Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 8. Capitel.

Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 8. Capitel.

Von der innerlichen Christen ihrer Ordnung.

Es will zwar Gott der Herr seine Kinder freywillig, aber nicht muthwillig haben. Derowegen hat er sie mit gewissen Ordnungen umzäunet, die besser und vollkommener als aller Welt Rechte und Satzungen sind. Denn in der Welt ist alles voller Unordnung, indem man eines Theils, wie ich gesehen, keine gewisse Einrichtung hat, oder, wenn sie auch noch einige haben, dieselbe nicht beobachten. Aber die hinter diesem Vorhang wohnen, haben nicht allein eine angenehme Ordnung, sondern beobachten auch dieselbige. Denn sie haben von Gott selbst ihnen gegebene Rechte, welche lauter Gerechtigkeit in sich halten, worinn ihnen anbefohlen ist: Daß 1) ein jeder gottergebener ihn nur allein für den einigen Gott habe und erkenne; 2) ihm im Geist und in der Wahrheit, ohne alle fleischliche Begriffe und Bilder diene; 3) seine Zunge nicht zur Verletzung, sondern zur Verherrlichung seines glorwürdigsten Namens gebrauche; 4) die Zeit und Weile, welche zu seinem Dienst gewidmet ist, zu keinem andern als zu seinem innerlichen und äusserlichen Dienste anwende; 5) seinen Eltern und andern ihm von Gott vorgesetzten unterthänig sey; 6) dem Leben seines Nächsten nicht schade; 7) die Keuschheit des Leibes bewahre; 8) fremde Sachen sich nicht zueigne; 9) sich für Falschheit und Betrug hüte; und 10) zuletzt das Gemüth in gehörigen Schranken halte.

Die Summa aber alles dessen ist, daß ein jeglicher Gott über alles, was nur kann genennet werden, liebe, und seinem Nächsten wie sich selbst gewogen sey: Welche zwey Worte ich als den kurzen Inbegrif der Rechte Gottes über alle Massen loben hörete. Auch habe ich selbst erfahren und gesehen, daß sie über die unzehliche Gesetze, Rechte und Ordnungen der Welt gehen, ja tausendmal vollkommener als dieselben sind.

Denn wer Gott von ganzem Herzen liebet, dem ist nicht nöthig, vieles vorzuschreiben, wann, wo, wie, und wie oft er Gott dienen, sich beugen und ihn ehren soll; weil selbst die herzliche Vereinigung mit Gott, und die Bereitwilligkeit zu seinem Gehorsam ihm der allerangenehmste Dienst ist, treibet den Menschen auch dazu an, daß er jederzeit und allenthalben in sich selbst lebe, und mit alle seinem Thun und Lassen auf desselben Ehre bedacht sey. Also, wer seinen Nächsten als sich selbst liebet, bedarf nicht weitläuftige Verordnungen, wo wenn und worinn er sein Bestes wahrnehmen, und in was er ihm nicht schaden, oder womit er seine schuldige Pflicht abstatten solle; denn die Liebe zeiget ihm zur Genüge, wie er sich gegen ihm verhalten solle: Hingegen ist es eines bösen Menschen Anzeigen, wenn er immer Recht haben will, und was gethan werden soll, nur immer aus dem vorgeschriebenen Spannzettel wissen will; sintemal im Herzen uns der Finger Gottes zeiget, daß, was wir wollen, daß es uns geschehe, wir auch dem Nächsten zu thun schuldig sind. Weil aber die Welt auf das innere Zeugniß des Gewissens nicht Acht giebet, und immer auf äussere Ordnungen siehet; so geschiehts, daß keine rechte Ordnung in der Welt zu finden, sondern nur Verdacht, Mißtrauen, Mißverständniß, Neid, Streit, Stehlen, Morden, und was dessen mehr ist. Gott recht Ergebene aber geben nur allein auf ihr Gewissen Acht: Was ihnen dasselbe verbietet, darein begeben sie sich nicht; hingegen, was es ihnen als nöthig zeiget, daß es gethan werden soll, das thun sie, und achten dabey weder Gewinn, Gunst, oder was es immer seyn mag.

Daraus entspringet nun eine besondere Gleichheit, und daß sie einander ganz ähnlich sind, als wenn sie alle in eine Form gegossen wären. Alle denken einerley, glauben einerley, wollen und verwerfen einerley; weil sie von einem Geist gelehret und getrieben werden; und was zu verwundern, und ich hier mit Vergnügen gesehen, daß Leute, welche einander niemals gesehen, noch von einander etwas gehöret, auch in der Welt sehr weit von einander entfernet, doch einander so ähnlich sind, als wenn einer dem andern aus den Augen geschnitten wäre, ja als wenn einer in dem andern stäcke; indem sie einerley reden, sehen und empfinden. Also, daß, obwol in den Gaben ein grosser Unterscheid zu spüren, wie an einem musicalischen Instrument unterschiedene Saiten und pfeiffen sich befinden, deren einige einen klärern, andere einen gröbern Ton von sich geben, zusammen aber doch eine liebliche Harmonie zuwege bringen, (welches die Christliche Einigkeit gar besonders abbildet, und ein Vorbild der seligen Ewigkeit ist,) sie auch so unter einander vereiniget und verbunden sind, daß alles von ihnen in einem Geiste geschiehet.

