Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Johannes - Kapitel 3.

Calvin, Jean - Der erste Brief des Apostels Johannes - Kapitel 3.

V. 1. Sehet usw. Ein zweiter Grund dafür, dass wir nach einem heiligen und reinen Leben streben müssen, hergenommen von der Erhabenheit und Vortrefflichkeit unserer Berufung. Der himmlische Vater hat uns keiner gewöhnlichen Ehre gewürdigt, als er uns zu Kindern annahm. Diese so große Gnade muss das Streben nach Reinheit in uns anzünden, dass wir ihm ähnlich seien. Und es ist unmöglich, dass der sich nicht reinigt, der sich als eins der Kinder Gottes erkennt. Damit die Mahnung mehr Gewicht habe, stellt der Apostel die Gnade Gottes in ihrer ganzen Größe hin. Denn dass der Vater uns Liebe erzeigt hat, deutet an, dass es reine, freie Gunst ist, wenn Gott uns als Kinder ansieht. Woher anders soll uns so große Würde kommen als aus der Liebe Gottes? Johannes preist die Liebe als eine freie. Kurz, er deutet an, je reicher Gottes Güte über uns ausgegossen ist, umso mehr seien wir ihm verpflichtet, wie auch Paulus die Römer (12, 2) bei der Barmherzigkeit Gottes beschwört, dass sie sich ihm als reine Opfer darstellen sollten. Wir werden auch belehrt, dass die Annahme an Kindesstatt aller Frommen, wie gesagt, eine freie ist und nicht von irgendwelcher Rücksicht auf Werke abhängt. Denn wenn die Sophisten sagen, dass die angenommen werden, die Gott als würdig vorausgesehen hat, so wird dies offenbar durch diese Worte widerlegt. Auf diese Weise wäre es kein freies Gnadengeschenk. Dies Kapitel der Lehre festzuhalten, ist besonderer Mühe wert. Denn da die Annahme an Kindesstatt die einzige Ursache unseres Heils ist und der Apostel bezeugt, sie fließe einzig und allein aus der Liebe Gottes, so bleibt hier nichts übrig für unsere Würdigkeit oder für Verdienst der Werke. Warum sind wir Kinder? Weil Gott anfing, uns umsonst zu lieben, da wir viel eher des Hasses als der Liebe wert sind. Da aber der Geist das Pfand unserer Kindschaft ist, so folgt daraus, dass wir das Gute, das etwa in uns ist, nicht der Gnade Gottes gegenüberstellen dürfen, sondern es im Gegenteil auf ihre Rechnung setzen müssen. Dass wir Gottes Kinder heißen sollen, ist übrigens kein leerer Titel. Denn Gott ist es, der uns mit seinem Munde zu Kindern erklärt.

Darum kennt euch die Welt nicht. Diese Versuchung greift den Glauben hart an, nämlich dass wir so wenig für Kinder Gottes gehalten werden und dass man so gar kein Kennzeichen einer solchen Herrlichkeit an uns erblickt, dass wir vielmehr fast der ganzen Welt zum Gespött dienen. Also aus dem gegenwärtigen Zustand kann kaum geschlossen werden, dass Gott unser Vater ist; auch setzt der Teufel alles in Bewegung, um diese Wohltat zu verdunkeln. Diesem Ärgernis hilft Johannes ab, indem er sagt: wir werden heute noch nicht als die anerkannt, die wir sind, weil die Welt Gott nicht erkennt; so ist es nicht wunderbar, wenn sie seine Kinder verachtet. Ein Beispiel dafür sind Isaak und Jakob. Beide waren von Gott erwählt; aber den einen verfolgte Ismael mit seinem Lachen und seinen Spöttereien und den andern Esau mit seinen Drohungen und mit dem Schwert. Mögen wir also in der Welt wie völlig unterdrückt erscheinen, so steht nichtsdestoweniger unser Heil fest und unversehrt.

