Calvin, Jean - Der zweite Brief des Apostels Petrus - Kapitel 2

Calvin, Jean - Der zweite Brief des Apostels Petrus - Kapitel 2

1 Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die neben einführen werden verderbliche Sekten, und verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat, und werden über sich selbst führen eine schnelle Verdammnis. 2 Und viele werden nachfolgen ihrem Verderben; um welcher willen wird der Weg der Wahrheit verlästert werden. 3 Und durch Geiz mit erdichteten Worten werden sie an euch Gewinn suchen; welchen das Urteil von lange her nicht säumig ist, und ihre Verdammnis schläft nicht.

V. 1. Es waren aber auch falsche Propheten. Leute mit schwachem Gewissen werden gewöhnlich sehr erschüttert und gefährdet, wenn sich falsche Lehrer erheben, welche die Glaubenslehre verderben oder zerstückeln. Der Apostel musste derartige Ärgernisse beseitigen, da er ja die Gläubigen zur Standhaftigkeit ermahnen wollte. Er tröstet die, an welche sein Brief sich wendet, und stärkt sie mit dem Hinweis darauf, dass Gott immer seine Gemeinde durch solche Versuchungen geübt habe. Sollten doch ihre Herzen nicht durch das Neue in Unruhe versetzt werden! Nicht anders, sagt er, wird es der Gemeinde unter der Herrschaft des Evangeliums ergehen, als es einst unter der Herrschaft des Gesetzes gewesen ist. Falsche Propheten haben die alttestamentliche Gemeinde in Verwirrung gebracht. Dasselbige haben wir zu gewärtigen. Das musste nachdrücklich betont werden. Denn viele träumten von einem gar ruhigen Leben der Gemeinde unter dem Zepter Christi. Weil die Propheten mit seiner Ankunft dauernden Frieden, höchstes Licht himmlischer Weisheit und völlige Wiederherstellung aller Dinge verhießen, so glaubte man nicht, dass die Gemeinde noch irgendwelchen Streitigkeiten preisgegeben sein werde. Wir sollen daran gedenken, dass Gottes Geist einmal voraus verkündet hat, die Gemeinde werde niemals von diesem Übel, das in ihrem Innern wuchert, unangetastet bleiben, und uns immer daran erinnern, dass auch wir wie die Väter einer Glaubensprüfung unterliegen, damit es wie bei ihnen so auch bei uns dadurch an den Tag komme, ob wir Gott wahrhaft lieben, wie man auch 5. Mos. 13, 3 lesen kann: „Der Herr, euer Gott, versucht euch, dass er erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt.“ Einzelne Beispiele anzuführen, ist überflüssig. Es genügt, im Allgemeinen festzuhalten, dass es unsere Pflicht ist, nach dem Beispiel der Väter gegen gottlose Lehren zu streiten. Durch Spaltungen und Sektiererei darf unser Glaube durchaus nicht ins Wanken kommen. Denn unter den stürmischen Treibereien, durch die der Teufel so oft alles auf den Kopf zu stellen sucht, steht die Wahrheit Gottes nichtsdestoweniger unerschüttert da.

Wir wollen darauf achten, dass Petrus nicht eine bestimmte Zeit angibt, wenn er sagt: „wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer.“ Er fasst vielmehr alle Zeiten ins Auge, wie er auch die Christen mit dem Bundesvolk vergleicht. Diese Lehre passt auch für unsere Zeit, auf dass uns nicht die Versuchung zu Fall bringe, wenn wir mit ansehen müssen, wie falsche Lehrer die Wahrheit Gottes bekämpfen. Übrigens mahnt uns deshalb der Geist Gottes zu angestrengter Wachsamkeit. Diesen Zweck hat auch die ganze folgende Beschreibung. Der Apostel malt nicht einzelne Sekten mit ihren Farben, sondern richtet seine Rede insbesondere wider gottlose Leute, welche zur Verachtung Gottes anleiten. Er will ganz im Allgemeinen vor falschen Lehrern warnen. Aber er wählt eine Art aus, von der die größte Gefahr drohte. Der Judasbrief, welcher von demselben Gegenstand handelt, kennzeichnet sie noch deutlicher.

Die neben einführen werden usw. Damit beschreibt Petrus die Schlauheit des Teufels und aller Gottlosen, die unter seinem Banner kämpfen: sie arbeiten mit versteckten Winkelzügen, gleichsam wie Minen. Deshalb ist den Frommen desto größere Wachsamkeit geboten, damit sie auch solchen heimlichen Listen entrinnen. Denn mögen sich jene noch so sehr anstrengen, so können sie doch die nicht überwältigen, welche eifrig auf der Wache stehen.

Die Sekten nennt der Apostel verderblich, wie ja ein jeder, dem sein Heil am Herzen liegt, vor solchen Sekten als einer sehr schädlichen Krankheit zurückschreckt. Was übrigens das Wort Sekte oder Spaltung anlangt, so war dies bei den Kindern Gottes mit Recht immer berüchtigt und gehasst. Denn Gottes schlichte Wahrheit ist ein Band heiliger Einheit. Sobald man davon abweicht, bleibt nur schreckliche Zersplitterung.

Verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat. Christus wird auf mancherlei Weise verleugnet. Doch meint Petrus hier die Art, von der Judas spricht (V. 4): „sie ziehen die Gnade unseres Gottes auf Mutwillen.“ Denn Christus hat uns erkauft zu einem Volk, das losgetrennt ist von aller Unreinigkeit der Welt, bestimmt zur Heiligkeit und Unschuld. Wer nun den Zügel abwirft und sich in alle Ungebundenheit stürzt, von dem heißt es nicht mit Unrecht: er verleugnet Christus, durch den er erkauft ist. Damit also die Lehre des Evangeliums rein und lauter bei uns bleibe, muss es fest in unser Herz geschrieben sein: wir sind durch Christus erkauft, auf dass er unser Herr sei im Leben und im Sterben. Darum ist uns auch dies Ziel gesteckt: ihm zu leben und zu sterben. Und die Verdammnis wird schnell über jene hereinbrechen, damit die andern nicht mit ihnen zu Fall kommen.

V. 2. Und viele werden nachfolgen usw. Es ist kein geringes Ärgernis für die Schwachen, wenn sie sehen, wie den falschen Lehrern allgemeiner Beifall gezollt und eine ungeheure Schar von Menschen mit fortgerissen wird, so dass nur wenige in dem lauteren Gehorsam gegen Christus beharren. Auch heutzutage erregt gottesfürchtige Seelen nichts mehr als ein solcher Abfall. Denn kaum der zehnte Teil derer, die den Namen Christen tragen, bewahrt den lauteren Glauben bis ans Ende. Fast alle sind vom Verderben angefressen und wandeln, von den Predigern der Zügellosigkeit verlockt, auf dem breiten Weg. Damit wir nun nicht in unserm Glauben erschüttert würden, sagt Petrus beizeiten, es werde so kommen, dass die gottlosen Lehrer viele mit sich ins Verderben reißen.

Um welcher willen wird der Weg der Wahrheit verlästert. Wenn die Menschen zur Gottesfurcht, zu einem einwandfreien Lebenswandel, zur Keuschheit und Ehrbarkeit angehalten werden, oder wenigstens den Gottlosen der Mund gestopft wird, dass sie das Evangelium nicht schmähen, so dient dies zur Ehre der Frömmigkeit. Anderseits werden der Name und die Lehre Christi der Lästerung durch die Gottlosen preisgegeben, wenn die Zügel gelockert werden und man jeder Sinnlichkeit ungestraft frönen kann. Dadurch wird den Feinden Gottes Gelegenheit geboten, Gottes Wahrheit schamlos zu verlästern. Wären sie auch nicht imstande, selbst durch ihre Lästerungen an dem christlichen Bekenntnis zu rütteln, so geben sie doch anderen die Waffen der Lästerung in die Hand.

V. 3. Mit erdichteten Worten. Auf jede Weise bemüht sich Petrus, die Gläubigen gegen die falschen Lehrer einzunehmen, damit sie dieselben desto schärfer und entschiedener von sich zurückweisen möchten. Schimpflicher können wir doch nicht behandelt werden, als dass man uns wie feile Sklaven zum Verkauf anbietet. Das geschieht aber, wenn uns einer die Bezahlung durch Christi Blut zu Schanden macht. „Erdichtet“ heißen die Worte der falschen Lehrer, weil sie mit vollendeter Kunst zur Täuschung zusammengefügt sind. Wer also nicht so töricht ist, dass er freiwillig sein Seelenheil an falsche Lehrer verkaufen will, der verschließe alle Türen vor ihren verkehrten Erfindungen. – Aus demselben Grunde nämlich, um die Guten von ihrer Gemeinschaft abzuschrecken, wiederholt der Apostel: welchen das Urteil nicht säumig ist. Sind sie einem nahen Verderben geweiht, so steht jedem, der mit ihnen gemeinschaftliche Sache macht, nichts anderes bevor, als elendiglich zu Grunde zu gehen.

4 Denn so Gott der Engel, die gesündigt haben, nicht verschonet hat, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen, und übergeben, dass sie zum Gericht behalten werden; 5 und hat nicht verschonet der vorigen Welt, sondern bewahrete Noah, den Prediger der Gerechtigkeit, selbachte, und führete die Sintflut über die Welt der Gottlosen; 6 und hat die Stätte Sodom und Gomorra zu Asche gemacht, umgekehret und verdammt, damit ein Beispiel gesetzt den Gottlosen, die hernach kommen würden; 7 und hat erlöset den gerechten Lot, welchem die schändlichen Leute alles Leid taten mit ihrem unzüchtigen Wandel; 8 da er es nun sehen und hören musste, - weil er gerecht war, und unter ihnen wohnte, quälete er seine gerechte Seele von Tag zu Tage mit ihren ungerechten Werken.

V. 4. Denn so Gott usw. Wir haben schon gesagt, wie wichtig die Erkenntnis ist, dass die Gottlosen, welche die Gemeinde mit falschen Lehren verstören, dem Zorngericht Gottes nicht entgehen können. Das erweist Petrus nun an drei sehr hervorragenden Beispielen göttlichen Gerichts: Gott hat nicht einmal seine eigenen Engel verschont; er hat die ganze Welt einmal durch die Sintflut vernichtet; er hat Sodom und seine Nachbarstädte zu Asche gemacht. Für Petrus steht es fest – was auch bei uns keinem Zweifel unterliegen darf – dass Gott der Richter der ganzen Welt ist. Folglich wird er auch heutzutage in ähnlicher Weise strafen, wie er damals die gottlosen Frevler gestraft hat. Denn sein Sinn ist unveränderlich und nimmt nicht einen Menschen an, indem er ihm sein Vergehen vergibt, während er den anderen um desselben Vergehens willen straft. Nein, er hasst ohne Unterschied die Ungerechtigkeit, wo sie sich zeigt. Immer muss man ja den Unterschied zwischen Gott und Mensch festhalten: die Menschen urteilen bald so, bald anders; Gott aber bleibt immer derselbe, wenn er richtet. Denn wenn er den Auserwählten die Sünde vergibt, tut er es, weil er die Sünde um der Buße und des Glaubens willen vertilgt. Darum versöhnt er uns mit sich nicht anders, als indem er uns rechtfertigt.

Wenn nun die Engel, trotz ihrer großen Erhabenheit, der strafenden Hand Gottes durch ihre Würde doch nicht entronnen sind, wie viel weniger werden sterbliche Menschen entkommen, die jenen in ihrer Gottlosigkeit nachgefolgt sind! Hier erinnert Petrus kurz an den Fall der Engel (1. Mos. 6). Er redet aber weder von dem Wann oder Wie noch von anderen Umständen. Man muss hier volle Nüchternheit walten lassen. Es gibt ja viele neugierige Menschen, die kein Ende finden, hierüber zu grübeln. Und doch, wenn Gott nur kurz, gleichsam nur im Vorübergehen, diese Geschichte in der Schrift gestreift hat, so hat er uns damit sagen wollen: seid zufrieden mit dieser bescheidenen Kunde! Und sicherlich dient, wer allzu ängstlich darüber forscht, nicht der Erbauung, sondern will die Seelen mit eiteln Traumgebilden nähren. Was uns von Nutzen war, ist uns geoffenbart: nämlich dass Gott die Teufel ursprünglich geschaffen hat, damit sie ihm gehorchen sollten; dass sie aber durch eigene Schuld abgefallen sind, weil sie sich nicht unter Gottes Herrschaft beugen wollten, und dass die Bosheit, die ihnen anklebte, ihnen nicht von Natur anerschaffen war, so dass man sie auf Gott zurückführen könnte. Gar deutlich schreibt auch Judas (V. 6), sie hätten ihren Ursprung oder ihr Fürstentum nicht bewahrt.

Mit Ketten der Finsternis. Sie werden bis zum letzten Tag in Finsternis gebannt bleiben. Dieses Bild ist genommen von den Übeltätern, welche nach ihrer Verurteilung die halbe Strafe schon in der dunkeln Nacht des Kerkers erleiden, bis sie endlich zur Hinrichtung abgeführt werden. Daraus sollen wir nicht allein lernen, wie schwer die Strafe der Verworfenen nach dem Tode, sondern auch, wie schön das Leben der Kinder Gottes ist. Denn in der Hoffnung auf die sichere Seligkeit ruhen sie gar friedsam, obwohl sie noch nicht im Genuss dieser Seligkeit stehen; während die anderen von dem entsetzlichen Ausblick auf das ihrer harrende Strafgericht gequält werden.

V. 5. Und hat nicht verschonet der vorigen Welt. Nachdem das Menschengeschlecht im Wasser untergegangen war, hat Gott gleichsam eine ganz neue Welt geschaffen. Wie sollten denn die Frevler der Flut des göttlichen Zornes entrinnen, nachdem einmal die ganze Erde verschlungen war? Denn wenn es heißt, acht seien gerettet worden, so sagt das nicht, die Zahl habe wie ein Schild zum Schutz der Bösen vor Gott gestanden, sondern: alle Sünder mussten büßen, mochten es viel oder wenig sein.

Noah heißt ein Prediger der Gerechtigkeit, weil er versuchte, die verderbte Welt zur Gesundung zu führen, nicht bloß durch Lehre und Ermahnung zur Heiligung, sondern auch besonders dadurch, dass er sich einhundertzwanzig Jahre lang (1. Mos. 6, 3) mit dem Bau der Arche mühte. Der Apostel will uns den Zorn Gottes über die Verworfenen so deutlich vor Augen malen, dass wir dadurch desto mehr zur Nachfolge der Heiligen angetrieben werden.

V. 6. Die Städte Sodom usw. Dies Beispiel göttlicher Strafe ist so denkwürdig, dass die Schrift, wo sie auch vom Untergang der Gottlosen überhaupt redet, stets dieses Bild gebraucht. Darum sagt Petrus: diese Städte seien zum Beispiel gesetzt. Eigentlich kann dies ja auch von andern gesagt werden. Doch ist dieses Bild – wie auch Petrus meint – besonders treffend und lebendig. Gott hat ja seinen Zorn gegen die Gottlosen zu allen Zeiten bezeugt wissen wollen, wie er auch anderseits durch die gnädige Tat der Erlösung seines Volkes aus Ägypten uns das ewige Heil der Gemeinde vor Augen stellte. In demselben Sinne redet Judas (V. 7) von der Pein des ewigen Feuers.

V. 8. Da er es nun sehen und hören musste usw. Da Lot als ein gerechter Mann unter den Sodomitern lebte, so quälte er seine Seele durch das Ansehen und Anhören der Gräueltaten. Wir wissen es ja, wie vieles zu sehen und zu hören er gezwungen wurde, was seine Seele jämmerlich quälen musste. Das Hauptgewicht liegt darauf, dass der heilige Mann, obwohl er von allen möglichen ungeheuerlichen Lastern umgeben war, trotzdem nicht vom rechten Wege abgewichen ist. Noch mehr aber als zuvor betont Petrus die Freiwilligkeit der Qualen, die der gerechte Lot auf sich genommen hat. So gereicht es auch allen Frommen zu nicht geringem Schmerz, wenn sie sehen, wie die Welt sich in alle möglichen Bosheiten stürzt. Umso nötiger ist es für uns, über die eigenen Sünden zu seufzen. Der Apostel will vor allem das verhüten, dass wir uns, von den Lockungen der Laster verleitet und berauscht, nicht zugleich mit den anderen dem Verderben preisgeben, wo jetzt überall die Gottlosigkeit überhand nimmt. Lasst uns vielmehr – so ruft er uns zu – diesen Schmerz, den der Herr durch sein „selig“ (Mt. 5, 11) geadelt hat, höher achten als alle Ergötzlichkeiten der Welt!

9 Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen, die Ungerechten aber zu behalten zum Tage des Gerichtes, zu peinigen; 10 allermeist aber die, so da wandeln nach dem Fleisch in der unreinen Lust, und die Herrschaft verachten, frech, eigensinnig, nicht erzittern, die Majestäten zu lästern; 11 so doch die Engel, die größere Stärke und Macht haben, kein lästerlich Urteil wider sie fällen vor dem Herrn.

V. 9. Der Herr weiß usw. Es ist ein Hauptärgernis für die Schwachen, sehen zu müssen, wie die Gläubigen voller Angst seufzen, aber nicht sogleich göttliche Hilfe erfahren dürfen; oder gar, wie der Herr bisweilen zulässt, dass sie sich in anhaltender Lauheit und Sattheit gleichsam verzehren; oder vollends, wie sich die Bösen ungestraft übermütig gebärden, während Gott schweigt und tut, als wolle er bei ihren Vergehungen ein Auge zudrücken. Auf dieses doppelte Ärgernis geht Petrus hier ein. Er bezeugt nämlich, Gott wisse wohl, wann er die Gottseligen aus der Versuchung erlösen solle. Wir dürfen es ihm also getrost überlassen. Darum müssen wir in Versuchungszeiten geduldig ausharren und nicht abfallen, wenn er einmal gegen die Ungerechten nicht sofort einschreitet. Dieser Trost tut uns sehr not. Denn oft steigt die Frage in unserem Herzen auf: Wenn der Herr die Seinen unversehrt bewahren will, warum führt er sie nicht alle miteinander an irgendeinen abgelegenen Winkel auf der Erde, damit sie sich dort gegenseitig zur Heiligung ermuntern? Warum pflanzt er sie unter die Bösen, von denen sie nur beschmutzt werden? Wenn aber Gott es sich vorbehält, den Seinen zu helfen und sie zu schützen, auf dass sie nicht im Kampfe unterliegen, so heißt es für uns: auf zu frischem Kampf! Die erste Vershälfte will also sagen: alle Gottseligen müssen sich nach dem Willen des Herrn in mannigfachen Versuchungen erproben. Über den Ausgang aber dürfen sie guter Hoffnung sein; denn sie werden der Hilfe des Herrn niemals ermangeln.

Die Ungerechten aber usw. In dieser Vershälfte zeigt der Apostel, wie Gott sein Gericht handhabt: Er erträgt die Bösen eine Zeitlang, lässt sie aber doch nicht ungestraft hingehen. Gott hat nicht so große Eile, wie wir Menschen, zumal dann, wenn wir von entsetzlichen Schandtaten schwer verwundet sind. Da möchten wir ja nur zu gern, dass Gott alsbald mit seinen Blitzstrahlen hernieder führe. Und wenn er es nicht tut, so verzweifeln wir daran, dass er der Richter der Welt sei.

Damit uns also diese zeitliche Straflosigkeit der Schandtaten nicht in Verwirrung bringe, erinnert Petrus daran, dass Gott ja einen Tag des Gerichts festgesetzt habe. Die Verworfenen werden keineswegs der Bestrafung entgehen, wenn diese auch nicht sogleich zur Vollstreckung gelangt.

Das Wort behalten sagt eigentlich noch mehr, als es auf den ersten Blick scheint: sie sind nicht der Hand Gottes entronnen, sondern, mit geheimen Banden umstrickt, werden sie festgehalten, um einst vor den Richterstuhl geschleppt zu werden. Für uns gilt es, dem jüngsten Gericht entgegen zu harren und in dieser Erwartung in Hoffnung und Geduld bis an unseren Tod zu streiten.

V. 10. Allermeist aber die usw. Für sie steht ein schrecklicher Tag der Rache bevor. Denn wenn Gott alle mit Strafen heimsuchen wird, wie sollten die entkommen, welche sich wie wilde Tiere auf alle möglichen Gräueltaten stürzen?

Nach dem Fleisch wandeln heißt, sich den Fleischesgelüsten hingeben. Wie die stummen Tiere sich nicht von vernünftigen Erwägungen leiten lassen, so folgen diese Leute den Reizungen ihres Fleisches widerstandslos.

Unter unreiner Lust versteht der Apostel gemeine, zügellose Ausschweifungen, wo die Menschen alle Ehrbarkeit abstreifen, jedes Schamgefühl ablegen und sich der Unreinheit preisgeben. Das erste Zeugnis, das er ihnen ausstellt, ist: es sind unreine, der Leichtfertigkeit ergebene Leute. Noch andere Zeugnisse reihen sich an: sie verachten die Herrschaft und erzittern nicht, die Leute, welche Gott hoher Ehren würdigt, mit Schimpf und Lästerung zu überschütten. Beides bezieht sich auf dasselbe. Denn nachdem er gesagt hat: „die Herrschaft verachten sie“, gibt der Apostel alsbald die Quelle dieser Bosheit an: „sie sind frech und eigensinnig“. Und zuletzt, um ihre Hoffart in grellste Beleuchtung zu stellen, fügt er hinzu, sie scheuten sich nicht, das Ansehen der „Majestäten“ in den Kot zu treten. Es ist ja eine ganz ungeheuerliche Dreistigkeit, eine Obrigkeit für nichts zu achten, in welcher doch eine von Gott gegebene Ordnung zur Erscheinung kommt. Ohne Zweifel versteht Petrus unter „Majestäten“ Regierungen und Behörden. Obwohl es ja keine rechtliche Lebensordnung gibt, die nicht lobenswert wäre, so wissen wir doch, dass das Amt der Obrigkeit sich vor allen andern auszeichnet. Denn sie leitet die Menschen an Gottes Statt. Wahrhaft erhaben ist also dieses Amt, hinter dem Gott selbst steht.

Fassen wir zusammen, was der Apostel in der zweiten Vershälfte sagen will; die Leute, von denen er spricht, sind Heißsporne gewesen, die nach Aufruhr und Empörung dürsteten. Niemand kann die Welt mit Gesetzlosigkeit beglücken, ohne eine Herrschaft der Unordnung aufzurichten. Diese Leute aber bewarfen die Obrigkeit in frechster Weise mit Schmutz, um dem öffentlichen Recht alle Achtung zu entziehen. Im letzten Grund war dies eine offene Verlästerung Gottes. Auch heutzutage gibt es solche zur Aufruhr geneigte Menschen, die behaupten, es gebe keine geheiligte und gerechte Gewalt, die sich eifrigst bemühen, jegliche Staatsordnung über den Haufen zu werfen. Solche Schreckgestalten zaubert der Teufel auf den Plan, um den Lauf des Evangeliums zu verstören. Doch der Herr handelt gar freundlich mit uns: er mahnt uns, uns vor diesem tödlichen Gift in Acht zu nehmen, und stärkt uns durch den Hinweis auf jenes alte Beispiel, dies Ärgernis zu überwinden. So sind auch die Papisten höchst unverschämt, wenn sie uns beschuldigen, durch unsere Lehre den Menschen die Waffen des Aufruhrs in die Hand zu geben. Wie wenn man dasselbe nicht auch einst hätte den Aposteln vorwerfen können, die doch gewiss in dieser Hinsicht sich keinerlei Schuld aufluden!

V. 11. So doch die Engel usw. Die unbedachte Dreistigkeit solcher Leute zeigt sich darin, dass sie sich mehr herauszunehmen wagen als selbst die Engel. Es ist freilich merkwürdig, warum Petrus es in Abrede stellt, dass die Engel kein lästerlich Urteil über die Obrigkeiten fällten. Wozu sollten sie denn eine heilige Ordnung befehden, von der sie wissen, dass Gott sie geschaffen hat? Wozu sollten sie sich wider Gewalten auflehnen, von denen ihnen nicht verborgen ist, dass sie demselben Auftrag dienen wie sie, die Engel? Diese Fragen haben etliche veranlasst, die Aussage unseres Verses auf böse Engel, also auf Teufel, zu deuten. Aber wie könnte der Teufel, der doch der Urheber aller Lästerungen wider Gott ist, menschliche Obrigkeiten so glimpflich behandeln? Diese Ansicht wird auch durch den Judasbrief widerlegt. Petrus hat von heiligen Engeln geredet. Bedenken wir nur jene Zeitverhältnisse. Fast alle Obrigkeiten waren damals gottlos und blutdürstige Feinde des Evangeliums. Darum mussten ihnen die Engel als Wächter der Gemeinden Feind sein. Und doch entziehen sie der gottgesetzten Macht die Ehrerbietung nicht. Wie unbedacht stoßen dagegen die Menschen leichtfertige, zügellose Lästerungen aus!

12 Aber sie sind wie die unvernünftigen Tiere, die von Natur dazu geboren sind, dass sie gefangen und geschlachtet werden, lästern, da sie nichts von wissen, und werden in ihrem verderblichen Wesen umkommen 13 und den Lohn der Ungerechtigkeit davon bringen. Sie achten für Wollust das zeitliche Wohlleben, sie sind Schandflecken und Laster, führen ein üppiges Leben in ihrem betrügerischen Treiben, während sie mit euch schmausen, 14 haben Augen voll Ehebruchs, lassen ihnen die Sünde nicht wehren, locken an sich die leichtfertigen Seelen, haben ein Herz, durchtrieben mit Habsucht, verfluchte Leute. 15 Sie haben verlassen den richtigen Weg, und gehen irre, und folgen nach dem Wege Bileams, des Sohns Beors, welchem geliebete der Lohn der Ungerechtigkeit, 16 hatte aber eine Strafe seiner Übertretung: das stumme, lastbare Tier redete mit Menschenstimme und wehrte des Propheten Torheit.

V. 12. Aber sie sind usw. Noch weiter ist von jenen gottlosen, verbrecherischen Verführern die Rede. Zuerst schätzt sie Petrus nach ihrer Leichtfertigkeit und schmutzigen Nichtsnutzigkeit ihres ganzen Lebens ein. Dann (V. 14) sagt er, sie seien so frech und dreist, dass sie sich durch ihre possenreißerhafte Geschwätzigkeit in vieler Gunst einschmeichelten.

Zunächst vergleicht er sie mit unvernünftigen Tieren, welche in die Welt gesetzt zu sein scheinen, um in Netze zu gehen und ihrem Untergang entgegen zu stürmen. Durch Reize verlockt, ganz aus eigenem Antrieb stürzen sie sich eilends in die Stricke des Satans und des Todes.

Wenn es weiterhin heißt: lästern, da sie nichts von wissen, so geht das auf ihren Hochmut. Die Meinung ist, darum werde von ihnen alle Majestät leichtfertig verlästert, weil sie ganz abgestumpft seien, so dass sie sich in nichts mehr vom Vieh unterscheiden.

V. 13. Sie achten für Wollust usw. Sie suchen also ihre Glückseligkeit in zeitlichem Wohlleben. Wir wissen, dass die Menschen sich vor den unvernünftigen Tieren durch einen weiteren Gesichtskreis auszeichnen. Also ist es eines Menschen unwürdig, in der zeitlichen Sinnlichkeit aufzugehen. Darin liegt zugleich die Mahnung, den Sinn loszulösen von dem Wohlleben des Fleisches, wenn anders wir nicht wie das Vieh gewertet werden wollen.

Das Folgende hat den Sinn: Diese da besudeln euch und eure Gemeinschaft mit ihren hässlichen Lastern. Denn wenn sie mit euch schmausen oder Tischgemeinschaft halten, so führen sie zugleich ein üppiges Leben in ihrem betrügerischen Treiben und bringen ihre buhlerische Liebe und verderbte Unenthaltsamkeit mit Augen und Mienen zum Ausdruck. Als (V. 14) „Augen voll Ehebruchs“ werden lüsterne Augen bezeichnet, die in unruhiger Bewegung gierig nach der Sünde haschen.

Locken an sich die Seelen. Die Gläubigen sollen sich hüten vor den heimlichen, trügerischen Nachstellungen der falschen Lehrer. Ihre Betrügereien werden verglichen mit Angeln, welche Unvorsichtige ins Verderben reißen können. Dass sie nur „leichtfertige“ Seelen verführen können, zeigt den Weg zur Bewahrung: wurzelt in festem Glauben und in der Furcht des Herrn! Zugleich weist der Apostel aber auch darauf hin, dass keine Entschuldigung verdient, wer sich durch solche Schmeichelkünste angeln lässt. Das zeige nur die eigene Leichtfertigkeit. Hat also der Glaube einen festen Boden, so werden wir sicher sein vor den Fangversuchen der Gottlosen.

Ein Herz, durchtrieben mit Habsucht. Verurteilte der Apostel kurz zuvor das ungezügelte Wesen, das sich im Blick kundtut, so scheint er hier die im Herzen verborgenen Begierden zu treffen. „Geiz“ ist also viel zu eng: es handelt sich um alles umfassende „Habsucht“.

Verfluchte Leute, buchstäblich: „Kinder des Fluchs“. So können Leute bezeichnet werden, die, wohin sie ihren Fuß setzen, den Fluch mit sich umhertragen, oder solche, die des Fluches wert sind. Da bisher davon gesprochen wurde, wie viel Schaden das Beispiel eines verkehrten, schändlichen Lebenswandels verursacht, so wird wiederholt, dass jene Menschen in ihrer Lehre das tödliche Gift der Gottlosigkeit verstreuen, wodurch sie die Einfältigen umbringen. Der Apostel vergleicht sie mit Bileam, dem Sohne Beors, der sich erkaufen ließ, dem Volke Gottes zu fluchen. Und um zu zeigen, wie jene keine lange Zurückweisung verdienten, sagt er: Bileam sei von einer Eselin zurechtgewiesen, und so sei er seiner Torheit überführt worden. Ebenso werden die Gläubigen von der Gemeinschaft mit solchen Leuten abgeschreckt. Es war ein schreckliches Gericht, das Gott vollzog, dass der Engel sich der Eselin früher offenbarte als dem Propheten, und dass die Eselin, in dem Gefühl, Gott sei ihnen zuwider, nicht wagte, vorwärts zu gehen, sondern vielmehr zurückwich, während der Prophet, von seiner blinden Habgier getrieben, gegen die deutliche Hinderung von Seiten Gottes sich vordrängte. Denn die Antwort, die ihm zuteil ward, er möge weitergehen (4. Mos. 22, 20-35), war vielmehr ein Zeichen göttlicher Ungnade als eine Erlaubnis. Der geöffnete Mund der Eselin gereichte jenem Bileam zu höchster Entehrung: dem Mann, der sich dem Befehl Gottes nicht unterwerfen wollte, wurde eine Eselin zur Lehrerin gegeben. Durch dieses Wunder wollte der Herr zeigen, wie ungeheuerlich es ist, Wahrheit in Lüge zu verkehren.

Man mag fragen, mit welchem Recht (V. 16) Bileam ein Prophet heiße, da er doch bekanntlich in mannigfachem Aberglauben befangen war? Ich antworte: die Fähigkeit, zu weissagen, ist eine derartig besondere Gabe, dass, wer sonst auch nicht dem wahren Gott dient oder die reine Religion besitzt, doch damit ausgestattet sein kann. Manchmal wollte Gott mitten in der Götzendienerei eine Weissagung erstehen lassen, damit die Menschen desto weniger Entschuldigungsgründe hätten.

Zieht man also in Betracht, was Petrus gesagt hat, so findet man, dass seine Ermahnungen ebenso gut für unsere Zeiten gelten. Denn überall missbrauchen die Menschen possenhafte Witzeleien dazu, Gott und Christus zu verspotten; ja sie verhöhnen mit faden Witzen alle Frömmigkeit. Und wenn sie sich auch wie das Vieh zu ihresgleichen tun, so mischen sie sich doch auch unter die Gläubigen. Sie schwatzen etwas von Evangelium, aber unterdes gehorcht ihre Zunge dem Teufel, um die ganze Welt dem ewigen Verderben zu weihen. Sie sind sogar schlimmer als Bileam, weil sie ohne Lohn die Welt mit ihren Flüchen überschütten, während jener, nur durch den verheißenen Lohn verlockt, zum Fluchen sich bereit finden ließ.

17 Das sind Brunnen oder Wasser, und Wolken, vom Windwirbel umgetrieben, welchen behalten ist eine dunkle Finsternis in Ewigkeit. 18 Denn sie reden stolze Worte, da nichts hinter ist, und reizen durch Unzucht zur fleischlichen Lust diejenigen, die recht entronnen waren denen, die im Irrtum wandeln, 19 und verheißen ihnen Freiheit, so sie selbst Knechte des Verderbens sind. Denn von welchem jemand überwunden ist, des Knecht ist er geworden.

V. 17. Brunnen ohne Wasser usw. Mit diesen Bildern lehrt uns der Apostel, dass jene Leute nichts in sich haben, wenn sie auch große Pracht zur Schau tragen. Ein Brunnen lädt schon durch seinen Anblick die Menschen zu sich ein, weil er sein Wasser zum Trinken und zu anderen Lebensbedürfnissen verheißt. Und sobald Wolken am Himmel aufziehen, erregen sie Hoffnung auf kommenden Regen, der das Land befeuchte. Petrus vergleicht jene Leute also mit Brunnen ohne Wasser, weil sie sich mit Hoffart brüsten, geistreiche Gedanken äußern und bei ihren Reden sich mit Wohlgefälligkeit zieren, innerlich aber dürr und unfruchtbar sind. Sie sind Wolken, die vom Windwirbel umgetrieben werden, ohne dass sie Regen brächten. Ja, sie arten eher noch in einen gefährlichen Wolkenbruch aus. So besagt das Bild: sie bringen keinen Nutzen; oft richten sie sogar das größte Unheil an. Hernach kündigt ihnen Petrus wiederum ein schreckliches Gottesgericht an, um die Gläubigen durch die Furcht davor zu warnen. Mit der dunkeln Finsternis spielt er auf die Nebelwolken an, die Dunkelheit erzeugen. Statt der vorübergehenden Finsternis, die sie jetzt in den Gemeinden hervorrufen, ist für sie eine weit dichtere, ewige bereitet.

V. 18. Denn sie reden stolze Worte. Mit ihrem Redeschwall betäuben sie die Ohren der Einfältigen, so dass diese ihren Trug nicht merken können. Denn es wäre nicht leicht, die Gemüter mit solchem Unsinn gefangen zu nehmen, wenn sie nicht zuvor durch irgendeinen Kunstgriff gelähmt wären. Sie haben, so sagt Petrus, eine schwülstige, aber klangvolle Redeweise, durch welche sie die Unvorsichtigen zur Bewunderung hinreißen. Ferner ist jene Großartigkeit die Rede, die mit überreicher Lungenkraft hervorsprudelt, sehr geeignet, die Winkelzüge zu verdecken. So förderten sie in den ersten Zeiten der Christenheit gleichsam Tonstücke zutage, von denen man zuvor keine Ahnung gehabt, durch deren bloßen Klang die Unerfahrenen betört und verstrickt wurden. Nicht anders ist es heutzutage. Da treten rasende Menschen mit dem Ehrentitel „Freidenker“ auf (Lateinisch: Libertini.). Mit vollen Backen posaunen sie in die Welt hinaus, wie viel Geist und Geistliches in ihnen wohne, als ob sie über den Wolken ihre Stimme erschallen ließen. Sie bezaubern viele durch ihr Blendwerk, so dass man fast sagen möchte, der Apostel habe eigentlich von diesen Leuten geredet. Mit Witzen und Nachäfferei begrüßen sie alles. Und obgleich ihr Tun meist sehr fade ist, so finden sie doch mit ihren Gaukeleien Anklang, weil sie allen Lastern freien Lauf lassen. Nichts anderes soll erreicht werden als eine Gesellschaft von Menschen, die sich an kein Gesetz mehr binden, sondern nur ihren eigenen Trieben gehorchen. Darum kann dieser Brief auch in unserer Zeit manchem einen Halt gewähren.

Und reizen durch Unzucht usw. Gar feinsinnig vergleicht Petrus die Lockungen der Gottlosen, die alles als erlaubt hinstellen, mit Angeln. Denn die Begierden der Menschen sind blind, und sobald ihnen eine Freiheit angeboten wird, stürzen sie heißhungrig darauf los und eignen sich dieselbe eifrigst an. Aber bald hernach fühlen sie den Angelhaken, der innerlich würgt und quält.

Übrigens ist es wohl der Mühe wert, die einzelnen Worte zu erwägen. Der Apostel sagt, dass Menschen, die tatsächlich schon der Gemeinschaft der Irrlehrer entronnen waren, durch eine neue Art von Irrtum sich wieder verführen lassen, - indem man ihnen nämlich die Zügel zu jeglicher Unmäßigkeit freigibt. Da erhebt Paulus warnend seinen Finger: seht, wie Gefahr drohend die Nachstellungen jener Menschen sind! Schon das war ein erschreckendes Beispiel, dass Blindheit und dicke Finsternis fast die ganze Menschheit bedeckte. Doppelt entsetzlich war es also gewissermaßen, dass die Menschen, nachdem sie einmal von dem gemeinsamen Irrtum der Welt losgelöst und durch Gott erleuchtet waren, doch in tierischen Stumpfsinn zurückfielen. Das mahnt uns zur größten Wachsamkeit, wenn wir einmal erleuchtet sind, damit uns nicht der Teufel unter dem Vorwand der Freiheit verführe, dass wir nach der Lust des Fleisches uns der Zügellosigkeit ergeben. Vor dieser Gefahr sind wir nur sicher, wenn wir mit Ernst auf unsere Heiligung bedacht sind.

V. 19. Und verheißen ihnen Freiheit usw. Der Gegensatz zeigt, dass jene Leute fälschlich Freiheit verheißen, da sie ja selbst in schmählichster Weise sich als Knecht der Sünde übergeben haben. Niemand kann geben, was er nicht hat. Doch scheint dieser Grund nicht durchschlagend. Denn zuweilen verkündigen nichtswürdige Menschen mit Nutzen die Wohltaten Christi, obwohl sie selbst Christus völlig fremd sind. Aber man muss beachten, dass in unserem Zusammenhang die verkehrte Lehre verworfen wird, die mit einem unreinen Leben verknüpft war. Der Apostel will den trügerischen Lockungen begegnen, durch welche törichte Leute sich verführen lassen. Freiheit ist ein gar süßer Laut. Ihn ließen jene Leute missbräuchlich erklingen, um ihre Zuhörer von der Furcht vor dem göttlichen Gesetz zu lösen, so dass sie sich nun in zügellos ungebundenes Wesen stürzen konnten. Die Freiheit, die Christus uns erworben hat und die er uns Tag für Tag durch sein Evangelium anbietet, ist dagegen eine ganz andere: sie entzieht uns dem Joch des Gesetzes, sofern es uns mit seinem Fluche trifft, und befreit uns von der Gewaltherrschaft der Sünde, sofern sie uns durch ihre Begierden bindet. So darum die Lüste herrschen, wo das Fleisch sein Zepter führt, da ist für Christi Freiheit kein Raum! Der Apostel verkündigt also allen Gottseligen, sie sollten keine andere Freiheit suchen als die, welche sie aus der Haft der Sünde entlässt und zu dem freien Gehorsam der Gerechtigkeit führt. Folglich sind die Leute, welche das Wort Freiheit falscher weise auf ihre Fahnen schrieben, allezeit unrein gewesen, und wir haben in ihrem Tun nichts anderes zu sehen als eine List des Teufels.