Aus dieser Gleichheit entspringet auch ihre Empfindlichkeit, und daß, wenn sich einer freuet, sie sich alle freuen, und, wenn einer traurig ist, sich alle andere mit betrüben. Dagegen habe ich in der Welt eine überaus schlimme Sache wahrgenommen, welche mich gar oft betrübet hat; daß, wenn es einem übel gienge, andere darüber frohlocketen; wenn einer irrete, andere lacheten; wenn er Schaden litte, andere ihren Gewinn dabey suchten; ja ihre Freude und Ergetzlichkeit darüber hatten, wenn sie ihren Nächsten selbst zum Fall und Schaden bringen konnten. Hier aber fand ichs ganz anders: Denn ein jeder suchte von seinem Nächsten Unglück und Schaden so fleißig, als von sich selber, abzuwenden, und, wenn er es nicht abwenden konnte, betrübete er sich nicht anders, als wenn es ihm selber betroffen hätte, (wie es ihn denn auch wirklich betraf, weil sie alle ein Herz und eine Seele waren.) Denn gleichwie die eiserne Zünglein in denen Compassen, welche mit dem Magnet bestrichen sind, sich alle auf eine und eben dieselbe Seite der Welt wenden; also sind auch dieser ihre Herzen mit dem Geiste der Liebe angestrichen, daß sie alle sich auf eine und eben dieselbe Seite, nemlich im Glück zur Freude, im Unglück aber zur Traurigkeit wenden. Und da habe ich erkannt, daß dieses falsche Christen sind, welche nur ihre eigene Sachen fleißig treiben und in Acht nehmen, den Nächsten aber nichts achten, ja wo die Hand Gottes einen rühret, sich geschwind abkehren, und nur ihr eigen Nest bewahren, anderer ihre Sachen aber im Winde und Regen lassen. Hier aber habe ich das Gegentheil wahrgenommen: Wenn einer litte, frohlocketen die andern nicht; wenn einen hungerte, lebten die andern nicht herrlich und in Freuden; wenn einer im Kampfe stunde schliefen die andern nicht. Und da alles so gemeinschaftlich geschahe, war es recht lieblich anzusehen.

Was ihre Güter betrift, so sahe ich, daß, ob sie wohl größten Theils arm waren an dem, was die Welt Reichthum und Vermögen nennet, sie bey ihrer geringen Habseligkeit doch vergnügt lebeten, und ein jeder doch allezeit etwas seines eigenen hatte; doch also, daß er sich damit nicht versteckte, und vor andern (wie es in der Welt geschiehet) verbarg, sondern hielte alles bereit, zum gemeinen Dienst darzugeben, und wenn es jemanden nöthig war, reichete er es willig dar: Also, daß alle untereinander mit ihren Gütern nicht anders umgiengen, als Leute, die an einem Tische speisen, mit dem Geschirr umgehen, welches sie gemeinschaftlich mit einerley Recht brauchen.

Als ich nun dieses sahe schämete ich mich, daß bey uns oft das Widerspiel wahrgenommen wird; indem einige ihre Häuser mit köstlichen Gefässen, Kleidern, Nahrung, Gold und Silber an- ja überfüllen, wie sehr sie nur immer können; da indessen andere, die nicht minder Gottes Diener sind, kaum haben, daß sie sich bedecken oder nähren können. Als ich dieses sahe, erkannte ich, daß dieses nicht Gottes Wille, sondern der Welt, und zwar der verkehrten Welt Lauf und Brauch sey, wenn einige geschmücket, andere nackend einher giengen; einige sich mit Speis und Trank so überfülleten, daß sie es wieder von sich geben mußten, andere aber für Hunger ächzeten; einige sich ihr Brod mühsam verdieneten, andere aber die Gaben Gottes liederlich durchbrachten; einige sich belustigten, andere dagegen weineten: Woraus bey einigen Hoffart und Verachtung, bey andern Neid und Mißgunst, und viel anderes Unheil entstund. Hier aber ist nichts dergleichen wahrzunehmen, sondern man hat alles gemein, auch die Seele selbst.

Daraus folget ihre gemeinschaftliche Vertraulichkeit, Offenherzigkeit und heilige Gesellschaft, also, daß sie sich alle unter einander, wie sehr sie auch nach den Gaben und Beruf von einander unterschieden, für Brüder haben und halten. Denn sie sagen, daß wir alle aus einem Blute herstammen, mit einem Blute erkaufet und abgewaschen, eines Vaters Kinder, eines Tisches Genossen sind, und ein Erbtheil im Himmel mit einander zu erwarten haben; daher einer vor dem andern (die zufälligen Dinge ausgenommen) nichts habe. Derohalben habe ich gesehen, wie einer dem andern mit Ehrerbietung und Liebe zuvor kam, und wie sie einander willig dieneten, auch ein jeder seinen Ort und Stand zu anderer ihren Nutzen anwendete. Wer rathen konnte, der rieth; wer Wissenschaft besaß, lehrete; wer Stärke und Vermögen hatte, vertheidigte andere; wer Gewalt und Ansehen überkommen, der hielt gute Ordnung. Irrete aber jemand, so erinnerten ihn andere; sündigte jemand, so bestraften sie ihn; wie sich denn auch ein jeglicher von ihnen gern erinnern und bestrafen ließ, und war bereit, wenn ihnen was verwiesen worden, sich zu bessern, ja auch den Leib von sich zu geben, wenn es ihm konnte dargethan werden, daß er ihm nicht angehöre.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/c/comenius/comenius-das_wiedergefundene_paradies/comenius_paradies_kapitel_8.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain