, sich doch ihrer nach Seiner Güte auch wieder erbarmen werde.

Gleichwie nun diese Hoffnung den Propheten Jeremias nicht betrogen, als der in unserm Kapitel also davon saget: „Ich aber rief Deinen Namen an, HErr, unten aus der Grube, und Du erhöretest meine Stimme,“ also wird sie andere fromme Herzen auch nicht betrügen.

Daher heißt hernach der Prophet die damaligen Israeliten solcher Hoffnung leben - und sich, wiewohl sie bisher nicht fromm, sondern gar ein sündig Volk gewesen waren, dennoch zu Gott versehen, Er werde - nach den dazumal über sie verhängten Trübsalen der Zerstörung Jerusalems und der babylonischen Gefangenschaft - Seine Barmherzigkeit doch auch über sie neu werden lassen, woferne sie nur Buße thun - und fromm werden würden.

Darum vermahnet sie auch Jeremias zu solcher Buße beweglichst, indem er sagt: „Lasset uns forschen und untersuchen unser Wesen - und uns zu dem HErrn bekehren. Lasset uns unser Herz sammt den Händen aufheben zu Gott im Himmel - und bekennen: Wir haben gesündiget und sind ungehorsam gewesen. Darum hast Du billig nicht verschonet.“ Andererseits aber verbietet er ihnen, daß sie wider die dazumal über sie ergangenen göttlichen Strafgerichte nicht murren sollten, sondern „ein jeglicher“, spricht er, „murre wider seine Sünde.“

Weil nämlich wir Menschen durch Sünden Gott den HErrn zwingen, daß Er uns strafen muß, so haben wir allerdings hernach, wenn wir gestraft werden, auf niemand anders deßwegen böse zu seyn, als auf solche unsere Sünden. Wenn wir aber von deren Strafen wieder erlöset seyn wollen, so ist es nicht mit Murren wider dieselben ausgerichtet, (denn Gott fraget wenig nach diesem unsern Murren - und fürchtet sich wenig davor,) sondern das beste und einzige Mittel ist, daß wir uns durch wahre Buße von solchen unsern Sünden zu Ihm, dem HErrn, bekehren.

Wenn wir aber also nach Ihm fragen, will Er unsern Seelen auch wieder freundlich seyn - und Seinen vorher über uns entbrannten Zorn auch wieder fahren und schwinden lassen, für welche Seine Güte Ihm sey Ehre und Preis in Ewigkeit. Amen.

Dreiundvierzigste Woche.

B. des Proph. Ezech. 5. Kap.

In diesem Kapitel zeiget Gott der HErr dem Propheten Ezechiel die Strafen, welche er über Israel ergehen lassen wolle, erstlich in einem Bild an, indem Er dem Propheten befiehlt, ein Schwert zu nehmen, scharf wie ein Schermesser, und damit seine Haare und seinen Bart abzuscheren - und ein Drittel davon mit Feuer zu verbrennen, unter das andere Drittel aber mit dem Schwert zu schlagen - und das letzte Drittel endlich in den Wind zu streuen, doch auch ein klein wenig davon in seinen Mantel zu binden.

Darauf folgt aber auch eine Erklärung und Auslegung solchen Bildes, wie nämlich Er, der HErr, über das damalige Jerusalem und dessen Kinder verhängen wolle, daß ein Drittel von ihnen an der Pestilenz sterben oder vor Hunger verschmachten, ein anderes Drittel aber durchs Schwert fallen, wieder ein Drittel endlich in alle Winde zerstreut werden solle.

Hiemit aber, fügt der HErr hinzu, werde der Stadt Jerusalem und ihrem Volk nicht etwa Unrecht geschehen, sondern Er werde damit nur ihr wohlverdientes Recht über sie ergehen lassen. Denn Er habe Jerusalem und Israel mitten unter die rings um sie her liegenden Heiden gesetzt, verstehe: dazu gesetzt, daß sie unter dem unschlachtigen Geschlecht solcher Heiden scheinen sollten, wie die Lichter, und denselben vorleuchten mit einem guten Exempel, durch welches die Heiden, wenn sie es vor sich sehen würden, zu dem wahren Gottesdienst gewonnen und angelocket werden möchten. Allein da hätten es die Israeliten umgekehrt, und anstatt daß die Heiden von ihnen den wahren Gottesdienst hätten lernen sollen, hätten sie vielmehr den Heiden ihre Abgötterei und andere Gräuel und Sünden abgelernet, so zwar, daß sie darin alle um sie her liegenden Heiden sogar noch übertroffen - und es mit solchen Gräueln und Sünden noch viel ärger und gröber gemacht, als selber die Heiden.

Wie nun dafür den Israeliten mit allen den vorgedachten Strafen, die ihnen der HErr drohet, allerdings nicht mehr, als nur recht geschiehet, so wollte Er ihnen solches ihr Recht auch widerfahren lassen - und so mit ihnen umgehen, wie Er sonst noch nie gethan habe - und auch hinfort nicht thun werde. Denn „der Knecht, der seines Herrn Willen weiß und hat sich nicht bereitet, auch nicht (fein) nach seinem Willen gethan, der wird viel (doppelte) Streiche leiden müssen“; wie unser HErr Jesus Luc. 12, 47 sagt.

Darnach haben auch wir uns die Rechnung zu machen, was wir zu gewarten haben, wenn wir dem Worte Gottes, das wir doch haben, auch nicht folgen, sondern gleichfalls ärger leben, als die Heiden; wie denn leider von so vielen unter uns Christen geschiehet.

Für die Frommen dagegen ist es sehr tröstlich, daß dem Propheten Ezechiel von Gott dem HErrn befohlen wurde, ein wenig von seinen abgeschorenen Haaren in seinen Mantel zu binden - und dies Wenige nicht auch mit Feuer zu verbrennen - oder mit dem Schwert zu schlagen - oder in den Wind zu streuen, wie das Uebrige. Denn durch das Wenige werden bedeutet die Frommen , die sich unter den damaligen Israeliten noch befanden, und wie Gott deren mit den gedroheten Strafen, die über die Bösen kommen sollten, verschonen wolle.

Solcher Frommen waren allerdings leider nur gar wenige unter ihnen, und es sind dieselben auch sonst überall gar dünn gesäet; daher denn auch nicht nur David sagt im 12. Psalm: „Hilf, HErr, die Heiligen abgenommen, und der Gläubigen ist wenig unter den Menschenkindern,“ sondern unser HErr Jesus hat deßwegen auch so manchmal gekündet: „Viele sind (zwar) berufen, aber (nur) wenige sind auserwählet.“

Wie viel besser aber ist es doch, unter das kleine Häuflein solcher Frommen zu gehören, ob derselben gleich nur so wenige sind, als hingegen unter die Rotte der Gottlosen! Denn die letzteren werden von Gott gar gräulich gestrafet; jene aber, die Frommen, werden von Ihm, dem HErrn, in das Bündlein der Lebendigen gebunden - und solchen Strafen gnädig entrissen werden; wie Petrus dorten schreibet in seiner 2. Ep. 2, 9: Der HErr weiß die Seinen allerdings aus der Trübsal zu erlösen, mit welcher Er die Gottlosen heimsuchen will, und wird es auch thun.

Ebenso hat Er den frommen Noah mit den Seinen bei der Sündfluth - und den stemmen Lot bei dem Untergang Sodoms und Gomorras erhalten, und was solcher Exempel noch andere mehr sind. Darum spricht auch David im 91. Psalm: „Ob tausend fallen zu deiner Seite, und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen; denn der HErr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht.“

Lasset uns deßhalb nicht der Menge zum Bösen folgen, sondern, lieber das kleine Häuflein der Frommen vermehren helfen; wozu uns Gott auch Seines heiligen Geistes Gnade verleihen wolle - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Vierundvierzigste Woche.

B, des Proph. Ezech. 14. Kap,

Dies Kapitel gilt erstlich den Heuchlern. Denn solche waren auch die Aeltesten aus Israel, die dazumal zu dem Propheten Ezechiel kamen - und durch ihn Gott den HErrn ihretwegen fragten - und von demselben Antwort haben wollten. Während sie sich hiemit stelleten, als ehreten sie Ihn, den HErrn, als ihren Gott, und als wäre es ihnen um Sein Wort zu thun, hingen sie indessen mit ihrem Herzen noch an der heidnischen Abgötterei und am Götzendienst.

Wiewohl ihnen nun aber der Prophet Ezechiel diese ihre Abgötterei nicht an der Stirn ansehen kann, kennet sie doch Gott hingegen desto besser - und warnet daher auch den Propheten vor solchem ihrem Heuchelwesen. Denn Er, der HErr, ist ein Herzenskündiger - und ein Gott, der Herzen und Nieren prüfet, und wenn ein Mensch dem andern nicht in's Herz sehen kann, so sehen hingegen Gottes Augen desto schärfer, und vor denen bleibet desto unverborgener, was jemand in seinem Herzen heget. Daher Er auch dorten Jerem. im 17. Kap. also von sich spricht: „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich der HErr kann das Herz ergründen - und die Nieren prüfen.“ Mithin kann denn auch kein Heuchler Gott den HErrn täuschen oder betrügen, und es sollte sich daher niemand solcher Heuchelei vor Ihm unterstehen.

Aber - gleichwie die damaligen, zu dem Propheten Ezechiel gekommenen Aeltesten Israels in das Register solcher Heuchler gehöreten, so gibt es derselben noch gar viele andere, die sich äußerlich auch anstellen, als ließen sie sich's an Gott und Seinem Wort mit weiß nicht wie großem Ernst gelegen seyn; aber ihr Herz ist indessen auch ganz anders beschaffen.

Wie aber solche Heuchler Gott dem HErrn mit ihrer Heuchelei gefallen, das können sie an dem Exempel gedachter Aeltesten Israels sehen. „Sollt' Ich denn ihnen antworten, wenn sie Mich fragen?“ spricht der Herr in unserm Kapitel zu dem Propheten Ezechiel von ihnen - und läßt darauf weiter folgen: Ja, Er wolle ihnen allerdings antworten, aber nicht durch den Propheten, sondern selber, und zwar mit solch einer Antwort, die ihnen, den Heuchlern, gar schlecht gefallen werde. Denn Er wolle ihnen mit der That antworten, dadurch nämlich, daß Er Sein Angesicht wider sie setzen, das ist, daß Er sie für solche ihre Heuchelei gräulich strafen werde.

Die Heuchelei ist ja eines der vor Gott verhaßtesten Laster. Wehe demnach auch allen andern Heuchlern, was für eine Antwort auch sie von Gott werden hören müssen, sonderlich an jenem großen Tage des Gerichts! Denn dorten Matth. am 7. spricht unser HErr Jesus, daß Er denen, die zwar mit dem Mund „HErr, HErr!“ zu Ihm sagen, aber nicht auch den Willen Seines himmlischen Vaters thun, an solchem Tage also antworten werde: „Ich habe euch noch nie erkannt; weichet von Mir, ihr Uebelthäter!“ Darum, wie in seinem 1. Kap. Sirach saget: „Siehe zu, daß deine Gottesfurcht nicht Heuchelei sey, und diene Ihm, dem HErrn, nicht mit falschem Herzen, auf daß du nicht fallest und zu Schanden werdest, und der Herr deine Tücke offenbare - und stürze dich öffentlich vor den Leuten.“

Der HErr will also sowohl solche Heuchler, als auch was offenbare Gottlose und Sünder sind, schon vorher hier in der Welt und in diesem Leben stürzen - oder mit mancherlei zeitlichen Strafen wider sie verfahren. Daher läßt Er denn auch den damaligen Israeliten drohen, daß Er mit Krieg, Pestilenz, theurer Zeit, Hungersnot!) und schädlichen Thieren hinter ihnen her seyn wolle, und daß, wenn sie es darauf ankommen ließen, alsdann keine Fürbitte mehr für sie helfen solle, wenn auch gleich die drei Männer - Noah, Daniel und Hiob - unter ihnen wären, sondern solche würden, spricht Er, nur ihre eigenen Seelen retten.

Gleichwie Er hiemit den Frommen abermal verheißet, wie Er auch in den vorhergehenden Kapiteln gethan, daß Er die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen wissen werde, so verkündiget Er dagegen den Gottlosen, daß sie dem Unglück desto weniger entrinnen sollen, wenn auch gleich, wie gedacht, die größten Heiligen unter ihnen wären und für sie beteten. Denn des Gerechten Gebet vermag zwar sonst viel, wenn es ernstlich ist (Jak. 5, 16), aber - alles hat seine Zeit. Machet man's mit Sünden gar zu lang und zu grob, so saget das Gottes Wort auch noch an mehr andern Orten, Gott werde so wenig, als Er solchen verstockten Sündern ihr eigen Gebet erhören wolle, durch frommer Leute Fürbitte für sie Sich zurückhalten lassen, daß Er ihnen nicht nach versäumter Gnadenzeit endlich lohnen sollte, wie sie mit ihren bösen Werken verdient haben.

Vor solcher Verstockung aber - sowohl in Heuchelei, als in offenbaren Sünden - behüte Er uns gnädiglich - und gebe uns dagegen, daß wir uns bald zu Ihm bekehren mit rechtschaffenen Herzen, - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Fünfundvierzigste Woche.

B. des Proph. Ezech. 20. Kap.

In diesem Kapitel muß der Prophet auf Gottes Befehl den Aeltesten aus Israel, die dazumal zu ihm gekommen waren, erstlich vorhalten und zu Gemüth führen, was für große Wohlthaten Gott ihnen, den Israeliten, erzeiget habe, wie Er sie nämlich aus der egyptischen Dienstbarkeit erlöset, während welcher es ihnen so hart und elend gegangen, - wie Er sie hernach durch die Wüste geführet - und in derselben nicht nur dem Leib nach versorget, sondern ihnen auch Sein Gesetz gegeben und Seine Rechte, „durch welche der Mensch lebet, der sie hält“, - wie Er sie endlich aus solcher Wüste in das Land Canaan gebracht - und in demselben auch bisher erhalten, ihnen aber in demselben ein Land eingegeben, da Milch und Honig innen floß, und welches ein edles Land war vor allen Ländern.

Während nun die Israeliten für alle solche Wohlthaten, je mehr derselben und je größer sie waren, desto dankbarer Ihm, dem HErrn, hätten seyn - und zum Dank für dieselben nach Seinem Gesetz, das Er ihnen gegeben, fein hätten leben sollen, - so muß dagegen der HErr klagen, daß sie solches je und je gar schlecht in Acht genommen, daß sie vielmehr Seine Gebote verachtet haben - und Ihm sehr ungehorsam gewesen seyen sowohl durch heidnische Abgötterei, die sie immerzu getrieben hätten, als auch durch Sünden.

Weil sie es aber mit solchen ihren Sünden, anstatt sich von denselben zu bekehren, nur immer noch je länger je ärger fortmachten, so ließ Er ihnen durch den Propheten drohen, daß Er nun ihrer nicht mehr länger verschonen, sondern nun endlich mit starker Hand und ausgeschüttetem Grimm - und mit ausgestrecktem Arm über sie herrschen wolle. Denn weil sie Ihm durchaus nicht gehorchen wollten, so möchten sie immer hinfahren, und ein jeglicher möge seinen Götzen dienen; sie sollten aber zusehen, wie es ihnen bekommen werde; denn Er werde Ihm dennoch ein Häuflein zu erhalten wissen, das Ihm diene. Aber „die Abtrünnigen“, spricht Er, „und die, so wider Mich übertreten, will Ich ausfegen aus dem Lande, da ihr jetzt wohnet, daß ihr lernen sollt, Ich sey der HErr.“

An solchem Exempel der Israeliten sollten nun aber auch wir lernen - und uns vor gleicher Schuld hüten. Aber wir lassen Gott den HErrn Seiner Wohlthaten die Menge auch uns erzeigen - und vergelten Ihm für dieselben leider gleich schlechten Dank. Denn wir haben Sein Wort - und Seine heiligen Rechte und Gebote gleichfalls; aber Er mag auch von uns wohl mit Recht sagen: „Sie sind Mir ungehorsam - und wollen Mir ja nicht gehorchen.“ Damit hätten wir auch schon längst verdienet, daß Er Seinen Grimm über uns gleichfalls ausschütten - und uns in Seinem Zorn hätte aufreiben sollen. Aber Er hat unser bisher auch noch immer gnädig verschonet um Seines Namens willen.

Doch - wenn wir mit solchem Ungehorsam noch länger fortfahren, so mögen wir uns auch die Rechnung machen, daß Er, je mehr Wohlthaten Er uns vorher erzeiget, und je länger Er unser zuvor verschonet, desto gräulichere Strafen endlich auch über uns werde ergehen lassen.

Halten wir hingegen Seine heiligen Rechte und Gebote, so werden wir auch seliglich erfahren, daß der Mensch durch sie lebet, der sie hält. Dazu verleihe Er, der HErr, uns Seine Gnade - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Sechsundvierzigste Woche.

B. des Proph. Ezech, 33. Kap.

Ist irgend ein Kapitel in der ganzen heiligen Schrift, das ein Spiegel göttlicher Barmherzigkeit gegen die Sünder heißen mag, so ist es fürwahr dieses. Denn Gott bezeuget darin vorerst: Obwohl die Sünder mit ihren Sünden billig und rechtmäßig verdienen, daß Er sie in Zeit und Ewigkeit dafür strafen sollte, wie sie es werth sind, so komme Er dennoch ungern daran, sie also zu verderben, und habe keine Freude daran, sondern werde im Gegentheil desto mehr dadurch erfreuet, wenn ein Sünder sich bekehre und Buße thue - und dadurch mache, daß Er, der HErr, ihn leben lassen - oder seiner mit den ihm für seine Sünden gebührenden Strafen verschonen - und es ihm dagegen hie und da wohl gehen lassen könne; wie dort Luc. 15 auch unser HErr Jesus saget: „Also wird Freude seyn im Himmel über einen Sünder, der Buße thut, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen.“

Und damit dies alle armen Sünder desto fester glauben - und daran desto weniger zweifeln mögen, so ist es Gott dem HErrn nicht genug, solches in unserm Kapitel nur schlechthin zu sagen, sondern Er betheuert es auch mit einem hohen Schwur, ja mit dem größten und stärksten Eid, den Er thun konnte. Er schwöret nämlich bei Sich selbst und bei Seinem Leben, indem Er sagt: „So wahr als Ich lebe, Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daran, daß er sich bekehre und lebe.“

Wer darf nun aber bezweifeln, daß es Gott dem HErrn damit ein rechter Ernst sey? Denn es erscheinet derselbe weiter auch insoferne, als Er, der HErr, Lehrern und Predigern gar ernstlich einbindet, (wie denn, was Er zu dem Propheten Ezechiel sagt, allerdings auch allen andern Lehrern und Predigern gilt,) daß sie die Sünder von ihrem Sündenwesen fein eifrig abmahnen - und hingegen zur Buße und Bekehrung anmahnen sollen, damit die Sünder solchergestalt dazu gebracht werden mögen, daß sie sich bekehren - und sodann auch leben.

Sind nun Lehrer und Prediger darinnen saumselig, so drohet Er ihnen, daß Er das Blut derjenigen, die durch solche ihre Saumseligkeit in Sünden verharren - und dadurch verloren gehen, von ihrer Hand fordern wolle. Er hängt aber zugleich auch den Trost an: Wenn hingegen Lehrer und Prediger ihr Amt darin treulich thun, und die Sünder nichts darauf geben wollen, sondern vielmehr auch in solchem Fall in ihren Sünden verstockter und unbußfertiger Weise fortfahren, so solle dies alsdann ihnen, den Lehrern und Predigern, nicht zugerechnet werden, und sie sollen dessen keine Verantwortlichkeit haben, sondern ihre Seelen erretten.

Wie sich nun deßwegen Lehrer und Prediger der Sünder Bekehrung ja fein eifrig angelegen seyn lassen sollen, so gehöret hingegen den Sündern da s zu thun, daß sie solchen Knechten des HErrn, wenn sie von denselben um ihrer Sünde willen bestrafet werden, dafür ja nicht gram und feind werden, (wie das doch leider gar vieler Sünder Dank zu seyn pfleget,) sondern sie sollen bedenken, was für einen scharfen Befehl solche Knechte des HErrn in diesem Kapitel von Gott dem HErrn dazu haben, und daß sie demnach Amts und Gewissens halber zu den Sünden der ihnen anvertrauten Seelen nicht stillschweigen können, wenn sie anders ihre Seelen retten - und nicht machen wollen, daß solcher Sünder Blut von ihrer Hand gefordert werde.

Weil es aber mit den Bußvermahnungen der Knechte des HErrn auf der Sünder Heil und Bestes abgesehen ist, so will es den Sündern vielmehr gebühren, ihre Seelsorger, je eifriger diese ihr Amt an ihnen thun, desto lieber dafür zu haben - und vor allem solchen ihren Vermahnungen fein zu folgen - und Buße zu thun.

Wenn nun dies von den Sündern geschiehet, (wozu aber Gott erfordert, daß sie von Sünden ablassen - und hingegen fortan thun sollen, was recht und gut ist,) so haben sie in unserm Kapitel von Gott dem HErrn ferner auch die tröstliche Verheißung, Er wolle sodann ihrer vorhergegangenen Sünden und Ungerechtigkeiten nicht mehr gedenken, sondern derselben vergessen - oder ihnen dieselben (verstehe: wegen der Ihm durch unsern HErrn Jesum Christum dafür geschehenen vollgültigen Genugthuung) gnädigst verzeihen und vergeben - und mithin auch die damit verdienten Strafen schenken und erlassen.

Doch will Gott, daß man mit solcher Buße nicht etwa nur einen guten Anfang mache, sondern daß man in derselben auch fein beständig seyn solle. Wendet man sich aber von dem, was recht und gut ist zu thun, wieder zum Bösesthun, so drohet Er, daß Er in solchem Fall auch der vorherigen Frömmigkeit nicht mehr gedenken wolle.

Durch allen solchen Reichthum der Barmherzigkeit Gottes sollen sich nun aber alle Sünder ja wohl billig zur Buße leiten lassen. Verachten sie aber denselben - und machen es, wie die damaligen Israeliten, als von denen es in unserem Kapitel heißet, daß sie zwar in die Versammlungen kamen - und des Propheten Bußpredigten anhöreten, aber doch nicht darnach thaten, sondern ihn nur anpfiffen - oder seiner spotteten - so verdienen solche Sünder billig, daß Gott sie für ihre Sünden endlich desto gräulicher straft.

Wie darum solches in unserm Kapitel den damaligen Israeliten gedrohet wurde, (denn der HErr spricht: „So wahr Ich lebe, sollen alle, so in der Wüsten wohnen, durchs Schwert fallen, und was auf dem Felde ist, will ich den Thieren zu fressen geben, und die in Festungen und Höhlen sind, sollen an der Pestilenz sterben; denn Ich will das Land gar verwüsten“,) - ebenso haben sich auch alle andern verstockten und unbußfertigen Sünder gleiche Rechnung zu machen.

Da aber hingegen unbußfertigen Sündern Gnade und Leben zugesagt stehet, so wolle denn Gott uns und allen andern Sündern zu solcher Buße Seine Gnade reichlich verleihen - durch unsern HErrn Jesum Christum. Amen.

Siebenundvierzigste Woche.

B. des Proph. Dan. 9. Kap.

Der erste Theil dieses Kapitels ist ein ernstlich und schön Gebet, in welchem der Prophet bittet, daß Gott Seinen Zorn abwenden - und Seinem Volk aus dem Gefängniß zu Babel wieder heim in ihr Land helfen wolle. Nun stellet er aber das Gebet also:

Auf's erste bekennet und erzählet er, mit welch schweren Sünden Sein Volk jene Strafe verdienet habe. Denn solche Erkenntniß und solches Bekenntniß der Sünden will Gott haben; wie es darum auch dorten Jerem. am 3. heißet: „Allein erkenne deine Missethat, daß du wider den HErrn, deinen Gott, gesündiget hast,“ und Sprüchw. am 28: „Wer seine Missethat leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennet und lasset, der wird Barmherzigkeit erlangen.“

Darnach aber bittet der Prophet, Gott wolle solche Strafe gnädiglich wieder von ihnen abwenden - um Seiner Gerechtigkeit willen, das ist darum, daß Er gnädig ist - und aus lauter Gnaden Sünden vergeben und gerecht machen will, - und um Seines Namens willen, das ist, auf daß Gottes Ehre, Name und Dienst unter den Heiden nicht verlösche.

Demnach sollen wir unser Gebet gleichfalls auf Gottes Barmherzigkeit, nicht aber auf unser Verdienst stellen, sondern unsere Sünden auch fein erkennen - und uns bessern.

Der andere Theil dieses Kapitels aber ist ein sehr tröstlich Exempel, wie Gott das Gebet, welches auf Seine Gnade gestellet ist - und unsere Unwürdigkeit bekennet, gnädiglich erhören und mehr geben wolle, denn wir bitten.

Daniel hatte nämlich nur gebeten, daß Gott Seines Volks Israel Gefängnis wenden wolle. Gott aber offenbaret ihm den großen Schatz, wie lange noch dahin sey, daß Christus geboren werden - und in Sein Amt treten solle, wie jedoch Sein Volk Ihn nicht annehmen, sondern tödten werde.

Da diese siebenzig Wochen (verstehe: Wochen nicht von sieben Tagen, sondern von sieben Jahren), man mag sie nun zählen, wie und von wo an man wolle, schon längst verflossen sind, so ist das auch ein starker Beweis der Wahrheit unseres christlichen Glaubens wider die Juden, daß nämlich der verheißene Messias schon längst gekommen sey, und zwar in der Person unseres HErrn Jesu, von dem solches auch sonst noch so viele andere prophetische Weissagungen klar ausweisen, - und daß alles Warten der Juden, Er werde erst noch kommen, nur vergeblich sey.

Was nun aber durch diesen unsern HErrn Jesum Christum geschehen solle, das malet auch der Prophet in diesem Kapitel mit herrlichen Worten, nämlich daß Er durch Sein Leiden und Sterben dem Uebertreten wehren, die Sünde zusiegeln, die Missethat versöhnen - und die ewige Gerechtigkeit bringen werde.

Und das hat denn unser HErr Jesus Christus durch Sein Sterben in der That glücklich ausgerichtet; daher auch, wie dorten Apostelgesch. am 10. stehet, „alle andern Propheten von Ihm zeugen, daß in Seinem Namen alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden empfahen sollen.“

Darum wollte Gott, es hätten auch die Juden an Ihn geglaubet! Aber weil sie Ihn und Seine Wohlthaten nicht annehmen wollen, so sind sie in der Weise, wie ihnen Daniel in diesem Kapitel prophezeiet, verstöret worden, daß sie nun schon mehr, als anderthalb tausend Jahre, mit all ihrer Herrlichkeit, Königreich, Priesterthum, Tempel, Gesetz und Opfer, und mit all ihrem Thun über einen Haufen liegen - und keine Besserung zu hoffen haben. Denn es heißet im letzten Vers unseres Kapitels, es sey beschlossen, daß solche über sie ergangene Verwüstung bis an's Ende (verstehe: bis an's Ende der Welt) über sie triefen bleiben solle.

Gott erleuchte demnach die noch heutzutage lebenden Juden, daß sie doch einmal anfangen mögen, ihren und ihrer Voreltern Irrthum zu erkennen - und an unsern HErrn Jesum auch glauben zu lernen! Denn obwohl Er ein von den Bauleuten, ihren Vorfahren, verworfener Stein ist, so ist Er doch in der That der einige köstliche Eckstein des Heils, außer welchem sonst in keinem andern Heil, und kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darinnen wir könnten selig werden (Apostelgesch. 4).

Uns aber erhalte und stärke Er in Seiner Erkenntniß - und gebe uns auch Daniels Bußfertigkeit, so werden durch Ihn auch unsere Sünden zugesiegelt - und unsere Missethaten versöhnet werden, und auch wir werden an Ihm haben ewige Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Ihm sey dafür sammt dem Vater und dem heiligen Geist Lob, Preis und Ehre in Ewigkeit! Amen.

Achtundvierzigste Woche.

B. des Proph. Hos 11. Kap.

Hier ist eine schöne Predigt, in welcher Gott auf's erste erzählet, wie Er aus Gnaden Sein Volk aus Egypten erlöset - und in ein besser Land gebracht habe, da ihnen nichts gemangelt, und wie Er sie, obwohl Er von ihnen dafür begehret, daß sie Ihm dienen sollten, doch nicht etwa mit allzu hartem Dienst beschweret, sondern „Ich ließ sie ein menschlich Joch ziehen“, spricht Er, „und sie in Seilen der Liebe gehen - und half ihnen das Joch an ihrem Halse tragen.“

Denn ohne Hilfe und Beistand Seiner Gnade können wir Menschen solches Sein Joch nicht tragen, das heißt, nach Seinen Geboten nicht leben, dieweil alles Dichten und Trachten unseres Herzens seit dem leidigen Fall des menschlichen Geschlechts zu nichts anderm, als nur zu lauter Bösem geneigt, zu allem Guten aber so todt und erstorben ist, daß wir von uns selber, als von uns selber, nicht tüchtig sind, dessen etwas nur zu denken, viel weniger zu vollbringen.

Drum kann und will sich denn unser Hals unter des HErrn Joch nicht beugen, sondern möchte solches Joch nur immer gern von sich abschütteln - und seines eigenen Gefallens leben; wie deßwegen auch dorten im 2. Kap. des Proph. Jerem. von dem Volk Israel stehet: „Du hast immerdar dein Joch zerbrochen - und deine Bande zerrissen - und gesagt: Ich will nicht so unterworfen seyn.“

Soll es aber anders bei uns gehen, und Sein Joch von uns gebührend getragen, das heißt, Seinen heiligen Geboten, wie Er, der HErr, es haben will, von uns nachgelebet werden, so muß Er uns solch Joch allerdings selber tragen helfen - und durch Seine Gnade bei und in uns beide das Wollen und das Vollbringen dazu schaffen.

Und an solcher Seiner Hilfe,' sagt der HErr in unserem Kapitel, habe Er es demnach auch den damaligen Israeliten nicht fehlen lassen, klaget aber dabei, daß Er dessenungeachtet wenig Gehorsam bei ihnen finde, sondern sehen müsse, daß sie, anstatt Ihm, dem HErrn, zu dienen, sich von Ihm wenden - und hingegen den Baalim opfern - und den heidnischen Götzenbildern räuchern, und das mit solcher Hartnäckigkeit und Verstocktheit, daß dawider kein Predigen, kein Warnen und Vermahnen, bei ihnen helfen wolle. Denn, spricht Er, „Mein Volk ist müde, sich zu Mir zu kehren, und wie man ihnen prediget, so richtet sich (doch) keiner auf.“

Dafür, sagt Er weiter, hätte Er zwar schon längst das Recht gehabt, mit ihnen umzugehen, wie mit Adama und Zeboim, über die Er vorzeiten, gleichwie auch über Sodom und Gomorra, Feuer und Schwefel vom Himmel hatte regnen lassen. Allein Er bezeuget anbei, wie Ihn Seine Barmherzigkeit bisher noch immer davon abgehalten habe. Denn Er spricht: „Aber Mein Herz ist anderes Sinnes; Meine Barmherzigkeit ist zu brünstig, daß Ich nicht thun will nach Meinem grimmigen Zorn - noch Mich kehren, Ephraim gar zu verderben; denn ich bin Gott - und nicht ein Mensch.“

Damit nun will Er sagen, Menschen seyen zwar so geartet, daß sie wider diejenigen, die ihnen Leids thun, im Zorn geschwind zufahren - und solchen ihren Zorn auch nie wieder versöhnen lassen wollen; aber Er, der HErr, nicht also, sondern Er sey hingegen desto langsamer zum Zorn und desto versöhnlicher. Daher wenn wir Menschen wider Ihn sündigen, so setze es darüber zwischen Seiner Barmherzigkeit und zwischen Seiner Gerechtigkeit gleichsam einen Wettstreit. Denn Seine Gerechtigkeit wolle haben, es solle den Sündern stracks ergehen, wie Adama und Zeboim; aber dagegen stehe Seine Barmherzigkeit und sage: Er solle nicht thun nach Seinem grimmigen Zorn, das heißt, mit den armen Menschen nicht handeln nach ihren Sünden - und ihnen nicht vergelten nach ihrer Missethat. Und in diesem Streit behalte die Barmherzigkeit lange die Oberhand, bis sie endlich durch gar zu lange Unbußfertigkeit der Sünder des Erbarmens müde gemacht werde, und Er, der HErr, sodann Seiner Gerechtigkeit ihren Lauf lassen müsse.

Dieses letztere erfuhren daher auch die Israeliten, als an denen, wie ungern auch Gott den HErrn Seine Barmherzigkeit daran kommen ließ, wegen ihrer Unbußfertigkeit endlich doch noch wahr wurde, was in unserem Kapitel stehet, daß das Schwert über ihre Städte kam - und ihre Riegel aufrieb - und ihre Inwohner fraß.

Wie aber dies den Unbußfertigen unter ihnen widerfährt, also verheißet hingegen der HErr den Bußfertigen, welche Ihm nachfolgen würden, die Barmherzigkeit, daß Er ihnen zu Seiner Zeit Christum, den Löwen vom Stamm Juda, senden wolle, der durch Sein Brüllen auch die Heiden wie die Vögel erschrecken, das ist, durch die gewaltige Stimme Seines Evangelii neben ihnen, den Israeliten, auch solche Heiden zu Seinem Reich berufen würde.

Wenn nämlich das Evangelium erschallet - und die Herzen recht trifft, da fähret man, wo zuvor jedermann still gesessen - und sich fromm hat dünken lassen, auf, wie die geschreckten Vögel, läßt alles liegen und stehen, was man vorher für heilig und gut gehalten hat, und ergiebt sich Christo und Seinem Verdienst; denn da weiß sich jedermann vor Sünden und dem Tode sicher. Demselben sey deßwegen - sammt dem Vater und dem heiligen Geist - Preis und Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Neunundvierzigste Woche.

B. des Proph. Joel 2, Kap.

Der erste Theil dieses Kapitels ist eine Weissagung von dem König zu Babel - und einesteils eine Beschreibung, wie gräulich er das Land Israel verwüsten werde. Denn es heißet, vorher sey das Land wie ein schöner Lustgarten gewesen, aber hernach werde es im Gegentheil wie eine wüste Einöde seyn. Und darum wird auch die Zeit, da solches geschehen werde, ein finstrer Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag, ein nebliger Tag genennet.

Damit nun hierinnen die damaligen Israeliten dem Propheten desto mehr glauben möchten, so gibt er anderntheils auch eine Beschreibung der entsetzlichen Macht, mit welcher der König von Babel werde angezogen kommen, und saget, daß dieselbe nicht etwa nur allein kommen werde, sondern daß der HErr auch Seinen Donner vor solchem Heer des Königs zu Babel hergehen lassen - und demselben also wider die Israeliten streiten helfen wolle, woferne sie dem nicht noch bei Zeiten zuvorkämen durch wahre und rechtschaffene Buße.

Darum vermahnet er sie aber auch zu solcher Buße - und machet davon den andern Theil dieses Kapitels - und heißet sie in solcher Buße fein alle mit einander, Jung und Alt, Groß und Klein, Priester und Volk, sich vereinigen - und dieselbe nicht etwa nur im äußerlichen Schein bestehen zu lassen, sondern „zerreißet eure Herzen,“ spricht er, „und nicht (nur) eure Kleider.“ Unter solchem Zerreißen der Herzen verstehet er schmerzliche Reue und Leid über die begangenen Sünden, und daß demnach die Israeliten in denselben nicht noch länger fortfahren, sondern davon ablassen - und sich von denselben von ganzem Herzen bekehren sollen.

Es haben nämlich alle Sünder wohl Ursache, sich ihre Sünden also reuen und leid seyn zu lassen - und ihr Herz über dieselben zu zerreißen, auch dann, wenn sie keine Strafe für dieselben zu befürchten und zu gewarten haben, sondern nur bedenken, wie heftig sie Gott den Herrn durch dieselben beleidiget, und was für böses sie Ihm für alle die vielen Wohlthaten, welche sie Ihm verdanken, durch ihre Sünden vergolten haben.

Nun aber auch das noch hinzukommt, daß Gott die Sünden keineswegs ungestraft lassen, sondern für dieselben, wenn nicht beizeiten Buße gethan wird, allerdings gar hart strafen will, und zwar in Zeit und Ewigkeit, - so will um deßwillen den Sündern noch desto mehr gebühren, ihre Herzen mit schmerzlicher Rene und Leid über ihre Sünden zu zerreißen, zumal da solche göttliche Traurigkeit eine so erfreuliche Wirkung nach sich ziehet. Denn „die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstet und zerschlagen Herz wirst Du, Gott, nicht verachten,“ saget David im 51. Psalm.

Daher vertröstet auch in unserm Kapitel der Prophet die damaligen Israeliten: Wenn Gott auch bei ihnen solche zerrissene, bußfertige Herzen sehen werde, die mit wahrer Reue und Leid gekränkt - und dabei durch den Glauben mit Seines Sohnes Blut besprengt sind, so werde Er ihrer verschonen - und sich der über sie beschlossenen Strafen wieder reuen lassen - und werde nicht nur den König zu Babel von ihnen abhalten - und ferne von ihnen treiben, sondern ihnen auch Getreide, Most und Oel die Fülle schicken, daß sie daran genug haben sollen.

Ja, zu solchen leiblichen Wohlthaten werde Er auch diese geistlichen hinzuthun, daß Er ihnen Lehrer der Gerechtigkeit geben - und ihnen einmal in der Fülle der Zeit als solch einen Lehrer der Gerechtigkeit sogar Christum, den gebenedeiten Weibessamen, senden werde, durch welchen die wunderbare Ausgießung des heiligen Geistes über alles Fleisch geschehen werde, die auch nachgehends geschehen ist an jenem großen Pfingsttag, und von welcher Petrus am selben Tag den Juden zu Jerusalem predigte, daß dadurch die in unserem Kapitel enthaltene Weissagung Joels erfüllet worden sey (Apostelgesch. 2).

Das aber solle des heiligen Geistes Werk seyn, daß Er die Herzen mit gewisser Zuversicht auf Gottes Gnade durch Christum erfüllen und durch solche Zuversicht zum Beten entzünden werde. Und wer also beten werde, der solle auch gewißlich errettet werden. Solche Gabe aber, sagt der Prophet, werde in der ganzen Welt unter alle Heiden kommen; und wer jene Gnade und Gabe nicht annehmen wolle, der müsse darüber zu scheitern gehen, und da solle keine Macht noch Vermögen helfen.

Damit solches nicht auch über uns komme, so lehre Er, der HErr, uns thun nach Seinem Wohlgefallen, und Sein heiliger, guter Geist führe uns auf ebener Bahn - um unsers HErrn Jesu Christi willen. Amen.

Fünfzigste Woche.

B. des Proph. Amos 4. Kap,

In diesem Kapitel klaget Gott der Herr einestheils über die Gewaltthätigkeit, Ungerechtigkeit und Schinderei, welche die damaligen Großen in Israel gegen die Armen und Geringen verübten, indem sie dieselben, wie man zu sagen pfleget, bis auf das Mark aussaugeten, um sich hingegen selbst zu mästen und fett zu machen und, was sie dem armen gemeinen Mann abpreßten, hernach mit Fressen und Saufen - und mit ihren Wollüsten durchzubringen.

Wenn nämlich Regenten und ihre Amtleute solchen Lastern ergeben sind, alsdann gehet es allerdings über die Armen und Geringen her, und es müssen diese die Haare dazu lassen. Es ist aber eine schreckliche Sünde vor Gott, wenn man die von Ihm über andere gegebene Gewalt also mißbrauchet - und, anstatt die Armen und Geringen bei dem Ihrigen so zu schützen, wie Regenten und Obrigkeiten kraft ihres Amtes thun sollten, sie selber um all ihr Bißlein bringt - und das hernach nicht zum Besten des Landes und der Leute, sondern zur Pracht und Schwelgerei mißbraucht.

Daher heißet es auch dorten im 6. Kap. des B. der Weish. gegen solche Regenten und Obrigkeiten also: „Euch ist die Obrigkeit gegeben vom HErrn - und die Gewalt vom Höchsten, welcher wird fragen, wie ihr handelt, und forschen, was ihr ordnet; denn ihr seyd Seines Reichs Amtleute. Aber ihr führet euer Amt nicht fein - und haltet kein Recht - und thut nicht nach dem, das der HErr geordnet hat. Er wird gar gräulich und kurz über euch kommen, und es wird gar ein scharf Gericht gehen über die Oberherren.“

Das schwöret der HErr darum in unserem Kapitel bei Seiner Heiligkeit auch den damaligen Gewaltigen in Israel, zumal weil sie zu gedachter Sünde auch noch Abgötterei und heidnischen Götzendienst hinzuthaten, und das Volk ihnen in diesem Stück wacker nachsündigte.

Denn darüber klaget der HErr in unserm Kapitel anderntheils auch noch - und meldet anbei, wie Er sie um solcher und anderer ihrer Sünden willen bisher schon auf so mancherlei Weise gestraft habe, mit dürrer Zeit und schädlichem Ungeziefer - und mit daher entstandener Theurung und Hungersnoth, wie auch mit Pestilenz, Krieg und Blutvergießen. Ja, spricht Er, „Ich kehrete etliche unter euch um, wie Gott Sodom und Gomorra umkehrete, daß ihr (übrigen) waret wie ein Brand, der aus dem Feuer gerissen wird.“

Wie nun aber der HErr durch solche Züchtigungen und Strafen die damaligen Israeliten zur Buße zu treiben suchte, so hätte diese demnach von ihnen auch fein geschehen sollen. Aber, muß der HErr in unserem Kapitel weiter sagen, „noch bekehretet ihr euch nicht zu Mir.“

Und solcher verstockter Sünder gibt es leider noch gar viel andere, die, wenn es gleich Gott gegen sie mit mancherlei Strafen versucht, auf dieselben doch auch nichts geben, sondern es mit ihren Sünden nur immer je länger je ärger fortmachen.

Aber d i e mögen auch gewärtig seyn, was in unserm Kapitel den Israeliten dafür gedroht wird, nämlich: Weil sie von ihren Sünden nicht ablassen wollen, so wolle Gott auch von Seinen Strafen nicht ablassen, sondern ihnen noch weiter thun, wie Er ihnen bisher gethan habe. Wollten sie aber haben, setzt Er hinzu, daß Er mit Seinen Strafen aufhören solle, so sollten sie auch erst fein aufhören zu sündigen - und zu solchem Ende bedenken, was für ein großer, starker und mächtiger Gott Er sey, als der die Berge mache und den Wind schaffe. Weil sie sich bei so gestalten Sachen Seiner Strafen nicht erwehren könnten, so sollten sie Ihm denn lieber mit Buße begegnen; denn das sey das beste und einige Mittel, Seinen Zorn zu stillen - und Seiner Strafe ein Ende zu machen.

Er gebe denn auch uns solche bußfertige Herzen - um unsers HErrn Jesu Christi willen. Amen.

Einundfünfzigste Woche.

B. des Proph. Jona 3. Kap.

Dies ist ein herrlich Exempel, in welchem wir einesteils sehen, was wahre und rechtschaffene Buße sey, anderntheils, was sie wirke.

Was sie sey, sehen wir, nämlich daß wir nach dem Exempel der Niniviten Gottes Warnung und Drohen glauben, die Sünde erkennen - und unser Leben bessern sollen - und dabei zu Gott das Vertrauen haben, Er werde sodann aus Barmherzigkeit die Sünden vergeben und die verdiente Strafe gnädig abwenden.

So thaten die Niniviten auch. Da zu denen der Prophet Jonas kam - und ihnen predigte, es seyen noch vierzig Tage, so werde ihre Stadt untergehen, so machten sie es nicht, wie es wohl manche andere gemacht haben würden, wenn sie an ihrer Stelle gewesen wären, daß sie nämlich gedacht haben sollten: Wer weiß, was für ein Träumer das ist, und wo er herkommt; wir wollen uns demnach an seine Predigt nicht kehren, sondern ihm den Weg weisen. Nein, sondern weil sie sich in ihrem Gewissen der ihnen von Jona angekündigten Strafen schuldig wußten, so glaubten sie seiner Predigt - und thaten darauf solche allgemeine, ernstliche Buße, wie dies Kapitel saget, von dem König und seinen Gewaltigen an bis auf das Volk.

So muß man sich nämlich mit Buße vereinigen, und es müssen die Hohen und Gewaltigen nicht denken, solches Bußethun sey ein Werk, das nur für geringere Leute und für den gemeinen Mann gehöre, sondern sie sollen dem Volk darin mit einem guten Exempel vorgehen, weil sie das Maß der Sünden, durch welche Gottes Zorn über Stadt und Land gezogen wird, auch wacker voll machen helfen.

Wenn nun aber solche vereinigte Buße von Großen und Kleinen, Hohen und Niedrigen, Regenten und Volk geschiehet, so gibt uns dies Kapitel auch zu sehen, was dieselbe sodann bei Gott ausrichte.

Es Hoffeten nämlich die Niniviten: Wer weiß, Gott möchte Sich das uns gedrohete Uebel reuen lassen - und Sich wenden von Seinem grimmigen Zorn, daß wir nicht verderben. Solche ihre Hoffnung wurde auch erfüllet. Denn es heißet: „Da aber Gott sahe ihre Werke, daß sie sich bekehreten von ihrem bösen Wege, reuete Ihn des Nebels, das Er geredet hatte, ihnen zu thun, und that's nicht“. Solches verdroß nun zwar den Propheten Jonas, wie in seinem folgenden 4. Kap. zu lesen ist, gar sehr, also daß er deßwegen zu Gott dem HErrn sagte: „Ach, HErr, das ist's, das ich sagte, da ich noch in meinem Lande war; darum ich auch wollte zuvorkommen, zu fliehen aufs Meer; denn ich weiß, daß Du gnädig, barmherzig, langmüthig und von großer Güte bist - und West Dich des Uebels gereuen. So nimm doch nun, HErr, meine Seele von mir; denn ich wollte lieber todt seyn, denn leben.“ Aber Gott ließ Sich dadurch in Seiner Erbarmung über die Niniviten doch nicht irre machen, sondern ließ einen Kürbis wachsen, der dem Jonas Schatten gab wider die Sonnenhitze, und verschaffte hernach einen Wurm, der stach den Kürbis, daß er verdorrete - und mithin dem Jonas nicht länger Schatten geben konnte. Da nun hierüber Jonas so unmuthig wurde, daß er sich den Tod abermal wünschete, so sprach der HErr zu ihm: „Dich jammert des Kürbis, daran du nicht gearbeitet hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, welcher in einer Nacht ward - und in einer Nacht verdarb; und Mich sollte nicht jammern Ninive, solcher großen Stadt, in welcher sind mehr, denn 120000 Menschen, die nicht wissen Unterschied, was rechts oder links ist, dazu auch viel Thiere?“

Daraus haben nun aber auch alle andern bußfertigen Sünder zu schließen, wessen sie sich, wenn sie gleiche ernstliche Buße thun, wie die Niniviten, zu jener göttlichen Barmherzigkeit zu versehen haben, und wie Sich Gott für solche Buße des über sie beschlossenen Nebels werde gereuen lassen. Den Unbußfertigen hingegen, zumal wenn sie wissen, was für Bußpredigten auch unser HErr Jesus ihnen und andern Sündern in Seinem Wort gethan, und doch auf dieselben nichts geben wollen, denen wird es gehen, wie Er, der HErr Jesus, dorten selber sagt im 12. Kap. des Ev. Matth.: „Die Leute von Ninive werden (einmal) auftreten am jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht - und werden es verdammen; denn sie thaten Buße nach der Predigt Jonas. Und siehe, hie ist mehr, denn Jonas.“

Vor solcher Unbußfertigkeit aber wolle uns Gott in Gnaden bewahren - um solches unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi willen. Amen.

Zweiundfünfzigste Woche.

B. des Proph. Micha 6. Kap.

Wenn der Prophet von Gott dem HErrn in diesem Kapitel geheißen wird, sowohl die Berge zu schelten, als auch die Hügel Seine Stimme hören zu lassen, so werden mit den Bergen die Großen und Gewaltigen unter dem damaligen Israel, mit den Hügeln aber die Geringeren gemeinet. Es will also der HErr sagen, der Prophet solle nicht nur wider den gemeinen Mann predigen - und nicht nur dessen Sünden strafen, sondern solle auch wider der Großen Sünden eifern.

Was aber der Prophet Micha sowohl Großen als Kleinen unter seinem Volk dazumal predigen sollte, das war dieses. Er sollte ihnen vorerst vorhalten und zu Gemüth führen, was doch der HErr, ihr Gott, ihnen gethan, und womit Er sie beleidiget, und ob Er ihnen nicht vielmehr je und je alles Gute erzeiget habe? warum sie Ihm denn nun für alle solche Seine Wohlthaten von ihrer Seite so viel Böses vergälten - und mit ihren Sünden, die dazumal unter ihnen im Schwange gingen, Ihn so heftig beleidigten?

Und allerdings hatten die Israeliten nicht Ursache, sich gegen den HErrn also zu bezeigen; wie denn auch kein anderer Sünder dessen jemals rechtmäßige Ursache haben kann. Denn der Wohlthaten Gottes sind auch gegen alle andern Menschen so unzählig viele, daß er demnach zu einem jedweden unter uns wohl sagen kann: „Was Hab Ich doch auch dir, o Mensch, ja, was Hab Ich doch auch dir gethan? und womit habe Ich doch auch dich beleidiget?“

Dafür aber sollten wir Ihn ja billig von ganzem Herzen lieben - und Ihm dankbar seyn, ferne aber von uns seyn lassen, daß wir Ihn so schwer mit Sünden beleidigen sollten, da Er uns doch so wenig zu Leid thut.

Allein - mußte Er Sich mit solchem Undank weiland von den Israeliten für alles Gute, das Er ihnen gethan hatte, gelohnet sehen, - so wird Ihm leider auch von den meisten andern Menschen für Seine ihnen erzeigten Wohlthaten nicht besser gedanket.

Es ist aber aus unserm Kapitel zu sehen, wie wehe dieses Gott thut, und wie Er dafür strafen wolle, wenn man nicht Buße thut - und Ihn, den HErrn, dadurch beizeit wieder versöhnet.

Solche Buße aber uns auch zu lehren, muß der Prophet Micha dem damaligen Israel in diesem Kapitel anderntheils auch dies predigen, daß zu solcher Buße nicht genug sey, sich nur etwa mit äußerlichen, leiblichen Geberden vor Gott zu demüthigen - oder Ihm nur allerlei Opfer von Kälbern, Widdern und Oel zu bringen. Nein! Denn an dem allen habe Er, der HErr, wenn man es dabei allein bleiben lasse, keinen Gefallen, sollte man gleich dessen noch so viel machen, ja sollte Ihm gleich jemand nicht nur Vieh, sondern auch seine eigenen Kinder zum Opfer schlachten wollen.

Was hingegen gefället denn Ihm, dem HErrn, besser? „Siehe, es ist dir gesagt, Mensch,“ heißt es, „was gut ist, und was der HErr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten - und Liebe üben - und demüthig seyn vor deinem Gott.“ Würden nun die Israeliten das anfangen zu thun, alsdann läßt ihnen der HErr verheißen, daß Er sich mit ihnen wieder versöhnen - und ihnen wieder gnädig seyn wolle. Wofern sie hingegen in ihren Sünden noch länger fortfahren würden, unter denen sonderlich Wucher und Schinderei, Betrug und Uebervortheilung, falsche Wage und Gewicht namhaft gemacht werden, so mußte ihnen der Prophet drohen, daß der HErr in solchem Fall anfangen wolle, sie zu plagen - und sie um ihrer Sünden willen gänzlich wüste zu machen, daß sie also ihres mit Unrecht zusammengescharrten Gutes wenig froh werden sollen. Und dawider sollen ihnen alle ihre Opfer und Brandopfer nichts helfen - und solche Strafen nicht hintertreiben - noch von ihnen abwenden können. Damit ist aber auch uns gesagt, daß wir unsere Buße, wenn wir Gott wieder versöhnen wollen, nicht nur in allerlei leiblichen und äußerlichen Uebungen bestehen lassen, sondern vor allem auch fein Gottes Wort halten, Liebe üben - und vor Ihm, dem HErrn, demüthig seyn sollen; wozu Er uns demnach auch Seines heiligen Geistes Gnade verleihen wolle - um des rechten Versöhnopfers für unsere und der ganzen Welt Sünde, unseres HErrn Jesu Christi, willen. Amen.

Dreiundfünfzigste Woche.

B. des Proph. Sach. 1. Kap.

In dem ersten Theil dieses Kapitels stehet eine ernstliche Predigt, darinnen Gott der HErr die Juden, welche aus der babylonischen Gefangenschaft und Dienstbarkeit wieder in das gelobte Land zurückgekommen waren, zur wahren Buße vermahnet und warnet, daß sie nicht, wie ihre Väter, Seinem Wort und Willen ungehorsam seyn sollen, in der Erwägung, was für schwere Gerichte dieselben wegen ihrer Verstockung und Halsstarrigkeit auf sich geladen.

Darauf folgen in dem andern Theil zwei bedenkliche Gesichte.

Das erste mit dem Mann auf dem rothen Pferde und seinen Gesellen, welche auf des Engels Anfrage antworten und sagen, sie seyen durch's Land gezogen, und alle Länder sitzen stille, dies Gesicht zeiget an, daß damals auf der Welt im Regiment alles friedlich und stille gewesen. Da nimmt denn der Engel Gelegenheit, bei Gott dem HErrn eine bewegliche Fürbitte einzulegen, daß Er Sich doch auch des jüdischen Volkes, welches die siebenzig Jahre her Seinen Zorn schwer genug empfunden, einmal erbarmen - und der Stadt Jerusalem nebst den Städten Juda wieder aufhelfen wolle.

Es sind aber, wie der Text selber sagt, gar freundliche und tröstliche Worte gewesen, welche Gott der HErr dem Engel zur Antwort ertheilet, und nach deren Inhalt Gott zwar sehr erzürnet gewesen und geeifert habe über Jerusalem und Juda; die stolzen Heiden oder Feinde der Juden aber, nämlich die Assyrier und Babylonier, hatten die göttliche Zulassung mißbraucht - und, wofern es ihnen nur möglich gewesen wäre, das jüdische Volk gerne ganz und gar verderben oder ausrotten wollen. Dagegen verspricht Gott der HErr, Er wolle Sich von nun an, wenn sich nämlich das Volk in wahrer Buße demüthige, auch wieder zu ihnen kehren mit Barmherzigkeit, daß trotz der Feinde Jerusalem und der Tempel sollen gebauet werden können.

Hieraus stehet man, wie Gott sehr ungern daran komme, wenn Er die Menschen züchtigen und strafen soll, und wie gern Er Sich derselben wieder erbarme und Seinen Zorn schwinden lasse, wenn man seine Schuld und Sünde erkenne - und davon ablasse. Da will es Gott Seinen Städten wieder wohl gehen lassen; Er will Zion wieder trösten - und Jerusalem wieder errichten, das ist, den Menschen alles Gute thun im Leiblichen und Geistlichen.

Was die vier Hörner und die vier Schmiede anbetrifft, welche dem Propheten Sacharja in dem folgenden Gesicht gezeigt werden, so erkläret Gott selber, daß durch jene, die Hörner, diejenigen Völker bedeutet werden, welche Juda sammt Israel und Jerusalem zerstreuet haben; wie denn in der heiligen Schrift Stärke, Macht und Gewalt, der man schwerlich widerstehen kann, öfters mit einem oder mehr Hörnern verglichen wird. Die Schmiede hingegen sind hier die Mittel, deren Sich Gott bedient, um die Hörner abzustoßen, das ist, mächtige und gewaltige Völker zu demüthigen, daß sie andere in Ruhe lassen müssen - und nicht mehr, wie vorhin, plagen dürfen.

Daher soll man wiederum verstehen lernen, es sey uns nichts besser, als daß wir uns an Gott und Sein Wort halten, so müssen hernach unsere Feinde zurückgetrieben, und ihr Hochmuth gedämpfet werden.

Gott bekehre uns allesammt - und weiche mit Seiner Gnade nicht von uns um unserer Sünden willen. Er gebe und erhalte Fried in unserm Land, Glück und Heil zu allem Stand. Amen.

Vierundfünfzigste Woche.

Ev. St. Matth. 3. Kap.

Dieses Kapitel handelt erstlich von der großen Wohlthat, welche Gott der HErr dem jüdischen Voll erzeiget, da Er den eifrigen Bußprediger Johannes gesendet, daß durch seine weit und breit erschollene Bußstimme die Menschen, so in großer Menge sich einfanden, um ihn zu hören - und von ihm sich taufen zu lassen, aus dem tiefen Schlaf der bisherigen Sicherheit erwecket - und tüchtig gemachet würden, dem ankommenden Heiland der Welt den Weg zu bereiten, das ist, Ihn mit Demuth und Bußfertigkeit für den, der Er war, im Glauben anzusehen - und zu empfangen.

Gleichwie nun des Johannes Predigtamt an vielen gesegnet gewesen, so daß eine große Anzahl ihre Sünden bekannten - und durch den Empfang der heiligen Taufe der Vergebung derselben versichert wurden, - ebenso meldet der Evangelist Matthäus, mit was für Freudigkeit und unerschrockenem Muth Johannes den Pharisäern und Sadducäern begegnet, welche Heuchler waren - und sowohl ihm, als Christo selber sich am meisten widersetzten.

Er stehet es nämlich als etwas gar schweres an, daß sie von Herzen bekehret werden - und dem zukünftigen Zorn entrinnen sollten, und ermahnet sie demnach, rechtschaffene Früchte der Buße zu bringen, das ist, eine ungeheuchelte Lebensänderung und Besserung zu beweisen. Er stellet ihnen sodann vor, daß sie sich der fleischlichen Herkunft von Abraham vergeblich rühmen, solange sie nicht als Kinder Gottes und im Glauben Abrahams leben. Er verkündiget ihnen endlich, wie die Art schon dem Baum an die Wurzel gelegt, oder Gottes Strafgericht bereits im Anzug sey, und welcher Menschenbaum nicht gute Glaubens- und Lebensfrüchte bringe, der werde in's Feuer geworfen, das ist, ewiglich verdammt werden.

Weil es aber das vornehmste Werk eines evangelischen Predigers ist, auf Jesum Christum zu weisen, so erhebet Johannes die Hoheit und Würde dessen, der nach ihm kommen - und der Juden viele, welche nämlich Seine Jünger seyn und werden sollten, mit dem heiligen Geist und Feuer taufen werde; wie denn solches am ersten Pfingstfest nach Christi Himmelfahrt erfolget, während hingegen den Ungläubigen aus diesem Volk ihre verdiente und angedrohete Strafe endlich doch zu Theil geworden ist.

So sehr indessen des Johannes Demuth zu bewundern ist, da er bekennet, er sey nicht genugsam oder würdig, Jesu die Schuhe nachzutragen, so große Ehre ist ihm hinwiederum damit widerfahren, daß der HErr Jesus zu ihm gekommen - und Sich von ihm, wie ein anderer gemeiner Jude, im Jordan hat taufen lassen, nicht als wenn Er solches Wassertaufen für Sich bedurft hätte, sondern um unsertwillen und zur Lehre, wie Er alle Gerechtigkeit zu erfüllen in dieser Welt erschienen sey. Denn Er hat die Beschneidung und die Taufe angenommen, dieweil Er der Juden und Heiden, der Beschnittenen und Unbeschnittenen Heiland seyn sollte.

Bei solcher Taufe hat sich ferner das sonderbare Wunder ereignet, daß die ganze heilige Dreieinigkeit ihre Gegenwart sichtbarlich und deutlich zu erkennen gegeben, - Gott der Vater durch die Stimme vom Himmel: „Dies ist Mein lieber Sohn, an welchem Ich Wohlgefallen habe,“ - Gott der Sohn, welcher eben die Taufe empfängt - und Sich in angenommener zarter Menschheit hier darstellet, - Gott der heilige Geist aber, der gleich als eine Taube herabfähret - und über Jesum kommt.

Daher haben sich die frommen Alten zum Beweis der hochwichtigen christlichen Lehre und des Artikels von den drei Personen in der Gottheit auf diese Taufgeschichte im Jordan bezogen, und der heilige Apostel Paulus hat in dem 3. Kap. seines Briefes an den Titus allen getauften Christen zum großen Trost angezeigt, daß auch bei ihrer Taufe Vater, Sohn und heiliger Geist gegenwärtig, mithin der Himmel offen sey.

Deßhalb sollen wir das heilige Sakrament mit großer Andacht und Ehrerbietung halten - und unsers mit Gott dem Dreieinigen geschlossenen Taufbundes zu unserer täglichen Bußerweckung und Lebenserneuerung beständig eingedenk seyn; wozu uns denn der dreieinige Gott selbst Kraft und Gnade verleihen wolle. Amen.

Fünfundfünfzigste Woche.

Ev. St. Matth. 5, Kap.

Dieses Kapitel begreift den ersten Theil der schönen Predigt, welche der Sohn Gottes, Christus Jesus, unser Heiland, Seinen Jüngern und dem übrigen Volk, das Ihm zuhörete, auf einem Berg gehalten, und darinnen Er als der vortrefflichste Schriftgelehrte, dem der heilige Geist ohne Maß beiwohnete, aus dem köstlich-guten Schatz Seines Herzens altes und neues vorgetragen, sonderlich die wahre inwendige Gestalt und Beschaffenheit Seines Gnadenreichs unter den Menschen, mithin den Kern des rechtschaffenen und thätigen Christenthums, überaus herrlich vorgestellt und abgebildet hat.

Er zeiget aber gleich im Anfang, da Er Seinen göttlichen Mund aufthut - und selig preiset die geistlich Armen, die Leidtragenden, die Sanftmüthigen, die nach der Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden, ferner die Barmherzigen und die reines Herzens sind, die Friedfertigen und die um Gerechtigkeit willen verfolget werden, wie es mit denjenigen, so zu Seinem Reich hier auf Erden gehören - und rechte Christen sind, viel anders stehe und aussehe, als die Welt und fleischliche Vernunft meinet, welche die Seligkeit oder das Wohlergehen eines Menschen in ganz andern Dingen suchet - und fromme Herzen, welche von der Welt Thorheit und Eitelkeit sich absondern, für die elendesten Creaturen anstehet. Dagegen zeiget hier unser Jesus, daß Seine wahren Nachfolger, in was für betrübte Zustände sie immer gerathen mögen, dennoch nicht allein hier schon in der That selige Leute sind vor Seinen Augen, sondern daß sie auch nach diesem Leben eine unaussprechliche Gnadenbelohnung und ewige Seligkeit im Himmel sollen zu gewarten haben.

Auf solche tröstliche Anzeige folget in diesem Kapitel ferner eine nachdrückliche Aufmunterung und Vermahnung, daß sich Seine Jünger, weil sie das Salz der Erde seyen, nicht dumm, das ist, nicht matt oder unkräftig finden lassen sollen in ihrem Ernst und Eifer, andern nützlich und erbaulich zu werden; und weil sie das Licht der Welt seyen, nachdem nämlich Gott durch das Evangelium sie erleuchtet - und das Licht Seiner Erkenntniß in ihnen angezündet, so sollen sie denn auch solches Licht vor den Leuten leuchten lassen, damit man ihre guten Werke sehe - und den Vater im Himmel preise, oder, was eben so viel ist, damit durch ihren exemplarischen Lebenswandel und durch den rechten Gebrauch der ihnen verliehenen Gnaden- und Geistesgaben immer eine Seele nach der andern gewonnen - und zu Gott bekehret werde.

Zunächst benimmt der HErr Jesus Seinen Jüngern den Gedanken, als wäre Er gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen, das ist, den Menschen ein freies, ungebundenes Leben zu gestatten, und dringet sodann auf das Bestreben nach einer bessern oder überschwänglichern, vollständigern, reichern, redlichern und aufrichtigem Gerechtigkeit des Glaubens und Lebens, von welcher die damaligen Vorsteher des jüdischen Volks gar sehr abgewichen waren - und den Sinn des Gesetzes Gottes gewaltig verfälschet hatten.

Vornehmlich lehret Christus aus dem fünften, sechsten und zweiten Gebot, daß zu deren Erfüllung vor Gott nicht genug sey, wenn man sich des groben Todtschlags, Ehebruchs und Meineids äußerlich enthalte - und denen, welche uns nicht beleidigen, auch nichts zu Leide thun, sondern es sey schon ein heftiger Zorn und Ingrimm, ein schnelles, unfreundliches Wort, eine feindselige, höhnische Geberdung eine schwere Sünde wider das fünfte Gebot, nach welchem man auch die Feinde lieben, ihnen für ihren Fluch den Segen geben, für ihren Haß Gutes erzeigen, ihre Beleidigung mit Beten für sie zu Gott erwidern - und ohne Aufschub mit ihnen sich versöhnen müsse. Ebenso verdiene man nach dem wahren Inhalt des sechsten Gebots schon darum in die Hölle geworfen zu werden, wenn man eine Person mit unkeuscher Begierde des Herzens betrachte; und nach dem zweiten Gebot müsse man sich auch des leichtsinnigen und fast für keine Sünde gehaltenen Schwörens enthalten.

Was nun der liebste Jesus in dem allen erinnert, sollen wir uns zu dieser unserer Zeit, da sich die Menschen so viele Freiheit nehmen - und aus den zornigen, unzüchtigen Gedanken, Worten und Geberden entweder gar keine oder keine große Sünde machen, gesagt seyn lassen - und mit Wehmuth erkennen, wie so gar sehr weit unser heutiges sogenanntes Christenthum von derjenigen Vorschrift und Abbildung entfernet sey, welche wir in diesem ersten Theil der Bergpredigt Christi antreffen.

Gott gebe uns Gnade, daß wir den ernstlichen Vorstellungen des Heilandes, weil wir noch auf dem Wege sind, Raum geben - und von Ihm ein anderes und besseres Christenthum, als leider insgemein geführet wird, erlernen, auch in der That beweisen mögen. Amen.

Sechsundfünfzigste Woche.

Ev. St, Matth. 6. Kap,

In diesem Kapitel, welches eine Fortsetzung der lehrreichen Bergpredigt in sich faßt, handelt der liebste Heiland von einigen der vornehmsten Uebungen des wahren Christenthums, nämlich vom Almosengeben, Beten und Fasten; in welchen Dingen sich dazumal unter den Juden viel Mißbrauch und Heuchelei eingeschlichen hatte, auf deren Abstellung hier der HErr Jesus dringet.

Was das Almosen anbetrifft, so befiehlt Er, daß man ohne Gepränge und ohne Absicht auf eiteln Ruhm vor den Leuten den Armen und Nothdürftigen gutes erzeigen - und die Gnadenvergeltung dafür allermeist nach diesem Leben bei Gott erwarten solle. Dies heißet Er gar bedenklich sich Schätze im Himmel sammeln, da sie weder Motten noch Rost fressen, und da die Diebe nicht nachgraben - noch stehlen.“

Die Welt hingegen will das noch immer nicht glauben, sondern lasset oft lieber ihren Reichthum die Motten und den Rost fressen - oder wohl gar von Dieben sich entwenden, als daß sie davon den dürftigen Gliedmaßen Jesu Christi - auf künftige Wiedervergeltung bei Gott - etwas mittheilen sollte; woraus man gewahr wird, wie der lebendige Glaube leider in so vielen Herzen erkaltet ist.

Das Gebet war weiland schon im alten Testament den Juden treulich befohlen, aber die rechte Art zu beten in den Tagen Jesu bei den wenigsten zu finden. Die Juden bildeten sich nämlich fast auf heidnische Weise ein, es wäre genug, wenn sie nur daheim und in ihren öffentlichen Betstunden mit dem Munde viele Worte macheten, mochte auch die Andacht und Beschaffenheit des Herzens noch so schlecht seyn. Darum lehret Christus, wie man recht und Gott wohlgefällig beten soll, indem Er an dem heiligen Vater unser ein kurzes, dabei aber vollkommenes Gebetsformular stellt, darinnen Er zeiget, um welche Dinge und in welcher Ordnung man beten solle, sonderlich aber vorstellt, wie die Unversöhnlichen, deren Herz mit Zorn, Haß und Feindschaft gegen ihren Nächsten erfüllet sey, keiner Erhörung ihres Gebets, folglich auch keines Nutzens ihrer Beicht und Communion-Andacht sich zu getrösten haben.

Das ist denn wieder eine wichtige Lection, welche zu treiben wir hoch vonnöthen haben bei diesen unsern Zeiten, da so wenig Liebe und Versöhnlichkeit, dagegen so viel Bitterkeit und Rachgier unter fälschlich so genannten Christen sich findet.

Wiewohl das Fasten außer den gewöhnlichen Fast- und Bettagen den Juden von Gott nicht befohlen war, (der hat vielmehr Jes. am 58. ein ganz anderes Fasten vorgeschrieben, welches in Enthaltung von allerlei bösen Gewohnheiten und sündlichen Lüsten bestehet, auch den Menschen antreibet, seinen Glauben durch die Liebe gegen den Nächsten thätig werden zu lassen,) - so war doch auch bei dem Fasten viel unordentliches Wesen unter den Juden aufgekommen, und es geschah alles nur zum Schein vor den Leuten, nicht aber zur Ehre Gottes - und etwa dazu, um sich für das Gebet und für die andern Stücke des Gottesdienstes desto geschickter zu machen.

Also verwirft zwar Christus das Fasten an sich selber keineswegs, zumal wenn darunter ein nüchtern mäßiges Leben verstanden wird. Vielmehr warnet Er anderswo, man solle sich hüten, daß das Herz nicht beschweret werde mit Fressen und Saufen. Jedoch will Er, daß das Fasten nicht geschehe zum Schein - und noch viel weniger in der Meinung, als ob man dadurch die Vergebung seiner Sünden erlangen - oder dafür büßen könne.

