Danichius, Hilarion - Auf den Tag der Verkündigung Mariä.

Danichius, Hilarion - Auf den Tag der Verkündigung Mariä.

Vor Allem sind es zwei Dinge, meine lieben Brüder, die im heutigen Evangelio sich mir in den Vordergrund stellen und deren keines ich vor lauter Verwunderung recht zu begreifen vermag; meine Zunge versagt mir die Worte und meinem Geiste fehlt es an Erleuchtung so großer Heilsthat gegenüber. Diese Dinge sind eben so tief als hoch, so daß ich mit dem Apostel Paulus sprechen möchte: „O welch eine Tiefe des Reichthums, beides der Weisheit und Erkenntniß Gottes! Wie gar unbegreiflich sind deine Werke und unerforschlich deine Wege!“ Ich meine das Werk der Fleischwerdung, die um unsertwillen geschah, und die Art und Weise, wie sie geschah. Diese beiden Stücke sind für mich am allerschwerten zu verstehen. Das Höchste wird Eins mit dem Niedrigsten, und das Niedrigste mit dem Höchsten; es bricht die Zeit des neuen Bundes herein, die viel besser ist als die des alten. Ihr wisset wohl, die Kinder des alten Bundes haben eine unbeschreibliche Knechtschaft ertragen, sie wurden unter dem centnerschweren Joche des Gesetzes niedergebeugt bis zur Erde. Seufzend unter der Last zahlloser Ceremonien trugen die Last und Hitze des Tages und fanden doch keine Ruhe. Und wenn sie auch Alles gethan hatten, so galt ihnen dennoch das Wort: „Das Gesetz richtet Zorn an, der Buchstabe des Gesetzes tödtet, denn der Geist ist es, der da lebendig macht.“ Wie aber steht es nun? Siehe da, es ist die Zeit erfüllen, da Gott seinen Sohn senden und unter das Gesetz thun will, auf daß er die, so unter dem Gesetze sind, erlösete, auf daß vor seinem holdseligen Angesichte dies schwere Joch vergehen und verschwinden sollte. Er spricht, ich habe über euch Gedanken des Friedens, und nicht des Leides. Ich will senden, den ich senden werde, ich will ein Ende machen den vielen Schatten der zukünftigen Güter und es soll die Wahrheit dem Schatten folgen, den sie vor sich her warf. Wohlan, o Herr, Heiliger Vater, dessen Herz voll Erbarmen ist, thue wohl an Zion nach deiner Gnade, auf daß nun endlich die Mauern des himmlischen Jerusalem emporsteigen. Schon lange Zeit liegen die Steine deines Heiligthums zerstreut auf offener Straße, und es ist. Niemand da, der sie sammeln will. Wer ist, der so großem Elende abhelfen könnte, als nur du, der Allem mächtig ist? Mache dich auf, Herr, errette uns, um deines Namens Willen, verziehe nicht um dein selbst und deines Knechtes David Willen; wende nicht länger von uns dein und deines Christi Antlitz. Was geschieht nun? Es gilt eine Jungfrau zu finden, von der der verheißene Messias geboren werden soll. Aber der keuscheste Bräutigam sucht nur die keuscheste Jungfrau. Sie wird gesucht, sie wird gefunden, es wird der Engel zu ihr gesandt. O Engel eile! Denn schon gingen die Wasser des Verderbens allzuhoch über unsere Seelen: und ist kein Retter da, wenn nicht von oben. Hülfe kommt. Inzwischen umgürtet der himmlische Bräutigam seine Lenden mit Kraft, er stärket seinen Arm, er stiefelt seine Füße, zu treiben das Evangelium des Friedens. Wie herrlich schreitest du einher, mein König und mein Gott! Komm eilends, und verziehe nicht; erleuchte die in Finsterniß und Schatten des Todes sitzen, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Was höre ich, meine Brüder? Siehe, spricht er, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, zu geben einem Jeglichen. Herr, was willst du uns geben? Er antwortet, ich will das steinerne Herz von euch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben, und will einen neuen Geist in euch geben, den Geist eures Herrn Jesu Christi. O selige Zeit! O fröhliche Botschaft! Gott will Fleisch werden, wer wollte sich nicht freuen? Eine Jungfrau will gebären, wer wollte nicht staunen? Ein wie viel besseres Theil gibt Gott uns, als unsern Vätern! Jene hatten die Schale des Gesetzes, uns will er das Mark der Gnade geben. Jene hatten die Mühe der Gesetzesarbeit, wir haben den Segen der Gesetzeserfüllung. Jene gingen zu Fuß, wir fahren. Der Wagen ist die Gnade, welche durch die Fleischwerdung des Sohnes Gottes uns erworben ist; es ist ja diese Fleischwerdung voller Gnaden, voller Segnungen. An ihrer Fülle haben wir Alle Theil; Niemand ist von ihr ausgeschlossen, nicht einmal das Kind, das erst einen Tag alt ist. Sie will Allen nützen, so viel ihrer den Menschennamen tragen; sie will. Alle retten, den Jüngling und die Jungfrau, den Säugling und den Greis, und ist Niemand, der von der Frucht dieser Fleischwerdung keinen Genuß haben sollte. Aber wie soll das zugehen? Wie kann so große Majestät in den Kerker eines so kleinen Leibes eingezwängt werden? Meine Brüder, wenn ich sage, das weiß ich nicht, so sage ich die Wahrheit, denn ich weiß es wirklich nicht; Gott weiß es. Ich weiß, daß es geschehen ist, aber ich weiß nicht, wie es möglich wurde, daß es geschah. Gestehen wir nun, daß Gott etwas thun kann, was wir nicht begreifen können. Hier tritt für uns das Wort in sein Recht: wenn ihr es nicht glaubt, so werdet ihr es nicht verstehen. Wer hat des Herrn Sinn erkannt? Oder wer ist bei diesem Wunder sein Rathgeber gewesen? Er allein weiß und versteht, was er allein gethan hat; wir glauben das, was er that, und danken ihm dafür. Selbstverständlich mußte gerade das geschehen, was geschah, denn außerhalb der Gottheit wäre nie. Jemand erfunden worden, der unsern Wunden vollkommene Heilung hätte bringen können. Der allein konnte dem Menschen Erlösung bringen, an dem allein der Mensch gesündigt hat. Darum wird er Mensch im Leibe der Jungfrau Maria; zuvor jedoch sendet er einen Boten, der die Botschaft des Friedens bringt. Wo bist du, Jungfrau? Sei schnell zu reden, zögere nicht mit deiner Antwort. Ein Engel fragt nach dir, Gabriel steht vor deiner Thür und klopfet an; thue ihm auf! Denn er will dir die Liebe verkündigen des, den du lieb hat, und das Heil der ganzen Menschheit. Wirst du wohl den zurückweisen, den einzig deine Seele liebt? Siehe, er kommt daher über Berge und Hügel, er steht an der Wand, er schaut während der Rede des Engels durch dein Fenster, er blickt durch das Gitter. Sprich nur ein Wort, du gebenedeiete Jungfrau, und wir sind gerettet. Sprich, Jungfrau: Es geschehe also! Sie sprachs. Es geschah. Alle Geschlechter werden nun dich selig preisen, du frömmste der Jungfrauen; denn fürwahr, der Herr hat Großes an dir gethan, daß er dich zu seiner Herberge erkor, du aber hat uns auch nicht. Geringes erwiesen darin, daß du eine Magd sein wolltest. Lieben Brüder, laßt uns die Augen ein wenig auf diese Jungfrau richten, die würdig erachtet wurde, in ihrem heiligen Leibe den zu beschließen, der Alles umschließt, den zu tragen, der Alles trägt, und das nicht nur einen, sondern neun Monate lang. Ihrer heiligen Sorge vertraute Gott der Vater ein eingeborenes Wort. Darum auch hat der Engel die vor allen andern Weibern selig gepriesen. Richten wir also die Augen unseres Geistes auf sie, die mit Recht ein Wunder heißen mag. Wie heilig muß die Hütte gewesen sein, in der der Schatz der ganzen Welt verborgen ward? Einst mußte mit dem reinsten Golde inwendig und auswendig die Bundeslade vergoldet werden, welche die Tafeln des geschriebenen Gesetzes, die Ruthe des Aarons und das Manna enthielt. Mit welcher Zier wohl muß die gebenedeiete Jungfrau geschmückt werden, der Tempel, in dem das lebendige und wahrhaftige Manna, die lebendige und wahrhaftige Tafel des himmlischen Gesetzes verborgen lag? Gewißlich war alle Herrlichkeit der Königstochter eine inwendige, sie bestand nicht in bunten golddurchwirkten Gewändern. In ihr war zu schauen eine Menge und Fülle von Tugenden, der prächtige Purpur der Demuth, das glänzende Gold der Liebe, hernach die andern Tugenden alle in wohlgeordneter Reihe. Es wäre schwer zu sagen gewesen, welche von ihnen in dieser Jungfrau den Vorrang behauptete, da keine fehlte und alle in ihr vollzählig vorhanden waren. Doch beruht sonderlich auf der Demuth, daß sie empfing, auf der Liebe, daß sie gebar. Die sich die Magd Gottes nannte, ward durch die Demuth würdig, Mutter zu heißen, durch die Liebe würdig, mit Augen zu sehen und mit ihren Händen zu betasten das Wort des Lebens, das sie in sich verschlossen trug. Wer vermag in seiner Seele nachzufühlen, oder, wenn er es fühlen sollte, in Worte zu fassen das herzliche Verlangen der heiligen Jungfrau, mit dem sie begehrte das verborgene Antlitz Gottes zu schauen, das unumschränkte Licht zu sehen? Wie oft mag sie gesagt haben: Tritt hervor du Gesegneter des Herrn! Warum verbirgst du dich heimlich? Laß mich dein Antlitz sehen, laß deine Stimme in meinen Ohren klingen. Denn deine Stimme ist lieblich und dein Antlitz ist schön. Und nun mögt ihr euch selbst ausdenken, was Mutter und Sohn für Rede und Gegenrede, für Liebesworte, für freundliche Grüße mit einander tauschten; wie viel Geheimmnisse des göttlichen Wortes mögen ihnen klar, wie viel göttliche Erhebung, Eindrücke, Freuden mögen ihnen zu Theil geworden sein. Die Jungfrau verwunderte sich über die so große Herablassung des Himmelskönigs, sie erstaunte über seine Liebe, sie betete an seine Güter; und je mehr sie deswegen sich in tiefster Demuth beugte, desto höher ward sie erhöht, Sie beklagte laut, daß sie unwürdig sei der Majestät eines so hohen Gastes; und das machte sie nur um so würdiger. Sie nannte sich Magd, er nannte die Mutter. Sie erachtete all ihr Verdienst für überaus gering in Gottes Augen, er ließ sie selig preisen. Kurz zu sagen: Kein Ohr hat gehört und es ist in keines Menschen Herz gekommen, in was für lieblichen Worten jene beiden mit einander verkehrten. Aber vielleicht habe ich mich etwas weitläufiger verbreitet, als ich wollte. Es wird Zeit, meine Brüder, daß wir auf uns selbst zurückkommen, und zusehen, ob wir auf irgend eine Weise dieser Freude theilhaftig werden können. Um ihrer theilhaftig zu werden, müssen wir folgendes thun. Wir müssen zunächst durch aufrichtige Reue und Demuth, hernach durch reine Liebe das Innerste unseres Herzens zur Aufnahme dieses Kindes zubereiten. Denn die Demuth nimmt es auf, die Liebe bildet und formt es. So wollen wir in unsern eignen Augen als gering dastehen, wir wollen nicht große Dinge von uns halten; wir wollen unsere Missethat nicht verbergen, sondern sie vor Gott beweinen, und seine göttliche Majestät, die über alle Himmel erhöht ist, wird sich zu unserer Niedrigkeit niederneigen. Denn nirgends ruht Gott lieber, als in einem reuevollen und demüthigen Herzen.

Wir wollen auch das Kämmerlein unsers Herzens mit der Tugend der Liebe auszieren, die Gott mehr liebt, als Alles, was er sonst noch liebt. Wir wollen dem Geliebten sagen, daß wir nach seiner Liebe sehnliches Verlangen tragen und er wird uns eine Gegenliebe nicht versagen, wenn anders wir ihn von ganzem Herzen lieben. Das verleihe mir und euch Gott, hochgelobt über Alles. Amen.

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