Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 6. Capitel.

Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 6. Capitel.

Von der inwendigen Christen Erleuchtung.

Die Welt und wer in derselben herum tappet, richtet sich bloß nach Meynungen, indem einer sich nach dem andern in seinem Thun richtet, und daher wie ein Blinder tappet, der hier und da anstösset. Aber diesen leuchtet innerlich ein zweyfaches helles Licht, nemlich das Licht des Verstandes, und das Licht des Glaubens, welche beyde der Heil. Geist ordnet und regieret.

Denn ob sie wohl beym Eingang in den innern Tempel, ihren Verstand ablegen, und demselben absagen müssen, so giebt ihnen der Heil. Geist hernach wieder einen gereinigten und auspolirten Verstand, also, daß sie gleichsam voller Augen sind allenthalben, wo sie in der Welt herum gehen; was sie immer über sich, unter sich und um sich sehen, hören, riechen, schmecken, darinn sehen sie allenthalben die Fußstapfen Gottes, und können alles sehr wohl zur Gottesfurcht anwenden. Und hierinn sind sie gewiß verständiger, als alle Weltweise, welche Gott durch gerechtes Urtheil verblendet, daß, da sie sich alles zu wissen einbilden, sie doch nichts wissen, weder was sie haben, noch was sie nicht haben, weder was sie machen, noch was sie machen sollen. Wissen auch nicht zu sagen, wohin und zu welchem Ziel ihr Gang gerichtet sey, oder wohin sie kommen werden; indem ihre Erkanntniß nur bey Schalen stehen bleibet, das ist, indem sie nur im Auesserlichen herum gaffen; zum innern Kern aber, welcher die allenthalben ausgebreitete Herrlichkeit Gottes ist, gelangen sie nicht. Ein wahrer Christ aber siehet, höret, fühlet, riechet, schmecket Gott in allem, was er siehet, riechet höret, betastet und empfindet; ist auch allenthalben dessen gewiß und versichert, daß dieses nicht Einbildung sondern gewisse Wahrheit sey.

Besonders aber leuchtet ihm das Licht des Glaubens helle, womit er nicht nur, was er siehet, höret, und vor sich gegenwärtig hat, sondern auch alles, was nicht gegenwärtig, oder unsichtbar ist, siehet und erkennet. Denn Gott hat gewißlich in seinem Worte auch das, was über dem Himmel in der Höhe, und unter der Erden im Abgrund ist, imgleichen, was vor der Welt gewesen, und nach derselben seyn wird, uns verkündiget; dem ein Christ daher also glauben soll, als wenn er alles dieses vor Augen hätte. Worein die Welt sich aber nicht finden kann; denn sie will sehende Hände haben, damit sie dem, was sie in Händen hat, nur glaube: Ein Christ aber verläßt sich getrost auf die unsichtbaren, nicht gegenwärtigen und noch zukünftigen Dinge, so, daß er deswegen an den sichtbaren und gegenwärtigen einen Eckel hat. Die Welt will nur immer Beweisgründe; ein Christ hat genug an Gottes bloßen Worten: Die Welt suchet Verpfändung, Bürgschaft, Briefe und Siegel; ein Christ aber hält den Glauben über alle Gewißheit: Die Welt siehet sich mannigfaltig vor, probiret, versuchet und erforschet alles; ein Christ aber waget alles auf Gottes Wahrheit: Und da die Welt also jederzeit etwas hat, wobey sie sich aufhält, zweifelt, fraget und überleget; so hat hingegen ein Christ jederzeit gewissen Grund, warum er zuversichtlich glauben, gehorsam seyn, und sich Gott gänzlich untergeben könne, weil ihm das Licht des Glaubens leuchtet, und er daher sehen und wissen kann, daß es unveränderlich sey, und auch nicht anders seyn könne, als wie es Gott verheisset, ob er gleich mit dem Lichte des Verstandes nicht vermag alles zu erreichen.

Da ich nun mich in diesem Lichte auch umsahe, habe ich die wunderbaresten und merkwürdigsten Dinge erblicket, und zwar häufiger, als ich aussprechen oder nur etwas erzehlen kann. Ich will aber doch nur etwas weniges davon berühren: Vor mir sahe ich diese Welt als ein sehr grosses Uhrwerk, welches aus verschiedenen sichtbaren und unsichtbaren Materien zusammen gesetzet, aber nur gläsern, durchsichtig und ganz zerbrechlich war, und über tausend, ja tausendmaltausend grosse und kleine Spindeln, Räder, Hacken, Zacken und Kurbeln hatte, so daß sich alles daran bewegte und regte; eines ging durch das andere, eines sachter und stiller, ein anders aber geschwinder und mit grösserm Gepolter. In der Mitte aber stund das allergröste Hauptrad, welches doch unsichtbar war, und von dem der andern aller ihre unterschiedene Bewegungen herrühreten, auf eine ganz unbegreifliche Art: Denn der Geist dieses Rades durchdrang und regierte alles; und ob gleich nicht völlig zu begreifen war, wie solches alles geschähe, so sahe ich doch, daß es wahrhaftig geschahe. Dieses aber war mir dabey sehr merkwürdig und angenehm, daß, ob wohl alle diese Räder so durch einander giengen, und sich hin und her bewegeten, auch zuweilen Zacken und auch Räder nebst den Spindeln sich verrücketen, und dahin fielen, der sichtbare Lauf doch nicht aufhörete, dieweil dieses auf eine wunderbare Art diese geheime Regierung wieder ersetzete, erfüllete und wieder erneuerte.

Ich will es deutlicher sagen: Ich sahe die Herrlichkeit Gottes, wie von desselben Kraft und Gottheit die Himmel voll sind, ja, wie auch die Erde und der Abgrund, und was man ausserhalb der Welt bis in die entferntesten Ewigkeiten überdenken kann, durch die Allmacht Gottes erhalten und regieret wurde. Der Grund aber alles dessen war, daß, was immer auf dieser ganzen breiten Welt geschiehet, nach seinem Willen geschiehet; und das habe ich sowohl in den allergrößten als allerkleinsten Dingen wahrgenommen.

Damit ich aber von den Menschen besonders gedenke, so wurde ich gewahr, daß alle und jede, sowohl Gute als Böse, nur in Gott und aus Gott ihr Leben haben, durch denselben sich bewegen, und in ihrem Wesen bleiben, daß auch alle ihre Bewegung und Athemholen bloß aus Gott und seiner Macht herrühre. Ich sahe, wie seine sieben Augen, deren jedes tausendmal heller als die Sonne, die ganze Erde durchgehen, und alles, was sowohl im Lichte als in der Finsterniß, offenbar und ingeheim, auch sogar in den tiefesten Oertern geschiehet, in Augenschein nehmen, und allen Leuten immerdar ins Herze sehen. Ich sahe auch, wie seine Barmherzigkeit sich auf alle seine Werke ergiesset und ausbreitet; am sonderbarsten aber an der Seite, wo sie die Menschen berühret. Denn da sahe ich, wie er sie alle liebet, und ihr Bestes suchet, die Kinder duldet, denen Uebertretern nachsiehet, denen Irrenden zurufet, die Umkehrende annimmt, auf die Verzögerende wartet, die Zurückweichende mit Verschonen träget, denen, so ihn zum Zorn reitzen, übersiehet, denen Bußfertigen vergiebet, die Gedemüthigten mit Gnade umfänget, die Unwissenden lehret, die Betrübten tröstet, für dem Falle warnet, nach dem Falle aufrichtet, denen so ihn bitten, giebet, denen so ihn nicht bitten, seine Gaben selber darreichet, denen Anklopfenden aufthut, bey denen aber, die nicht anklopfen, selber anklopfet, von denen Suchenden sich finden lässet, denen, so ihn nicht suchen, selber vor Augen tritt.

Doch sahe ich auch dabey seinen erschrecklichen und grausamen Grimm gegen die Unbändigen und Undankbaren, wie er dieselben in seinem Zorn verfolget und erhaschet, wo sie sich auch immer hinwenden, also, daß sie unmöglich seiner Hand entgehen können, in welche zu fallen ganz unerträglich ist. In Summa: Hier sehen alle Gottergebene, wie der Ernst und die Majestät Gottes über alles herrschet, und allein nach seinem Willen so wohl die kleinsten als die größten Dinge geschehen.

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