Der Christen Auge - oder, was ebenso viel ist, ihr Absehen und Gedanke, den sie bei den Werken der Gottseligkeit haben, muß einfältig und kein Schalk seyn, das ist, es muß Gott allein, dessen Gebot, Ehre und Verherrlichung, wie auch des Nächsten Besserung und Erbauung zum Endzweck vor sich haben.

Im letzten Theil des Kapitels handelt Christus von der den Kindern Gottes und Erben des Himmelreichs ganz unanständigen, auch unnöthigen Kümmerniß um das Zeitliche. An deren Statt sollen sie vielmehr auf Gott, ihren himmlischen Vater, der die Blumen und das Gras auf dem Felde kleidet, die Vögel aber unter dem Himmel ernähret, ihr beständiges Vertrauen stellen - und glauben: wenn sie am ersten trachten nach dem Reich Gottes - und nach Seiner Gerechtigkeit, ohne sich des Irdischen halber mit herznagender Sorge abzumatten, so werde ihnen das andere alles, wie eine kleine Zugabe, nicht vorenthalten, sondern an Speise, Trank und Kleidung so viel von Gott beschehret werden, als ihnen nöthig, nützlich und ersprießlich sey.

Nun - der HErr Jesus lasse uns in allen diesen Stücken Seiner getreuen Unterweisung folgen. Er segne unser Almosen, Er heilige unsere Gebetsandacht, Er führe uns zu einem nüchternen und mäßigen Leben - und stärke uns an Leib und Seele - um Seiner ewigen Liebe willen. Amen.

Siebenundfünfzigste Woche.

Ev. St. Matth. 7. Kap,

Auch in diesem Kapitel und dem darin enthaltenen dritten Theil der schönen Bergpredigt fährt Christus fort, zu zeigen, theils, was mit der gottgefälligen Gerechtigkeit übereinkomme oder dahin führe, theils, was derselben und folglich dem wahren Christenthum, als in welchem man allein die vor Gott gültige Gerechtigkeit findet und antrifft, entgegen stehe.

Die Selbsterkenntniß, da ein Mensch geistlich arm, sanftmüthig und demüthig ist - und sich weder vor Gott noch vor Menschen irgend einer Vollkommenheit anmaßet, ist ein nothwendiges Stück des wahren Christenthums - und gleich im Anfang von Christo unter den acht Seligkeiten gepriesen worden. Dawider aber streitet ohne allen Zweifel, wenn man lieber, ohne Beruf dazu zu haben, andere richten, ihre Splitter, das ist, ihre anklebenden Mängel und Schwachheiten weggethan - und nicht wissen will, daß man selber einen Balken im Auge, das heißt, namhafte Fehler und Gebrechen an sich habe.

Und das ist's denn, was der Heiland hier zuerst erinnert. Dabei aber stellet Er den Lehrern in der Kirche ihr Strafamt fest, vermöge dessen sie nach Anweisung des göttlichen Worts - und nach dem Exempel sowohl anderer treuer Lehrer alten und neuen Testaments, als auch Sein, des HErrn Jesu selbst - gegen alles böse und sündliche Wesen, das sie beobachten, geziemend eifern müssen. Er vermahnet sie nämlich, daß sie ihr Heiligthum, Wort und Sacrament, nicht den Hunden geben - noch ihre Perlen, die kostbaren Schätze des Evangelii, vor die Säue werfen, sondern sorgfältig und gewissenhaft als treue „Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse,“ wie sie von Paulo genennet werden 1. Cor. am 4., damit umgehen sollen.

Gleichwie nun aber Fleisch und Blut - oder der natürliche Mensch an dasjenige gar hart und ungern kommet, was doch der Befehl unsers Heilandes und die Rotwendigkeit des Gehorsams gegen Seine Worte erfordert und mit sich bringet, - so gibt der Heiland an dem lieben Gebet ein stattliches Mittel an die Hand, dadurch man die nöthige Kraft und Stärke, welche dem natürlichen Menschen nicht gegeben ist, erlangen könne und möge - bei Gott dem himmlischen Vater, welcher nicht nur ein väterliches Herz gegen Seine Kinder hat, daß Er uns alles Gute gerne geben will, sondern auch nach Seiner Allmacht und Allwissenheit geben kann.

Wiederum zeiget Christus, daß Er in dem Verhalten gegen unsern Nebenmenschen nicht mehr begehre, als wir selber wünschen, daß uns von demselben widerfahren möge; das sey, soviel die Liebes- und Lebenspflichten eines Menschen gegen den andern betrifft, das Gesetz und die Propheten.

Es vermahnet auch Christus die Seinigen ernstlich, daß sie sich nicht daran stoßen, wenn die Pforte eng, und der Weg schmal sey, der zum Leben führet; denn zum wahren Christenthum wird ein Kämpfen und Ringen erfordert, und daher finden und betreten so wenige den schmalen Weg. Hingegen sey die Pforte weit, und der Weg breit, der zur Verdammniß abführet; das ist, bei der Welt und ihrem Haufen sey Fleisch und Blut besser daran, auch mehr Lust und Bequemlichkeit dieses Lebens zu finden; weßwegen auch viel sind, die darauf wandeln.

Desto größer soll nun aber der Eifer bei uns seyn, und desto mehr sollen wir, wie die Schrift anderswo redet, mit Furcht und Zittern schaffen, daß wir selig werden. Denn der Welt Freude hat ein Ende, und darauf folget ewige Verdammniß, woselbst niemandem das etwas helfen wird, daß er viele neben sich darin findet. Und das Leiden des Christen nimmt auch ein Ende; aber eine ewige Freude und Seligkeit wird darauf folgen, da uns nichts schaden wird, obschon nur wenige neben uns dazu eingegangen sind.

Sonderlich soll uns die getreue Warnung des Sohnes Gottes vor den falschen Propheten, das ist, vor allem dem, was uns von den heilsamen Worten des HErrn Jesu Christi - und von der Lehre der Gottseligkeit auf etwas anderes, auf irrige Lehre, auf gottloses oder heuchlerisches Leben, führen will, immerdar vor Augen schweben. Auch sollen wir uns in unserm Leben nach solcher Warnung richten. Denn das „HErr, HErr! sagen“ wird es dermaleinst, wie unser Jesus bezeuget, nicht ausmachen. Was der Mund bekennet, das muß das Herz glauben, und der Baum an seinen Früchten erkannt werden.

Dieses alles ist nun eine ewige und göttliche Wahrheit, die uns das ewige Wort des Vaters in dieser Bergpredigt vorgetragen. Wer darauf seinen Glauben und sein Leben baut, der ist ein weiser Baumeister, und sein Bau stehet auf einen Fels gegründet. Wer aber, obgleich er diese Rede Jesu höret, dieselbe nicht thut - und sich in seiner Sicherheit auf weiß nicht was verläßt, der ist ein thörichter Mann - und bauet auf den Sand, der kann in der Anfechtung wider den Teufel und den Tod nicht aushalten, sondern muß fallen und verloren werden.

Der barmherzige Gott regiere uns alle mit Seinem heiligen Geist, daß wir erleuchtete und rechtschaffene Jünger und Nachfolger Jesu Christi seyn - und bei diesem Seinem Lebenswort bis an unser seliges Ende erhalten werden mögen. Amen.

Achtundfünfzigste Woche.

Ev. St. Matth. 9. Kap.

Dieses Kapitel zeiget an, wie der Herr Jesus im neuen Testament angefangen habe, Arbeiter in Seine Erndte zu senden, nämlich die zwölf Apostel, deren Namen hier erzählet werden, und welche nach des Heilands Befehl den verlornen Schafen vom Haus Israel, das ist, dem in Irrthum und Blindheit verfallenen Judenvolk das Himmelreich - oder das Evangelium von der Gnade Gottes - und Vergebung der Sünden in dem HErrn Messias predigen, auch ihr Wort mit Zeichen und Wundern haben bekräftigen müssen.

Hiebei ist insonderheit die Bedrohung merkwürdig, welche Christus der HErr den Verächtern solcher apostolischen Predigt gethan, daß es dem Lande der Sodomer und Gomorrer am jüngsten Gericht erträglicher ergehen werde, denn einem Land und Volk, welches die Apostel nicht hat annehmen noch hören wollen. Denn Gott will allerdings das Wort, so Er uns durch Menschen vortragen lasset, nicht als bloses Menschenwort, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort aufgenommen haben - und diejenigen, die dawider handeln, nicht ungestraft lassen.

Gleichwie nun der Heiland in diesem Kapitel von allen und jeden Christen fordert, daß sie klug seyn sollen, wie die Schlangen, und ohne Falsch, wie die Tauben, - ebenso gehet neben den besondern Leiden und Trübsalen, welche Er den Aposteln und Nachfolgern im Lehramt verkündiget, auch das übrige in diesem Kapitel alle diejenigen an, welche für Christen und Christi Jünger gehalten seyn wollen.

So gehet es zum Exempel alle Seine Jünger an, wenn Christus hier ermahnet, man solle sich nicht sowohl vor den Menschen fürchten, die den Leib tödten, als vielmehr vor Gott, der Leib und Seele verderben kann in die Hölle, und der diejenigen, so Ihm vertrauen, um so weniger verlassen will, weil ja kein Sperling ohne Seinen Willen auf die Erde fallen kann, und alle Haare auf ihrem Haupte gezählet sind.

Dieweil auch, wo Gott und Christus Sein Reich aufrichtet, der Satan und die Welt sich heftig dagegen setzen - und dessen Fortgang in der Menschen Seelen hindern wollen durch Haß und Verfolgung derjenigen, welche wahrhaftig zu Gott und Christo bekehret sind, - so weissaget Christus davon mit klaren Worten, damit man sich nicht daran stoße, sondern desto mehr Geduld und Standhaftigkeit beweise - und sich nichts abschrecken lasse, Christum zu bekennen vor den Menschen.

Wem nämlich an zeitlicher Gunst, Ehre, Freundschaft und Gewogenheit der Menschen mehr, als an JEsu und Seiner Nachfolge gelegen ist, der soll Sein nicht werth seyn - und einstmals von JEsu wieder verleugnet, das ist, für keinen Miterben des ewigen Lebens angenommen werden.

Wenn man hingegen Jesu Kreuz, das beim Christenthum nicht ausbleibet, willig auf sich nimmt, ob man auch das Leben verlieren müßte um des Namens JEsu willen, - so soll man dessen auch zu genießen haben; ja, für die allergeringste Wohlthat und Barmherzigkeit, welche man hier einem frommen Christen erwiesen hat, soll man dermaleinst aus Gnaden eine große Belohnung empfangen.

Da gilt es nun, zu prüfen, ob wir bisher in allerlei Noth und Widerwärtigkeit an Christo und Seinem Bekenntniß festgehalten - oder mehr der Welt und dem Zeitlichen nachgetrachtet haben. Jesu Wort ist nun einmal da, und wer Sein Jünger seyn will, hat sich darnach zu achten - oder rühmet sich des Christenthums vergeblich; wie leider von den meisten geschieht.

Gott bekehre, was zu bekehren ist, und lasse uns eine gute Ritterschaft üben, daß wir Glauben und ein gut Gewissen auch in der größten Anfechtung behalten mögen. Amen.

Neunundfünfzigste Woche.

Ev. St. Matth. 11. Kap, 16.-30. V.

Hier haben wir erstlich eine ernstliche Strafpredigt vor uns, darinnen unser Heiland dem jüdischen Volk seine Unart und Bosheit zu Gemüth führet, indem es die Weisheit Gottes diesen Leuten niemals hat recht machen können. Sie haben nämlich an Johannes, dem exemplarischen Bußprediger, dieses, an Ihm, dem HErrn Jesu, hingegen wiederum was anderes zu tadeln gewußt - und keinem von beiden gehorchet, daß sie wahre, rechtschaffene Buße gethan hätten.

Es ist ja erschrecklich zu hören, wenn Christus bezeuget, Er habe Seine meisten Thaten in den Städten des Landes Galiläa gethan, die sich aber dadurch nicht gebessert; wie Er denn deßwegen über Chorazin, Bethsaida und Capernaum das Wehe ausrufet - und nicht nur meldet: wenn in Tyro und Sidon - oder auch in Sodoma dergleichen Thaten vormals geschehen wären, so würden die Inwohner im Sack und in der Asche Buße gethan - und damit das Verderben von ihren Städten abgewendet haben, sondern auch verkündiget, daß es Tyro und Sidon - und der Sodomer Lande am jüngsten Tage träglicher, als jenen, ergehen, das ist, daß ihre Verdammniß nicht so groß seyn werde.

Das sollten denn unsere heutigen Christen, die sich des heiligen Evangelii mit dem Munde rühmen, und bei welchen Gott der HErr an Zeichen und Beweisthümern Seiner Macht und Gnade es nicht fehlen lasset, die aber wenig Christliches an sich haben - und größtenteils dem Evangelio gar nicht gemäß handeln, ja es ärger treiben in der Welt, als manche ungläubige Heiden und Türken, - unsere heutigen Christen, sage ich, sollten jene Verkündigung Christi zu ihrer Warnung merken, damit sie nicht, wie die Knechte, die ihres Herrn Willen wissen, sich aber nicht bereiten, darnach zu thun, einstens doppelte Streiche leiden müßten, sondern sich lieber beizeiten vor Christo, dem Heiland, demüthigen - und Seiner wohlgemeinten Unterweisung ergeben möchten.

Dazu läßt denn auch derselbe in dem Verfolg dieses Kapitels sie und alle, welche ihrer Sünden wegen herzlich betrübt und angefochten, das ist, wie der Text sagt, mühselig und beladen sind, auf das freundlichste ein, indem es heißet: „Kommet her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seyd, Ich will euch erquicken. Nehmet auf euch Mein Joch, und lernet von Mir; denn Ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn Mein Joch ist sanft, und Meine Last ist leicht.“

Wollen nun die Weisen und Klugen dieser Welt Christi Joch und Last, das ist. Seine Lehre und Sein Kreuz, Seine Sanftmuth und Demuth nicht achten, kommt ihnen das Christenthum allzuschwer und verdrießlich vor, so mögen sie auch zusehen, wenn dermaleinst - bei aller ihrer Weisheit und Klugheit - ihre Seele keine Ruhe noch Erquickung finden kann. Denn „die Gottlosen haben keinen Frieden“, spricht Gott Jes. am 48.

Hingegen offenbaret sich der Rath der göttlichen Weisheit in Jesu Christo den Unmündigen, das ist, dem kleinen, verachteten Häuflein derer, die in Einfalt des Glaubens Christo nachwandeln - und immer mehr in Seiner Schule Demuth und Sanftmuth lernen - zu ihres Glaubens Trost und Stärke.

Der HErr Jesus dämpfe in uns allen Widersinn des sündlichen Fleisches, allen Stolz und Hochmuth des Herzens - und lasse uns nach Seinem Vorbild, da Er Sich so tief erniedriget - und für Seine Kreuziger gebeten hat, auch sanftmüthig und demüthig werden. Amen.

Sechzigste Woche.

Ev. St. Matth. 18, Kap.

In diesem Kapitel sind verschiedene überaus wichtige Lehr- und Vermahnungsstücke abgehandelt.

Für's erste bezeuget Christus: Wenn wir nicht umkehren - und werden wie die Kinder, das ist, so liebreich, einfältig und unschuldig, wie sie im Vergleich mit andern und erwachsenen Menschen zu seyn pflegen, so werden wir nicht in das Himmelreich kommen.

Es geschiehet aber insgemein, daß, je mehr die Kinder an Verstand und Jahren zunehmen, nach dem 4. Kap. des Buchs der Weisheit „die Bosheit ihren Verstand verkehret, und falsche Lehre ihre Seele betrüget, da die bösen Exempel, die man täglich vor Augen hat, verführen und verderben einem das Gute, und die reizende Lust verkehret unschuldige Herzen,“ welche trotz ihrer sogenannten Unschuld gleichwohl mit der Erbsünde empfangen und geboren, also von innen und von außen durch die Lüste dieser Welt und des Fleisches angefochten werden. Darum warnet unser Heiland sehr nachdrücklich, daß man ja keines dieser Geringsten ärgern solle, nämlich der kleinen, unerwachsenen Kinder, die an Ihn glauben; welchen Glauben der heilige Geist in der Kirche neuen Testamentes auch durch die Taufe in der Kinder Herzen wirket und anzündet. Jenes Aergern geschieht aber, wenn man sie etwas sehen oder hören lasset, das Sünde und unrecht ist, und das sie, wenn sie es nachthun, nicht frömmer und besser, sondern ärger und schlimmer macht.

Wie schwer nun aber das Gericht und die Verdammniß derjenigen sey, welche Aergerniß geben mit falscher Lehre oder sündlichem Verhalten, daran sich andere stoßen können, ist daraus zu erkennen, daß Christus das Wehe darüber ausruft und sagt, es wäre besser, einem solchen Menschen würde ein Mühlstein an seinen Hals gehänget, und er würde ersäuft im Meer, da es am tiefsten ist; ja, es könne ein Mensch mit seinen Gliedmaßen in das höllische Feuer geworfen werden, wenn er dieselben, nämlich die Augen, Hände und Füße, zur Sünde und zur Gottlosigkeit mißbrauchet, da er sie doch viel lieber wegwerfen oder abhauen, das ist, in wahrem Bußeifer im Zaum halten oder bändigen sollte.

Hierauf ist merkwürdig, was Christus von den Engeln der kleinen Kinder sagt, daß sie allezeit das Angesicht ihres Vaters im Himmel sehen, der auch Seinen Sohn in die Welt gesandt habe, um das Verlorene zu suchen. Die Gegenwart und Anwesenheit der heiligen Engel, an deren Schutz und Beistand es auch den Erwachsenen nicht fehlet, wenn sie gläubig und fromm sind, sollen wir scheuen, daß wir weder für uns selbst allein, noch so, daß es andere sehen und wissen, etwas Böses thun.

Was ferner in diesem Kapitel folget, betrifft die Art und Weise, wie man denen begegnen soll, die uns gröblich und vorsätzlich beleidiget, auch damit Aergerniß angerichtet haben.

Da erfordert die von dem Heiland erwähnte Kirchenzucht und -ordnung, daß man zuerst alles anwende und versuche, um den Nächsten zur Erkenntniß und Bereuung seiner Uebertretung zu bringen, ehe man es öffentlich kund werden läßt - oder ihn gar von der Kirchengemeinschaft ausschließt; was auch im Himmel kräftig und giltig seyn soll, wo es endlich, nachdem keine Besserung sich gezeiget hat, erfolgen müsse. Denn wo zween oder drei beisammen sind in dem Namen Christi, es sey zum Gebet - oder anderen heiligen, gottgefälligen Verrichtungen, da will Jesus mitten unter ihnen seyn.

Wie oft man aber seinem Nebenmenschen verzeihen und vergeben müsse, und daß der Christ keine Vergebung seiner Sünden bei Gott dem himmlischen Vater zu hoffen habe, welcher seinem Bruder seine Fehler nicht vergebe und vergesse, zumal wenn dieselben erkennet und bereuet werden, - das erkläret Jesus in dem Evangelium von dem König, der mit seinen Knechten rechnen wollte; wie dasselbe jährlich am 22. Sonntag nach Trinitatis vor öffentlicher Gemeine ausgeleget wird. Gott helfe durch Seinen heiligen Geist, daß wir in kindlicher Scheu vor Ihm wandeln, niemand ein Aergerniß geben - und, wenn wir von jemand beleidiget werden, mit demselben umgehen nach dem Vorbild der Geduld und Barmherzigkeit Gottes, da Er mit uns nicht handelt nach unsern Sünden - noch vergilt nach unserer Missethat, sondern Gnade für Recht ergehen lasset, - um Jesu Christi, des Sündentilgers, willen. Amen.

Einundsechzigste Woche.

Ev. St. Matth. 24. Kap.

In diesem Kapitel weissaget Christus, unser Heiland, als der wahre große Prophet, welchen Moses verkündiget, von lauter zukünftigen Dingen.

Um dasselbe recht zu verstehen, muß man Acht haben auf die Gelegenheit und Veranlassung, so Ihm dazu von den Jüngern gegeben worden. Da sie Ihm nämlich des Tempels Gebäu gewiesen und darauf von Ihm gehöret hatten, daß von solchem nicht ein Stein auf dem andern bleiben sollte, der nicht zerbrochen wurde, sprachen sie ferner zu Ihm: „Sage uns, wann wird das geschehen? und welches wird das Zeichen seyn Deiner Zukunft und der Welt Ende?“ So muß denn nothwendig die Antwort unsers Jesu dahin gedeutet werden, daß man darinnen die Prophezeiungen, welche das Gericht über die Juden und den Untergang der Stadt Jerusalem, wie auch des Tempels Zerstörung betreffen, von denen wohl zu unterscheiden wisse, welche auf den jüngsten Tag und das Ende der ganzen Welt gehen.

Es stellet aber der HErr Jesus beides, diejenige Zeit, welche vor der Zerstörung der Stadt Jerusalem, und die, so vor dem jüngsten Tag hergehen werde, als eine gar betrübte, elende und jämmerliche Zeit vor, da es zwar an mancherlei Zeichen und Vorboten im Himmel und auf Erden nicht mangeln, der wenigste Theil aber der Menschen sich daran kehren - und sein Leben bessern werde.

Nachdem Er nämlich überhaupt gemeldet, wie nach Seiner Himmelfahrt der Satan im geistlichen und weltlichen Stand rumoren, auch sonst viel Krieg, Empörung, Pestilenz, theure Zeit, Erdbeben und andere Noth auf einander folgen, mithin wenig Friede und Ruhe unter den Menschen sich finden werde, weil die Ungerechtigkeit mehr und mehr überhandnehme, und die Liebe in vielen erkalte, (was denn auch leider am Tage ist, und die Historien von der Apostel Zeiten bis auf uns genugsam bekräftigen,) - so kommt Er in dem folgenden auf die gräuliche Verwüstung, welche dem jüdischen Land und Volk nach Daniels Weissagung bevorstand.

Einerseits nun ist alle die große Trübsal nicht lange nach Christi Hingang zum Vater den Juden wirklich begegnet, da Gott in Seinem Zorn, weil sie das Sündenmaß vollgemacht - und sich an dem HErrn Messias vergriffen haben, sie heimgesucht - und viele tausend jämmerlich hat umkommen, die übrigen aber in die ganze Welt zerstreuen lassen, darinnen sie allbereits über anderthalb tausend Jahre ohne Tempel, Opfer und Heiligthum leben, so daß wir Christen an ihrem Exempel uns spiegeln - und den Ernst Gottes, der sie ihrer Sünde wegen gestraft, zu unserer Prüfung und Besserung anschauen sollen.

Andererseits aber erkennet man daraus billig die Güte unsers Seligmachers, wenn Er solches alles zwar verkündiget, aber zugleich Mittel und Wege Seinen Jüngern weiset, wie sie ihres Orts, im jüdischen Land, dem Unglück entgehen - und mit Leib und Seele erhalten werden könnten, nämlich, wenn sie bei Zeiten die Flucht nehmen - und mit vergeblichen Hoffnungen der falschen Propheten sich nicht betrügen lassen würden.

Wenn dann Christus ferner auf die Beschreibung des Endes der Welt kommt - und die schrecklichen Zeichen namhaft macht, deren Er auch anderswo Meldung thut - mit dem bedenklichen Ausspruch: „Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte vergehen nicht“, - so sollte man meinen, es könnte nicht fehlen, die Menschen müßten Seinem Worte auch Glauben schenken - und sich zu solchem Ende der Welt, welches bei unsern Zeiten immer mehr und mehr herbeinahet, gefaßt und fertig halten, wie es Christen und Jüngern des HErrn zustehet.

Allein - da ist's erstens erschrecklich, wenn man bedenket, was Christus von den gottlosen Leuten anführet, die in den Tagen Noas und Loths gelebt, nämlich, daß sie der Anzeige von der künftig einbrechenden Sündfluth - und dem Feuer vom Himmel nicht eher geglaubet haben, bis sie demselben nimmer haben entweichen mögen - und darinnen zu Grunde gegangen sind.

Hernach aber ist's noch entsetzlicher, daß unsere heutige Welt ebenso verhärtet und verstockt sich bezeiget, ihr nichts sagen und wehren - noch den Geist Gottes durch Christi Wort und treue Lehrer sich strafen lasset, vielmehr in gewohnter Sicherheit fortfähret.

Doch - eben daran können wir merken, daß die Zukunft des Menschensohns zum Gericht nicht ferne sey. Und weil denn der Tag und die Stunde unseres Todes, die uns gewiß bevorstehen, wenn wir gleich den jüngsten Tag nicht erleben sollten, uns verborgen bleiben, so sollen wir an Jesu treuherzige Vermahnung gedenken, auch wachen und bereit seyn, damit wir, wenn Er, unser HErr, als der Hausvater kommen - und Seine Knechte zur Rechnung fordern wird, (was ja bald und schnell erfolgen kann,) bereit erfunden - und von Ihm in Gnaden angesehen werden mögen. Das gebe Gott - um Jesu willen! Amen.

Zweiundsechzigste Woche.

Ev. St. Matth. 25. Kap.

In diesem Kapitel erzählet der HErr Jesus erstlich ein anmuthiges Gleichniß von zehen Jungfrauen, deren fünf klug und fünf thöricht gewesen. Jene sowohl als diese waren bestellt, nach jüdischer Gewohnheit dem Bräutigam, wenn er seine Braut abholete, entgegenzugehen; was denn diesmal bei Nachtzeit geschehen sollte. Allein obschon alle zehen Jungfrauen mit Lampen wohl versehen waren, hatten doch nur allein die fünf klugen einen genügsamen Vorrath Oels mit sich genommen; was die fünf thörichten zu thun vergessen. Als daher um Mitternacht ein Geschrei wurde, es komme der Bräutigam, und die Stunde sey vorhanden, demselbigen entgegenzugehen, so merkten die fünf thörichten Jungfrauen, daß ihre Lampen verlöschen wollten, und mußten also, weil sie erst hingingen, Oel einzukaufen, dahintenbleiben. Die Thür wurde zugeschlossen, und da sie riefen: „HErr, HErr, thu uns auf!“ antwortete der Bräutigam: „Ich kenne euer nicht.“

Damit ist angedeutet: wer nicht zu aller Zeit mit Buße und Glauben sein Herz als eine Lampe geschmückt und fertig halte, der werde solchen Abgang zu spät bereuen - und könne von dem Tod übereilet werden, daß er nicht mehr Zeit habe, sich zu Gott zu bekehren. Darum sollen wir denn wachen, das ist, unserer Seelen Heil sorgfältig bedenken - und in dem Kampfe wider die Sünde auf unserer Hut stehen, weil wir weder Tag noch Stunde wissen, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.

Ebendahin gehet auch das folgende Gleichniß von dem Menschen, der vor seiner Hinwegreise dem einen Knecht fünf, dem andern zwei, dem dritten ein Pfund, jedem nach seinem Vermögen, gab und einhändigte, daß sie damit handeln und Nutzen schaffen sollten. Wie denn auch der mit seinen fünf - und der andere mit den zwei Pfunden gethan, da ein jeder wiederum so viel gewonnen, als ihm anvertraut worden war; der letzte aber hat sein einiges Pfund aus Mißtrauen und Faulheit vergraben - und nichts damit gewonnen.

Unter diesem Bild will Christus lehren, wie Gott einem jeden unter uns - nach Erforderung seines Standes und Berufs - mancherlei gute Gaben in geistlichen und weltlichen Dingen mitgetheilet, daß wir solche zu Seiner Ehre, zu unserm und des Nächsten Dienst und Erbauung gebrauchen und anlegen sollen.

So sehr es nun dem Herrn mißfallen, daß der Schalk und faule Knecht sein Pfund vergraben, (wie er ihm denn dasselbe nicht nur abgenommen, sondern ihn auch sonst mit geziemender Strafe beleget hat,) - so erfreulich ist der Spruch, welchen die zween getreuen und fleißigen Knechte aus seinem Mund gehöret, da er zu einem jeden gesprochen: „Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen; ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude.“

Daß es nun aber dermaleinst am jüngsten Tag, wann Christus der HErr über Sein Haus zum Gericht kommen soll, auch so zugehen werde, berichtet uns der Heiland selbst, wenn Er in dem letzten Theil dieses Kapitels von dem Prozeß des jüngsten Tags redet, an welchem Er in Seiner Herrlichkeit kommen wird. Denn da sollen alle Menschen in zwei Classen und Ordnungen gestellet - und, ob sie gleich hier ans Erden unter einander gelebet und gewandelt, wie Schafe und Böcke von einander geschieden werden.

Hier auf Erden haben die Ungerechten und Gottlosen gern den Vorzug gehabt - und die Frommen aller Orten verachtet und verfolget. Dort aber wird der HErr Jesus diese zuerst anreden - und sie auf das allerfreundlichste zu Sich einladen, daß sie das Reich ererben, so ihnen vom Anbeginn der Welt bereitet ist. Auch wird Er die Werke ihrer Liebe, die sie im Glauben an Ihn gethan, wenn sie die Hungrigen gespeiset, die Durstigen getränket, die Fremden beherberget, die Nackenden bekleidet, die Kranken und Gefangenen besucht, diese Werke der Liebe wird Er vor allen heiligen Engeln und Auserwählten rühmen, als wenn sie Ihm selbst an Seiner Person geschehen wären.

Hingegen werden die Gottlosen und Ungerechten von Seinem Angesicht hinweg in die Hölle gewiesen und verstoßen werden, weil sie aus Unglauben, da nämlich Jesus nicht sichtbarlich zu ihnen gekommen, Seinen dürftigen Brüdern und Schwestern keine Liebe und Gutthat bewiesen, auch ihre Hoffnung und Vertrauen mehr auf das Zeitliche und Irdische, als auf das Himmlische und Ewige gestellet haben.

Denn was man in dieser Welt dem armen, dürftigen Nebenmenschen gutes oder böses thut, (das ist aber auch böse, wenn man sie aus Geiz hilflos lasset,) das will der HErr Jesus achten und rechnen, als ob Er's selbst empfangen hätte, und im übrigen ohne Zweifel die noch weniger ungestraft lassen, welche aus Ungerechtigkeit und Bosheit dem Nächsten Gewalt und Herzeleid zugefüget haben.

Wer Ohren hat, zu hören, der höre, was Christus sagt, und führe sein Leben so mit Beweisung des Glaubens in der Liebe, daß er an jenem Tag bei Christo Barmherzigkeit finde. Amen.

Dreiundsechzigste Woche,

Ev. St. Luc. 13.

In diesem Kapitel berichtet der Evangelist erstlich von den Galiläern, deren Blut Pilatus, der römische Landpfleger, aus Grausamkeit mit ihrem Opfer vermischet, und dann von den achtzehen, auf welche der Thurm zu Siloah gefallen war - und sie erschlagen hatte.

Hiebei nimmt der HErr Jesus Gelegenheit, Seine Jünger und uns alle, die wir für Christen gehalten seyn wollen, zu erinnern, mit was für Gedanken wir dergleichen plötzliche und andere Unglücksfälle ansehen sollen, dadurch einzelne oder viele Menschen zugleich hingeraffet werden, nämlich also, daß wir uns nicht übereilen - und meinen, Gott habe das Unglück verhänget, weil die Menschen, die es betroffen, vor andern sich schwerlich an Ihm versündiget, vielmehr auf uns selbst Acht haben und glauben: wenn wir uns nicht bessern - noch von unsern Sünden abstehen, so werde es uns ebenso gehen.

Und es ist insonderheit das Gleichniß merkwürdig, so der Heiland anführet, von dem Feigenbaum, an welchem der Herr des Weinbergs drei Jahr nacheinander vergeblich Frucht gesucht - und deßhalb dem Weingärtner befohlen, er solle den unnützen Baum abhauen, damit er das Land nicht hindere, das ist, anderen nützlichen und fruchtbaren Bäumen und Gewächsen die Stelle und den Platz nicht nehme. Jedoch hat er sich durch den Weingärtner erbitten lassen, daß der Baum noch ein Jahr stehen blieb, um zu sehen, ob er dann Frucht tragen möchte.

Dadurch ist nämlich vorgebildet, wie Gott der Herr auch mit vielen unter uns, die Er in den Weinberg Seiner Kirche gepflanzet hat, große Geduld habe - und lang warte, ob wir rechtschaffene Früchte der Buße - und eines recht christlichen, gottgefälligen Lebens bringen möchten; wozu Er uns Seine Gnade und Kraft nicht fehlen läßt. Da würde Er nun, weil bei den meisten keine Buße und Besserung erfolgt, längst Ursache und Recht gehabt haben, uns abhauen, das ist, in allen unsern Sünden sterben und verderben zu lassen, wenn nicht durch die kräftige Fürbitte Seines Sohnes Jesu Christi und getreuer Lehrer in der Kirche Sein Zorn aufgehalten, und unser wohlverdienter Untergang noch abgewendet worden wäre.

Wenn wir also durch diese Güte und Langmuth Gottes uns zur Buße leiten lassen, so sollen wir noch länger stehen bleiben, das ist, uns Seiner gnädigen Obhut und Beschirmung in der christlichen Kirche zu getrösten haben. Wo aber keine wahre Bekehrung und Herzensänderung erfolgt, so dürfte unser Gericht unversehens hereinbrechen - und uns vielleicht plötzlich dahinreißen.

In dem folgenden zeiget Christus, da er am Sabbath einem armen Weib geholfen, welches schon achtzehn Jahr mit einem Geist der Krankheit behaftet gewesen, das ist, durch Gottes Zulassung von dem bösen Feind krumm und lahm gemacht worden war, daß man, obgleich das Elend noch so lang währet, zu keiner Zeit und an keinem Tag an Seiner Hilfe verzagen, den Sabbath aber vornehmlich auch mit Werken der Liebe an dem Nächsten zubringen und heiligen soll; was die Heuchler nicht thun, sondern sie meinen, mit Ablassen von werktäglicher Arbeit und mit Besuchen des Gottesdienstes dem Sabbath oder Sonntag ein Genüge zu leisten.

Wenn ferner unser Seligmacher auf die Frage, ob wenige selig werden, antwortet: „Ringet darnach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet; denn viele werden, das sage ich euch, darnach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht thun können“, so sollen wir daraus lernen, wie es um das rechtschaffene und wahre Christenthum keine so leichte Sache sey, als sich die Menschen insgemein einbilden, sondern daß ein ernstlich Ringen und Kämpfen dazu gehöre, und daß man mit dem Apostel Paulus darüber alles andere dahinten lassen, gering schätzen - und alles Leiden dieser Zeit geduldig tragen, sich hingegen strecken und immerfort arbeiten müsse nach dem, das da vornen ist.

Wo man dies zu thun verabsäumet - und meinet, auf dem Kranken- und Todtbette sey es mit etlichen Seufzern ausgerichtet, kann es wohl geschehen, daß Gottes Gnade, die wir so lange verschmähet und verachtet, nicht mehr über uns schwebet, und ihre Thüre zugeschlossen bleibet, und der Hausherr auf unser Anklopfen antwortet: „Ich kenne euer nicht, wo ihr her seyd.“

Darum wenn wir dem zuvorkommen und verhüten wollen, daß auch unser Haus uns wüste gelassen werde, oder daß Gott mit Seinem Geist und Gaben von uns weiche, wie den gottlosen Juden und der Stadt Jerusalem widerfahren ist, deren Kinder der HErr Jesus - nach dem letzten Theil dieses Kapitels - oft hat versammeln wollen, wie eine Henne ihr Nest unter ihre Flügel, - so lasset uns noch jetzt die Stimme Jesu Christi hören - und derselben auch gemäß wandeln; wozu Er selbst, der Heiland, Seine Gnade und Seinen Segen geben wolle, daß unser keiner dahinten bleibe - noch der letzte sey, daß vielmehr wir allesammt der Seligkeit nach diesem Leben theilhaftig werden mögen - um Seiner ewigen Erbarmung willen. Amen.

Vierundsechzigste Woche

Luc. 15

Was unser liebster Heiland Jesus Christus allbereits mit den zwei Gleichnißreden von dem verlornen Schaf und Groschen erläutert, daß nämlich Freude sey im Himmel und vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße thut - und wahrhaftig bekehret wird, das erkläret Er noch weiter - und bildet uns das mitleidige Vaterherz Gottes gegen alle armen Sünder und Sünderinnen, welche in sich gehen und vor Ihm in wahrer, herzlicher Reue sich demüthigen, herrlich ab in der Erzählung vom verlornen Sohn.

Da dieser seines frommen und liebreichen Vaters Haus verlassen - und ferne über Land gezogen, hat er daselbst sein Gut mit Prassen verzehret - und ist darüber in äußerste Armuth gerathen, darinnen er der Schweine hat hüten müssen, damit er nur nicht gar Hungers sterben möchte. Ueber solchem Elend gingen ihm die Augen auf, und er schlug in sich, so daß er seine Thorheit bejammerte - und nicht allein den Vorsatz faßte, wieder heim zu seinem Vater umzukehren und demüthige Abbitte zu thun, sondern auch solches in der That zu seinem großen Nutzen bewerkstelligte.

Denn sein lieber, frommer Vater, der wohl Ursache gehabt hätte, sich seiner gar nicht mehr anzunehmen - und ihn in dem Verderben umkommen zu lassen, darein er sich muthwillig gestürzet, läuft ihm, sobald er ihn in seiner elenden Gestalt erblicket, aus Bedauern und Mitleiden entgegen, fällt ihm um den Hals, küsset ihn - und läßt ihn seine bewegliche Abbitte nicht einmal zu Ende bringen, indem er vielmehr seinen Knechten befiehlt, das beste Kleid für seinen Sohn hervorzubringen, ihm einen Ring oder Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße zu thun, ferner, ein gemästet Kalb zu schlachten, mit ihm zu essen und fröhlich zu seyn, aus dem Grunde, weil dieser, sein Sohn, bisher gleichsam todt gewesen, nun aber wieder lebendig worden, verloren gewesen - und wieder funden worden ist.

Es kehret sich auch dieser geduldige und mitleidige Vater gar nicht an den Zorn und Unwillen seines altern Sohnes, der sich gewaltig daran ärgert, daß der Vater an den ungerathenen Sohn, der es doch am wenigsten verdient habe, so viel liebes und gutes wende. Vielmehr beharret der Vater in der Freude über seines Sohnes Wiederkunft.

Nun was stellet uns des verlornen Sohnes Ungehorsam und unordentliches Verhalten außer seines Vaters Haus anders vor, als die Unart derjenigen unter uns, welche an Gottes Wort und heilige Gebote nicht gebunden seyn wollen, sondern Gott gleichsam den Gehorsam aufkündigen - und die Gaben ihres Leibes und der Seele, ihre Zeit und was ihnen Gott sonst aus Gnaden geschenket hat, mißbrauchen und verschwenden?

Wenn nun aber Angst und Noth daherkommt, dieweil ja das Heil ferne ist von den Gottlosen, und was die Albernen gelüstet, zu ihrem größten Schaden und Verderben gereichet, - so lehret die Anfechtung das Wort merken, und es ist das ein Anzeichen, daß Gott solcher Sünder Tod nicht wolle, soferne sie nämlich durch das Kreuz und allerhand Plagen, darinnen sie sich selber nicht zu rathen noch zu helfen wissen, auch bei der Welt und dem Satan, welchen sie bisher gedienet, keinen Trost finden, gedrungen und getrieben werden, in sich zu schlagen, ihre Sicherheit und Unbußfertigkeit zu beklagen - und zu dem sich zu wenden, der sie schlaget.

Wenn dann der Sünder ein zerknirscht und zerschlagen Herz bekommt - und nicht allein wünscht, daß er nimmer so thöricht gethan, nimmer seinen lieben Gott so gröblich beleidiget und betrübet hätte, (als wodurch er sich selbst am allermeisten wehe gethan,) sondern auch eingedenk wird der grundlosen Barmherzigkeit Gottes, die kein Ende hat - und reich ist über alle, die Ihn anrufen, so daß er in tiefer Demuth und gläubiger Zuversicht zu Gott seufzet: „Ach, Vater, ich habe gesündiget - und bin nicht werth, daß ich ein Christenmensch und dein Kind heiße;“ wenn die Sünder also vor Gott sich niederbeugen, so will Er sie nicht verwerfen und verstoßen, sondern durch Seine zuvorkommende, begleitende und fortwährende Gnade alles an ihnen thun und leisten, was der Vater des verlornen Sohnes gethan hat. Er will sie mit offenen Liebesarmen bewillkommnen - und mit den Kleidern des Heils anziehen. Er will ihnen den Ring und Fingerreif des heiligen Geistes zum Pfand, daß Er mit ihnen wiederum versöhnet sey, an die Hand und in's Herz geben, auch Schuhe an ihre Füße, das ist, Kraft und Starke, hinfort zu wandeln, wie sich’s gebühret. Ja, der ganze Himmel soll sich mit ihm freuen, weil der Mensch, der in Sünden todt war, durch Buße und Glauben wiederum in Christo lebendig, und der verloren war, durch die Bekehrung zu Gott wiederum gefunden worden ist. Und wem dann Gott also wieder gnädig und gewogen ist, dem soll Teufel, Welt und Hölle mit ihrem Murren und Einwenden nichts schaden können.

Der fromme und getreue Vater im Himmel helfe, daß unser keines durch Muthwillen und beharrlichen Mißbrauch Seiner Gnade ewig verloren werde, sondern daß wir uns alle hier auf Erden bußfertig und gläubig wieder bei Ihm einfinden - und aus dem Tod in das Leben kommen mögen, durch Seine unermeßliche Barmherzigkeit, die Er uns in diesem Gleichniß - und in den Wunden Seines Sohnes eröffnet hat. Amen.

Fünfundsechzigste Woche.

Ev. St, Joh. 5, Kap.

Der erste Theil dieses Kapitels hält in sich die Geschichte von dem elenden Menschen, welcher achtunddreißig Jahre an dem Teich zu Bethesda krank gelegen - und doch in einer solchen langen Zeit keine Hilfe gefunden, bis endlich der rechte Meister zu helfen, Jesus, dahin gekommen und ihn gesund gemacht hat. Nachdem sich nämlich dieser Kranke hatte vernehmen lassen, er habe keinen Menschen, der sich seiner annehme, so hat er an dem Gottmenschen, Jesu Christo, denjenigen gefunden, der die Barmherzigkeit an ihm gethan.

Um deswillen soll denn auch heutzutage niemand, ob er gleich von aller Menschen Hilfe verlassen wäre, ganz und gar verzagen, sondern auf Gott und auf Jesum sein Vertrauen stellen - und glauben, die Hilfe, ob sie schon sey aufgeschoben, sey darum nicht aufgehoben.

Diejenigen aber, welchen Gott aus ihrem Kreuz und Jammer herausgeholfen hat, darein sie wegen ihrer Sünden gekommen sind, mögen an die Vermahnung gedenken, welche der Heiland jenem Kranken, da Er ihn in dem Tempel gefunden, in diesen Worten ertheilet: „Siehe zu, du bist gesund worden; sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Aergeres widerfahre.“ Denn da die Sünde uns in alles Unglück stürzet, müssen wir sie fliehen und meiden, wenn nicht Gott unsern Undank auf's neue strafen und heimsuchen soll.

Hierauf erzählet der Evangelist in dem andern Theil des Kapitels, wie Christus der HErr das vorbeschriebene Wunderwerk, an welchem sich die gottlosen Juden ärgerten, weil es eben am Sabbath geschehen war, vertheidigt und unter andern: ihnen verkündigt habe, daß Ihm von Seinem himmlischen Vater Gewalt und Macht gegeben sey, noch viel größere Wunder und Werke zu thun, nämlich Todte aufzuwecken - und dermaleinst das Gericht über die ganze Welt zu halten.

Hier finden wir sonderlich die wichtigen Glaubensartikel von der Auferstehung der Todten und dem jüngsten Gericht festgestellet. Denn der Sohn Gottes zeigt mit hellen, klaren Worten an, „es komme die Stunde, (verstehe: ganz gewiß und unfehlbar,) in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden Seine, des HErrn Jesu, Stimme hören - und werden hervorgehen, die da Gutes gethan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Nebels gethan haben, zur Auferstehung des Gerichts.“

Von dieser Wahrheit nun, daß Gott dermaleinst „richten werde den Kreis des Erdbodens mit Gerechtigkeit durch einen Mann, in welchem Er's beschlossen hat - und jedermann vorhält den Glauben, nachdem Er Ihn hat von den Todten auferweckt,“ nimmt der heilige Apostel zu Athen (im 17. Kap. der Apostelgesch.) Gelegenheit, alle Menschen zur Buße zu vermahnen, damit sie nicht zur Auferstehung des Gerichts erwachen mögen. Ebenso aber gereicht das billig allen gläubigen und frommen Christen zu großem Trost und mächtiger Versicherung ihrer zaghaften Gewissen, (da sie sich wegen ihrer begangenen und noch anklebenden, aber doch in einer göttlichen Traurigkeit bereueten und beseufzten Sünden auf das jüngste Gericht und vor dem Tod fürchten,) das also gereicht den gläubigen und frommen Christen zum Tröste und zur Gewissensversicherung, was Christus in den Worten meldet: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch, wer Mein Wort höret - und glaubet dem, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben - und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“

Darum sollen wir denn das Wort des HErrn Jesu, welches uns im heiligen Bibelbuch vorgetragen wird, hoch halten, weil wir allein aus demselben lernen können, wie wir der Verdammniß entrinnen - und durch Ihn, unsern Heiland, die Seligkeit erlangen müssen. „Suchet in der Schrift,“ spricht Er am Ende dieses Kapitels; „denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darinnen, und sie ist's, die von Mir zeuget; und ihr wollt nicht zu Mir kommen, daß ihr das Leben haben möchtet.“ Es ist nämlich nicht genug, Gottes Wort äußerlich vor sich - oder nur im Gedächtniß bei sich zu haben. Man muß innerlich in seinem Herzen die Kraft desselben empfinden - und dadurch zu Christo, zu dessen lebendiger Erkenntniß und Nachfolge, in einem heiligen, gottseligen Leben und Wandel geführet werden. Wo das nicht geschiehet, so wird uns Moses sammt den Propheten, Evangelisten und Aposteln dermaleinst anklagen, daß wir ihr Zeugniß nicht, wie es seyn soll, angenommen und demselben gefolget haben.

Gott erleuchte uns je mehr und mehr, daß wir, durch die Kraft des heiligen Geistes von der Welt Sinn abgezogen, auf das Wort des Lebens Acht haben - und dadurch im Glauben, Leben und Sterben seliglich geleitet werden mögen. Amen.

Sechsundsechzigste Woche.

Ev. St. Joh, 8 Kap. 12-45. V.

Dies Stück des achten Kapitels Johannis begreift drei verschiedene Handlungen und Reden, welche Christus der HErr im Tempel den Juden gehalten, und darinnen Er sie von Seinem Amt, von der Sünde, von der Gefahr des Unglaubens und von der rechten Freiheit, wie auch von den Kennzeichen und Eigenschaften der Kinder Gottes unterrichtet hat, wiewohl Er in dem allen von den gottlosen und verstockten Juden viel Widerspruch hat erdulden müssen.

Erstens nämlich bezeuget er von Sich: Er sey das Licht der Welt; wer Ihm nachfolge, das ist, auf Seine Lehre und Predigt Achtung gebe - und darnach Sein Leben anstelle, der wandele nicht in Finsterniß, sondern werde das Licht des Lebens haben, das ist, zum ewigen Leben geführet und erleuchtet werden. Dies Zeugniß legen Ihm aber die Pharisäer als einen Hochmuth aus - und wollen es für keine Wahrheit annehmen, weil Er damit von Sich selber gezeuget - oder, was dasselbe ist, zu viel aus Sich selber gemacht habe. Doch da beziehet Sich Jesus nicht nur auf Seinen göttlichen Ursprung und Beruf, dem man Glauben beimessen müsse, so lange Sein Gericht und Vortrag recht - und Gottes heiligem Willen gemäß sey, sondern auch auf das Zeugniß Seines Vaters, welcher Ihn durch eine Stimme vom Himmel für Seinen Sohn erkannt - und solche Stimme bisher durch so viele Zeichen und Wunder bekräftiget habe. Wiewohl nun dies bei den ungläubigen Juden eine schwere Gotteslästerung zu seyn schien, daß Jesus Sich zu Gottes Sohn machte, (wie Er denn auch bei Seiner Anklage vor Pilatus eben dessen mit beschuldiget wurde,) so merket der Evangelist doch an, dieses Mal habe Ihn niemand gegriffen oder angetastet, weil Seine Stunde noch nicht kommen war. Denn es stehet nicht in unserer Feinde Macht und Ge walt, daß sie uns Schaden und Leid thun können, wann sie wollen, so lange es Gott nicht verhänget und zulasset.

Hernach drohet und weissaget der Heiland den Juden, sie werden in ihren Sünden sterben müssen, wenn sie nicht an Ihn glauben - noch Ihn für den Messias und Sohn Gottes annehmen. Da sich nun aber dieselben anstellen, als wenn sie Ihn nicht recht kenneten - und von Ihm eine deutlichere Erklärung erwarteten, wer Er sey, der solche Dinge ihnen in das Gesicht sagen dürft, so wiederholet Christus theils, was Er schon gesagt hatte, nämlich, daß Ihn Gott, Sein Vater, gesandt habe, und Er rede, was Er von demselben gehöret habe, theils aber verkündigt Er ihnen: was sie jetzt nicht erkennen wollten, würden sie hinfort inne werden, wann Er von Ihnen würde erhöhet, das ist, gekreuziget, darnach aber von den Todten wieder auferstanden - und gen Himmel gefahren seyn. Wie denn auch geschehen ist. Denn gleichwie bei dieser Predigt des Heilandes viele an Ihn geglaubet - und gute Gedanken von Ihm in ihre Herzen gefasset haben, so sind nach der Hand ihrer viel mehreren die Augen geöffnet worden, wie aus der Apostel Geschichten zu ersehen ist.

Endlich, weil unser Jesus wohl wußte, was den Juden im Weg stand, daß sie Ihn nicht für den wahren Messias und verheißenen Zionskönig halten wollten, sintemal sie nämlich eines solchen Erlösers gewärtig waren, der ihr Land von der Römer Oberherrschaft frei machen würde, so zeiget Er ihnen an, wie sie zu einer viel seligern Freiheit gelangen könnten, wenn sie nämlich Seine Jünger werden - und an Seiner Rede bleiben wollten. Da würde sie die Wahrheit recht frei und zu Gottes Kindern machen; woran weit mehr gelegen sey, als wenn sie Herren der Welt wären - und dennoch der Sünde Knechte und Kinder des Satans blieben, deren Theil und Erbe die ewige Verdammniß ist. Wie denn der Spruch wohl zu merken ist, wenn Christus sagt: „Wer Sünde thut, der ist der Sünde Knecht,“ ja vom Vater, dem Teufel, nach dessen Art er thut und handelt. Wenn nun aber die Juden dawider einwenden, sie seyen schon frei - und niemands Knechte gewesen, sie seyen Abrahams Kinder, ja, sie haben Einen Vater, Gott, so überführet sie Jesus der offenbaren Unwahrheit; wie ihnen denn ihre leibliche Freiheit eben durch die Römer schon gewaltig beschnitten war, und sie sich Abrahams und Gottes vergeblich rühmten, sintemal sie weder Abrahams Werke thaten - noch Gottes Wort und Wahrheit achteten. Daraus ersehen wir, wie fleischlich gesinnte Menschen in ihrem Unglauben und unbußfertigen Wesen sich selber immer mehr und mehr verstocken, wie sie ferner für gute Christen und Kinder Gottes geachtet seyn wollen, wenn sie gleich nichts Christliches und Göttliches an sich haben - und der Wahrheit mit ihrem ganzen Leben und Verhalten widerstreben, wie sie aber endlich darüber, wo keine Buße erfolget, in ihren Sünden gleich den Juden verloren gehen.

Gott gebe, daß wir, an der Juden Exempel klug - und der Wahrheit des Evangelii von Jesu Christo kräftiglich überzeugt, Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens werden und bleiben mögen. Amen.

Siebenundsechzigste Woche.

Ev. St. Joh. 15. Kap.

Dieses Kapitel ist eine Fortsetzung derjenigen Predigt, so unser liebster Heiland JEsus Christus in der letzten Nacht vor Seinem bittern Leiden und Sterben - nach der Einsetzung des heiligen Abendmahls - auf dem großen Saal zu Jerusalem angefangen, woselbst Er sich mit Seinen Jüngern versammelt hatte.

Der erste Theil unsers Kapitels begreift eine sehr anmuthige Gleichnißrede, durch welche der Heiland anzeigen will, wie und welchergestalt Er mit Seinen Gläubigen, und sie mit Ihm - in der allersüßesten Vereinigung stehen könnten und müßten, wenn Er gleich der sichtbaren Gegenwart nach von dieser Welt Seinen Abschied werde genommen haben.

Da vergleicht Er nämlich, wie Er vorher in Seinen Predigten öfters gethan, Seinen himmlischen Vater einem Weingärtner, Sich selbst aber einem Weinstock - und Seine Jünger und Gläubigen den Neben an diesem Weinstock, und zwar den fruchtbaren Reben, welche der himmlische Vater reinige, das ist, durch die Kraft Seines Geistes und Wortes und des lieben Kreuzes immer mehr von der Liebe dieser Welt und deren vergänglichen Lüsten abziehe, dagegen täglich geschickter und williger mache, im Glauben und in der Liebe Gottes zuzunehmen.

Gleichwie aber ein Rebe keine Frucht bringen kann, er bleibe denn am Weinstock, von welchem er Saft und Kraft an sich ziehet, ebenso, spricht Christus, können wir ohne Ihn, der unser Leben ist und heißt, nichts thun. Daraus stehet man, wie keine wahre Gottseligkeit und Frömmigkeit ohne die lebendige Erkenntniß Jesu Christi seyn könne, und wie es ohne den Glauben unmöglich sey, Gott zu gefallen.

So sagt der Heiland bedenklich: darinnen werde Sein Vater geehret, daß wir Seine, des HErrn Jesu, Jünger werden - und viele Frucht bringen, das ist, wie Paulus in seiner Epistel an die Philipper am 1. vermahnet, daß wir erfüllet seyen „mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum in uns geschehen zu Ehre und Lobe Gottes“, welcher im Gegentheil die unfruchtbaren, unnützen Reben wegwerfen - und denjenigen, der nicht in Jesu Christo durch den Glauben bleiben will, in das Feuer werfen lassen wird.

Da sollen wir uns denn billigermaßen fleißig prüfen und versuchen - nach Pauli Worten in der 2. Epistel an die Corinther am 13., ob wir im Glauben seyen; was sich zeigen wird, wenn wir Achtung geben, ob Jesus Christus in unseren Herzen durch Sein Wort und Seinen Geist alles Gute wirke, so daß wir der Sünde absterben - und täglich frömmer werden. Wo das nicht ist, so sind wir untüchtig - und keine Reben des himmlischen Weinstocks, Jesu Christi.

Darum dringet auch Jesus in Seinem Gespräch weiter auf den Beweis der Liebe als eine Frucht des Glaubens bei Seinen Jüngern, indem Er erstlich sagt: „Das ist Mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet“, hernach aber dazu setzet: „gleichwie Ich euch liebe.“

Nun zeiget Er ferner an, wie niemand größere Liebe habe, denn daß er Sein Leben lasse für Seine Feinde; was Er bald thun - und damit vor aller Welt an den Tag legen wolle, wie weit sich Seine Liebe gegen sie erstrecke. Gleichwie nun das für eine große und unverdiente Ehre zu achten ist, daß hier der Sohn Gottes Menschen, welche der Sünden halber Seine und Gottes Feinde waren, dennoch Seine Freunde nennet, ebenso preiset und erweiset Gott nach der Epistel an die Römer am 5. darinnen Seine Liebe vor aller Welt, daß Christus gar für die Menschen insgesammt gestorben ist - und sie mit Gott wieder versöhnet hat, so daß sie von demselben zu Gnadenkindern an- und aufgenommen worden sind, deren Gebet, wenn es in Jesu Namen geschieht, das ist, in rechtem Glauben und kindlicher Zuversicht, auf Jesu Wort, Geheiß und Verdienst, Er erhören - und ihnen den heiligen Geist, ja alles Gute geben will.

Dies deutet unser Heiland hier selbst an, schärft auch das Gebot der Liebe noch ferner ein, verwahret sodann Seine Jünger gegen den Haß der gottlosen Welt mit Trost, bestraft weiter der ungläubigen Juden Verstockung - und beschließt endlich das Kapitel mit Verheißung des Trösters.

Wer demnach unter uns ein rechter Jünger Jesu seyn und heißen will, der lasse sich die Liebe des Nächsten wohl empfohlen, der Welt Anfechtung und Widerwärtigkeit aber nicht zuwider seyn, und dazu gebe uns der HErr Jesus Seinen Geist - um Seiner ewigen Liebe willen. Amen.

Achtundsechzigste Woche.

Ev. St. Joh, 17. Kap.

In diesem Kapitel ist das unvergleichlich schöne Gebet verfasset, welches der Sohn Gottes als unser ewiger Hoherpriester - kurz vor dem Antritt Seines schweren Kampfes am Oelberg - mit großer Bewegung Seines Herzens - für Sich, für die lieben Apostel und insgemein für alle Gläubigen - zu Gott, Seinem himmlischen Vater, gethan hat.

Die Kraft dieses Gebets währet bis an der Welt Ende, also daß wir uns dessen, so lange wir wahre und lebendige Gliedmaßen der Kirche Christi sind, in allen geistlichen und leiblichen Anfechtungen trösten dürfen. Denn nachdem wir von Christo die Gnadenversicherung haben: was wir den Vater bitten werden in Seinem Namen, das werde Er uns geben, - so hat ohne allen Zweifel dieser Gott und Vater im Himmel dasjenige Gebet, welches Sein eingeborner Sohn selber mit solcher Kraft, Andacht, Demuth und kindlicher Zuversicht vor Ihn gebracht, gnädiglich erhöret.

Es bittet aber der HErr JEsus erstlich für Sich selber, daß Ihn der Vater verklären, das ist, durch Leiden und Tod mit Preis und Ehre krönen, zu Seiner Rechten im Himmel setzen - und vor aller Welt durch die Predigt des Evangelii, welche Er, Christus, bereits im jüdischen Land angefangen, als den wahren Messias, den Er in die Welt gesandt habe, wolle bekannt werden lassen.

Vornehmlich ist der Hauptspruch wohl zu merken, daß dieses das ewige Leben - oder der Weg, Anfang und Vorschmack zu dem ewigen, seligen Leben sey, wenn man Gott den Vater und, den Er gesandt hat, Jesum Christum, erkenne, verstehe: im wahren Glauben und nach dem geoffenbarten Wort. Denn damit werden alle diejenigen widerlegt, welche dafür halten, der Mensch könne entweder durch das blose Licht der Natur und der Vernunft - außer der christlichen Kirche - oder doch in einer jedweden Religion durch Frömmigkeit des Lebens vor Gott gerecht und selig werden. Gott will aber in Seinem Sohn, Jesu Christo, recht erkannt und verehret seyn, „und ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name (unter dem Himmel) den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden“; wie auch St. Petrus sagt in der Apostelgesch. am 4.

Nachdem also Christus in Seinem Gebet zuerst um die Heiligung des Namens Gottes gebetet, gleichwie auch wir im Vaterunser zu thun angewiesen werden, gedenkt Er ferner Seiner Jünger, denen Er - ihrer großen, Ihm wohl bekannten Schwachheit ungeachtet - das Zeugniß gibt, sie haben Sein Wort angenommen - und wahrhaftig an Ihn geglaubet. Er bittet aber für sie, der himmlische Vater wolle sie in Seinem Namen, das ist, in Seiner Wahrheit, welche Er des HErrn Wort nennet, heiligen - und vor allem Uebel bei dem Haß der Welt und künftigen schweren Verfolgungen bewahren.

Es hat auch nicht nur Petrus, sondern auch die gesammte Zahl der übrigen Apostel diesem Gebet Jesu Christi, ihres HErrn und Meisters, gewißlich zu danken gehabt, daß ihr Glaube nicht aufgehöret; wie leider Judas, den der Heiland das verlorne Kind nennet, von dem bösen Feind sich hat verführen und überwinden lassen.

Wenn unser Jesus bezeuget. Er bitte nicht für die Welt, so darf solches nicht also verstanden werden, als habe Er nicht für alle Menschen in der Welt leiden und sterben sollen und wollen. Denn derselbe hat ja anderswo sogar für Seine Kreuziger gebeten, welche ohne Zweifel zu der gottlosen und verdammten Welt damals gehört haben, und sonst von allen Seinen treuen Nachfolgern begehret, daß sie für die bitten sollen, die sie beleidigen und verfolgen. Gleichwie Er aber ein Heiland aller Menschen ist und bleibet, denen auch das Evangelium nach Christi Himmelfahrt hat müssen verkündiget werden, so ist Er's insonderheit der Gläubigen, und diese liegen Ihm vornehmlich an Seinem Herzen.

Für die Gläubigen bittet Er auch in dem dritten und letzten Theil dieses Kapitels, wenn Er ausdrücklich neben den Aposteln und andern Jüngern selbiger Zeit Seinem himmlischen Vater diejenigen anbefiehlt, welche durch jenes Wort künftig noch an Ihn glauben würden.

Weil nun durch Gottes Gnade dieses Wort der lieben Jünger und Apostel Jesu noch unter uns vorhanden ist, so können alle, die dadurch an Jesum gläubig werden, das ist, vermittelst der Predigt des Evangelii von ihren Sünden sich zu Gott bekehren - und derselben Vergebung in Christi Leiden und Tod suchen, sich dessen getrösten, daß sie nicht allein hier in diesem Leben an Jesu Christo Theil haben - und mit Ihm und dem Vater, gleichwie unter sich selbst, in Gemeinschaft stehen, sondern auch dermaleinst der Fürbitte Jesu Christi wirklich genießen werden, da Er sich also vernehmen lasset: „Vater, Ich will, daß, wo Ich bin, auch die bei Mir seyen, die Du Mir gegeben hast.“

Gott erhalte und befestige uns in Seiner Wahrheit; Er gebe ewigliche Freiheit, zu preisen Seinen Namen, durch Jesum Christum. Amen.

Neunundsechzigste Woche.

Apostelgesch. 5. Kap.

Dieses Kapitel erzählet, wie der Satan sein Unkraut mit unter den Weizen auf dem Kirchenacker gemenget habe, nachdem unser Heiland in der Stadt Jerusalem nach Seiner Himmelfahrt durch die Apostel und andere Jünger, welche am Pfingstfeste die Wundergaben des heiligen Geistes empfangen hatten, den guten Samen Seines Wortes und heiligen Evangelii unter den Juden hatte ausstreuen lassen. Der Satan hat nämlich den Ananias und sein Weib verführet, daß sie sich erstlich durch Geiz, hernach durch Heuchelei schwerlich versündiget - und damit ein schnelles Gericht über sich gezogen haben.

Es muß auch in alle Wege der Verfall dieser Leute groß, und ihr Vorhaben, (da sie von dem aus ihrem Acker gelösten und für die armen Christen gewidmeten Gelde etwas zurückbehalten - und noch dazu solches Unternehmen verleugnet haben,) sehr böse gewesen seyn, dieweil Petrus ausdrücklich sagt, der Satan habe des Ananias Herz erfüllet, daß er dem heiligen Geist, also nicht nur Menschen, gelogen. Es hatte nämlich der heilige Geist Seine Gottheit und Gegenwart bei der Gemeine zu Jerusalem genugsam dargethan. Daher hätten diese beiden Eheleute, Ananias und sein Weib Sapphira, deren eines das andere von Rechts wegen eines bessern hätte belehren und abmahnen sollen, wohl wissen können, ihr Gedanke würde nicht verborgen bleiben.

Gleichwie nun aber, als sie beide in ihren Sünden eines plötzlichen Todes dahinfuhren, eine große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle gekommen ist, die solches höreten, ebenso soll auch uns die Betrachtung dieses schrecklichen Exempels bewegen, daß wir vor Gott und Seinem Angesicht aufrichtig und ohne Heuchelei wandeln, eingedenk, daß Sich Gott nicht spotten - oder gleich den Menschen hintergehen lasse, sondern entweder noch in dieser Welt unsere, obschon heimlich getriebene Ungebühr durch schwere Heimsuchung rächen und strafen, (wie denn noch immer dann und wann schnelle Gerichte Gottes über Meineidige und andere muthwillige Sünder sich äußern,) oder doch in jener Welt offenbaren und vergelten wolle.

Wo eine solche herzliche Furcht und Scheu vor Gott im Himmel bei uns ist, so werden wir nicht nur in allem dem, was uns in unserm Amt und Beruf anvertrauet ist, also handeln, daß wir ein gutes Gewissen behalten, sondern auch sonst unerschrocken und freudig seyn, zu thun, was uns geziemet.

So thaten die lieben Apostel auch, und weil sie Gottes Befehl durch den Engel des HErrn im Gefängniß empfangen hatten, alle Worte dieses Lebens, das ist, das Evangelium von Jesu im Tempel zu predigen, kamen sie solchem Befehl nach, obgleich ihnen der Hohenpriester Verbot und die angedrohete Strafe bekannt war.

Wenn nämlich die Menschen die Beobachtung dessen, was Gott und unser Gewissen klärlich erfordert, hindern und verwehren wollen, so muß man nach Petri Ausspruch Gott mehr gehorchen, als den Menschen; und ob wir auch darüber gleich den Aposteln in mancherlei Noth und Schmach gerathen sollten, so müssen wir doch mit ihnen fröhlich seyn, daß wir würdig geachtet werden, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden.

Dabei soll unser Trost seyn, daß Gott der Feinde und Widerwärtigen Gedanken und Anschläge oft unvermuthet wenden könne, gleichwie hier durch Gamaliels Rath die Apostel bei Leben erhalten worden sind, - ferner, daß diejenigen, welche uns unschuldiger Weise antasten und verfolgen, wider Gott selbst streiten, mit dem sie es auch auszuführen haben, - und endlich, daß, wenn wir mit Jesu hier geduldet haben und gestorben sind als Gliedmaßen Seines geistlichen Leibes, wir endlich auch mit Ihm leben und herrschen sollen.

Dazu verhelfe uns Gott in Gnaden - um Seines Sohnes willen. Amen.

Siebenzigste Woche.

Apostelgesch, 9. Kap.

In diesem Kapitel beschreibet uns der Evangelist Lucas ein Exempel der göttlichen Güte und Barmherzigkeit an der Bekehrung des Saulus, welcher bisher ein heftiger Feind und Verfolger der Jünger und des Namens Jesu gewesen, sich über den Tod des frommen Stephanus gefreuet - und denen, welche ihn gesteiniget, die Kleider bewahren helfen; auch hatte er die Gemeine, welche in der Stadt Jerusalem von den Aposteln mit so vielem Segen gepflanzet und angerichtet war, zerstöret und zerstreuet, ja diejenigen, welche die Taufe angenommen - und Jesum für den wahren Messias und Sohn Gottes bekennet, allerorten hervorgesucht, in's Gefängnis geworfen - und durch allerlei Schmach und Marter gezwungen, den allerheiligsten Namen Jesu zu lästern, war zugegen gewesen, wenn sie um ihres Glaubens willen getödtet wurden, und hatte sich in Summa als ein Werkzeug des Satans gebrauchen lassen.

Da dieser Saulus noch schnaubete mit Drohen und Morden wider die Jünger Jesu - und jetzt sammt seinen Gefährten auf dem Weg nach der großen Stadt Damaskus begriffen war, des ernstlichen Vorhabens, auch daselbst seinen blinden Eifer durch Gefangennehmung der Jünger Jesu sehen zu lassen - und der Predigt des Evangelii Einhalt zu thun, wirft ihn ein Licht, das Heller war, denn der Sonne Glanz, und das ihn auf der Strasse am hellen Mittag umleuchtete, plötzlich zu Boden, und da zeiget sich ihm zugleich der Herr Jesus selber, der ihm erstlich zurufet: „Saul, Saul, was verfolgest du Mich?“ und darauf hinzusetzet: „Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken.“

Hiemit wurde ihm zu seinem äußersten Schrecken zu erkennen gegeben, daß er sich in seiner bisherigen Blindheit vergeblich eingebildet habe, als wäre an der Auferstehung Jesu von den Todten nichts, und es könne also Jesus von Nazareth niemand weder schaden noch helfen. Denn hier lehret ihn die Stimme des Heilandes, daß Jesus allerdings lebe - und zur Rechten Gottes erhöhet sey, auch alles wisse, was Saulus bis dahin wider Seine Jünger zu Jerusalem vorgenommen - und noch im Sinn habe; womit er denn Jesum selber in Seinen Gliedern und Unterthanen verfolget.

Allein da muß Saulus für's andere vernehmen, wie er es nicht mit blosen schwachen Menschen zu thun habe, die seiner von den Hohenpriestern und der Obrigkeit im Land unterstützten Gewalt nicht widerstehen konnten, sondern mit der der göttlichen Kraft des HErrn Jesu, und wie er ebenso unbesonnen handle, als ein Zugvieh oder ein junges, unbändiges Kalb, welches, wenn es mit einem spitzigen Stab oder Stachel getrieben wird, seinen Weg fortzugehen, hinter sich ausschlägt - und sich selbst am meisten beschädiget.

So nämlich haben je und allewege die Feinde der Kirche nicht verstehen wollen, daß sie in ihrer Grausamkeit und Wuth gegen die Rechtgläubigen und Jünger Jesu mit Gott selber streiten - und am Ende ihnen selbst ein schweres Zorngericht verursachen.

Indem aber Saul mit Zittern und Zagen fraget: „HErr, was willst Du, daß ich thun soll?“ und der HErr ihn aufstehen - und in die Stadt gehen heißet, lernen wir daraus, was durch die rechtschaffene Bekehrung bei dem Menschen gewirket werde, welcher nunmehr durch den Schrecken des göttlichen Zorns im Gewissen gerühret, niedergeschlagen und vom heiligen Geist erleuchtet ist, nämlich, daß man sich Gott ganz und gar unterwirft und ergibt, nach dessen Willen zu glauben, zu leben und zu sterben.

Und weil sodann Saulus drei Tage lang blind gelassen worden, bis Ananias zu ihm kommt - und ihn unterrichtet und taufet, so daß er auf einmal leiblich und geistlich wieder sehend, ja durch den heiligen Geist so gestärket wird, daß er mit großer Freudigkeit, wiewohl nicht ohne große Gefahr und Nachstellung von den ungläubigen Juden und Griechen, Jesum prediget, daß Er Gottes Sohn sey, - daraus stehet man, wie Gott das ordentliche Predigtamt und die Handlung der heiligen Sakramente bestätiget, auch überschwänglich mehr an einem Menschen thun kann, als man bittet oder verstehet.

Hier ist nämlich aus einem reißenden Wolf nicht nur ein zahmes Schäflein, sondern sogar ein treuer Hirt der Heerde, aus einem abgesagten Lästerer, Schmäher und Verfolger Jesu ein Jünger, ja ein Lehrer und theurer Apostel worden, der durch göttliche Gnade zur Förderung des Christenthums und Ausbreitung des Namens Jesu als ein auserwähltes Rüstzeug viel geholfen, Jesu Namen getrost und ohne Scheu vor der ganzen Welt getragen - und um dessen willen unzählig vieles Leiden williglich erduldet hat, um des Namens Jesu willen, dessen Kraft und Macht, wie in diesem Kapitel ferner folget, sich auch in andern Wundern und Zeichen, in Gesundmachung des kranken Aeneas - und Auferweckung der gutherzigen Tabea zu Joppe, durch Petrus bewiesen hat.

Das soll denn einerseits uns allen einen Muth erwecken, daß wir bei unsern großen und schweren Sünden an Gottes Gnade und Barmherzigkeit nicht verzagen, weil uns der HErr JEsus an diesem Seinen Apostel ein Exempel aller Geduld gezeiget hat, andererseits aber uns auch erwecken, in die Fußtapfen des bekehrten Saulus einzutreten, damit Gottes Name und Ehre, die wir zuvor mit unserm sündlichen Leben verunehret, an unserm Leib und Geist gepriesen und verherrlichet werden möge.

Das gebe der gütige Vater im Himmel - um Jesu willen - durch die Kraft des heiligen Geistes. Amen.

Einundsiebenzigste Woche.

Apostelgesch, 17. Kap,

In diesem Kapitel wird uns vorgeleget, wie der Apostel Paulus mit dem Evangelium Christi von den Thessalonichern, von denen zu Beröa und von den Einwohnern der weitberühmten Stadt Athen aufgenommen worden sey.

Da zeiget sich denn, daß das Wort Gottes gemeiniglich zweierlei Gattungen der Zuhörer antreffe. Die meisten verwerfen und verlachen es, wo nicht äußerlich, doch innerlich im Herzen, wenn es mit den Einbildungen ihrer hochmüthigen Vernunft - oder mit den sündlichen Begierden ihres verderbten Fleisches nicht übereinstimmen will, sondern dieselben angreifet und bestrafet. Wenige sind, die nach sorgfältigem Prüfung die ihnen vorgetragene Lehre als Gottes Wort annehmen und zur Wirkung der Buße und des Glaubens in der Seele kräftig seyn lassen.

Wir sollen uns aber nicht nur das Exempel der Beröenser, deren edles und gutes Gemüth der heilige Geist selbst rühmet, zur Nachfolge dienen lassen, indem wir die nach Gottes Wort geprüfte Lehre willig aufnehmen, sondern es soll uns auch die bewegliche Bußvermahnung Pauli, die er den Atheniensern vorhält, aus dem Schlaf der Sicherheit ermuntern - und uns des großen Gerichtstages erinnern, an welchem Gott den Kreis des Erdbodens durch Seinen Sohn Jesum Christum mit Gerechtigkeit richten - und die Menschen zur Rechenschaft fordern wird, wie sie Seinen allgemeinen Bußbefehl und den von Ihm jedermann vorgehaltenen Glauben aufgenommen haben.

Er, dessen Langmuth auch bei uns so vieles und so lange übersehen, gebe in Gnaden, daß wir den Reichthum Seiner Geduld nicht mißbrauchen, sondern Seine Güte uns zur Buße leiten lassen, damit wir am Tage des Gerichts nicht zu Schanden werden, sondern mit Freuden bestehen mögen.

Zweiundsiebenzigste Woche.

Ep. an die Römer 1, Kap,

Gleichwie es der Hauptzweck der Epistel an die Römer ist, zu zeigen, daß vor Gott kein Mensch besser sey, als der andere, sondern daß alle auf einerlei Weise - aus lauter Gnade - durch den Glauben an Christum - gerecht und selig werden - ohne Unterschied des Volks, es seyen Juden oder Heiden, - so fängt der Apostel Paulus in diesem Kapitel an, den großen Unglauben und die öffentliche Gottlosigkeit der verderbten Menschen an dem Exempel der Heiden vorzustellen.

Er zeiget nämlich auf's klarste, daß sie von dem Weg der Seligkeit weit entfernt seyen, indem sie Gott aus den Creaturen nicht so erkannt und geehrt haben, wie sie gesollt und gekonnt hätten, sondern sie seyen auf närrische Abgötterei gerathen, in verkehrten Sinn dahingegeben - und auf solche Laster verfallen, die jedermann Abscheu und Entsetzen verursachen, unfehlbar aber Gottes Zorn vom Himmel nach sich ziehen müssen.

Sonderlich haben wir zu lernen, welch eine schreckliche Sünde es sey, die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufzuhalten - und mit Verachtung einer erkannten Wahrheit wider besser Wissen und Gewissen zu sündigen. Denn dadurch wird Gott nach andern Strafen gereizt, daß Er solchen Menschen in verkehrten Sinn also verfallen lasset, daß kein Laster so abscheulich ist, welches ein solcher nicht sollte begehen können.

Da nun die Heiden, die doch nur das Licht der Natur gehabt, wegen dieses unverantwortlichen Mißbrauchs so bestrafet worden sind, so ist leicht abzunehmen, wie es vielen vermeinten Christen gehen werde, die neben dem Licht der Natur auch das geoffenbarte Wort Gottes haben - und doch so oft durch muthwillige Sünden dawider sich vergreifen.

Gott lasse uns alle erkennen, daß an jenem Tage auf den Mißbrauch einer größeren Gnade auch ein unerträglicheres Gericht folgen werde, und regiere uns durch Seinen heiligen Geist, daß wir das Licht der göttlichen Erkenntniß allezeit zu Seiner Verherrlichung - und zu unserer Seelen Erbauung und Besserung anwenden mögen.

Dreiundsiebenzigste Woche.

Ep. an die Römer 2. Kap.

Wir finden in diesem Kapitel, daß der Apostel Paulus auch denen die Gerichte Gottes ankündige - und die Hoffnung, aus ihren Werken die Seligkeit zu erlangen, benehme, die sich etwa eines äußerlich ehrbaren Lebens befleißigen, aber doch im Herzens Feinde Gottes und Seines Gesetzes bleiben - oder, wie die Juden, sich auf äußerliche Vorzüge, Ceremonien und göttliche Anordnungen verlassen wollen.

Wir hören, daß der Reichthum der göttlichen Güte und Langmuth, wenn man sich nicht dadurch zur Buße leiten lasse, sondern immer zur Sicherheit und Fortsetzung seines heuchlerischen Scheinwesens denselben mißbrauche, sich in einen desto schrecklichern Zorn verwandele - und das Urtheil nur schärfe.

Wir lernen, daß das Gericht Gottes über alle Sünder ohne Unterschied gehe, sie seyen, wer sie wollen, oder bilden sich ein, was sie wollen. Das Gewissen sey jetzt schon der Ankläger im Herzen, der, wenn er gleich eine Zeit lang eingeschläfert worden seyn sollte, doch endlich selbst auch wider die verborgene Bosheit der Menschen zeugen werde.

Wir lernen endlich, daß es in Sachen, welche die Seligkeit betreffen, nicht auf äußerliche Dinge ankomme, deren sich manche rühmen, z. B. daß sie evangelische Christen heißen, das reine Wort Gottes haben und hören, der Taufe, der Absolution und des Abendmahls theilhaftig seyen. Alle solche Dinge machen es noch nicht aus, wenn nicht auch das Herz, der Glaube und dessen Früchte im Leben rechtschaffen seyen; ja, es sey viel ärger, wenn man sich bei lasterhaftem Leben Gottes, Christi und jener göttlichen äußerlichen Dinge rühmen wolle, weil um solcher willen der Name Gottes bei den Feinden und andern verlästert werde.

Wir bitten Gott, daß Er uns davon kräftig überzeuge, damit, wenn wir uns der Gemeinschaft mit Ihm und Seines Bundes rühmen, unser Glaube im Herzen und der Wandel im Leben auch mit übereinstimme, und damit uns nicht sowohl vor Menschen, als vielmehr vor Gott, Lob widerfahre.

Vierundsiebenzigste Woche.

Ep, an die Römer 3, Kap.

Nachdem Paulus in den beiden vorhergehenden Kapiteln die Juden sowohl als die Heiden unter die Sünde geworfen - und beiden die Gerechtigkeit durch ihre Werke abgesprochen hat, so läßt er nun in diesem Kapitel den Juden zwar einigen Vortheil, daß ihnen nämlich Gottes Wort anvertrauet worden sey, zeigt aber dabei - und erweiset aus vielen Stellen des göttlichen Wortes selbst, daß doch beide, Juden und Heiden, ja alle Menschen darinnen einander gleich seyen, daß sie allzumal Sünder vor Gott sind, und daß der einige Weg zur Gerechtigkeit und Seligkeit erstlich die erbarmende Gnade Gottes sey, zweitens Christi Verdienst, durch dessen Blut uns die Sünde vergeben, und die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, dargeboten werde, und drittens der Glaube oder das Vertrauen auf Jesum Christum, wodurch allein - ohne Werke des Gesetzes - die Gerechtigkeit ergriffen und erlangt werde. Daher sollen wir uns denn alle mit aufrichtigem Herzen vor Gott demüthigen - und Ihm allein mit Absprechung alles Ruhmes für die Menschen die Ehre geben.

Wir können hier auch den Nutzen des göttlichen Gesetzes betrachten, daß wir nämlich daraus unsere Sünden vor Gott erkennen sollen; wodurch uns abermals aller Ruhm entzogen, und die Gnade Gottes in Christo verherrlicht wird. Denn je öfter und genauer wir uns in diesem Spiegel beschauen, desto weniger werden wir uns - bei so vielen Mängeln und Sünden - gelüsten lassen, mit Gott in's Gericht zu gehen, und desto eifriger werden wir uns nach einem Fürsprecher umsehen, der uns vor Gottes Zorn schütze und vertheidige.

Und wenn uns dann das Evangelium Christum zu erkennen gibt, den uns Gott zum Gnadenstuhl vorgestellet hat, so werden wir mit desto größerem Verlangen unsere Zuflucht zu Ihm und Seinem Blute nehmen - und mit desto herzlicherem Dank diese von Gott geschenkte Gnade und Wohlthat erkennen; was uns dann zu kindlichem Gehorsam gegen unsern nun wieder versöhnten Vater - und zu brünstiger Liebe gegen Christum JEsum als unsern allergrößten Wohlthäter auf das allerkräftigste antreiben wird.

Gott gebe uns Gnade, daß wir die Kraft dieser heilsamen Lehre in unserm Herzen empfinden, in unserm Leben beweisen - und wider die Anklage des Gesetzes und unsers Gewissens zu beständigem Trost anwenden mögen.

Fünfundsiebenzigste Woche.

Ep, an die Römer 5. Kap

Hier ist erstlich eine nachdrückliche Darstellung der vortrefflichen Früchte, die aus der erlangten Glaubensgerechtigkeit herrühren. Da lernen wir denn, daß der Glaube nicht ein kalter, todter Gedanke des menschlichen Herzens, sondern überaus fruchtbar und lebendig sey. Denn er wirket Friede mit Gott und einen freudigen Zugang zu Seiner Gnade; er verherrlichet - bei beständiger Demüthigung unser selbst - die göttliche Liebe und Erbarmung; er macht, daß wir uns nicht allein in fest gegründeter Hoffnung der künftigen Herrlichkeit, sondern auch in standhafter Geduld der Trübsale rühmen können, die uns von Gott zu unserm Besten zugeschickt werden. Solches alles folget, wo der Glaube recht ist, um des überschwänglichen Guten willen, das uns Gott in Christo erzeiget, daß Er Ihn nämlich für uns hat sterben lassen, ehe wir Ihn darum bitten konnten, ja da wir noch Feinde waren.

Darnach sehen wir in einer anmuthigen Vergleichung zwischen Adam und Christus, der auch sonst der andere Adam heißet, wem die Sünde, der Tod und alles Verderben zuzuschreiben sey, wo dagegen alle Gnade und Seligkeit herrühre, und wie viel die Arznei sey, als die Krankheit, wie viel überschwänglicher die Hilfe, als der Schaden, damit wir die Liebe Gottes, der da reich ist von Barmherzigkeit - und uns verlornen Menschen durch Seinen Sohn so viel Gutes zugedacht hat, herzlich preisen - und in vorgeschriebener göttlicher Ordnung der Buße und des Glaubens wirklich annehmen mögen.

Wir sollen also aus dem Gesetz die große Macht der Sünde erkennen - und auch unsere Sünden in unsern Urtheilen nicht gering, sondern recht groß machen, damit uns das Evangelium der noch größern Macht der Gnade desto nachdrücklicher versichern - und derselben desto gewisser theilhaftig machen könne, und damit, gleichwie die Sünde zum Tod geherrschet hat, ebenso auch die Gnade durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben herrsche, durch Jesum Christum, welchem sammt dem Vater und dem heiligen Geist für diese unendlich große Gabe sey Lob und Ehre in Ewigkeit! Amen.

Sechsundsiebenzigste Woche.

Ep. an die Römer 6.

In diesem Kapitel widerlegt der Apostel den Einwurf wider seine tröstliche Lehre, daß, wo die Sünde mächtig werde, die Gnade Gutes noch viel mächtiger sey, den Einwurf, als wenn hieraus eine Veranlassung zur sündlichen Freiheit und Sicherheit folgen würde, und als wenn man deßhalb um so mehr sündigen dürfte, damit die Gnade Gottes desto mächtiger werde. Er zeiget klärlich, daß die Lehre von der Gnade Gottes keine Freiheit zu sündigen verstatte, - daß die Vereinigung der getauften Christen mit ihrem Heiland neben dem Dienst der Sünden nicht bestehe, sondern eines das andere aufhebe, - daß ein Mensch, welcher der Sünde mit Christo abgestorben sey, nun nicht mehr derselben leben könne, daß, wer mit Ihm zu einem neuen geistlichen Leben erweckt sey, nun nicht mehr in den alten sündlichen Wegen des Todes fortgehen dürfe. Ja er nimmt hieraus Gelegenheit, vor der Sünde treulich zu warnen - und zur Gottseligkeit beweglich zu vermahnen. Er gibt zu, daß in unserm Fleisch noch sündliche Lüste seyen; aber man dürfe sie nicht herrschen lassen - noch auch die äußerlichen Glieder zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit hergeben; vielmehr solle die Gnade zum Gehorsam Gottes und zum Streit wider die Sünde ebenso kräftig treiben, als vorher - im Dienst der Sünden - der Trieb des Fleisches zur Sünde groß gewesen war, und das um so viel mehr, weil im Dienst der Gerechtigkeit ein ganz anderer und unvergleichlich besserer Lohn zu gewarten sey.

Dies sollen wir uns nun gesagt seyn lassen - und sollen uns sonderlich vor dem bösen Lohn des Sündendienstes hüten, da wir uns vor unserm eigenen Herzen, vor ehrlichen Leuten auf Erden und am jüngsten Gericht vor Gott und allen heiligen Engeln und Auserwählten schämen müßten - und am Ende nichts anderes, als zeitlichen und ewigen Tod, zum verdienten Sold zu gewarten hätten. Vielmehr wollen wir uns immer ermuntern, in den Dienst Gottes ungesäumt einzutreten - und in demselbigen beständig zu verharren, wollen auch unsere Herzen zu aufrichtigem Gehorsam, unsern Mund und unsere Zunge zu Seinem Lob und Preis, unsere Hände zum Dienst Seiner Gläubigen und Heiligen auf Erden - und alle unsere Glieder zu Werkzeugen der Gerechtigkeit widmen und ergeben; so werden wir nicht allein hier auf Erden, sondern auch dort im Himmel aus Gnaden reichen Lohn empfahen; denn „die Gottseligkeit ist (doch) zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens“; welche Gnadengabe Gott durch Christum uns allen schenken wolle. Amen.

Siebenundsiebenzigste Woche.

Ep. an die Römer 8. Kap.

Im Anfang dieses sehr erbaulichen Kapitels versichert der Apostel, daß, wenn gleich in den Gläubigen noch Fleisch oder sündliche Schwachheiten zu finden seyen, so sey doch an denen, die durch den Glauben in Christo Jesu sind, keine wirkliche Verdammung, wenn sie nur nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln, das ist, wenn sie den sündlichen Lüsten des Fleisches nicht folgen, sondern widerstreben, und sich von dem guten Geist Gottes regieren lassen.

Gleich darauf fährt er denn auch mit einer überaus nachdrücklichen Vermahnung zur Heiligung fort - und führt zu dem Ende sowohl den großen Unterschied an, der sich zwischen geistlich und fleischlich gesinnten Menschen findet, als auch den beständigen Antrieb zum Guten und andere Gnadenwirkungen des Geistes der Kindschaft, damit wir nicht allein nach solchen Kennzeichen den Zustand unserer Herzen fleißig prüfen und untersuchen, sondern uns auch durch den Trieb dieses kindlichen Geistes zu aufrichtigem und willigem Gehorsam ermuntern lassen, die sich regenden Lüste und sündlichen Begierden durch die Kraft des heiligen Geistes tödten - und uns also der Kindschaft Gottes und der Erbschaft des Himmels auf das gewisseste versichern mögen.

Weil aber die Erben Gottes und Miterben Christi sich dem Leiden nicht entziehen können, so führet der Apostel am Ende die allerherrlichsten Tröstungen an - und zeiget, wie die Trübsale der Gläubigen ein Leiden mit Christo seyen und zu ihrem Besten dienen müssen, sie auch von der Versicherung und dem Genuß der Liebe Gottes nicht scheiden können, sondern vielmehr mit solcher Herrlichkeit, deren alles Leiden dieser Zeit nicht werth ist, abgewechselt und vergolten werden sollen.

Gott gebe, daß wir uns durch Seinen Geist kräftig treiben lassen, auf daß uns von Seiner seligen Vereinigung weder Lust noch Furcht abwenden möge, und wir mit Geduld laufen in dem Kampf, der uns verordnet ist, und also das Ende des Glaubens, die Seligkeit, erlangen.

Achtundsiebenzigste Woche.

Ep. an die Röm. 12. Kap.

Nachdem der Apostel in dem bisherigen ersten Theil dieser ganzen Epistel von den wichtigsten Glaubenslehren auf das gründlichste gehandelt hat, so lehret er nun in diesem und den folgenden Kapiteln, wie der Gläubigen Leben und Wandel beschaffen seyn solle.

Im Anfang des 12. Kapitels ermahnt er auf das allerbeweglichste und durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes insgemein alle Gläubigen, daß sie als geistliche Priester Gott den Ihm gebührenden Dienst auf eine heilige und Ihm gefällige Weise bringen, die sündlichen Lüste als ein Opfer schlachten und tödten, sich selbst Gott zum Gehorsam aufopfern - und also der Welt sich nicht gleichstellen, sondern in einem ganz geänderten Sinn verharren sollen.

Dadurch wird die gemeine Entschuldigung vieler Namenchristen, die ihr Thun und Lassen mit dem gemeinen Lauf und der Gewohnheit der Welt beschönigen wollen, gänzlich niedergeschlagen, und der beständige Unterschied zwischen den Kindern und Liebhabern der Welt einerseits und den Kindern und Priestern Gottes andererseits nochmals festgesetzt.

Im folgenden zeiget der Apostel, wie ein jeder in seinem Amt und Beruf seine Gaben in Demuth und Verträglichkeit und zum gemeinen Nutzen anwenden - und sich also als ein Glied an dem Leib Christi desselben Erhaltung angelegen seyn lassen solle. Ebenso schreibet er auch allerhand schöne und kurze Lebensregeln vor, die ein jeder in seinem Christenthum, besonders in der Liebe gegen den Nächsten, gegen Freund und Feind, fleißig zu beobachten hat, damit dieses Band der Vollkommenheit nicht zerrissen - oder doch, wo dergleichen durch allerhand Beleidigungen geschehen ist, bald wieder ergänzt werde.

Auch diese Vorstellung soll uns dazu dienen, daß wir erstlich in diesem Spiegel deutlich erkennen, wie das Leben eines Christen beschaffen seyn müsse, - daß wir ferner, wenn wir bei aufrichtiger Prüfung - sowohl insgemein als auch jeder für sich - so große Unähnlichkeit und sündliche Flecken finden, dieselbigen wehmüthig beklagen, - und daß wir endlich in sorgfältiger Besserung uns mehr und mehr nach solcher Vorschrift einherzugehen befleißigen, folglich auch die Früchte eines solchen geheiligten Christenstandes zum Segen unserer Seelen, unserer Häuser, ja der ganzen Kirche reichlich genießen mögen.

Neunundsiebenzigste Woche.

Ep. an die Römer 13. Kap,

Wir finden in diesem Kapitel eine schöne apostolische Anweisung, wie sich Christen in ihrem Leben gottgefällig verhalten sollen.

Im Anfang nämlich stellet Paulus der Obrigkeit göttlichen Ursprung und wichtiges Amt, dann auch der Unterthanen Schuldigkeit und Pflicht zu beiderseitiger folgsamer Betrachtung vor.

Gleichwie also die christliche Obrigkeit sich zu erinnern hat, daß ihre Gewalt nicht ungemessen sey, sondern von Gott, dessen - als ihres Oberherrn - Dienerin sie ist, zu einem gewissen Zweck ihr anvertrauet, nämlich zum Schutz der Frommen und zur Bestrafung der Bösen, ebenso fordert nicht nur menschliche Ordnung und Furcht vor der Strafe, sondern auch Gott und das Gewissen selbst von allen Untergebenen, daß sie in allen Dingen, die nicht wider Gott sind, der Obrigkeit willig gehorchen, daß sie sich fürchten oder scheuen, wider diese göttliche Ordnung zu handeln, daß sie dieselbe um des göttlichen Amtes willen gebührend ehren, und daß sie die zur Führung des Regiments erforderten Auflagen unweigerlich und gewissenhaft entrichten sollen.

Darnach kommt der Apostel wieder auf die Haupttugend der Christen, die Liebe, und fordert dieselbe als eine Schuld, die unumgänglich bezahlet werden soll - und doch nimmermehr vollkommen abgetragen werden kann.

Er warnet endlich auch vor Sünden als Werken der Finsterniß, die sich für die Kinder des Lichts nicht schicken, und will, daß wir, gleichwie wir Christum in der Taufe durch den Glauben angezogen haben, durch beständige Uebung des Glaubens und durch Nachfolge Seines heiligen Exempels denselbigen täglich anziehen sollen.

Diese treuherzige Ermahnung und Warnung sollen wir uns gesagt seyn lassen, weil wir nach der Offenbarung des Evangelii nicht in nächtlicher Finsterniß und Unwissenheit, sondern am hellen Tag der Erkenntniß Gottes und unsers Heils leben, daß wir nicht durch den Schlaf der Sicherheit und durch Ausübung der Sünden in die ewige Finsterniß wieder verfallen, sondern unserm Heil, welches mit der Zukunft Christi immer näher wird, mit Mäßigkeit des Leibes und geheiligter Seele entgegenkommen - und dessen Besitz vollkommen erlangen mögen. Dazu wolle uns der himmlische Vater aus Gnaden verhelfen - durch Jesum Christum. Amen.

Achtzigste Woche.

l Ep. an die Cor. 10, Kap,

Dies ist eine gewaltige und bewegliche Vorstellung Pauli an die bekehrten Corinther, daß sie nicht zu vermessen seyn und meinen sollten, weil sie einen guten Anfang gemacht hätten - und in der äußerlichen Gemeinschaft der wahren Kirche lebten, so könne ihnen nun die ewige Seligkeit nicht fehlen, sie möchten es machen, wie sie wollten. Er stellet ihnen die Israeliten zum Bild und Exempel vor, welche nach so vielen und großen Begnadigungen doch durch allerhand Sünden den Zorn Gottes so gereizet haben, daß von einer so großen Menge nur zwei in das verheißene Land eingegangen sind.

Dies lehret uns, wie wir die heilige Schrift und die darinnen vorkommende Geschichte recht zu unserm Nutzen anwenden - und aus den Exempeln sowohl der Tugenden als der Laster, sowohl der göttlichen Gnadenwohlthaten als der göttlichen Strafgerichte etwas zu unserer Erbauung und Besserung lernen sollen. Sonderlich sollen wir deßwegen, weil wir in der wahren sichtbaren Kirche leben, Gottes Wort und die heiligen Sacramente haben - und einigen Anfang im Guten gemacht haben, nicht sicher seyn, sondern immer bedenken: „Wer sich lasset dünken, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle.“ Auch sollen wir uns fleißig an Gottes Wort halten, unsern Glauben in guten Werken üben - und Gott, der uns Seine Treue hiebei verheißen hat, inbrünstig anrufen, daß Er das Gute, so Er angefangen, auch vollführen wolle, damit wir nicht von unsern geistlichen Feinden in schwere Anfechtungen geführet - und zum Fall gebracht werden.

Am Ende gibt der Apostel den Corinthern Unterricht vom Götzenopfer, wie, wo und wann sie davon essen könnten - oder sich desselben enthalten sollten, damit weder ihr noch des schwachen Bruders Gewissen dadurch gefährdet werde.

Bei Gelegenheit dieses Unterricht gibt er uns eine schöne Regel, wie wir insgemein all unser Thun und Lassen auf einen doppelten Zweck richten sollen, da von der erste die Ehre Gottes ist, die vor allem gesuchet werden muß, der andere die Liebe des Nächsten, die uns abhalten soll, jemand auf irgend eine Weise zu ärgern, und daß gegen antreiben, daß wir dessen wahren Nutzen nach all unserm Vermögen befördern.

Gott gebe, daß wir nach dem Exempel unseres Heilandes und Seiner treuen Nachfolger in allem unsern Thun nicht uns selbst, sondern Gottes Ehre suchen, nicht unserm, sondern Seinem Willen beständig folgen mögen.

Einundachtzigste Woche.

l. Ep. an die Cor. 13,

Der Apostel Paulus, welcher zum Schluß des vorhergehenden Kapitels vermahnet hatte, daß ein Christ nach den besten Gaben streben müsse, und sich erboten, einen köstlichen Weg diesfalls zu zeigen, handelt jetzt von der Liebe - und will, daß darnach jedermann am meisten trachten solle.

Er zeiget im Anfang, wie nothwendig diese Tugend sey, so zwar, daß ohne dieselbe auch die vortrefflichsten Gaben weder uns noch andern etwas nützen würden. Darnach zählet er unterschiedliche Früchte und Eigenschaften der Liebe auf, durch welche man ihre Art und Beschaffenheit auf das deutlichste erkennen - und sich darnach als an den gewissesten Kennzeichen prüfen kann. Endlich stellet er eine Vergleichung an zwischen etlichen Gaben des heiligen Geistes - und zeiget, daß die Wissenschaft und Erkenntniß göttlicher Dinge in diesem Leben nur Stückwerk sey, und ziehet daher die drei Tugenden, Glaube, Liebe, Hoffnung, vor, so zwar, daß er unter denselben der Liebe den Vorzug deßwegen gibt, weil die Liebe auch in jenem Leben bleiben werde, während hingegen der Glaube und die Hoffnung dort, wo man alles bekommen und schauen wird, was man hier glaubet und hoffet, aufhören sollen.

Wie wir nun nebst dem Glauben, durch welchen wir bei Gott zu Gnaden kommen, und neben der Hoffnung der verheißenen Herrlichkeit billigerweise auch die Liebe in unserm Herzen und Leben zeigen sollen, ohne welche weder ein rechtschaffener Glaube, als der durch die Liebe thätig ist, noch eine gegründete Hoffnung der Seligkeit seyn kann, - so werden wir's nach angestellter Prüfung gar sehr zu beklagen Ursache haben, daß die Liebe in der meisten Herzen erkaltet sei, indem sich - anstatt der von dem Apostel gerühmten herrlichen Früchte derselben - gerade das Gegentheil, nämlich Ungeduld, Neid, Haß, Verleumden, Zanken, Schelten und dergleichen, insgemein in dem Leben gar vieler an den Tag leget.

Um so viel mehr haben wir also Ursache, nach dieser so rar gewordenen Tugend, an welcher uns so viel gelegen ist, mit größtem Eifer zu streben - und Gott herzlich zu bitten, daß Er solche durch den Geist der Liebe in unser aller Herzen wirken und erhalten - und die bittere Wurzel, die so vieler Menschen Seelen und Leben vor Seinen heiligen Augen verwerflich machet, mehr und mehr schwächen und ausreuten wolle.

Zweiundachtzigste Woche.

1. Ep. an die Cor. 15. Kap.

Es hat ein in der Corinthischen Gemeine entstandener schrecklicher Irrthum, indem einige die Auferstehung der Todten leugneten, dem Apostel Gelegenheit gegeben, in diesem Kapitel - nach vorhergehender allgemeiner Erinnerung des ihnen gepredigten Evangelii - auf das kräftigste und nachdrücklichste zu beweisen, daß unsere Auferstehung mit der Auferweckung Christi von den Todten unzertrennlich zusammenhänge, daß beide zum Grund des Glaubens und Christenthums gehören, und daß beide auf eine ganz bündige und unwidersprechliche Weise bekräftiget seyen; wobei er am Ende unterschiedliches, was die Art und Beschaffenheit unserer künftigen Auferstehung erläutern kann, aus göttlicher Offenbarung mit beifüget.

Gleichwie wir nun billigerweise erschrecken, daß in einer so berühmten Gemeine, da der Apostel so lange und getreulich das Evangelium geprediget, so bald nach seinem Abzug ein solcher Irrthum überhand nehmen konnte, der den ganzen Grund des Christenthums umstößet, ebenso preisen wir Gottes Weisheit und Güte, die aus einer so bösen Sache das Gute herausgebracht hat, daß dieser wichtige Artikel zu unserer Lehre und zu unserem Trost so mächtig durch den Apostel behauptet worden ist. Wir wenden also diesen apostolischen Unterricht an zu unserer Ueberzeugung von dieser Grundwahrheit - und setzen unserer zweifelnden Vernunft die Kraft des allmächtigen Schöpfers, der es thun kann, und das untrügliche Wort des wahrhaftigen Gottes entgegen, der uns auch hievon Seinen heiligen Willen in der heiligen Schrift geoffenbaret hat. Wir trösten uns daraus in allem Leiden dieses Lebens und wider die Furcht des Todes, ermuntern uns aber auch dabei zur Beständigkeit im Glauben und zum Fleiß in der Gottseligkeit, damit wir uns künftig einer seligen Auferstehung zu versehen haben mögen. Wir erinnern uns sodann insgemein unter einander der heilsamen Lehre des Evangelii, dessen Kraft der Apostel im Anfang des Kapitels rühmet, und danken Gott, daß Er dasselbe auch uns bisher hat verkündigen lassen; wir bitten Ihn aber auch dabei, diese Verkündigung möge künftig allezeit mit solchem Segen geschehen, daß wir das gepredigte Wort nicht nur hören, sondern auch im Herzen durch den Glauben annehmen, in demselben auch stehen und beständig verharren - und endlich durch dasselbe selig werden mögen.

Dreiundachtzigste Woche.

2. Ep, an die Cor, 5, Kap.

In diesem Kapitel gibt der Apostel Paulus den Christen in ihren Trübsalen einestheils einen Trost, daß sie in Anbetracht der wichtigen Herrlichkeit des zukünftigen Lebens in aller ihrer Noth, ja auch im Tod selbst nicht verzagen sollen. Denn auch dieser könne ihnen nicht schädlich seyn, weil dadurch nichts anderes, als die irdische, gebrechliche Hütte des Leibes abgebrochen, dagegen aber im Himmel, in der ewigen Herrlichkeit, ein viel besserer Bau von Gott selbst bereitet werde.

Anderntheils aber erfordert er dazu, wenn wir mit der himmlischen Glorie gleichsam überkleidet und angezogen zu werden verlangen, daß wir uns auch bestreben müssen, nicht blos, sondern mit dem Rock der Gerechtigkeit unseres Heilandes bekleidet erfunden zu werden. Wenn wir nämlich nach zurückgelegter Wanderschaft einmal daheim bei Gott, unserm lieben Vater, und in Seiner Herrlichkeit seyn wollen, so müssen wir uns auch bestreben, daß wir schon hier auf Erden, da wir gleichsam noch in der Fremde sind, dennoch Ihm, unserm HErrn, in wahrem Glauben und ungeheuchelter, aus dem Glauben fließender Gottseligkeit gefallen mögen.

So lasset sich's denn auch der Apostel, nachdem er ein wenig von sich und seinem Wandel bei den Corinthern geredet hatte, angelegen seyn, nicht allein die Gnade Gottes, der die versündigte Welt in Christo Sich wieder versöhnet hat, sondern auch das Amt, das Er eingesetzet, herrlich anzupreisen - und als ein „Botschafter an Christus Statt“ zu flehen und zu bitten, daß doch jedermann diese angebotene Gnade im Glauben annehmen - und in der Ordnung eines heiligen Lebens behalten möge.

Daher sollen wir uns ermuntern lassen, mit Ablegung alles alten, gegen Gott feindlichen und sündigen Wesens eine neue Creatur in Christo zu werden - und zu schuldiger Dankbarkeit aus der Kraft Jesu Christi Ihm zu leben als unserm HErrn, der für uns gestorben und auferstanden ist, und „Ihm zu dienen ohne Furcht unser Leben lang - in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist.“ Dazu wolle uns der dreieinige Gott nach Seiner Erbarmung verhelfen.

Vierundachtzigste Woche.

2, Ep, an die Cor. 6. Kap.

Wir finden in diesem Kapitel eine herzliche apostolische Vermahnung, daß alle die, welche in der von Jesaja zuvor verkündigten angenehmen Zeit leben, die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen, daß sie vor allem Aergerniß und sündlicher Gemeinschaft mit den Ungläubigen und Kindern der Finsterniß sich hüten, und daß sie in allen Dingen, in ihrem ganzen Wandel, als die Diener Christi sich bezeigen und aufführen sollen.

Gleichwie wir nun durch Gottes Gnade auch heutiges Tags, da das Evangelium von der Gnade Gottes reichlich unter uns geprediget wird, in der angenehmen Gnadenzeit, an dem Tage des Heils, leben, so sollen wir dasselbe auch uns gesagt seyn lassen, damit wir die Gnade Gottes nicht vergeblich empfahen; was geschieht, wenn man in seiner Unbußfertigkeit wider alles Warnen fortfährt, nach der Gnade Gottes ein schlechtes Verlangen trägt - und die sündliche Lust, die vergänglichen Güter, die zeitliche Ehre der Welt höher achtet, als Christi Verdienst und Gottes Wort.

Wir sollen uns auch alles Fleißes hüten, daß wir niemand irgend ein Aergerniß durch sündlichen Wandel geben, damit unser Christenthum nicht verlästert werde, und damit uns nicht das Wehe, welches unser Heiland darauf geleget hat, zu unserm unerträglichen Gericht treffen möge.

Vielmehr sollen wir uns bestreben, als Diener Christi in geduldigem Dulden von allerhand Trübsalen, in Langmuth und Liebe gegen unsere Nächsten, in der Kraft Gottes und in den Waffen der Gerechtigkeit bei dem Kampf wider die Sünde uns zu bezeigen, damit wir nicht allein bei allem äußerlichen Anschein eines unglückseligen Zustandes dennoch - der innerlichen und wahren Beschaffenheit nach - glücklich und vergnügt seyn, sondern auch mit allen Gläubigen Gottes Tempel und Wohnungen, Söhne und Töchter heißen - und durch diese herrlichen Verheißungen zum Fleiß in der Gottseligkeit, zur Behutsamkeit in unserm Wandel - und zur Geduld in all unseren Leiden ermuntert werden mögen; was Gott durch Christum geben wolle. Amen.

Fünfundachtzigste Woche.

Ep. an die Eph. 4, Kap.

Hier ist eine schöne apostolische Ermunterung zum gottseligen Wandel, daß Christen, die aus Kindern des Satans Kinder Gottes worden sind, wandeln sollen, wie sich's gebühre ihrem Beruf, daß sie insonderheit der Demuth sich befleißigen, Sanftmuth und Geduld üben - und das Band des Friedens in der Einigkeit des Geistes fest und unzertrennt zu erhalten fleißig seyn sollen. Bei der Ungleichheit der Gaben, die Gott und unser Heiland JEsus Christus zum gemeinen Nutzen und zur Erbauung Seines geistlichen Leibes austheile, solle sich keiner überheben - oder andere verachten. Vielmehr sollen sie sämmtlich und beständig den alten sündlichen Menschen ablegen - und einen neuen anziehen, der zu dem Bilde Gottes in rechtschaffener Heiligkeit und Gerechtigkeit erneuert werde. Darum sollen sie sich vor Lügen, Zorn, Diebstahl, faulem Geschwätz und andern Sünden hüten - und die entgegengesetzten Tugenden in ihrem ganzen Leben leuchten lassen. Daraus sollen wir denn sonderlich lernen, daß ein lasterhaftes Leben und das Christentum nicht beisammen stehen mögen, sondern daß es ein schädlicher und verdammlicher Wahn sey, wenn einige glauben, sie seyen gute Christen, wenn sie nur etwas von Christo wissen und reden können, obgleich sie ein sündliches Leben führen. O nein, sagt Paulus, die dieses Sinnes sind, die haben Christum noch nicht recht gelernet; sie müssen auch von Ihm und in Ihm erst gelehret werden, wie in Jesu ein rechtschaffenes Wesen, eine wahrhaftige Heiligkeit und eine aufrichtige Gottseligkeit sich finde. Christen sind Gesalbte des HErrn. die Er mit Seinem heiligen Geist gesalbt und versiegelt hat; den dürfen sie nicht durch fortgesetzte Sünden betrüben - und endlich gar austreiben und verjagen.

Gott gebe, daß wir je mehr und mehr den falschen Schein des Christenthums ablegen - und dagegen durch Seine Kraft mit aufrichtiger Redlichkeit in ungefärbtem Glauben, in rechtschaffener Liebe gegen Gott und den Nächsten - und in andern rührenden christlichen Werken unsere Herzen und unser Leben schmücken und also Ihm, unserm Herrn, in Zeit und Ewigkeit gefallen mögen.

Sechsundachtzigste Woche.

Ep, an die Eph. 5. Kap.

Der Apostel fährt in diesem Kapitel fort, durch allgemeine und sonderliche Vermahnungen das Leben der Christen auf eine gottgefällige Weise einzurichten.

Er befiehlt uns zuerst die Liebe - und stellet uns zu dem Ende das Exempel Gottes unsers Vaters vor, dem wir als liebe Kinder nachfolgen, und die Liebe unsers HErrn Jesu, welcher Sich selbst für uns aufgeopfert, und in dessen Fußtapfen wir eintreten sollen.

Er warnet ferner vor unterschiedlichen Lastern und Sünden, als da sind Geiz, den er einen Götzendienst nennet, Hurerei und alle Unreinigkeit, schandbare Worte und Narrentheidinge, Völlerei und Trunkenheit, die er als heidnische Laster beschreibet, welche Christen keineswegs zustehen.

Die Kinder des Unglaubens, des Zorns Gottes und der Finsterniß treiben solche Werke der Finsterniß. Christen aber, die durch den Glauben an ihren Heiland vom Zorn Gottes erlöset - und mit wahrer Erkenntniß Gottes und Seines Willens erleuchtet sind, sind nun ein Licht in Christo, sollen also im Licht wandeln - und mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß keine Gemeinschaft haben, sondern vielmehr dieselben bestrafen, wo sie anders des Erbtheils der Heiligen im Licht theilhaftig seyn und bleiben wollen.

Lasse sich also niemand mit vergeblichen Worten verführen - oder berede sich selbst eines andern, als wenn etwa solche Sünden, die so gemein unter den Menschen sind, deßwegen weniger zu bedeuten hätten - oder von Gott nicht so hart bestraft würden. So wahr Gott gerecht ist, und Sein Geist durch Paulus geredet hat, so gewiß müssen solche herrschende und fortgesetzte Sünden vom Reich Gottes ausschließen, welches uns ja von der Bosheit und Sicherheit abziehen und zu bußfertiger Aenderung ermuntern soll.

Am Ende kommt der Apostel auch auf den Ehestand - und stellet denselben als ein geheimnißvolles Vorbild Christi und Seiner Kirche vor, damit nicht nur derselbe von jedermann ehrlich gehalten werde, sondern auch, die in solchem leben, sich so bezeigen, daß der Mann mit Liebe seinem Weibe als seinem eigenen Fleische, das Weib aber mit Unterthänigkeit und Gehorsam ihrem Manne als dem Haupt begegne.

Der liebste Heiland lasse Seine innigliche Vereinigung mit den gläubigen Seelen nicht allein durch heilige Führung des Ehestandes unter uns noch ferner abgebildet, sondern auch ein jedes unter uns derselben - als des Grundes unser Glückseligkeit - theilhaftig werden.

Siebenundachtzigste Woche.

1. Ep, an die Thessal. 4. Kap,

Dieses Kapitel enthält im Anfang eine kurze Vermahnung, daß diejenigen, welche im Guten einen löblichen Anfang, gemacht und gelernet haben, wie sie glauben und leben sollen, nun auch trachten müssen, immer völliger und gottgefälliger zu werden. Denn wohl anfangen ist ja nicht genug, sondern die Nothwendigkeit und unser Heil erfordert, daß wir in der Gnade und Erkenntniß immer wachsen und zunehmen müssen.

Zu dem Ende fügt der Apostel etliche besondere Stücke bei, davor er sie treulich warnet, als da sind die gemeine Hurerei, Betrug und Uebervortheilung des Nächsten, welche, wie sie nebst andern Sünden dem heiligen Willen Gottes ganz entgegen sind, ebenso auch den Zorn deß, der ein Rächer über alles ist, unausbleiblich nach sich ziehen.

Dafür, daß man sich aus Vorwitz in fremde Dinge mische - und unnöthige Unruhe erwecke, soll jeder bei dem bleiben, dazu er berufen ist, und seiner Arbeit fleißig und treulich abwarten, damit er sich ehrlich nähren - und niemand ohne Noth beschwerlich seyn möge, sondern vielmehr bei gegebener Gelegenheit seine Liebe an andern beweisen könne.

Am Ende eröffnet er das schöne und tröstliche Geheimniß, wie bei der herrlichen Zukunft des HErrn am jüngsten Tage sowohl die in Ihm Entschlafenen durch eine selige Auferweckung, als auch die, welche Er im Leben antreffen wird, durch eine selige Verwandlung zu Seiner ewigen Freude eingeführt werden sollen.

Daraus lernen wir, wie wir unsern und der Unsrigen Tod anzusehen haben, daß wir nicht durch übermäßiges Trauern, Heulen und Klagen so, wie die andern, die keine Hoffnung haben, uns bezeigen und dadurch an Gott versündigen, sondern daß wir's vielmehr unsere angelegentlichste Sorge seyn lassen, wie wir stets in christlicher Bereitschaft des Glaubens und der guten Werke erfunden werden mögen, damit uns der letzte Tag unseres Lebens und der Welt ein fröhlicher Tag und ein Anfang der ewigen Seligkeit ohne Ende seyn möge. Die gebe uns Gott - durch Jesum Christum. Amen.

Achtundachtzigste Woche.

2. Ep. an die Thessal. 3. Kap.

Hier ist im ersten Theil des Kapitels eine treuherzige Vermahnung, daß alle, welchen die Ehre Gottes und die Ausbreitung des Reichs Jesu Christi lieb ist, auch fleißig für ihre Lehrer beten sollen, damit sie das Wort des Evangelii ohne Hinderniß weit ausbreiten mögen; so werden auch unter der beständigen Treue Gottes, der die Seinigen gern stärken - und vor dem Aerger bewahren will, und durch den Dienst rechtschaffener Lehrer noch viele Herzen zur Gemeinschaft des Glaubens gebracht - und zur Liebe Gottes und der Geduld Christi gerichtet werden. Denn gleichwie das Gebet der Gerechten, sowohl der Lehrer als der Zuhörer, viel vermag, wenn es ernstlich ist, ebenso ist auch dessen Unterlassung oder Nachlässigkeit in demselben neben anderem eine Ursache mit, warum der Lauf des Evangelii gehemmet wird, und die Hindernisse so überhandnehmen.

Darnach im andern Theil kommt der Apostel auf einige in der Gemeine, die durch Müssiggang unordentlich wandelten, auch andern beschwerlich und ärgerlich waren, und vermahnet nicht nur sie zur Besserung, sondern gibt auch den andern eine Anweisung, wie sie sich gegen solche Leute zu verhalten haben.

Daraus sehen wir denn einestheils, daß man in wohleingerichteten Gemeinen zu dem überhandnehmenden unordentlichen Wandel einiger Glieder nicht stillschweigen, sondern an ihrer Besserung mit Liebe und Ernst in christlicher Klugheit arbeiten - und, wenn es nichts hilft, sie ganz und gar, bis sie sich bessern, von der christlichen Gemeine ausschließen müsse. Anderntheils aber erhellet hieraus, was für ein böses Ding der Müssiggang sey, da die Leute nichts arbeiten - oder das nicht thun, was sie thun sollten.

Der Apostel will, man solle solch unordentlich Wesen nicht dulden, denen, die so wandeln, nichts zu essen geben - und nichts mit ihnen zu schaffen haben, eben darum, weil Gott in Seinem Reich auch nichts zu schaffen haben will mit denen, welche sich durch Müssiggang zu Werkzeugen des Satans machen - und diesem bösen Geist einen Polster unterlegen, darauf er ruhen könne.

Darum sollen wir uns vor Müssiggang hüten, und jeder soll seiner ordentlichen, rechtmäßigen Berufsarbeit mit allem Fleiß abwarten; so wird Gott unsere Arbeit in Beförderung unserer zeitlichen und ewigen Glückseligkeit auch nicht vergeblich seyn lassen, sondern nach Seiner Güte mit erwünschtem Segen krönen.

Neunundachtzigste Woche.

l, Ep. Petri l, Kap,

Es hat der Apostel Petrus zwei schöne und vortreffliche Episteln geschrieben, die voll herrlicher Lehre, Vermahnung, Warnung und Trost sind; wodurch er bewiesen, daß er nicht mehr ein armer Fischer sey, wie er anfangs gewesen, sondern ein von dem heiligen Geist sehr hochbegabter und erleuchteter Mann.

In dem ersten Kapitel, welches vornehmlich drei Theile in sich enthält, macht er den Eingang mit einem christlichen und freundlichen Gruß an die hin und wieder zerstreuten Fremdlinge, darinnen er ihnen viel Gnade und Friede von Gott dem Herrn anwünschet.

Weil nun auch wir allesammt hin und wieder zerstreute Fremdlinge sind, die hier auf Erden keine bleibende Stadt haben, sondern das himmlische Vaterland suchen sollen, so können wir billigerweise die tröstliche Lehre auch auf uns deuten, da er zeiget, was die Christen durch den HErrn Christum zu hoffen haben, nämlich dies: Weil Er von den Todten auferstanden - und in ein ewiges Leben eingegangen ist, so sollen auch wir, die wir glauben, dermaleinst nach unserm seligen Tod - kraft Seiner Auferstehung - zum ewigen Leben eingehen. Bei solchem Glauben haben wir uns auch der von Petrus angewünschten Vermehrung der göttlichen Gnade und des innerlichen Gewissensfriedens mit Gott zu erfreuen und zu getrösten.

Im zweiten Theil rühmet der Apostel mit herzlicher Danksagung die großen Gnaden und Gutthaten, die uns Gott in Christo Jesu erwiesen hat, daß wir nämlich durch Ihn nicht mit Gold oder Silber, sondern mit Seinem unschuldigen, theuren Blut von unserm eiteln Wandel erlöset seyen, und will, daß wir mit gläubigem Herzen die Besprengung des Bluts Jesu Christi annehmen sollen, durch welches wir von Sünden gereiniget worden, und um welches willen wir auch schuldig sind, vor denselben uns desto ernstlicher zu hüten und zu bewahren.

Weil indessen die Frommen und Gläubigen auf Erden Christo zu Ehren eine kleine Zeit leiden müssen, sollen sie sich getrösten, daß es zu dem Ende geschehe, damit ihr Glaube dadurch, gleichwie das Gold durch's Feuer, bewährt und rechtschaffen erfunden werde, daß aber alles Leiden, wann Christus erscheinen wird, aufhören, und der Seelen Seligkeit mit herrlicher und unaussprechlicher Freude angehen soll.

Gleichwie aber der Christen Dankbarkeit nicht nur in Worten bestehet, sondern, wo sie rechtschaffen ist, aus dem Herzen herfließen - und sich in Werken mit wahrer Frömmigkeit und Gottseligkeit des Lebens beweisen muß, so fordert Petrus zuletzt in diesem Kapitel: wenn sie die Heiligung des Geistes im Glauben empfangen, sollen sie auch gedenken, wie sie geheiliget seyen zum Gehorsam des Glaubens. Weil sie nämlich als Gottes Kinder wiedergeboren sind nicht aus vergänglichem, sondern aus dem unvergänglichen Samen des lebendigen Wortes, so müssen sie auch nach dem Exempel ihres himmlischen Vaters zu leben sich befleißigen, auf daß, gleichwie Der heilig ist, so auch sie heilig seyn mögen in allem ihren Thun und Wandel.

Obschon nämlich diese Heiligung hier noch nicht vollkommen ist, so gefället sie doch Gott wohl um des Glaubens willen an Christum - und wird alsdann erst recht vollkommen seyn, wann wir dort einmal auch schauen - und in ewiger Glorie und Herrlichkeit besitzen werden, was wir hier geglaubet und gehoffet haben.

Der getreue Gott helfe, daß wir unsere Hoffnung ganz auf die Gnade setzen, die uns angeboten ist durch die Offenbarung JEsu Christi, und daß wir unsere Seelen keusch machen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu brünftiger Liebe, damit wir uns dermaleinst freuen mögen mit unaussprechlicher Freude und Herrlichkeit - und das Ende unseres Glaubens davon bringen, welches ist der Seelen Seligkeit. Amen.

Neunzigste Woche.

1. Ep. Petri 2. Kap.

In diesem Kapitel kommt es vornehmlich auf vier Punkte an, nämlich erstens, daß Petrus die Christen von aller Bosheit und Sünde ernstlich abmahnet, darnach, daß er zum Gehorsam und zur Ehrerbietung gegen die Obrigkeit aufmuntert, ferner, daß er besonders die Knechte ihrer Pflicht und Schuldigkeit erinnert, und zuletzt, daß er die Anweisung gibt, wie man Kreuz und Leiden willig dulden soll; wobei das Exempel Christi gar herrlich und vortrefflich angeführt wird.

Dieses lehret nun uns insgesammt, daß die, so wahre und rechtschaffene Christen heißen wollen, nicht boshaftig, betrügerisch, heuchlerisch, neidisch, Afterredner oder Verleumder seyn, sondern wissen sollen, daß sie solche Sünden, obwohl sie uns von Natur angeboren sind, um der Wiedergeburt willen ablegen - und als einfältige Kinder derselben sich gänzlich entschlagen müssen. Denn obschon Petrus auch in diesem Kapitel die Lehre vom Glauben immer mit einmenget - und zeiget, daß wir durch unsern lieben HErrn Christum zur Gnade kommen ~ und den heiligen Geist empfangen haben, so erfordert er doch daneben hauptsächlich, daß wir solche Gnade üben - und solches fleißig aus dem göttlichen Wort lernen sollen, welches er die vernünftige lautere Milch nennet.

Darum - gleichwie die Kindlein, wenn sie nach der Muttermilch begierig sind - und dieselbe aus der Mutter Brüsten ziehen und saugen, davon wachsen - und immer größer und stärker werden, ebenso sollen auch wir, die wir durch's Wort und durch den heiligen Geist auf's neue wiedergeboren sind, begierig seyn nach der lautern Milch des göttlichen Worts und Seines heiligen Evangelii. Denn wo diese geistliche Milch lauter und unverfälscht ist, gibt sie Weisheit und wahre Erkenntniß Gottes, durch welche man nicht nur im wahren Glauben, sondern auch in der christlichen Gottseligkeit von Tag zu Tag wachset und zunimmt.

Zu solchem christlichen Wandel und gottseligen Leben verpflichtet uns auch der Beruf Gottes zu dem geistlichen Priesterthum, nach welchem wir geistliche Opfer, die Gott dem HErrn durch Christum angenehm sind, opfern und darbringen müssen, und zwar, wie der Apostel fordert, zuerst uns selbst mit Leib und Seele, daß wir uns ganz und gar dem Willen Gottes in Lieb und Leid ergeben, darnach das eifrige Gebet, welches das köstliche Rauchwerk der geistlichen Priester vor Gott ist, und dann auch das Lobopfer und die Danksagung, darinnen wir die Tugend und Barmherzigkeit Gottes verkündigen und preisen sollen, sintemal Er uns aus der Finsterniß der Sünden und des Todes zum Licht der Gerechtigkeit und Seligkeit gebracht hat.

Was die Vermahnung wegen der weltlichen Obrigkeit anlangt, die von Gott eingesetzt ist zur Rache den Uebelthätern und zu Lob den Frommen, so gehöret der Gehorsam gegen dieselbe auch zum gottseligen und christlichen Wandel. Denn obschon sie in diesem Kapitel eine menschliche Ordnung genennet wird, so geschiehet solches doch allein um der Wahl willen, die durch Menschen vorgenommen, aber dennoch von Gott regiert wird; der läßt Ihm's auch gefallen - und will den gedachten Gehorsam gegen sie mit allem Fleiß gehalten haben.

Deßwegen sollen wir die christliche Freiheit nicht zum Deckel der Bosheit mißbrauchen, sondern uns allen rechtmäßigen Gesetzen sowohl Gottes als der Obrigkeit, wenn sie nicht wider des HErrn Wort streiten, gehorsamlich unterwerfen.

Dies ist besonders auch den Knechten und Dienstboten wegen ihres Berufs zur Warnung gesagt. Denn die sollen ihren Herren mit aller Furcht unterthan seyn, den guten und gelinden sowohl als den wunderlichen.

Ja, wenn man auch manchmal unverschuldeter Weise Unrecht leiden muß, soll man es doch mit' Geduld tragen. Denn wohlverschuldeter Weise leiden ist kein Ruhm; aber um Wohlthat willen oder unverschuldeter Weise leiden, das ist Gnade bei Gott; der kann das unverschuldete Leiden zu seiner Zeit reichlich vergelten.

Petrus stellt uns denn auch zuletzt das Exempel Jesu Christi und Seines Verdienstes vor, nicht allein zum Trost, daß Er unsere Sünde selbst geopfert hat an dem Holz des Kreuzes, womit Er für uns büßte, bezahlte und die Strafen abwendete, sondern auch zu einem Vorbilde, daß wir gleichermassen in die Fußtapfen unsers Heilandes mit gottseligem Wandel und geduldigem Leiden treten sollen, und zwar in der Hoffnung: wie Er von Seinem himmlischen Vater nach Seinem Leiden mit Preis und Ehre gekrönet worden ist, also sollen auch wir schon hier viel Vergeltung aus Gnaden empfangen - und dort in der ewigen Glorie und Herrlichkeit Christo unserm HErrn gleich und ähnlich werden.

Ihm aber, dem treuen Hirten und Bischof unserer Seelen, der unsere Sünden getragen an dem Holz, damit wir durch Seine Wunden heil würden, sey herzlicher Dank und Preis von uns allen gesagt. Und damit wir alle lebendige Steine zum geistlichen Haus und zum heiligen Priesterthum seyn mögen, wolle Er uns je länger je mehr mit dem Volk Seines Eigenthums berufen aus der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Licht, auf daß auch wir Seine Tugenden verkündigen und ausbreiten in alle ewige Ewigkeit. Amen.

Einundneunzigste Woche.

1. Ep. Petri 4. Kap.

Ist irgendwo in dem neuen Testament die Lehre vom Kreuz des Christen herrlich und schön vorgetragen, so ist es gewißlich am Anfang und Ende dieses Kapitels durch Petrus geschehen.

Denn erstlich zeiget er, daß Kreuz und Trübsal, Widerwärtigkeit, Schmach und Verfolgung der wahren und rechtschaffenen Christen täglich Brod sey, und führt zugleich die Ursache an, warum wir über gedachtes Kreuz und Leiden in der Welt uns nicht beschweren sollen, nämlich, daß Christus selbst in Seinem Fleisch für uns gelitten hat, nicht zwar etwa um eines Verbrechens willen, (denn Er hat nie Unrecht gethan, und niemand konnte Ihn irgend einer Sünde überführen), sondern um unsertwillen, damit Er uns von der Sünde und dem ewigen Leiden erlösete.

Darum sollen wir über das Leiden dieser Zeit nicht so heftig schreien und wehklagen, sondern uns vielmehr mit dem Sinn Christi wappnen, das ist, mit festem Muth und beständigem Vorsatz unter allen Leiden und Widerwärtigkeiten ritterlich und geduldig aushalten. Denn wofern wir bei Christo bleiben - und mit Ihm in seliger Gemeinschaft stehen wollen, so müssen wir auch Sein Kreuz gern und willig auf uns nehmen, eingedenk, daß der Jünger und Knecht nicht besser, denn sein Herr und Meister ist.

Damit aber die Christen diese Lehre gerne hören - und in die That und Uebung zu bringen sich befleißigen möchten, so gibt Petrus sehr feinen Unterricht von der heilsamen Frucht und dem Nutzen des Kreuzes, daß es nämlich ein treffliches Mittel gegen die Sünde sey, indem er spricht: „Wer am Fleisch leidet, der höret auf von Sünden.“ Denn das liebe Kreuz ist gleichsam ein Zaum, daß man den fleischlichen Lüsten und Begierden, welche der verderbten menschlichen Natur gewaltig anhangen, nicht folge - noch sich zur Vollbringung derselben hinreißen lasse.

Das Kreuz diene ferner dazu, fährt Petrus fort, daß man zu einem recht heiligen Wandel und gottseligen Leben aufgemuntert werde, sonderlich wenn man zurückdenke - und fein fleißig nachsinne, wie man die vergangene Zeit und die verflossenen Jahre im Dienst des Satans und der Sünden so schändlich zugebracht habe. Da werde man um so eifriger dahin trachten, daß man die übrige Zeit, die man etwa noch in dieser Welt zu leben haben möchte, zu Gottes Ehre anwende - und nach Seinem Willen zu leben sich bemühe.

Darum spricht Petrus nicht ohne Ursache: „Es ist genug,“ als wollte er sagen: Es ist der Sünde und des Bösen nur allzuviel geschehen - und deßwegen hoch vonnöthen, nachdem man in dem vorigen Sündenstand so verkehrt und nach den fleischlichen, heidnischen Lüsten gelebet habe, daß man nun ein heiliges, frommes und gottseliges Leben anstelle - und der Sünde ja nicht wieder Raum und Platz gebe, sondern daß wir, weil Kreuz und Trübsal dieselbe in uns dämpfen könne, deßwegen alles Leiden mit Willen und Geduld auf uns nehmen sollen.

Darnach erinnert Petrus sehr bedenklich, was für ein Unterschied zu machen sey zwischen der Strafe eines Gottlosen und zwischen dem Leiden der Frommen, und warnet diese insonderheit, sie sollten wohl zusehen, daß sie nicht als Uebelthäter leiden, wie zum Exempel die Diebe und Mörder seyen, denen das Unglück und Böse, so sie trifft, ein verdienter Lohn ist, sondern als Christen, wenn sie nämlich um Gottes und Seines heiligen Worts willen allerlei Schmach und Verfolgungen von den Feinden Christi und Seines Evangelii zu erdulden und auszustehen haben.

Solches Leidens sollen sie sich durchaus nicht schämen - oder sich's befremden und wundern lassen, warum ihnen die gottlose Welt so vielerlei Schmach und Plagen anthut. Denn es befremdet diese, daß sie nicht mit ihr in das wüste und unordentliche Wesen hineinlaufen. Denn wo dieses geschähe, und sie unter dem gottlosen Haufen fein mitmachten, würde man sie wohl mit Frieden lassen. Nun sie aber einen gottseligen Wandel führen - und der Gottlosen Thun verachten, verwerfen und verdammen, so könne nichts anderes als Haß, Lästerung und Verfolgung über sie kommen. Wer so leidet, der „leidet als ein Christ - und ehret Gott in solchem Fall“, das ist, er bleibet fest an der Hoffnung, daß ihm Gott werde helfen. Denn welche der Zusage Gottes nicht trauen, daß Er helfen wolle, die verunehren denselben und verrathen ihre Ungeduld.

Darum sollen die Christen in ihrem Leiden sich lieber freuen und sich selig preisen, auch Gott darüber loben, ehren und danken, zumal, da sie sich damit trösten können, daß sie nicht allein, sondern mit Christo und allen Gläubigen leiden, die jemals in der Welt gewesen sind, und daß von Gott alles zu ihrem Besten gemeint sey, der sie als Seine Kinder, die noch mit vielen Schwachheiten umgeben sind, unter der väterlichen Zucht erhalte, damit sie allezeit in Glauben, Liebe, Hoffnung, Geduld, Gebet und andern Tugenden mehr wohl geprüfet und rechtschaffen erfunden werden mögen.

Wenn aber die Christen so geduldig ausharren, so werden sie auch - zur Zeit der Offenbarung der Herrlichkeit Christi - mit Ihm der ewigen Freude und Seligkeit theilhaftig werden; wogegen sich die Gottlosen aus der Frommen Leiden leicht die Rechnung machen können, wenn Gott Seinen lieben Kindern und Hausgenossen so vielerlei Trübsal widerfahren lasse, was sie zumal an jenem letzten Gericht Gottes werden zu gewarten haben, wofern sie sich nicht noch in der Zeit der Gnade bekehren und Buße thun.

Solches Gericht schärft denn auch Petrus sehr nachdrücklich ein, wenn er davon schreibet, es sey „nahe kommen das Ende aller Dinge,“ und zugleich zeiget, wie man auf dasselbe wohl bereitet seyn soll. Man soll nämlich nicht nur die Liebe gegen alle Armen und Dürftigen - und besonders gegen die, so um der Religion willen im Elend herumziehen müssen, willig beweisen, soll nicht nur im Beruf, man sey ein Prediger oder sonst in einem Amt, mit seinen Gaben allen Menschen nach Vermögen dienen, sondern auch im rechtmäßigen Leben sich täglich und stündlich erfinden lassen, damit man einst mit Freuden vor des Menschen Sohn stehen möge.

Er, der treue Schöpfer guter Werke, lasse demnach allezeit auf uns ruhen den Geist der Herrlichkeit, der uns treibe. Ihm allezeit unsere Seelen zu befehlen, damit wir in allem Leiden Freude und Wonne haben - und immerfort allein nach Seinem heiligen Willen leben mögen, auf daß also Gott in allen Dingen von uns gepreiset werde durch Jesum Christ, welchem sey Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Zweiundneunzigste Woche.

2. Ep. Petri 1. Kap,

Den Anfang dieser andern Epistel macht Petrus mit einem gewöhnlichen apostolischen Wunsch. Zugleich gedenkt er seines Amtes und auch derjenigen, an welche er schreibt, daß es nämlich die Christen, die zu dem theuern Glauben an Christum gekommen sind, dadurch wir die Gerechtigkeit erlangen, die Gott und der HErr Christus gibt, und durch welche wir die Gnade Gottes und den innerlichen Gewissensfrieden mit Gott überkommen. Das geschiehet aber durch die Erkenntniß Gottes und unseres HErrn Jesu Christi; wie der heilige Geist schon durch den Propheten alten Testaments von Christo geredet hat, daß Er als der gerechte Knecht Gottes durch Seine Erkenntniß viele gerecht machen werde.

Solche Erkenntniß ist aber keine leere und blose Wissenschaft, welche auch bei den Teufeln und Gottlosen sich findet, (denn sie wissen vieles von Gott und göttlichen Dingen, aber erlangen dadurch kein Heil und keine Seligkeit,) sondern jene Erkenntniß ist, wie Paulus selber klar anzeiget, der rechtschaffene christliche Glaube, nach welchem man sich mit ganzem Herzen auf Gott und den HErrn Jesum Christum verlasset, Ihm in Glück und Unglück vertrauet, bei Ihm im Leben und Sterben Trost, Hilfe und Rath suchet und erwartet; was gewiß eine selige Erkenntniß und ein theurer, werther Glaube ist.

Was für herrliche und vortreffliche Wirkungen aber aus diesem Glauben und dieser Erkenntniß folgen, ist daran zu merken, daß Petrus sagt, es sey uns dadurch allerlei göttliche Kraft zu unserm geistlichen und ewigen Heil geschenket. Denn wir von uns selbst sind viel zu schwach und unvermögend zu so hohen und heiligen Dingen. Die Kraft aber von oben herab soll uns dazu gedeihen, daß wir nicht nur alles leibliche Unglück dieser Welt, sondern auch die Sünde, ja den Tod, Teufel und Hölle selber überwinden und zu Boden werfen können; wobei wir jederzeit ein unerschrocken Gewissen und fröhliches Herz haben - und uns vor keinem Unglück fürchten dürfen.

Solcher Segen wird dadurch vergrößert, daß uns auch die allertheuerste und herrlichste Verheißung geschiehet, wir sollen theilhaftig werden der göttlichen Natur. Diese Natur merken die Gläubigen an ihnen, wenn sie über die ewige Wahrheit, Gerechtigkeit und Weisheit Gottes -, und über alles andere, was von demselbigen gedacht oder genennet werden mag, Lust, Freude und Trost bei sich empfinden - und Gott in allen Seinen Tugenden ähnlich werden. Da leben sie zugleich versichert, daß sie außer alle Gefahr gesetzet sind, und so wenig man Gott Leid oder Schaden zufügen kann, so wenig können auch ihnen die geistlichen Feinde zumal etwas anhaben.

Weil uns nun alle diese Herrlichkeit durch den Glauben an Christum widerfähret, so sind wir auch schuldig, allen Fleiß daran zu wenden, daß solcher unser Glaube nicht faul noch müssig sey, sondern sich in allerlei Werken der Gottseligkeit äußere und beweise; was nach Petri Anzeige vornehmlich an der Bescheidenheit, Mäßigkeit, Geduld und Liebe nicht allein gegen unsere Mitchristen, sondern auch gegen alle Menschen insgemein erkannt und wahrgenommen wird.

Außer solchen Werken und Tugenden können wir unsers Glaubens nicht gewiß seyn, und ohne dieselben wird der Glaube nur ein selbsterdichteter Glaube bleiben, bei welchem wir wie die Blinden an der Wand tappen, das ist, wir werden immer in Zweifel stehen, wie wir mit Gott daran seyen, und also weder Leben noch Seligkeit gewiß hoffen können. Wo wir hingegen unsern Glauben mit guten Werken beweisen - und darthun, daß unser Beruf und Erwählung bei Gott fest sey, so sind wir des Eingangs zu dem Reich Gottes und unseres HErrn Jesu Christi gewiß versichert.

Unter diesen guten Gedanken erinnert sich der Apostel zuletzt in diesem Kapitel seines endlichen Abschieds, wenn er bezeuget, der HErr Jesus Christus selber habe ihm geoffenbaret, daß er seine Hütte bald ablegen und sterben werde. Darum thut er denn so gar nachdrückliche Erinnerung des heiligen Evangelii, nicht allein, daß er dasselbige eifrig und getreulich gepredigt habe, sondern auch, daß es alle Frommen und Gläubigen nach seinem Abschied fleißig im Gedächtniß halten sollen. Denn das heilige Evangelium ist kein Mährlein oder Fabel, mit welchen die heidnischen Weltweisen viel Verstand und Klugheit zu beweisen vermeinten, sondern eine Lehre, die Gott selbst vom Himmel herab geredet, und die Petrus mit seinen eigenen Ohren nebst Jakobus und Johannes - bei der herrlichen Verklärung Christi auf dem Berg Thabor - gehört hat. Es ist die Predigt, davon der heilige Geist auch die Propheten alten Testamentes unterrichtet hat, die es dann hinwiederum mit großer Treue und Ernst den Leuten verkündigten. Darum nennet er es „ein festes prophetisches Wort“, daran wir halten, und darauf wir gute Acht geben sollen, weil es kein Menschentand, Lüge oder Betrug, sondern ein gewisses und unbezweifeltes göttliches Wort sey, vom heiligen Geist selbst eingegeben und geoffenbart, mit welchem wir uns gegen alle Irrthümer, ja sogar gegen den ewigen Tod wappnen und rüsten können. Und weil außer diesem Wort nichts denn eitel Finsterniß, Blindheit und Unwissenheit in dieser Welt ist, so sollen wir solches als das geschenkte göttliche Licht zu unserm geistlichen und ewigen Heil stets anschauen - und immerdar vor Augen und im Herzen haben; denn es ist doch, wie es David nennet, unserer Füße Leuchte und ein Licht auf unsern Wegen.

Nun - Gott der Vater, der Seinem lieben Sohn Preis und Ehre vom Himmel gegeben und uns durch denselben die wahre Erkenntniß, den theuern Glauben und die Kraft zum göttlichen Wandel geschenkt hat, lasse doch bei uns allen Seinen überschwänglichen Segen nicht unfruchtbar bleiben - und verleihe dagegen durch Seinen heiligen Geist, daß in unserm ganzen Leben und sonderlich in der Stunde unseres Abscheidens, wann wir die Hütte dieses Leibes ablegen müssen, der rechte Morgenstern des tröstlichen Worts Gottes in dem Herzen uns aufgehe, damit wir in keinem Stück straucheln, sondern in der gegenwärtigen Wahrheit erweckt, gestärkt und erhalten werden, durch unsern HErrn und Heiland Jesum Christum. Amen.

Dreiundneunzigste Woche.

2. Ep, Petri 2. Kap.

Nachdem der Apostel Petrus am Ende des vorigen Kapitels von seinem Amt und seiner Lehre nach der Wahrheit des göttlichen Wortes einen deutlichen Unterricht gegeben, so beschreibt er gegenwärtig die falschen Propheten und Lehrer - und meldet: wie es dergleichen Leute auch unter dem Volk Gottes in den vorigen Zeiten gegeben habe, ebenso würden in dem folgenden Christenthum solche aufstehen, die neben dem Wort Gottes, welches sie allerdings auch, aber nur zum Schein vorwenden, eine verdammliche, irrige und falsche Lügenlehre aufbringen, bei welcher sie nichts zu leiden gedenken, sondern vielmehr großes zeitliches Gut zu gewinnen - und eitle Ehre zu erlangen, ihre Absicht seyn lassen werden. Die malet er gleichsam mit lebendigen Farben ab, daß man fein erkennen möge, wie all ihr Thun und Wandel beschaffen sey, und was für schreckliche Gerichte Gottes und gräuliche Verdammniß zuletzt über sie und alle, die ihnen folgen und anhangen, ergehen werden.

Hieraus sehen und erkennen wir, daß die Kirche und Gemeine Gottes nicht allezeit ganz rein sey, sondern daß oftmals falsche Lehrer durch des Teufels Trieb ihr äußerstes Vermögen und alle ihre Kräfte anwenden, um dieselbe mit ihrem verdammlichen und schädlichen Gift anzustecken; wie Christus und Seine Apostel hin und wieder in heiliger göttlicher Schrift verkündigt und zuvor gesagt haben, und zwar uns zur Warnung, damit wir uns vorsehen - und in der göttlichen Wahrheit einen guten Grund legen, auf den wir bauen - und wider alle Sturmwinde solcher Anfechtung bestehen mögen. Dies ist aber nicht allein den Lehrern gesagt, damit sie vor Irrthum und Vermischung des göttlichen Wortes sich hüten - und keine reißenden Wölfe unter der Gemeinde und Heerde seyen, sondern auch den Zuhörern, auf daß sie unrechter oder falscher Lehre nicht folgen und glauben, und endlich auf beide, sowohl Lehrer als Zuhörer, die ewige Verdammniß komme. Denn so würde ein Blinder dem andern den Weg weisen, aber es würden auch beide zugleich in die Grube fallen. Es liegt also sehr viel, ja unserer Seelen Seligkeit daran, daß wir wissen, was Gottes Wort und Wahrheit, und was falsche Lehre und Irrthum sey.

Auf diesen Vortrag folgt ein bedenklicher Unterschied, der zwischen den Frommen und Gottlosen sich findet.

Da sind aber unter den Gottlosen nicht allein die Sünder zu verstehen, welche wider Gottes Gebot gegen allen Einspruch ihres Gewissens in allerhand Gräuel und Bosheit fortleben, sondern auch die falschen Propheten und irrigen Lehrer. Deren Unglück und Verdammniß erläutert der Geist Gottes durch Petrus mit einigen Exempeln der Strafgerichte Gottes aus der Schrift. Wie nämlich Gott der HErr die erste Welt um ihrer Sünde willen mit dem Wasser der Sündfluth ersäufet, Sodom und Gomorrha mit Feuer vom Himmel herab verbrannt, dem Propheten Bileam, der das Volk Israel zur Hurerei und Abgötterei verleitet hatte, die Strafe der Uebertretung über den Hals hat kommen lassen, ebenso werden gewißlich auch alle sicheren und unbußfertigen Menschen zu rechter Zeit und Stunde von Gott empfangen, was ihre Thaten werth sind.

Dagegen ist es ein sehr herrlicher und überaus großer Trost, daß Gott mitten unter dem Haufen der Ungläubigen und Gottlosen, zumal wenn Seine Gerichte und Heimsuchungen über dieselben angehen, die Auserwählten und Frommen dennoch wunderbarer Weise zu erhalten weiß; wie Noah und die Seinigen in dem Kasten erfahren haben, da die ganze übrige Welt im Wasser umkam, und Lot, der mit seinen Kindern vor dem Feuer bewahret worden ist, als Sodoma mit ihren benachbarten Städten von der Flamme verzehret ward.

Dessen sollen sich ja alle Frommen und Gläubigen herzlich trösten. Denn Gott wird gewiß die Frommen und Gläubigen aus aller Trübsal und Versuchung retten und erlösen, wenn Er nach Seinem gerechten Zorn am Tag des Gerichts die Bösen und Gottlosen heimsuchen wird.

Sehr bedenklich ist in den letzten Versen der Spruch, welcher die angehet, so durch die Erkenntniß Christi dem Koth und Unflat der Welt sich entzogen, aber durch neue Sünden sich wieder in dieselben geflochten und gestürzet haben.

Dies ist denn einestheils von den Abtrünnigen zu verstehen, die in der wahren und rechten Religion geboren und erzogen worden sind, dieselbige angenommen, erkannt und geglaubt haben, auch zugleich bei Empfang der heiligen Taufe zur Abwaschung und Reinigung ihrer Sünden gelanget sind, bald aber von solcher erkannten Wahrheit und vom Glauben wiederum abfallen - und freventlich verleugnen, auch Hernachmals das rechtgläubige Häuflein auf das grimmigste verfolgen - und die Seelen der Gerechten mit ihren gottlosen Werken täglich und ohne Aufhören quälen und ängstigen.

Anderntheils aber zielet der Apostel auch auf diejenigen, die zwar in dem Christenthum wohl angefangen - und etwa eine Zeit lang in dem Guten beharret haben, jedoch gleichwohl in die alten und vorigen Sünden wieder zurückfallen - und leider darüber in ein noch ärgeres, wüstes, ruchloses Leben und in Verachtung Gottes gerathen, da sie denn je länger je tiefer in den Sündenkoth und -schlamm sich hineinstürzen - und endlich gar zu Unmenschen, ja wohl ärger werden, als der Satan selber. Denen wäre allerdings besser, daß sie den Weg der Gerechtigkeit nie erkannt, als daß sie sich durch ihre Bosheit doppelte Strafe und Streiche selber zubereitet hätten. Damm vergleichet sie Petrus nicht mit Unrecht mit den Hunden und Säuen, die durchaus keinen Theil am Reich Gottes haben, sondern außen, das ist, im Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet, ewig bleiben müssen.

Gebe doch der HErr unser Gott, der uns so theuer erkauft hat, daß wir durch Seinen heiligen Geist um Christi Jesu willen gnädiglich bewahrt und erhalten werden, damit die Sünde und der Satan uns nicht überwinden, oder wir über uns selbst eine schnelle Verdammniß führen, und daß wir, wenn wir ja in die Versuchung und Trübsal gerathen, zu Gott gewiß hoffen und trauen, Er werde auch uns schon herauszuziehen wissen - und uns stärken, daß wir an Ihm und Seiner Gnade bleiben in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Vierundneunzigste Woche.

2. Ep. Petri 3. Kap.

Obwohl in gegenwärtigem Kapitel mancherlei schöne und erbauliche Dinge vorkommen, so lehrt darinnen Petrus doch hauptsächlich vom jüngsten Tag - und von dem Ende und Untergang der Welt.

Dabei gedenket er insonderheit der Spötter und gottlosen Leute, welche sich in den letzten Zeiten vor der Zukunft Christi, des Richters der Lebendigen und der Todten, finden werden, und die mit einander von der Erscheinung Christi nichts halten, sondern alles, was davon geweissaget und verkündiget wird, verlachen und für einen Spott halten, und zwar aus der Ursache, weil man so lange davon geschrieen und geprediget habe, und noch keinmal etwas daraus worden sey, sondern sich alles noch im alten Stand befinde, wie es vom Anfang her gewesen sey.

Wollte Gott, daß nicht auch die heutige Welt solcher Spötter voll wäre! Denn obschon nicht eben alle, die solche epicurische Gedanken hegen, mit Worten herausfahren, daß sie diese Lehre für eitel Fabel und für eine blose Lüge halten, so verrathen sie gleichwohl solche ihre Meinung genugsam mit ihrem gottlosen, unbußfertigen und lasterhaften Leben. Es wäre ja unmöglich, daß man so verstockter und ruchloser Weise in allen Sünden und bösen Werken fortführe, wenn man gewiß und mit wahrhaftigem Herzen glaubte, daß Gott mit Seinem jüngsten Gericht einmal einbrechen werde, da man von allem genaue Rechenschaft geben - und um die vergängliche sündliche Wollust, die man ja nur eine geringe und kurze Zeit genossen, ewige Strafe und Höllenpein leiden muß.

Allein - wie es vor der Sündfluth die erste Welt, die den frommen Noah hundert und zwanzig Jahre lang mit seiner Predigt verlachte und verspottete, erfahren hat, daß die Strafe Gottes gleichwohl nicht ausblieb, sondern endlich alle Menschen bis auf acht Personen ersäufete, ebenso wird auch unsern heutigen Spöttern, wenn sie's schon nicht meinen, der Glaube dennoch einmal, wie denen vor der Sündfluth, zu ihrem unwiderbringlichen Schaden und ewigen Unglück handgreiflich werden.

Solche Sicherheit und epicurische Spötterei sollen sich die Frommen nicht ärgern lassen, sondern vielmehr als ein Zeichen des immer weiter herannahenden jüngsten Tages erkennen und annehmen. Denn der HErr Christus selber vergleichet die Zeit Seiner Zukunft mit den Tagen Noahs - und sagt: wie die Leute vor der Sündfluth aßen, tranken, freieten und sich freien ließen - und es nicht achteten, bis die Sündfluth kam - und sie alle dahinnahm, ebenso werde es auch bei dem Einbruch Christi zu Seinem Gericht ergehen.

Weil aber doch den Frommen dann und wann allerlei betrübte und zweifelhafte Gedanken über den Verzug des jüngsten Tages und darüber kommen, daß die Apostel schon zu ihren Zeiten davon geredet haben, wie die letzte Stunde und der jüngste Tag so nahe vor der Thüre sey, so ist zu wissen, daß bei dem HErrn unserm Gott keine solche Zeitrechnung ist, wie bei uns Menschen, indem bei demselbigen nichts zukünftiges noch vergangnes, sondern alles gegenwärtig ist. Und Sein Außenbleiben ist kein Verzug, sondern lauter Geduld und Langmuth Gottes, womit Er Seine große Gnade und Barmherzigkeit zeiget, daß Er nicht gerne die Sünder plötzlich und geschwind mit der Strafe überfalle, sondern ihnen vielmehr Zeit und Raum zur Buße gebe, auf daß sie sich bekehren und selig werden sollen.

Das ist der große Reichthum der Güte, Geduld und Langmüthigkeit Gottes, welchen ja niemand verachten soll, indem er in seinem verstockten und unbußfertigen Herzen bleibet. Denn solche Leute werden den jüngsten Tag als einen Tag der göttlichen Rache und des göttlichen Zorns über sich zu gewarten haben. Dagegen verlangen die Frommen und Gläubigen, welche der treuherzigen Vermahnung des Apostels Petrus nachkommen - und stets in wahrer Bußfertigkeit stehen, so daß sie mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen geschickt sind auf die Zukunft Jesu Christi, mit Freuden jenen Tag, weil er ihnen ein Tag der Erlösung und Anfang ihrer ewigen Freude und himmlischen Seligkeit ist.

Darauf werden wir auch hingewiesen bei der Beschreibung des Endes und Untergangs der Welt. Denn obschon das Krachen, unter welchem die Himmel zergehen werden, und das Feuer, vor dessen Hitze und Flammen alles zerschmelzen und verbrennen wird, einerseits den Sündern und Gott und Trost für alle christgläubigen Menschen. Denn gleichwie es auf das hochtheure Verdienst Jesu Christi abzielt, welches Er durch Sein heiliges Blut erworben hat, so will Johannes damit insonderheit einschärfen, daß man sich diese hohe Wohlthat ja keine Gelegenheit seyn lassen soll, desto frecher und freier zu sündigen, sondern daß sie uns vielmehr von Sünden abhalten - und zur Gottseligkeit treiben und reizen soll, weil wir ja eben zu dem Ende von der sündlichen Uneinigkeit erlöset worden sind, daß wir das in guten Werken fleißige Volk seyen, das Jesus Christus Ihm selbst zum Eigenthum gereinigt hat.

Insonderheit wird das Mittler- und Fürsprecheramt Jesu Christi - den Frommen und Gläubigen zu großem Trost - sehr herrlich angeführt. Wenn sie nämlich manchmal aus Schwachheit ihres Fleisches - oder auch durch des Teufels und der Welt Reizung und Antrieb nach empfangener Gnade auf's neue in die alten und andere schwere Sünden fallen, so sollen sie darum nicht sogleich verzagen, als ob sie gar keinen Zutritt und keine Hoffnung zu dieser Gnade mehr hätten, sondern sich nur bald im Glauben wieder erholen, Buße thun - und mit fester Zuversicht nach dem Verdienst ihres Heilandes greifen, so werden sie wieder zur vorigen Gnade gelangen, weil Christus eine vollkommene Versöhnung und Genugthuung geleistet hat nicht nur für eine oder für eines und des andern Menschen Sünde, sondern für die der ganzen Welt.

Wo aber dieser Trost lebendig im Herzen ist, wird man sich auch wahrhaftig und höchsten Fleißes angelegen seyn lassen, auf dem Weg der Gebote Gottes und unsers HErrn Jesu zu wandeln, dessen eingedenk: wer sich des HErrn Jesu rühmen will, daß er Seiner durch den Glauben theilhaftig worden - und Ihm einverleibt sey, und daß Christus in ihm bleibe, der müsse auch Seinem Exempel folgen - und wandeln, wie Er gewandelt und uns ein Beispiel gelassen hat.

Und obschon wir Christi und Gottes unsers HErrn Gebot nicht also zu halten vermögen, daß wir denselben einen ganz vollkommenen Gehorsam leisten, (was in dieser Welt unmöglich ist, weil alle Heiligen täglich Gott um Vergebung ihrer Sünden anrufen und anflehen müssen,) so erfüllen wir doch den Willen Gottes, wenn wir nur aus wahrem Glauben von Herzensgrund uns befleißigen, den Geboten Gottes zu gehorchen, obschon zuweilen viele Schwachheiten mit unterlaufen.

Sonderlich ist allhier von den Geboten Gottes das Gebot der Liebe gegen den Nächsten zu merken, welches der heilige Geist durch Johannes ein altes und ein neues Gebot nennet, - ein altes, weil es Gott der HErr schon durch Moses befohlen, bei welchem geschrieben stehet: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst“ - und ein neues, weil es der HErr Christus mehr als einmal wiederholet - und damit unter dem Christenthum verneuet, ja weil Er, (was wohl zu merken ist,) kurz vor Seinem Tod und Hingang aus dieser Welt noch diese letzte Erinnerung gethan hat: „Ein neu Gebot gebe Ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, wie Ich euch geliebet habe; dabei wird jedermann erkennen, daß ihr Meine Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt.“

Dieses Gebot aber und alle übrigen guten Regeln, die in diesem Kapitel enthalten sind, will Johannes allen Menschen anbefohlen haben, den Alten sowohl als den Jünglingen und Kindern.

Und weil sonderlich die Liebe der Welt, Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Leben, von Gott abführet, (was alles durch des Bösewichts, das ist, durch des Teufels List und Betrug geschiehet,) so sollen wir die Wollüste dieser Welt fliehen, damit wir nicht unsers Heils und der ewigen Seligkeit dabei vergessen. Solches ist auch des Widerchrists Zweck und Absicht, dessen Gewalt und Anhang in der Welt, zumal heutzutage, sehr groß und mächtig angewachsen ist. Darum sollen wir an dem in' der heiligen Schrift enthaltenen Wort Gottes steif und fest bleiben, als welches die beste und einige Wehr gegen den Teufel und seine Schuppen, wie gegen ihre falsche Lehre ist. Solche Wehr und Waffen wohl zu führen und recht zu gebrauchen, wolle uns die himmlische Salbung, Gott der heilige Geist, kraft Seiner göttlichen Beiwohnung lehren und anweisen, damit wir, vor aller Verführung bewahret, Freudigkeit haben - und nicht zu Schanden werden in der Zukunft Christi! Gott der Vater stärke uns, daß wir in Seiner Liebe bleiben - und nicht muthwillig sündigen! Christus JEsus, der ewige Sohn Gottes, sey die Versöhnung für unsere Sünde und unser Sachwalter vor dem Thron Gottes! Und Gott der heilige Geist, die himmlische Salbung, bleibe in uns, lehre und erhalte uns beständiglich in der Gnade, damit wir Gottes Willen thun - und ewig an Ihm bleiben! Amen.

Sechsundneunzigste Woche.

1. Ep. Joh. 3, Kap.

Hier wird uns im Anfang von Johannes eine sehr große Wohlthat und überaus hohe Ehre vorgestellet, deren uns Gott gewürdiget hat, nämlich Seine unaussprechliche Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, die Er uns in Christo Jesu erzeiget, daß wir durch denselben Gottes Kinder worden sind. Darüber ruft selbst Gott der heilige Geist voll Verwunderung aus: „Sehet doch!“ gleichsam als wollte Er sagen: „Um Gottes willen, was ist das für eine Liebe und Gnade, daß uns der himmlische Vater um Christi willen zu Seinen Kindern auf- und annimmt!“

Diese Kindschaft bei Gott begreift alle andern hohen Gutthaten in sich, die wir von Gott und dem HErrn Christo haben, sonderlich die Erbschaft des Himmels und der ewigen Seligkeit. Denn Gott läßt es damit nicht genug seyn, daß wir schon hier auf Erden Seine Kinder heißen, sondern nach unserm seligen Tod sollen wir noch zu weit höheren Ehren kommen und gelangen, indem wir Gott recht vollkommen erkennen - und Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden.

Solche hohe und unaussprechliche Gnade und Ehre sollen wir, wie billig, auch mit hohem und herzlichem Dank erkennen - und mögen diesen Dank Gott nicht besser beweisen, als wenn wir uns von ganzem Herzen bemühen, Ihm als unserm lieben himmlischen Vater nachzuahmen, und deßwegen uns vordersamt von Sünden reinigen, „gleichwie Er auch rein ist.“

Zu solchem Ende ist ja Christus erschienen und in die Welt gekommen, daß Er durch Sein Blut und Verdienst die Sünde von uns wegnehme; und darum ist es allerdings unmöglich, daß der an Christo theilhaben und Gottes Kind seyn kann, welcher sich mit muthwilligen und vorsätzlichen Sünden besudelt und befleckt.

So wird denn auch dieses als das zweifache vornehmste Kennzeichen wahrer und rechtschaffener Kinder Gottes im gegenwärtigen Kapitel angegeben: sich vor wissentlichen, vorsätzlichen Sünden hüten, und dagegen in den Geboten Gottes wandeln - und eines heiligen und unsträflichen Lebens sich befleißigen.

Daraus erhellet auch der Unterschied derer, die Kinder Gottes sind, und derer, die Kinder des Teufels sind. Wer Sünde thut, der ist vom Teufel - und schändet, so viel an ihm ist, das Verdienst Christi, der doch in dieser Absicht in die Welt gekommen ist - und ein so schweres Leiden um unsertwillen erduldet und ausgestanden hat, daß Er die Werke des Teufels zerstöre, während die Gottlosen dieselben mit ihrem bösen Leben und Wandel wieder aufrichten.

Und das heißt eben Sünde thun oder der Sünde den Zaum lassen: nach Gottes Wort nichts fragen, muthwillig und ohne alle Furcht Gottes in den Tag hineinleben, den bösen Lüsten des Fleisches nachhängen - und sich aller Schande und allen Lastern ergeben. Dies ist des Satans Art und sein Same. Denn wie sollte der ein Kind Gottes seyn, der seinem Vater also entgegen wandelt und zuwider thut, der auch des Satans Macht und Gewalt in sich verräth durch die Lieblosigkeit gegen den Nächsten und die Brüder - und durch den beständigen Haß, mit welchem er die Frommen und Gläubigen verfolgt, wie der gottlose Cain den frommen und gerechten Abel?

Wer dagegen aus Gott geboren ist, der thut nicht Sünde, sondern gedenket immerdar, wie er Gottes Gebot halte - und durch den Glauben gerecht erfunden werde. Obwohl nämlich die Kinder Gottes aus Schwachheit sündigen, so gehen sie doch gar bald in sich, zumal wenn sie aus Gottes Wort erinnert werden, sind auch nicht sicher, sondern erkennen und bekennen ihre Sünden, bitten durch Christum um Gnade und Vergebung - und trachten ohne Heuchelei mit Hilfe des heiligen Geistes so viel als möglich, wie sie sich wieder aufhelfen. Denn sie wissen, daß man sich außerdem der Kindschaft bei Gott nicht rühmen - noch irgend eine Hoffnung der Herrlichkeit haben kann, die einstmals an den Kindern Gottes offenbar werden soll.

Gottes Kinder sind also in der heiligen Taufe aus dem guten Samen des göttlichen Worts wiedergeboren; solcher Same aber bleibet jederzeit bei ihnen; und gleichwie aus einem guten Samen keine böse Frucht aufgehet, ebenso werden auch die Kinder Gottes nicht vorsätzlich und muthwillig sündigen, sondern vielmehr allezeit ihre Sorge und vornehmste Angelegenheit seyn lassen, vor Gott und den Menschen recht zu thun.

Weil ferner der Sohn Gottes Seine Liebe gegen die Menschen sonderlich damit erwiesen hat, daß Er Sein Leben für sie gelassen, so denken die Kinder Gottes ebenfalls dahin, zumal wenn es die Noth erfordert, dergleichen für ihren Bruder und Nächsten auch zu thun, und schließen dabei also: wenn ein Christ für den andern sogar das Leben lassen soll, so wird ja die Liebe gegen den armen dürftigen Nächsten das Herz auch darinnen nicht zuschließen, wenn es etwa mit Speise, Trank und anderer Nothdurft demselben zu Hilfe kommen soll.

Wenn nun solchergestalt die Kinder Gottes recht glauben und heilig leben, so wissen sie, daß Gott ihr Vater allezeit ein Wohlgefallen an ihnen hat, können auch ihr Herz vor Ihm stillen, das ist, ein freudiges und fröhliches Gewissen behalten, können ferner mit Freuden vor Ihn treten und beten - und sich endlich gewiß versichern, daß ihnen von ihrem Vater im Himmel Gnade und Erhörung zu rechter Zeit widerfahren werde.

Der HErr unser Gott, der größer ist, als unser Herz, gebe, daß wir allezeit Freudigkeit zu Ihm haben - und an dem Geist, den Er uns gegeben hat, erkennen, Er sey unser Vater, und als Seine lieben Kinder durch den Glauben an und bei Ihm bleiben, auf daß, wann Jesus Christus dermaleinst erscheinen wird, wir Ihm gleich seyn - und Ihn sehen mögen, wie Er ist. Amen.

Siebenundneunzigste Woche.

Ep. an die Hebr. 3. Kap.

Die Epistel an die Hebräer, die allen Umständen nach der Apostel Paulus geschrieben, ist gleich den übrigen Büchern der heiligen Schrift sehr hoch und werth zu achten, weil sie uns die vornehmsten Stücke der jüdischen Ceremonien und Gottesdienste erkläret, die alle schöne Vorbilder auf Christum und die christliche Kirche gewesen sind.

In dem dritten Kapitel wiederholt St. Paulus die Vermahnungen, die er allbereits in den zwei vorhergehenden von Christo Jesu gethan, nämlich wie Er als der ewige Sohn Gottes um unserer Seligkeit willen Sich so tief erniedriget habe, daß Er wahre menschliche Natur annahm, nur damit Er leiden und sterben - und ein Opfer für unsere Versöhnung bei Gott Seinem Vater im Himmel werden könnte. Darum sollen wir Ihn und Sein heiliges Evangelium nicht verachten, sondern vielmehr, weil wir dadurch einen himmlischen Beruf zum ewigen Leben und zur ewigen Seligkeit erlanget haben, mit herzlichem Glauben annehmen und bekennen.

In solchem Glauben aber uns zu stärken, wird Christus von Paulus ein Apostel und Hohepriester genennet, die Gläubigen dagegen heilige Brüder. Einen Apostel nennet er Christum, weil Er ein Gesandter Gottes des himmlischen Vaters ist, dessen Willen und den Weg zur Seligkeit Er uns getreulich verkündiget. Wir sollen Ihm denn auch willige Folge leisten und an Ihn glauben, weil Er nicht von Ihm selber geredet, sondern in dem Namen des Vaters, der Ihn gesandt hat. Einen Hohenpriester aber nennet er Ihn, weil Er uns durch Sein heiliges Opfer bei Gott dem Vater in die Gnade gebracht und ausgesöhnet. Daher sollen wir nicht durch muthwillige Sünden Seinen Zorn über uns erregen, weil wir außer Ihm kein ander Opfer für unsere Sünden haben. Heilige Brüder nennet er endlich die Gläubigen an Christum, weil sie durch Sein theuer werthes Blut - der anhangenden sündlichen Schwachheiten ungeachtet - vor Gott geheiliget sind, nur daß sie aber wohl zusehen, daß sie nicht mit unheiligem Leben und Wandel solche Ehre und Würde aufs neue beschmutzen - oder wohl gar verscherzen. Denn der himmlische Beruf zur Erbschaft der ewigen Seligkeit soll uns von den irdischen, sündlichen Wollüsten ganz und gar zurückhalten, so daß wir „vergessen, was dahinten ist, und uns strecken zu dem, das da vorne ist, und nachjagen dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.“

Um dieser Ursache willen sollen wir ja Christum und Seine Gnade zu unserm Heil nicht verachten, sondern vielmehr das Exempel des Volks Israel betrachten, welches Paulus aus dem 95. Psalm anführt, wie sehr dasselbe gestraft worden ist, da es dem Moses wider den göttlichen Befehl ungehorsam gewesen war, daß nämlich Gott sie niedergeschlagen in der Wüste, und daß der mehrste Theil desselben gestorben - und um der Sünde willen das Leben hat lassen müssen. Nun aber ist Moses nichts weiter gewesen, als nur ein Knecht oder Diener Gottes, der in dem Hause Gottes von Christo Jesu gezeuget. Daher ist leicht zu erachten, wie weit größere Strafe alle diejenigen treffen werde, die sich gar an Christo Jesu selber versündigen, der kein bloser Knecht oder Diener ist, sondern gar der Herr selber in Seinem Haus - oder in Seiner Kirche.

Gleichwie aber Paulus gar bedenklich hinzusetzet: Wir sind das Haus Gottes, (worunter er die neubekehrten Hebräer und alle Frommen und Gläubigen verstehet,) so haben wir dabei mit dankbarem Herzen die hohe Ehre zu erkennen, die uns widerfährt, daß wir Gottes Haus, Wohnung und Tempel heißen, darinnen die heilige Dreifaltigkeit mit allen Gnaden wohnen will; wie der heilige Geist hin und wieder in heiliger göttlicher Schrift sehr herrlich bezeuget. Dessen können die Gläubigen sich herzlich trösten - und freudig trotzen wider alle ihre Feinde und Verfolger, sonderlich wider den Teufel und der Hölle Pforten, gegen welche Gott Sein Haus und Seinen Tempel wohl wird zu bewahren wissen, daß sie auch zu keiner Zeit und Stunde dieselbigen überwältigen sollen.

Lasset uns nur allesammt wohl zusehen, daß wir die nachdrückliche Warnung des heiligen Geistes nicht in den Wind schlagen - und uns vor der Verstockung und dem Unglauben unsers Herzens so viel als möglich bewahren, damit nicht Gott durch uns erbittert - und zum Zorn über uns gereizet werde, wie über das ungehorsame israelitische Volk. Denn dieses und andere dergleichen Exempel der heiligen Schrift sollen wir nicht lesen oder hören als blose Historien und Dinge, die längst geschehen sind - und uns weiter nichts angehen, sondern sollen wissen, daß alles, was andern Gutes oder Böses widerfahren, uns zum Vorbild geschehen sey, daß wir also entweder Strafe zu gewarten haben, wenn wir dem Bösen folgen, oder Belohnung, wenn wir das Gute thun.

Gott, der uns berufen und zubereitet hat zu Jesu Christi Haus und Wohnung, der bewahre uns durch Seinen heiligen Geist, daß wir nimmermehr von Ihm, dem lebendigen Gott, abtreten - noch unsere Herzen verstocken, wider denselben zu murren - oder Ihn zu versuchen. Er verleihe, daß wir den guten Warnungen und Vermahnungen Seines Worts nachkommen, weil wir noch Zeit haben, damit wir nicht in Unglauben und Sünde verfallen, wodurch Leib und Seele verderbt werden, sondern daß wir unser Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung bis an's Ende fest behalten, einzugehen in das himmlische Land der Verheißung und. in die ewige Ruhe. Amen.

Achtundneunzigste Woche.

Ep. an die Hebr. 12. Kap,

Im Anfang dieses Kapitels führet der Apostel einen großen Haufen Zeugen der Gläubigen an, die Christo zu Ehren in ihrem Leben ritterlich gekämpft - und alle Leiden und Trübsale, die ihnen in der Welt begegneten, mit Geduld und beherzter Standhaftigkeit überwunden - und über sich haben ergehen lassen, weil sie erkannten, daß man das Kreuz und Leiden dieser Zeit nicht nach der äußerlichen Empfindlichkeit, da es allerdings dem Fleisch und Blut wehe thut, abmessen, sondern nach dem heilsamen Nutzen ansehen müsse, den Gott einem jedweden zuwachsen lasset, der sein bescheiden Theil Kreuz und Leiden willig traget.

Bei christlichen und geduldigen Kreuzträgern nämlich wird die Sünde im Fleisch je mehr und mehr abgeleget, weil sie sich in dem Kampf gegen dieselbe nicht faul und träge erfinden lassen, sondern mit freudigem und getrostem Herzen um Christi willen denselben antreten. Sie sind mitten in demselbigen der Liebe und Huld unsers Gottes und des HErrn Jesu ganz gewiß versichert - und erkennen, wie sie dadurch zu reicher Beförderung des Heils und der wahren Gottseligkeit gelangen, sintemal sie der wahren Gerechtigkeit um so näher kommen, je mehr sie die Sünde täglich ablegen - und wider dieselbe streiten und kämpfen.

Dazu beweget sie einerseits des HErrn unseres Gottes heiliger und göttlicher Wille, nach welchem es also verordnet ist, daß die Frommen und Gläubigen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen müssen, und andererseits das Exempel unseres HErrn Jesu Christi als des Anfängers und Vollenders unsers Glaubens, der mit Seinem heiligen Vorgang bis auf's Blut gekämpfet und gestritten, um für uns und unsere Sünde zu büßen, während hingegen all unser Kreuz und unsere Trübsal ein weit geringeres Leiden ist, über welches wir uns um so weniger zu beschweren haben, je gewisser es ist, daß dasselbe endlich einen erfreulichen und erwünschten Ausgang gewinnet.

Gleichwie nämlich Christus, nachdem Er viel Kreuz und Leiden willig und geduldig erlitten und ausgestanden, endlich auf den Stuhl Gottes und auf den Thron der Ehren gesetzet worden ist, ebenso haben die Frommen und Gläubigen gleiche Ehre und Herrlichkeit mit Ihm zu gewarten, wenn sie gleichermassen Seines Leidens und Seiner Trübsale theilhaftig werden.

Und weil das Krenz und Leiden rechtschaffener und gläubiger Christen ihnen nur ein Merkmal des gnädigen und liebreichen Vaterherzens Gottes gegen sie ist, daß sie erfahren, sie werden bei ihren Abweichungen und für ihre Uebertretungen der göttlichen Gebote nur wie liebe Kinder von einem lieben Vater gezüchtiget, so küssen sie diese Ruthe und väterliche Hand Gottes mit ganz gehorsamen und dankbaren Herzen, dieweil sie erkennen, daß sie von Ihm nicht als Bastarte, sondern als rechte und Ihm angehörige Kinder geachtet und angesehen werden.

Nach dieser so trostreichen und erbaulichen Lehre hängt Paulus abermals eine allgemeine Vermahnung zum christlichen Leben und Wandel an, so jedoch, daß er insonderheit auf die Friedfertigkeit und Heiligung dringet.

Auf die Friedfertigkeit, weil wahre Christen, so die Liebe Christi erkannt haben und eifrig begehren, Ihm in derselbigen nachzufolgen, weil solche Christen allen Fleiß anwenden, daß sie, so viel mit gutem Gewissen geschehen kann, mit allen Menschen friedlich leben - und alle Gelegenheit und jeglichen Anlaß zum Zank und Hader abschneiden, eingedenk, wie Paulus anderwärts redet, daß die Gemeine Christi solche Weise nicht hat, sondern als friedfertige Kinder Gottes auf das von Christo verheißene Reich und auf die Seligkeit ihre Gedanken richten.

Auf die Heiligung aber dringet der Apostel, daß man derselben nachjagen - und aus Glauben einen gottseligen Wandel führen soll, weil man ohne dieselbe den HErrn weder hier noch dort sehen kann. Denn wer in einem unheiligen und gottlosen Leben beharret, der versäumet die Gnade Gottes - und beraubet sich selber des seligen Anschauens Gottes in dem ewigen Freudenreich; ja er ist gleich dem gottlosen Esau, der die Hoheit und Würde seiner Erstgeburt aus einer unzeitigen und sündlichen Begierde um einer geringen Speise willen verkaufet und verfressen - und damit alles daran hängenden Segens sich selber beraubet hat.

So gehet es zuletzt allen denen, die mit ihren Herzen an den zeitlichen und irdischen Wollüsten hängen - und die geistlichen und ewigen Güter darüber verachten. Darum lasset uns fein fleißig als Christen und Kinder Gottes vor solcher Verachtung uns hüten, damit nicht Gott zuletzt, wenn wir Seine Gnade so gar verächtlich ausschlagen, uns derselben nicht mehr würdige - und wie jene Verächter strafe, die nichts mehr von Seiner Gnade und Seligkeit geschmecket haben. Vielmehr lasset uns dahin streben, daß wir Gottes gnädiges und väterliches Angesicht dermaleinst ewig sehen mögen, wann wir mit völligem Schauen in das himmlische Jerusalem zu der Menge vieler tausend Engel und aller Heiligen, die im Himmel angeschrieben sind, eingehen werden.

Gott, der ein verzehrend Feuer ist, bewahre durch die inbrünstige Gluth des heiligen Geistes unser aller Herzen, daß uns nicht die Welt mit ihrer Lockspeise und ihren sündlichen Leckerbißlein um den ewigen Segen bringe. Er gebe uns vielmehr die friedsame Frucht der Gerechtigkeit und der wahren Heiligung, damit wir zu dem unbeweglichen Reich, darinnen wir Gott ewig gefallen, kommen und gelangen mögen, durch den Mittler des neuen Testaments, Christum Jesum. Amen.

Neunundneunzigste Woche.

Ep. an die Hebr. 13. Kap.

Dieses letzte Kapitel der Epistel an die Hebräer stellet uns ein ganzes Register von mancherlei und schönen Vermahnungen vor, welche die Christen bei ihrem Christenthum beobachten - und sich derselbigen befleißigen müssen.

Es fängt von der brüderlichen Liebe an - mit der Erinnerung, daß wir fest an derselben bleiben sollen, weil sie eine Haupttugend sey, die viele andere Tugenden in sich fasset. Denn sie ist keine Wortliebe, sondern eine solche, die sich im Werk gegen alle Mitchristen insgemein, jedoch auch besonders gegen diejenigen beweisen muß, welche um des Glaubens und Evangelii willen in's Elend verwiesen - und in das Gefängniß geworfen - oder sonst auf allerlei Art und Weise verfolget worden sind. Derer soll man sich am allermeisten annehmen - und ihnen so viel möglich helfen und rathen, weil wir alle, so lange wir noch im Leibe leben, nicht wissen, was für Trübsal uns begegnen und widerfahren kann, da wir auch anderer Leute Hilfe und Beistand bedürfen und nöthig haben möchten.

Wir werden aber dabei zugleich vor einigen Lastern gewarnet. - Einestheils nämlich werden die Eheleute ihrer Pflicht erinnert, daß sie sich vor Hurerei und Ehebruch fleißig hüten sollen, weil solches gräuliche Sünden seyen, die Gott der HErr nicht ungestraft lasse. Denn sie gehören unter die Werke des Fleisches, davon der heilige Geist sagt, daß, die solches thun, das Reich Gottes nicht ererben werden, sondern es sey ihnen eine andere und erschreckliche Herberge bestellet, nämlich der Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet. - Anderntheils aber bekommen die Geizhälse ihre Lection, die sich an dem, das Gott beschehret, nicht begnügen lassen - und kein Vertrauen zu Gott haben, der doch immerdar die tägliche Nothdurft allen und jeden gibt. Sie sollten billigerweise die große Gefahr bedenken, darein sie die unzeitige Begierde nach dem Ueberfluß weltlicher Güter und vergänglichen Reichthums stürzet, weil nach dem ausdrücklichen Zeugniß der heiligen Schrift der Geiz eine Wurzel alles Nebels ist; denn er ziehet die, so dessen gelüsten, von dem Glauben ab - und verursachet ihnen viel Schmerzen und Pein.

Darnach kommt Paulus in diesem Kapitel ferner auf den HErrn Jesum Christum und die Lehre Seines heiligen Evangelii, davon er sagt, es sey keine neue, sondern eine solche, die vom Anfang der Welt bis auf heute getrieben worden sey - und von heute an bis zu dem Ende der Welt werde getrieben werden. Denn allein Christus ist der Weg, durch welchen wir und alle Heiligen vor und nach uns selig werden, so daß die äußerlichen Ceremonien und Opfer, die Unterschiede der Speisen und andere jüdische Gebräuche das Herz nicht fest machen können, nachdem die Gnade des Heils allein in Christo Jesu besteht.

Dieses meinet der Apostel, wenn er sagt: Wir haben einen Altar, davon keinen Nutzen haben, die der Hütte Pflegen, das ist, die an dem Gesetz und den äußerlichen Ceremonien hängen, welche in der Stiftshütte und sonst getrieben worden sind. Denn nunmehr gelte das einige Opfer, das Christus mit Seinem Verdienst, Tod und Blut geleistet. An dem müssen wir mit Glauben halten - und Ihm zu Ehren, weil Er so viel Marter und Pein erlitten, die Schmach und das Leiden dieser Welt auch geduldig ertragen und auf uns nehmen.

Ungeachtet aber die äußerlichen Opfer aufgehöret haben, dürfen wir doch die geistlichen, zum Christenthum gehörigen Opfer nicht unterlassen, sondern müssen vielmehr vor allem die christliche Liebe üben - und den Armen und Dürftigen Gutes zu thun nicht vergessen, sonderlich aber das Lobopfer oder die Frucht unserer Lippen bringen, durch welche wir unsern lieben Gott, den HErrn Christum, Sein Wort und das Evangelium frei und ohne alle Furcht bekennen - und das, was uns Gutes in Christo Jesu erzeiget worden ist, mit Worten und heiligen Werken loben und preisen. Denn „wer Dank opfert, der preiset Gott, und das ist auch der Weg, daß Er ihm zeiget Sein Heil.“

Endlich sind uns in diesem Kapitel die Wichten gar fein vorgestellet, welche Lehrer und Zuhörer gegen einander beobachten sollen. Jenen liegt ob, daß sie den Gemeinen mit Glauben und gutem Exempel vorgehen - und fleißig über die Seelen derselben als über anvertraute Pfänder wachen, eingedenk, daß ihnen, wo nur eine Seele durch ihr Versehen und ihre Schuld verloren wird, die Verantwortung und Rechenschaft darüber gar theuer und schwer vor Gott dem HErrn ankomme. Die Zuhörer aber sollen bedenken, daß sie um Gottes und des heiligen, hohen Amts willen ihren Lehrern und Predigern zu gehorchen verbunden sind; auch sollen sie mit desto größerem Eifer und mehr Andacht für dieselben täglich zu Gott beten, daß Er sie in heilsamer Lehre und heiligem Leben erhalten wolle; und wo sie fromme und exemplarische Lehrer zu Vorgängern haben, sollen sie sich höchsten Fleißes bemühen, in die Fußtapfen ihres Glaubens und christlichen Wandels zu treten, und darinnen bis in den Tod beständig verharren, so daß sie bei der in Gottes Wort gegründeten Lehre bis an ihr Ende fest bleiben.

Wollte Gott, daß es bei allen Gemeinen der christlichen Kirche also stünde, so würden nicht so viel schwere und hart empfindliche Seufzer aus dem Munde der Lehrer durch die Wolken zu Gott in die Höhe dringen, welche für die Ungehorsamen durchaus nicht gut seyn - und ihnen alle Entschuldigungen benehmen werden, die sie an jenem Tag vor dem Richterstuhl Christi vorwenden zu können vermeinen. Dagegen gebe Gott - und verleihe in Gnaden, daß es doch allenthalben zwischen Lehrern und Zuhörern in den Gemeinen des HErrn so zugehen möge, wie man es hier zeitlich in dem Gewissen - und dort einmal mit Freuden verantworten zu können gedenket, - so werden alle frommen und treuen Lehrer sich selbst und alle, die sie hören, selig machen. Amen.

Hundertste Woche.

Ep, Jak, 1. Kap.

Der Eingang dieser Epistel zeiget, an wen Jakobus darin geschrieben, nämlich an die hin und her zerstreuten Juden aus den zwölf Geschlechtern. Er macht in dem ersten Kapitel den Anfang mit einer Vermahnung zur standhaften Geduld in allerlei Leiden und Anfechtung, als die eine Frucht des Glaubens sey, und davon man endlich, wenn man getreu und bewährt erfunden werde, die Krone des ewigen Lebens zu gewarten habe. Dies ist uns allen zu einem erbaulichen Unterricht geschrieben, daß wir über Kreuz und Leiden, wenn dasselbige über uns kommt, nicht sogleich erschrecken, sondern uns fein bald erholen und bedenken sollen, solches komme nicht von ungefähr, sondern von der lieben und guten Hand Gottes, nicht aus böser Meinung, sondern zu unserm Besten, weil unser Glaube und unsere Gottseligkeit dadurch geprüft - und von Gott auf die Probe gestellt wird. Und weil Kreuz und Anfechtung bei frommen und rechtschaffenen Christen nicht leicht aufhören, sondern immer eines auf das andere folget, so lange wir in dieser Welt leben, so soll auch unsere Geduld und Gelassenheit nicht aufhören; auch sollen wir bei den vielfältigen Trübsalen auf Erden in keinem Weg abweichen, weil dort in jenem Leben alles, was wir allhier im Glauben und mit standhafter Geduld erlitten, desto reichlicher wieder ersetzt und vergolten werde.

Darnach kommt Jakobus auf die Versuchungen - und gibt zu erkennen, daß hin und wieder gottlose Leute gefunden werden, welche die Ursache der Sünde gern auf Gott werfen, und ihn zum Ursprung aller Sünde machen möchten, da doch Gott nicht ein Versucher zum Bösen sey, noch viel weniger „ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, und wer Böses thut, bleibet nicht vor Ihm“; wie der Psalm bezeuget. Darum muß man die Ursache bei dem Teufel und nach demselben in dem verderbten menschlichen Herzen suchen, das von Natur voll sündlicher Unreinigkeit und böser Lüste stecket, aus denen, wenn man ihnen nachhänget und sie vollbringet, die Sünde zu entstehen pflegt, welche den Tod und, wo man nicht noch zur Zeit der Gnade durch Christum Vergebung erlanget, die ewige Verdammniß nach sich ziehet. Wer nun dieser entfliehen will, der fliehe auch die Sünde und bewahre mit Fleiß sein Herz vor den bösen und fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten. Denn die Sünde muß man nicht herrschen lassen in dem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten, sondern sie mit den fleischlichen Begierden kreuzigen, so wird man vor der Sünde und vor dem ewigen Tod und der Verdammniß wohl bewahret und sicher seyn.

Daß aber der Apostel ferner der zeitlichen, geistlichen und ewigen Güter gedenket, geschiehet zu dem Ende, daß, wenn man derselben mangle, man gleichwohl wisse, wo man sie hernehmen, oder bei wem man sie suchen soll, nämlich bei Gott, dem Geber alles Guten, dessen gnädigen Willen man auch hierinnen ehren soll, wenn Er einem wenig, dem andern aber viel beschehret, weil Er am besten weiß, was einem jedweden nützlich oder schädlich ist, und wer seine Güter recht gebrauchen - oder dieselben übel anlegen werde. Es soll sich demnach der Arme und Dürftige bei seinem Mangel nicht zu todt grämen oder kümmern, weil er weiß, daß ihm Gott nur dasjenige zurückhält, was ihm zu seinem Verderben gereichen möchte. Der aber, so viel und reichlich empfangen, soll dabei nicht übermüthig werden, als ob er's von ihm selber hätte, noch mit seinen Gaben viel prangen und stolzieren. Denn Gott kann sie einem gar bald wieder entziehen, so daß man in einem Augenblick darum kommet, wie auch das Gras und die Blumen gar leicht und geschwind von der Sonnenhitze verdorren und verwelken. In solchem Sinne sollen wir alles von Gott bitten mit einem Gebet, das aus wahrem Glauben gehet, so daß wir nicht zweifeln, Gott werde es nach Seiner Barmherzigkeit um Christi unsers Mittlers willen gewiß geben, wofern es anders zu unserer Seelen Heil und Wohlfahrt nütze und gut ist.

Vor allem aber muß es uns um das liebe Wort Gottes zu thun seyn und um das heilige Evangelium, darinnen uns in Christo Jesu allein das Heil und die Seligkeit verheißen ist. Doch soll man dieses göttliche Wort nicht nur hören, sondern auch darnach thun - und es mit Glauben und Gehorsam annehmen, wenn es anders in uns gepflanzet werden - und seine Kraft in unsern Herzen haben soll. Denn wenn das Wort Gottes nur in der Schrift bleibt - oder in die Luft verschwindet - oder zu einem Ohr ein-, zum andern aber wieder ausgehet, so hat es keinen Nutzen, sondern bringet vielmehr Schaden - und wird den vergeßlichen Hörern ein Geruch des Todes zum Tode. Dagegen wird es den Frommen und Gläubigen, welche das Wort in die That und Uebung bringen, ein Geruch des Lebens zum Leben, so daß sie selig sind und werden in ihrer That.

Der Vater der Lichter erleuchte uns immer mehr und mehr durch den Glanz Seines heiligen und seligmachenden Wortes - und gebe uns durch die Kraft desselben, daß wir in der Weisheit, die uns mangelt, täglich herrlicher und völliger werden, damit wir Ihm einen gefälligen und unbefleckten Gottesdienst leisten, in wahrem Glauben beharren - und in aller Anfechtung eine feste Geduld bis an das Ende beweisen, auf daß wir also wohl bewährt die Krone des Lebens empfangen mögen, durch Christum unsern getreuen Heiland und Seligmacher. Amen.

Hundertunderste Woche.

Ep. Jak. 2. Kap.

Hier wird im ersten Theil vom Glauben an Christum gehandelt, jedoch so, daß unterschiedene Stücke angezeigt werden, welche demselben entgegen sind - und neben ihm nicht bestehen mögen.

So leidet der wahre und rechte Glaube an Christum zuvörderst das Ansehen der Person nicht. Denn obschon Gott der HErr in dem äußerlichen Leben dieser Welt einen Unterschied unter den Menschen gemacht hat, (da einer Obrigkeit, und der andere Unterthan ist, jener zu befehlen hat, und dieser gebührenden Gehorsam leisten muß, da einer in hoher Würde und großem Ansehen lebet, dem der andere, so niedrigen Standes ist, die gebührende Ehre erweisen muß, da der dritte reich ist und mit Gütern dieser Welt gesegnet, dem dann der Arme um's Brod dienen muß, wenn er Nahrung und Kleidung haben will,) obschon Gottes Wort selber und das Evangelium diesen Unterschied nicht aufhebt, sondern vielmehr gut heißet, so gilt doch solcher in dem Christenthum, was das Geistliche betrifft und anbelangt, nicht. Denn da sind die Frommen allzumal Einer in Christo Jesu, weil sie in der heiligen Taufe denselben angezogen haben - und in dem rechten Glauben stehen, der durch die Liebe thätig ist.

Es will sich also nicht gebühren, daß man zum Exempel einen reichen und wohlbegüterten Mann blos um seines Vermögens willen einem Armen, der fromm und christlich ist, vorziehe, weil der, so arm ist an zeitlichem Gut, an Glauben und Gottseligkeit wohl reicher seyn kann, als einer, der viel zeitliche Schätze besitzet. Daher ist der fromme Arme weit angenehmer, als zumal der stolze Reiche, welcher seiner zeitliche Habe und sein Vermögen zur Unterdrückung der Armen und zu mancherlei Sünden und Wollüsten mißbrauchet. Darum soll man wegen solches Ansehens auf Gott selber sehen, der auch keine Person anstehet, sondern dem in allerlei Volk, wer Ihn fürchtet und recht thut, angenehm ist.

Darnach will es der wahre Glaube an Christum nicht leiden, daß man mit seinem Nächsten bei eintretenden Umständen allzuhart und nach der Strenge verfahre, da man vielmehr die Barmherzigkeit der Härte und Strenge vorziehen muß. Dies hat aber nicht den Sinn, als dürfe man der offenbaren und gottlosen Sünder Laster und Uebelthaten nicht strafen, sondern daß man nur, wo es die Noth erfordert, und so viel man Berufs und Gewissens halber thun kann, die Strenge der Gerechtigkeit mit Liebe und Barmherzigkeit mildere und mäßige. Denn auch Gott selber verfährt nicht allezeit nach der Strenge Seiner Gerechtigkeit mit uns, sondern lasset bei so vielfältigen Uebertretungen die Barmherzigkeit vordringen - und gibt zu erkennen, daß bei Ihm die Barmherzigkeit sich wider das Gericht rühme.

Es ist auch eine Sünde und wider den Glauben, wenn man den dürftigen Nebenchristen bei seinem Mangel und Nothstand, in welchem er uns um Hilfe und Erbarmung anrufet, nur mit guten und glatten Worten abweiset, in der That aber und im Werk hilflos lasset. Denn nur sagen: „Gott berathe euch!“ oder nach unserer Art zu reden: „Helfe euch Gott!“ das wird dem Hungrigen und Nackenden wenig nützen oder helfen, wo man ihn nicht auch zugleich mit Brod und Kleid an die Hand gehet. Solche verhärtete Christen, die lieber selber nehmen, als daß sie andern etwas geben, wollen sich ja ihres Glaubens nicht rühmen, weil es nur ein bloser Heuchelglaube ist, der weder selig machen - noch im Kreuz und Unglück Trost und Erquickung geben kann.

Aus dem andern Theil dieses Kapitels lasset sich die nützliche und nöthige Lehre von den rechten Früchten des wahren Glaubens gar fein herausziehen, daß nämlich allerlei gute Werke und christliche Tugenden, unter welche vornehmlich das königliche Gesetz von der Liebe des Nächsten gehöret, den gottgefälligen Glauben beweisen, als welcher keine blose Wissenschaft alles desjenigen ist, was in der heiligen Schrift und dem Wort Gottes stehet; (denn dies wissen auch die Teufel, erzittern aber heftig, weil ihr Glaube kein Glaube zur Seligkeit ist;) sondern der gottgefällige Glaube zeiget sein Geschäft in mancherlei christlichen Tugenden und in dem Werk der Heiligkeit.

So haben die Gläubigen des alten Testamentes auch gethan, von denen sogar gesagt wird, daß sie durch die Werke gerecht worden seyen; was der Lehre Pauli ganz und gar nicht zuwider ist, da er die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, allein dem Glauben an Christum zuschreibt - ohne Zuthun der Werke; denn Jakobus redet von der Gerechtigkeit, wie sie vor der Menschen Augen aussehen soll, weil der Glaube an Christum inwendig im Herzen verborgen liegt. Darum müssen sich die Werke der Gerechtigkeit in dem äußerlichen Wandel zeigen, auf daß wir uns nicht, wenn wir in allerlei wissentlichen und vorsätzlichen Sünden leben, einen wahren seligmachenden Glauben fälschlich einbilden. Denn so wenig ein Leib ohne Geist das Leben haben kann, ebensowenig kann der Glaube ohne die Werke lebendig und gottgefällig seyn.

Gott lasse uns doch durch Seine Gnade und Seinen Geist reich seyn im Glauben und in der Liebe, so können wir uns gewiß versichern, daß uns Gott erwählet habe zu Erben Seines Reiches; und wenn wir gerne Werke der Gerechtigkeit thun - und die Barmherzigkeit üben, so werden auch wir mit Abraham Gottes Freunde heißen - und dermaleinst in jenem Gericht ewige Gnade und Barmherzigkeit erlangen. Amen.

Hundertundzweite Woche.

Offenb. Joh. 2. Kap.

Das Buch der hohen Offenbarung des heiligen Evangelisten Johannes ist dem Verständniß nach beinahe das schwerste in der ganzen heiligen Schrift, sintemal sogleich der Anfang desselben bezeugt, daß es eine Weissagung von dem Zustand der christlichen Kirche sey - von den Zeiten Johannis an bis auf das Ende der Welt. Weil jedoch nicht leicht ein Kapitel darinnen anzutreffen ist, in welchem nicht mancherlei schöne Lehren und trostreiche Sprüche zu finden seyn sollten, so erhellet daraus, daß wir uns gleichwohl eines und das andere zu unserem geistlichen Heil und Wohlfahrt zu nutz machen können.

In diesem andern Kapitel der Offenbarung sind vier Zuschriften an die ersten christlichen Gemeinen in Asten begriffen, nämlich an die zu Ephesus, Smyrna, Pergamus und Thyatira, deren Inhalt sowohl die Lehrer als die Zuhörer angeht. Die Lehrer sollen ihr Amt fein treu und fleißig ausrichten, weil durch ihre Treue oder Nachlässigkeit entweder viel Gutes oder Böses gestiftet und angerichtet werden kann; wofür sie auch, nachdem sie gehandelt haben, guten oder bösen Lohn empfangen werden. Die Zuhörer aber werden gelobt oder gescholten, jenachdem sie recht oder unrecht gethan haben, und nachdrücklich vermahnet, daß sie das Böse abstellen - und dem Guten mit heiligem Eifer nachkommen sollen.

An dem Exempel der Gemeine zu Ephesus haben wir zu lernen, daß die Liebe und der Eifer zur wahren christlichen Religion anfänglich, wann sie an einem Ort erkannt und angenommen worden ist, am stärksten und größesten sey, in den folgenden Zeiten aber gar bald wieder erlösche und abnehme, da die Leute in dem Christenthum gar geschwind wieder faul und nachlässig werden.

Aus dieser Ursache ist, wie man leicht schließen kann, das stetige Anhalten mit Ermahnen, Strafen und Drohen in den christlichen Gemeinen des HErrn nicht umsonst, sondern nothwendig. Zugleich mag man hiebet die große Gnade und Barmherzigkeit Gottes erkennen, indem Er die Sünder nicht ungewarnet mit der Strafe überfällt, sondern ihnen das Unrecht vorher zu erkennen gibt - und sie zur Buße und Besserung getreulich mahnen lasset. Folgen sie, so dürfen sie gewiß ihrer vorigen Sünden nicht entgelten, weil Gott die Bußfertigen zu Gnaden auf- und annimmt. Folgt man aber nicht, so bleibt die Strafe nicht aus, und es ist dann wohl das Betrübteste und Schrecklichste, daß Gott endlich Seinen Leuchter von der Stätte wegstößet - und das Licht der reinen Lehre entzieht - und kräftige Irrthümer sendet, wenn man so gar undankbar mit Seinem heiligen Wort umgehet - und mit Verachtung desselben unbußfertig in Sünden fortfährt..

Der Gemeine Christi zu Smyrna wird allerlei Verfolgung und Trübsal angekündigt, so sie um des heiligen Evangelii willen zu leiden und auszustehen habe.

Dies ist ein deutlicher Spiegel, um zu sehen, was alle zu gewarten haben, die Christum mit Glauben bekennen, nämlich Armuth und Dürftigkeit bei dem Raub der zeitlichen Güter, Schmach und Lästerung, Gefängniß und Marter bis auf den Tod; was alles vom Satan als dem Tyrannen und Hauptfeind Christi und Seines Reiches herkommt, vom Satan, der die Gottlosen wider die Frommen treibt und reizet, daß sie dieselben nirgends neben sich leiden.

Deß sollen sich aber wahre und gläubige Christen nicht fürchten, sondern vielmehr getrost seyn; und wenn sie schon um Christi und Seiner Lehre willen in zeitlichen Mangel und Armuth gerathen, sollen sie sich dennoch freuen, daß sie durch den Glauben Erben aller himmlischen Güter seyen.

Dazu aber wird die Beständigkeit im Glauben und christlichen Bekenntniß erfordert, worüber der Bischof und die Gemeine zu Pergamus in diesem Kapitel gelobet werden. Jedoch bekommen sie zugleich einen Verweis, daß sie den Sünden der Bileamiten und Nikolaiten nicht genug widerstanden, sondern denselben unter ihnen nachgesehen haben.

Dies dienet abermals zu einem Exempel, daß auch wir unter den Verfolgungen bei dem rechten Glauben und Bekenntniß des Namens Christi beständig bleiben - und Ihn vor allen Menschen bekennen sollen, wenn anders auch wir dermaleinst von Ihm vor Seinem himmlischen Vater und den heiligen Engeln bekannt werden wollen. Dabei haben wir uns als rechtschaffene Christen vor Abgötterei und Hurerei alles Fleißes zu hüten, auf daß nicht auch wir solcher Laster und ihrer Strafen theilhaftig werden.

Daß zuletzt die Christen zu Thyatira wegen ihres guten Wandels gelobet - und dabei vermahnet werden, in demselben je länger je mehr zuzunehmen, dienet auch uns zur Aufmunterung, daß wir in dem heiligen Wandel und gottseligen Leben nicht still stehen, sondern uns eifrig angelegen seyn lassen sollen, auch täglich völliger zu werden - und in dem Guten zu wachsen.

Jesus Christus, der die sieben Sterne in Seiner Hand hat - und all unser Werk, Thun und Trübsal ebenso wohl weiß, als vor Zeiten das der ersten christlichen Gemeinen, wolle ja den Leuchter Seiner Gnade nicht von uns wegnehmen, sondern uns allezeit Raum zur Buße geben - und verleihen, daß wir geduldig seyen - und um Seines Namens willen arbeiten und nicht müde werden, damit wir behalten, was wir haben, und dorten überkommen das verborgene Manna, ein gutes Zeugniß, einen neuen Namen und den Morgenstern, die himmlische Klarheit und ewige Herrlichkeit. Amen.

Hundertunddritte Woche.

Offenb. Joh. 3, Kap.

Dieses Kapitel gehet die drei übrigen christlichen Gemeinen in Asien an.

Da lautet denn dasjenige, was an die Gemeine zu Sardes geschrieben ist, nicht allzuwohl. Denn der HErr Christus schilt sie, daß sie den Namen haben wollten, als wären sie wahre und lebendige Glieder Christi und Seiner Kirche auf Erden, da sie doch in Wahrheit nichts anderes seyen, als todte Glieder.

Das malet uns den Zustand der christlichen Kirche, wie sie noch heutzutage ausstehet, gar fein ab, daß sich nämlich in der sichtbaren Gemeine auf Erden, darinnen der Name Christi bekannt wird, und Sein Wort und die Sacramente im Gebrauch sind, zweierlei Leute finden, gute und böse, die sich also selber in zwei besondere Haufen theilen. Denn da gibt es zwar noch wahre und rechtschaffene Christen, die von ganzem Herzen an Jesum Christum glauben, Ihn lieben, anrufen, loben und ehren - und sich von dem heiligen guten Geist regieren und zu allerlei Werken der Tugend und Gottseligkeit treiben, auch ihre christliche Absicht seyn lassen, alles zum Preis Gottes und zum Dienst des Nächsten zu richten. Allein es sind derselben (Gott sey es geklagt!) gar wenige. Dagegen sind derer gar viele, die in der äußerlichen Gemeine Gottes Wort hören - und die Sacramente gebrauchen, aber keinen Glauben haben - und noch viel weniger christliche Werke beweisen; oder wenn sie ja eine Zeit lang geglaubt und im Stand guter Werke sich haben finden lassen, so fallen sie doch gar bald wieder ab, wo nicht zum Irrthum in der Lehre, doch auf allerlei Sünden und Laster. Daher heißen sie billig todte Glieder, weil sie kein geistliches Leben in sich haben - und, wie der heilige Geist selber redet, lebendig todt sind.

Dies soll ja billig alle treuen und rechtschaffenen Prediger dahin bewegen, daß sie, wie die Vermahnung des Sohnes Gottes an den Bischof zu Sardes ergangen ist, erwecken und aufmuntern, was in ihren Gemeinen fallen und sterben will, damit es vor dem ewigen Tod bewahrt - und zu dem Leben erhalten werde; und was noch ein Fünklein des Glaubens - und dieses schöne Kleid mit allzubösem Leben nicht besudelt hat, das sollen sie stärken - und im Guten zu erhalten trachten.

Was die Gemeine zu Philadelphia anbelangt, gereicht es ihr zu großer Ehre, daß sie den Ruhm hat, das königliche und hohepriesterliche Amt Christi, wodurch Er ihr Versöhnopfer worden ist - und den Eingang zum Himmel aufgeschlossen hat, nicht mit Undank und Unglauben ausgeschlagen, sondern durch die Thüre des Worts, die ihnen so gnädig aufgethan worden ist, einen gläubigen und freudigen Eintritt in das Reich der christlichen Kirche genommen zu haben. Diese Ehre genießen wir gleichfalls durch Gott noch bis zur Stunde, da auch uns die Thüre Seines Wortes gar reichlich aufgethan ist, so daß wir nur zuzusehen haben, daß wir nach dem Vorgang jener eben belobten christlichen Gemeine an dem Wort Gottes, am Glauben und der an Geduld beständig bleiben, wider unser Fleisch, Welt und Teufel ritterlich kämpfen und überwinden; so sollen auch uns alle Verheißungen Christi zu Theil werden, die Er als der treue und wahrhaftige Zeuge versprochen und zugesagt hat, nämlich, daß Er uns zur Zeit der Anfechtung erhalten, unsere Feinde zu uns bekehren - und uns zu einem Pfeiler in dem Tempel Gottes machen wolle, so daß wir fest und wohlgegründet im Glauben stehen - und einst in das neue Jerusalem, in die Stadt Gottes, als Bürger, Einwohner und Hausgenossen Gottes eingehen sollen.

Endlich haben wir an den Heuchlern zu Laodicea zu lernen, wie das äußerliche Schein- und Maulchristenthum, auch alle Werkheiligkeit, womit man den Himmel und die Seligkeit zu verdienen meinet, Gott dem HErrn mißfalle. Denn solche Leute sind weder kalt noch warm. Sie wollen keine öffentlichen Verächter der wahren Religion seyn - und sich doch nicht mit rechtem Ernst und Eifer derselben annehmen. Daher heißt Er sie lau, das ist: sie seyen Heuchler, die sich äußerlich wie gute Christen stellen, aber mit dem Werk sich nicht also beweisen; die werden ausgespieen - oder, was ebensoviel ist, aus Seinem Reich verstoßen und verworfen werden, weil Zöllner und Hurer, wie Christus anderweit sagt, eher in's Himmelreich kommen mögen, als die Heuchler und Scheinchristen.

Darum lasset uns ja dem wohlgemeinten Rath des Sohns Gottes folgen, daß wir uns zuvörderst nach dem Wort Gottes umsehen, welches das köstliche, durch's Feuer bewährte Gold ist, und nach der Augensalbe, die unsere geistlichen Augen erleuchtet, zu sehen nach dem rechten Kleid, darinnen wir Gott gefallen, und welches die Gerechtigkeit ist, die vor Gott gilt, und darinnen wir ewiglich bestehen mögen.

Christus Jesus, der Anfang der Creatur Gottes, der Heilige und Wahrhaftige, dem unser natürlicher Jammer und Elend, geistliche Blöse und Blindheit allzuwohl bekannt ist, mache uns wacker - und stärke uns mit der Augensalbe Seiner wahren Erkenntniß, damit wir nicht als Heuchler ausgespieen - noch aus dem Buche des Lebens getilgt werden. Er klopfe immer mehr und mehr an die Thür unserer Herzen - und gebe, daß wir Seine Stimme also hören, daß wir Ihm bald aufthun - und mit Ihm eingehen, das Abendmahl zu halten. Amen. Amen.

Hundertundvierte Woche.

Offenb. Joh. 22. Kap.

In dem vorhergehenden 21. Kapitel dieser Offenbarung Joh. hat der heilige Geist das neue Jerusalem, den neuen Himmel und die neue Erde, das ist, die Herrlichkeit des ewigen und seligen Freudenlebens beschrieben. Darauf zeiget er in dem gegenwärtigen Kapitel, was für eine Nahrung und Unterhalt die Bürger und Einwohner desselben zu ihrer Speise und Trank haben werden, nämlich den Strom des lebendigen Wassers und die Früchte von dem Holz oder dem Baum des Lebens. Das dürfen wir aber nicht leiblicherweise, sondern müssen's geistlicherweise verstehen, weil das Reich Gottes nicht Essen und Trinken ist, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist. Dieser heilige Geist mit allen Seinen Gnaden und Gaben ist der Strom des lebendigen Wassers, der vom Vater und Sohn ausgehet, und das Holz Lebens ist der HErr Jesus Christus, der auch sonst unser Brod genennet wird, das vom Himmel gekommen ist - und der Welt das Leben gibt. Dies wird denn unsere Speise und unser Trank auch in dem ewigen Leben seyn, dessen wir zwar schon hier auf Erden - in der christlichen Kirche als dem Reich der Gnaden - durch mancherlei Gaben und Wohlthaten - im Glauben empfangen und genießen; die Fülle aber und der vollkommene Genuß derselben ist von Gott in jenes ewige Freudenleben versparet, da alle Gläubigen trinken werden von den reichen Gütern des Hauses Gottes - und mit himmlischer und ewiger Wollust werden getröstet, ergötzet und überschüttet werden als wie mit einem Strom.

Was aber alsdann das Thun und Wesen der seligen Himmelsbürger ewiglich vor Gott seyn werde, sagt Johannes in folgenden Worten: „Sie werden als Knechte Gottes Ihm dienen - und Sein Angesicht sehen.“ Denn obschon sie auch hier auf Erden Gott als ihrem HErrn dienen mit Anrufung, Danksagung, Lob und Preis, so geschiehet doch alles dieses noch im Glauben; dort aber wird es im vollkommenen Schauen geschehen, da die Seligen und Gläubigen nicht mehr durch's Wort als durch einen Spiegel Gott sehen - oder nur durchs Gebet mit Ihm reden werden, sondern sie werden Ihn sehen, wie Er ist; Gottes Wesen und Wille wird ihnen ganz offenbar vor Augen seyn, so daß sie als in einem hellen Licht alle Ursachen des Raths und der Werke Gottes bei der Erschaffung, Erlösung und wunderbaren Regierung Seiner Kirche erkennen und schauen werden. Alle Geheimnisse, die man in dieser Welt nimmer hat erforschen und auslernen mögen, werden alsdann den Seligen und Auserwählten offenbar und entdeckt seyn, so daß keiner den andern wird lehren und sagen dürfen: „Erkenne den HErrn!“ weil sie alle von Gott selbst gelehret und erleuchtet seyn werden. Wofern wir aber solchen heiligen und seligen Dienst Gott dereinst freudig und vollkommen leisten wollen, müssen wir fein zeitlich hier auf Erden anfangen, aus wahrem Glauben Gott zu dienen unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist. Alsdann werden wir auch dort zu dem vollkommenen, ewigen Himmelsdienst aufgenommen werden; ja wir werden nicht allein Gott dienen, sondern mit Ihm selber herrschen und regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Zuletzt folget nun der Beschluß dieses Kapitels, des Buchs der Offenbarung und auch der ganzen heiligen Schrift. Da ist denn die Warnung des heiligen Geistes wohl zu merken,' daß man ja bei dem göttlichen Wort nichts dazu noch davon thue. Wir dürfen also keine Lehre außer der heiligen Schrift annehmen, wie scheinbar auch selbige vorgetragen wird, sondern müssen schnurstracks bei dem geoffenbarten, reinen und alleinseligmachenden Wort verbleiben - und demselben einfältiglich glauben und nachkommen. Alsdann werden wir bei der Zukunft Christi und des Tags des HErrn, der gewiß nimmer lang ausbleiben, sondern bald erscheinen wird, mit Ihm eingehen in die ewige Freude und Seligkeit.

Allerheiligster Gott, der Du bist das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte, Dir sey herzlich Dank und Preis gesagt für die Klarheit Deines Wortes, durch welches Du vermittelst des heiligen Geistes unsere Herzen erleuchtest, daß wir Dich erkennen und Dir dienen, auch dermaleinst mit Dir leben und regieren sollen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ach, Deine Worte sind gewiß und wahrhaftig in unsern Herzen. Laß sie uns doch allezeit von aller Sünde abhalten, welche machet, daß die unreinen Hunde ewiglich draußen, außer Deinem Reich, bleiben müssen. Laß sie uns hingegen je mehr und mehr heiligen - und zur wahren Frömmigkeit treiben, so werden wir mit Dir, wann Du kommen wirst, eingehen in Deine Herrlichkeit. Ach, Himmelsbräutigam, wie verlanget unsere Seele nach Dir! Komm doch, HErr Jesu, komm! Denn unsere Seelen dürstet nach dem Wasser des ewigen Lebens. Laß uns Deine Stimme hören, die da saget: „Ja, Ich komme!“ So komm denn bald, HErr Jesu! Laß uns Deine Süßigkeit schmecken - und Deine Klarheit schauen in alle Ewigkeit! Amen.

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