Denn von welchem jemand überwunden ist usw. Dieser Satz ist dem Kriegsrecht entnommen. Auch sonst kann man es oft selbst bei heidnischen Schriftstellern lesen: nirgends finde man härtere, erbärmlichere Knechtschaft als da, wo die Lüste herrschen. Was vollends müssen wir tun, wir, denen der Sohn Gottes seinen Geist gegeben hat, dass wir nicht nur von der Herrschaft der Sünde erlöst, sondern auch Sieger würden im Kampf mit Fleisch und Welt!

20 Denn so sie entflohen sind dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in denselbigen verflochten und überwunden, ist mit ihnen das Letzte ärger geworden denn das Erste. 21 Denn es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn dass sie ihn erkennen, und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist. 22 Es ist ihnen widerfahren das wahre Sprichwort: „Der Hund frisset wieder, was er gespieen hat“; und: „Die Sau wälzet sich nach der Schwemme wieder im Kot.“

V. 20. Denn so sie usw. Wiederum zeigt der Apostel, wie gefährlich die Leute sind, welche gottgeweihte Seelen zur früheren Unreinigkeit und ins Verderben der Welt zurückschleppen. Durch eine Vergleichung stellt er die Größe dieser Bosheit noch mehr ins Licht: der Abfall von der heiligen Gottesordnung sei kein gewöhnliches Vergehen. Es wäre besser, sagt er, sie hätten den Weg der Gerechtigkeit überhaupt nicht erkannt. Wenn auch Unkenntnis durchaus keinen Entschuldigungsgrund in sich birgt, so ist doch ein Knecht, der bewusst und mit Willen die Gebote seines Herrn verachtet, doppelter Strafe wert. Dazu kommt die Undankbarkeit, in der sie ohne äußeren Anlass das göttliche Licht auslöschen, die ihnen dargebotene Gnade zurückweisen, das Joch abschütteln und trotzig Gott verhöhnen. Ja sie entweihen den an sich unverletzlichen Bund Gottes, der durch das Blut Christi geheiligt ist, und machen ihn zunichte. Umso mehr müssen wir bestrebt sein, im Lauf unserer Berufung mit heiliger Scheu und mit vollem Ernste fortzufahren.

Es ist wohl der Mühe wert, auch die einzelnen Worte näher ins Auge zu fassen. Wenn Petrus vom Unflat der Welt spricht, so sagt er damit, wir wälzen uns solange im Schmutz und besudelten uns ganz und gar, bis wir der Welt absagen.

Unter Erkenntnis Christi versteht er zweifellos das Evangelium. Sie ist dazu bestimmt, uns aus dem Unflat der Welt herauszureißen und ganz davon zu befreien.

In demselben Sinne sagt er bald nachher: Weg der Gerechtigkeit. Also erst derjenige hat vom Evangelium rechten Nutzen, wer Christus recht verstehen gelernt hat. Der aber hält ihn wahrhaft umschlungen, der durch ihn den alten Menschen abzulegen und den neuen anzuziehen versteht, wozu auch Paulus im Epheserbriefe mahnt (4, 22).

Wenn es heißt: dass sie sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist, zu ihrer Verunreinigung, so deutet dies an, wie unentschuldbar sie seien. Dann liegt darin aber auch die Erinnerung, dass die Lehre, ein frommes, rechtbeschaffenes Leben zu führen, zwar allen gelte und ohne Unterschied zu allen gelange, aber dennoch insbesondere denen anvertraut sei, welche Gott des Lichtes seines Evangeliums gewürdigt hat. Weiterhin besagt es: Wer sich dem Unflat der Welt von neuem ergibt, der fällt vom Evangelium ab. Die Gläubigen sündigen freilich auch. Aber sie fallen nicht aus der Gnade Gottes, weil sie der Sündenherrschaft keinen Raum lassen. Auch fallen sie nicht ab, wenn sie einmal die heilsame Lehre erkannt und erfasst haben. Denn wenn sie ernstlich wider das Fleisch und seine Begierden kämpfen, halten sie sich nicht für überwunden.

V. 22. Es ist ihnen widerfahren usw. Viele geraten dadurch in Verwirrung, dass sie sehen, wie solche, die sich Christus im Gehorsam ergeben hatten, ohne Scheu und Scham zu einem schändlichen Lebenswandel umkehren. Um diesem Ärgernis vorzubeugen, sagt der Apostel: das sei die Folge ihrer Laster; sie seien eben Schweine und Hunde, folglich könne man dem Evangelium nicht die geringste Schuld beimessen. Zu dem Zweck führt er zwei alte Sprichwörter an, von welchen das eine schon in den Sprüchen Salomos steht (26, 11). Was Petrus sagen will ist: das Evangelium ist eine Arznei, die heilsames Erbrechen erzeugt und dadurch Genesung bewirkt. Aber viele sind Hunde, die zu ihrem Verderben wieder verschlingen, was sie ausgespieen haben. Und ferner: das Evangelium ist ein Bad, das all unsere Unreinigkeit abwäscht. Aber viele sind Schweine, die alsbald nach dem Bade sich im Kote wälzen. Indessen sollen sich die Gottseligen vor beiden hüten, wenn sie nicht auch den Hunden und Schweinen beigezählt werden wollen! 

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