V. 2. Wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen usw. Obwohl die Gottlosen uns nicht verführen können, die Hoffnung wegzuwerfen, so ist unsere gegenwärtige Lage dennoch weit entfernt von der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Was unsern Leib angeht, so sind wir Staub und Asche; der Tod schwebt uns immer vor Augen; unter tausend Sorgen sind wir verhaftet; die Seele ist unzähligen Übeln unterworfen; so finden wir in uns immer die Hölle. Umso mehr ist es nötig, alle unsere Sinne von dem Anblick der gegenwärtigen Lage abzuziehen, damit nicht das Elend, von dem wir von allen Seiten umgeben, ja fast verschüttet sind, die Zuversicht auf das Glück, das jetzt noch verborgen ist, in uns erschüttere. Das ist nämlich die Absicht des Apostels, uns zu sagen: Ihr handelt verkehrt, wenn ihr nach der gegenwärtigen Lage beurteilt, was Gott euch geschenkt hat, vielmehr müsst ihr mit ungezweifeltem Glauben festhalten, was noch nicht erschienen ist.

Wir wissen aber, wenn er erscheinen wird usw. Das Wort „erscheinen“ wird hier in anderem Sinne als vorher gebraucht. Vorhin hat der Apostel gesagt, es sei noch nicht erschienen, was wir sein werden, weil die Frucht unserer Annahme an Kindesstatt verborgen ist. Unser Glück ist ja im Himmel, wir aber pilgern fern davon auf der Erde; dies Leben ist hinfällig und stets tausendfach dem Tod unterworfen. Es ist also weit entfernt von der ewigen Herrlichkeit, die den Kindern Gottes ziemt, weil wir in das Zuchthaus des Fleisches wie Sklaven eingeschlossen und so weit entfernt sind von der freien Herrschaft über Himmel und Erde. Jetzt aber bezieht sich das Wort „erscheinen“ auf Christus in demselben Sinne, wie auch Paulus sagt (Kol. 3, 3): „Euer Leben ist mit Christus verborgen; wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet auch hier mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit.“ Unser Glaube kann nicht anders feststehen, als wenn er auf Christi Wiederkunft schaut. Denn das ist die Ursache, weshalb Gott die Offenbarung unserer Herrlichkeit verschiebt, dass Christus noch nicht offenbar geworden ist mit der Macht seines Reiches. Und das, sage ich, ist die einzige Weise, den Glauben festzuhalten, dass wir geduldig das uns verheißene Leben erwarten. Sobald jemand nur ein wenig von Christus abweicht, bricht er notwendigerweise zusammen. Das Wort „wissen“ bezeichnet die Gewissheit des Glaubens und unterscheidet ihn von einem bloßen Meinen. Es beschreibt aber nicht ein bloßes und allgemein zugängliches Wissen, sondern ein solches, das jeder auf sich persönlich beziehen muss, wenn anders es ihm feststehen soll, er werde einst Christus ähnlich sein. Wenn daher auch die Auswirkung unserer Herrlichkeit bis zu Christi Ankunft aufgeschoben wird, so ist doch die Erkenntnis derselben aufs Beste begründet.

Dass wir ihm ähnlich sein werden. Der Apostel sagt nicht: wir werden ihm gleich sein. Es muss einen Unterschied zwischen Haupt und Gliedern geben. Aber wir werden ihm ähnlich sein, weil er unsern nichtigen Leib seinem herrlichen Leibe ähnlich machen wird, wie auch Paulus lehrt (Phil. 3, 21). Der Apostel will kurz zeigen, das letzte Ziel unserer Annahme an Kindesstatt sei, dass dasjenige, was der Zeitfolge nach an Christus vorherging, endlich auch an uns erfüllt werde. Indessen scheint der Grund, den er angibt, schwach zu sein. Denn wenn der Anblick Christi uns Christus ähnlich macht, so werden die Gottlosen dieselbe Herrlichkeit haben, wie wir, da auch sie ihn sehen werden. Ich sage dagegen, dass unser Sehen ein vertrautes Sehen ist, wie die Gottlosen es nicht ertragen können, ohne zu erschrecken. Abgesehen davon, dass sie den Anblick Gottes fliehen und davor schaudern, so wird auch seine Herrlichkeit ihre Augen blenden, so dass sie verwirrt und betroffen dastehen müssen. Wir sehen ja, wie Adam seines schlechten Gewissens wegen vor Gottes Gegenwart sich scheut. Und das verkündigt Gott ganz allgemein über die Menschen (2. Mose 33, 20): Niemand wird mich sehen und leben bleiben. Deshalb muss Gottes Majestät wie ein verzehrendes Feuer uns notwendigerweise wie Stroh verbrennen. Das ist die Hinfälligkeit unseres Fleisches. Sofern aber Gottes Bild in uns erneuert wird, haben wir Augen, geschickt, Gott zu schauen. Und jetzt fängt Gott an, sein Bild in uns wiederherzustellen. Aber in welch geringem Maße? Also können wir Gott nicht von Angesicht zu Angesicht schauen, wenn uns nicht alle Verderbtheit unseres Fleisches ausgezogen ist. Das drückt auch der Satz aus: Wir werden ihn sehen, wie er ist. Damit wird uns für die Gegenwart nicht jedes Schauen Gottes abgesprochen. Aber es ist, wie Paulus sagt (1. Kor. 13, 12): Wir sehen jetzt nur in einem Spiegel, in einem Rätselwort. Das Schauen von Angesicht zu Angesicht ist ein anderes. Alles in allem: Gott bietet sich jetzt uns zum Schauen, nicht wie er ist, sondern wie unser Vermögen ihn fassen kann. So wird erfüllt, was wir bei Mose (2. Mose 33, 23) lesen, dass wir dem Herrn hintennach sehen, weil der Glanz in seinem Angesicht uns zu stark ist. Übrigens gibt das „denn“ nicht den Grund, sondern die Wirkung an: Wir werden ihm ähnlich sein, wir werden ihn nämlich sehen, wie er ist. Die Meinung ist nicht, dass wir ihm ähnlich sein werden, weil wir seinen Anblick genießen sollen. Dass wir an der göttlichen Herrlichkeit teil gewinnen sollen, wird vielmehr dadurch gewährt, dass unsere Natur niemals so nahe zu Gott kommen könnte, wenn sie nicht geistlich und mit himmlischer und seliger Unsterblichkeit ausgestattet wäre. Doch wird unsere Herrlichkeit nicht so vollkommen sein, dass unser Blick den Herrn ganz zu umfassen vermöchte. Auch dereinst wird noch ein weiter Abstand zwischen uns und ihm bleiben. Wenn aber der Apostel sagt, wir würden ihn sehen, wie er ist, so bezeichnet er damit eine neue und unaussprechliche Art des Sehens, deren wir jetzt nicht teilhaft sind. Denn solange wir im Glauben wandeln, lehrt Paulus, wallen wir fern von ihm (2. Kor. 5, 6). Und so oft er sich den Vätern zum Schauen darbot, ist er nicht in seiner Wesenheit, sondern immer unter Symbolen gesehen worden. Also wird Gottes Majestät, die jetzt verborgen ist, erst dann an sich geschaut werden, wenn der Schleier dieser sterblichen und verderbten Natur aufgehoben ist. Andere spitzfindige Erörterungen erspare ich mir. Man muss sich hüten, dass man nicht, während man untersucht, wie Gott geschaut werden kann, den Frieden und die Heiligung verliert, ohne welche niemand ihn sehen wird.

V. 3. Ein jeglicher, der solche Hoffnung hat usw. Nun schließt der Apostel, dass das Streben nach Heiligkeit nicht etwa darum in uns erkalten dürfe, weil unser Glück noch nicht erschienen ist; denn die Hoffnung genügt. Wir wissen, dass man auf das hofft, was verborgen ist. Der Sinn ist also, wenn wir auch Christus noch nicht vor den Augen gegenwärtig haben, so ist es doch unumgänglich, dass, wenn wir auf ihn hoffen, jene Hoffnung uns erweckt und antreibt, nach der Reinheit zu trachten. Denn die Hoffnung weist uns auf Christus, und Christus ist wie wir wissen, das vollkommene Vorbild der Reinheit.

V. 4. Wer Sünde tut usw. Schon weiter oben hat der Apostel gezeigt, wie undankbar wir gegen Gott sind, wenn wir die Ehre der Kindschaft gering schätzen, mit der er uns aus freien Stücken zuvorkam, und ihm nicht mit gleicher Liebe vergelten. Zugleich hat er jene Ermahnung eingeschoben, unser Gefühl dürfe nicht erkalten, weil die verheißene Seligkeit noch aufgeschoben wird. Nun aber, da die Menschen das Böse bei sich mehr als recht ist, milde zu beurteilen pflegen, so setzt er diese falsche Nachsicht zurecht und sagt: die sind ungerecht und Übertreter des Gesetzes, die sündigen. Es ist glaubhaft, dass es damals solche gegeben hat, die durch derartige Entschuldigungen ihre Sünden verkleinerten: es ist nicht wunderbar, wenn wir sündigen, weil wir Menschen sind, aber es ist ein großer Unterschied zwischen Sünde und Unrecht. Diese frivole Entschuldigung nimmt ihnen der Apostel, indem er sagt: Sünde ist Übertretung des göttlichen Gesetzes. Seine Absicht ist, Hass und Abscheu gegen die Sünde einzuflößen. „Sünde“ scheint manchem etwas Geringfügiges zu sein; Unrecht aber oder Übertretung des Gesetzes kann nicht so leicht verziehen werden. Übrigens macht der Apostel die Sünden nicht gleich, wenn er alle der Ungerechtigkeit zeiht, die sündigen; vielmehr will er einfach lehren, dass die Sünde aus der Verachtung Gottes geboren wird, und dass man durch Sündigen die Gerechtigkeit des Gesetzes verletzt. Ferner bedeutet „sündigen“ hier nicht, dass man in irgendeinem Werke etwas versieht, noch wird der Ausdruck „Sünde“ für einzelne Vergehen gebraucht. Vielmehr ist von „Sünde“ in dem Sinne die Rede, dass die Menschen mit Eifer auf das Böse sich stürzen. Es schweben dem Apostel Leute vor, die sich der Sünde ganz und gar ergeben haben. Denn die Gläubigen, die noch an den Lüsten des Fleisches leiden, werden nicht als Ungerechte eingeschätzt, obwohl sie nicht rein und frei von Sünden sind; aber weil die Sünde in ihnen nicht herrscht, so sagt Johannes, dass sie nicht sündigen, wie ich gleich weiter ausführen werde. Alles in allem besagt unser Spruch, dass das verkehrte Leben von Leuten, die ihrer Sünde die Zügel schießen lassen, dem Herrn verhasst ist und von ihm nicht geduldet werden kann, da es seinem Gesetze zuwider ist. Daraus folgt nicht und kann nicht geschlossen werden, dass die Gläubigen ungerecht sind: denn sie begehren ja, Gott untertan zu sein, und haben Missfallen an sich in ihren Sünden und an ihren eigenen Vergehen, wollen auch ihr Leben, soviel sie können, zum Gehorsam gegen das Gesetz einrichten. Wo aber der entschiedene Will zum Sündigen ist und fortwährend gesündigt wird, da ist Übertretung des Gesetzes.

V. 5. Er ist erschienen, auf dass er unsere Sünden wegnähme. Der Apostel beweist nun durch einen andern Grund, wie sehr Sünde und Glaube miteinander im Zwiespalt stehen. Christi Werk ist ja, die Sünden wegzunehmen, und zu diesem Zweck ist er vom Vater gesandt. Durch den Glauben aber empfangen wir Christi Kraft. Also muss, wer an Christus glaubt, von Sünden gereinigt werden. Wenn übrigens anderswo (Joh. 1, 29) gesagt wird, Christus trage oder nehme die Sünden weg, weil er sie durch das Opfer seines Todes gesühnt hat, dass sie uns bei Gott nicht angerechnet werden, so meint Johannes hier, dass Christus in Wirklichkeit die Sünden wegnehme, da durch ihn unser alter Mensch gekreuzigt wird und sein Geist durch dir Reue unser Fleisch samt seinen verkehrten Lüsten tötet. Denn der Zusammenhang duldet nicht, dass man das „wegnehmen“ als Vergebung auslege. Denn es soll ja folgender Schluss gezogen werden: Leute, die nicht aufhören zu sündigen, machen Christi Wohltat unwirksam, da er ja dazu gekommen ist, dass er das Reich der Sünde zerstöre. Das aber bezieht sich auf die Heiligung durch den Geist.

Und ist keine Sünde in ihm. Diese Aussage gilt nicht bloß von Christus persönlich, sondern von seinem ganzen Leibe. Wohin Christus seine Kraft ergießt, da kann kein Raum mehr für die Sünde sein. So ergibt sich sofort der Schluss (V. 6): Wer in ihm bleibt, sündigt nicht. Denn wenn Christus durch den Glauben in uns wohnt, so vollendet er sein Werk, dass er uns von Sünden reinigt. Daraus erhellt, was „sündigen“ ist. Christus erneuert uns ja nicht durch seinen Geist an einem Tage oder in einem Augenblick, vielmehr setzt er die teilweise angefangene Erneuerung das ganze Leben hindurch fort. Die Gläubigen werden daher immer der Sünde schuldig sein, solange sie in der Welt leben; soweit aber Christi Herrschaft in ihnen lebt, ist die Sünde vernichtet. Inzwischen werden sie nach der Hauptsache beurteilt, d. h. es wird gesagt: sie sind gerecht und leben gerecht, weil sie mit lauterer Herzensneigung nach der Gerechtigkeit trachten. Es wird gesagt: sie sündigen nicht, - weil sie, obwohl sie wegen der Schwachheit des Fleisches straucheln, doch in die Sünde nicht einwilligen, vielmehr über sie seufzen und wider sie kämpfen, so dass sie in Wahrheit mit Paulus (Röm. 7, 19) bezeugen können: wir tun das Böse, das wir nicht wollen. Dass die Gläubigen in Christus „bleiben“, kann gesagt werden, weil wir durch den Glauben in ihn gepflanzt und mit ihm eins gemacht sind.

Wer da sündigt, der hat ihn nicht gesehen. Nach seiner Gewohnheit fügt der Apostel das entgegengesetzte Glied hinzu, damit wir wissen, dass man Glauben und Erkenntnis Christi fälschlich vorwendet, wo keine Neuheit des Lebens ist. Denn Christus ist nirgends müßig, wo er herrscht, vielmehr offenbart der Geist seine Macht. Sein Hauptwerk ist, die Sünde in die Flucht zu schlagen, gerade wie die Sonne durch ihren Glanz die Finsternis zerstreut. Wiederum werden wir an dieser Stelle belehrt, eine wie lebendige und wirksame Sache die Erkenntnis Christi ist, denn sie bildet uns in sein Bild um.

V. 7. Wer recht tut, der ist gerecht. Hier lehrt der Apostel, das neue Leben müsse durch gute Werke bezeugt werden, und jene Ähnlichkeit Christi mit seinen Gliedern, von der er geredet hat, bestehe nicht, wenn sie nicht ihre Früchte bringt. Er will sagen: da es sich ziemt, dass wir Christus ähnlich sind, so muss man das in unserm Leben wirklich merken können. Wir haben hier die dieselbe Ermahnung, die Paulus den Galatern (5, 25) gibt: Wenn ihr im Geiste lebt, so wandelt auch im Geiste. Viele möchten sich nämlich gern einreden, sie hätten eine im Herzen verborgene Gerechtigkeit, während die Füße und Hände, die Zunge und die Augen offenbar von Ungerechtigkeit beherrscht sind.

V. 8. Wer Sünde tut, der ist vom Teufel. Auch dies „tun“ bezieht sich auf die äußeren Werke, so dass der Sinn ist: da ist kein Leben aus Gott und Christus, wo die Menschen sich verkehrt und ruchlos aufführen; solche sind vielmehr ein Eigentum des Teufels. Durch diese Ausdrucksweise bringt der Apostel uns zum Bewusstsein, wie sehr solche Leute mit Christus im Zwiespalt sind. Denn wie er vorher Christus gleichsam als die Quelle aller Gerechtigkeit hingestellt hat, so stellt er nun im Gegensatz den Teufel als das Haupt der Sünde hin. Er leugnet, dass irgendeiner Christi eigen sei, der nicht gerecht ist und sich durch Werke als gerecht erweist. Alle andern sendet er in die Gesellschaft des Teufels und unterwirft sie seiner Herrschaft, damit wir wissen, dass es kein anderes Mittel gibt, der Tyrannei des Satans zu entfliehen, als sich unter die Herrschaft der Gerechtigkeit Christi zu stellen. Doch darf man nicht mit den Manichäern1) zwei gegensätzliche Urprinzipien annehmen. Wir wissen ja, dass der Teufel nicht von Natur noch von Anfang an, sondern durch die Schuld seines Abfalls böse ist. Wir wissen außerdem, dass er nicht Gott gleich ist, so dass er auf gleichem Fuße mit ihm streiten könnte, vielmehr ist er wider Willen gebunden, so dass er ohne den Wink und das Gutdünken seines Schöpfers nichts vermag. Wenn endlich Johannes sagt, die einen seien aus Gott geboren, und die anderen seien vom Teufel, so ist damit kein Naturunterschied gemeint, vielmehr ist das der Sinn, dass die einen sich von Christi Geist regieren, die andern aber vom Satan fortreißen lassen, wie Gott ihm ja diese Macht gegen die Ungläubigen eingeräumt hat.

Denn der Teufel sündigt von Anfang. Wieder Apostel vorhin, als er sagte, Christus sei gerecht, nicht nur von der Person Christi sprach, ihn vielmehr als Quelle und Ursache der Gerechtigkeit hinstellte, so umfasst er jetzt, da er sagt, der Teufel sündige, seinen ganzen Leib, das heißt alle Verworfenen, als wollte er sagen, das sei das Eigentümliche des Teufels, dass er zum Sündigen antreibt. Daraus folgt, dass alle, die sich der Sünde ergeben haben, seine Glieder sind und von ihm regiert werden. Übrigens ist dieser „Anfang“, den der Apostel erwähnt, nicht die Ewigkeit, wie da, wo er lehrt, das Wort sei im Anfang gewesen. Der Anfang in Gott hat keine Zeit. Da nun das Wort immer bei Gott war, so wird man keinen Zeitpunkt finden, an dem es zu sein anfing; man muss vielmehr notwendig zur Ewigkeit selbst kommen. Hier aber will Johannes lediglich sagen, dass der Teufel sogleich nach der Schöpfung der Welt ein Abtrünniger geworden sei und von da an nicht aufgehört habe, sein Gift auf die Menschen zu spritzen.

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes usw. Der Apostel wiederholt dasselbe mit andern Worten, was er vorher gesagt hatte, Christus sei gekommen, um die Sünden wegzunehmen. Daraus ist zweierlei zu schließen: die können nicht für Glieder Christi gehalten werden, noch gehören sie irgendwie zu seinem Leibe, in denen die Sünde herrscht. Denn sobald Christus seine Macht offenbart, schlägt er den Teufel zugleich mit der Sünde in die Flucht, was Johannes auch bald anschließt. Der nächste Satz, wo er sagt, die sündigen nicht, die aus Gott geboren sind, ist ein zweiter Schluss aus dem Vorhergehenden. Das Reich Christi, das die Gerechtigkeit notwendig mit sich bringt, kann mit der Sünde nicht bestehen. Übrigens habe ich schon oben berührt, was das bedeutet, „nicht sündigen“. Der Apostel sagt ja nicht, dass die Kinder Gottes gänzlich von jeder Sünde frei seien; aber er leugnet, dass jemand mit Recht dieses Titels sich rühme, wenn er sich nicht von Herzen befleißigt, sein Leben zum Gehorsam gegen Gott zu zwingen. Die Pelagianer haben einst dies Zeugnis missbraucht, indem sie erdichteten, die Gläubigen seien in dieser Welt mit engelgleicher Reinheit begabt; und in diesem Jahrhundert haben einige Wiedertäufer diesen Unsinn erneuert. Aber die von einer solchen Vollkommenheit träumen, verraten zur Genüge, ein wie stumpfes Gewissen sie haben. Diese Worte des Apostels unterstützen so wenig jenen Irrtum, dass sie vielmehr zu seiner Widerlegung hinreichen.

Er sagt (V. 9): Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde. Nun muss man zusehen, ob Gott uns in einem Augenblick wiedergebiert. Es steht doch fest, dass die Wiedergeburt so bei uns stattfinden wird, dass bis zum Tode die Reste des alten Menschen bleiben. Weil daher die Wiedergeburt noch nicht vollkommen ist, so nimmt der Apostel uns nur in gewisser Weise von der Knechtschaft der Sünde aus. Daraus erhellt, dass die Kinder Gottes notwendig an der Sünde leiden und täglich sündigen, sofern sie ja bisher Reste der alten Natur an sich haben. Und doch bleibt das fest, was der Apostel behauptet: das Ziel der Wiedergeburt ist, dass die Sünde vernichtet werde. Daher leben die gerecht und fromm, die aus Gott geboren sind, weil der Geist Gottes die Lust zum Sündigen beseitigt; und das versteht der Apostel unter dem Samen Gottes. Denn der Geist Gottes formt die Herzen der Frommen so zur rechten Gemütsstimmung, dass das Fleisch mit seinen Lüsten nicht vorherrscht, vielmehr gebändigt, gleichsam unter dem Joch gehalten wird. Kurz, die Herrschaft gibt der Apostel bei den Auserwählten dem Geiste, der durch seine Kraft die Sünde zurückdrängt und nicht zulässt, dass sie herrsche.

Und kann nicht sündigen. Hier steigt der Apostel schon höher. Denn er verkündigt klar, dass die Herzen der Frommen wirksam vom Geiste Gottes regiert werden, so dass sie mit unbeugsamer Gesinnung seiner Führung folgen. Das lautet ganz anders als die papistische Lehre. Sie gestehen zwar ein, dass der Wille des Menschen, wenn er nicht vom Geiste Gottes unterstützt ist, das Rechte nicht erstreben kann. Aber sie erdichten eine solche Wirksamkeit des Geistes, die uns die freie Wahl zwischen gut und böse lässt. Hier schlagen sie auch die Verdienste heraus, wenn wir der Gnade des Geistes freiwillig gehorchen, die wir zu verwerfen die Macht hatten. Endlich behaupten sie, darin bestehe allein die Gnade des Geistes, dass wir das Gute wollen können, wenn es uns beliebt. Johannes denkt ganz anders. Er lehrt nicht nur die Möglichkeit, nicht zu sündigen; er lehrt vielmehr eine solche Wirksamkeit des Geistes, die uns notwendig bei einem beständigen Gehorsam gegen die Gerechtigkeit festhält. Und das ist nicht die einzige Stelle der Schrift, die lehrt, der Wille werde so gebildet, dass er nicht anders als gut sein kann. Gott bezeugt ja, er gebe seinen Kindern ein neues Herz, und verspricht, er werde machen, dass sie in seinen Geboten wandeln (Hes. 36, 26). Ferner lehrt Johannes nicht nur, wie wirksam Gott einmal im Menschen handelt, vielmehr bezeugt er klar, dass der Geist seine Gnade in uns bis zum Ende erweist, so dass zur Neuheit des Lebens eine unbeugsame Beharrlichkeit hinzukommt. Daher lasst uns nicht meinen, es gebe eine mittlere Wirksamkeit, welcher der Mensch nach seinem Belieben folgen, oder die er zurückweisen kann. Lasst uns vielmehr wissen, dass unsere Herzen so vom Geiste Gottes regiert werden, dass sie der Gerechtigkeit beständig anhangen. Übrigens wird das, was die Klügler einwenden, leicht widerlegt. Sie sagen, auf diese Weise werde dem Menschen der Wille genommen, aber fälschlich. Der Wille ist von der Natur; weil aber die Verderbnis der Natur nur verkehrte Gesinnungen gebiert, deshalb ist es nötig, dass der Geist Gottes ihn erneuere, damit er anfange gut zu sein. Sodann, weil die Menschen sofort vom Guten abfallen würden, ist es notwendig, dass der Geist das, was er angefangen hat, auch zu Ende führe. Was das Verdienst angeht, so ist die Antwort leicht. Es ist nicht für töricht zu halten, wenn die Menschen nichts verdienen, und wenn sie doch nicht aufhören, die Werke für gute Werke zu halten, die aus der Gnade des Geistes fließen, weil sie freiwillig sind. Sie haben auch Lohn, weil sie, obwohl sie umsonst empfangen sind, doch den Menschen angerechnet werden, als ob sie ihre eigenen wären. Hier entsteht aber die Frage, ob in einem Menschen, der durch den Geist Gottes wiedergeboren ist, niemals mehr die Furcht Gottes und die Frömmigkeit ausgelöscht werden können. Das scheinen ja die Worte des Apostels zu bedeuten. Die anderer Meinung sind, führen das Beispiel des David an, der zu einer Zeit so von tierischem Stumpfsinn unterdrückt worden ist, dass kein Funke von heiligem Geist in ihm erschien. So bittet er ja auch im 51. Psalm, derselbe möge ihm wiedergegeben werden. Daraus folgt, dass er desselben beraubt gewesen ist. Ich zweifle dennoch nicht, dass jener Same, durch den Gott seine Auserwählten wiedergebiert, beständige Kraft behält, da er unverwüstlich ist. Ich gestehe aber zu, dass er bisweilen erstickt werden kann, wie bei David: in einer Zeit aber, da alle und jede Frömmigkeit in ihm erloschen schien, glimmt doch eine lebendige Kohle unter der Asche. Der Satan versucht zwar, in den Auserwählten das auszureißen, was Gottes ist; aber wenn ihm auch noch so viel überlassen wird, bleibt doch immer eine verborgene Wurzel, die hernach ausschlägt. Übrigens redet Johannes hier nicht von einer einzigen Tat, sondern von dem ganzen Grundzug des Lebens. Einige Schwärmer träumen zwar davon, den Gläubigen sei alles erlaubt, weil Johannes sagt, sie könnten nicht sündigen. Sie wollen also, dass wir ohne Unterschied folgen, wohin unsere Begierde uns treibt; so geben sie Erlaubnis zum Huren, Stehlen und Morden, weil das da keine Sünde sein könne, wo der Geist Gottes regiert. Aber der Sinn des Apostels ist ein ganz anderer: nach seiner Meinung können die Gläubigen deshalb nicht sündigen, weil Gott sein Gesetz in ihre Herzen geschrieben hat, wie es beim Propheten heißt (Jer. 31, 33).

V. 10. Daran wird es offenbar, welche die Kinder Gottes sind. Mit wenigen Worten schließt der Apostel, dass die fälschlich einen Platz und einen Namen unter den Kindern Gottes einnehmen, die sich nicht als solche durch ein frommes und heiliges Leben beweisen; gerade durch dies Merkmal unterscheiden sie sich von den Kindern des Teufels. Übrigens meint er nicht, sie seien derartig offenbar, dass sie öffentlich von der ganzen Welt erkannt werden könnten; er will nur das sagen, dass die Frucht und Wirkung der Annahme zur Gotteskindschaft immer im Leben zu sehen sei.

Wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott. Recht tun oder Gerechtigkeit tun und Sünde tun sind einander entgegengesetzt. Recht tun ist nichts anderes, als Gott von Herzen fürchten und in seinen Geboten wandeln, soweit es der menschlichen Gebrechlichkeit möglich ist. Gerechtigkeit ist freilich, wenn man es genau nimmt, nichts anderes als das vollkommene Halten des Gesetzes, von dem die Gläubigen immer weit entfernt sind. Da aber Gott ihnen die Sünden und Fehltritte nicht anrechnet, so wird der halbe Gehorsam, den sie Gott leisten, doch Gerechtigkeit genannt. Johannes verkündet aber, dass die nicht von Gott sind, die nicht recht leben, weil Gott, die er beruft, auch durch seinen Geist wiedergebiert. Also ist das neue Leben ein beständiges Zeugnis der göttlichen Annahme an Kindesstatt.

Und wer nicht seinen Bruder lieb hat. Das ist des Beispiels wegen hinzugefügt. Übrigens habe ich schon vorher gesagt, auf welche Weise die ganze Gerechtigkeit unter der brüderlichen Liebe zusammengefasst wird. Die erste Stelle hat die Liebe zu Gott inne; weil aber von ihr die brüderliche Liebe unter den Menschen abhängt, so wird oft jene unter diese eingeschlossen und wiederum diese unter jene. Also bezeichnet und erklärt der Apostel denjenigen als gerecht, der sich der Wohltätigkeit und Menschenfreundlichkeit befleißigt, - weil die Liebe des Gesetzes Erfüllung ist. Er bekräftigt diese Meinung, indem er sagt, so seien die Gläubigen von Anfang an gelehrt worden. Durch diese Worte deutet er an, seine Ausführung dürfe ihnen nicht neu erscheinen.

V. 12. Nicht wie Kain. Eine andere Bekräftigung dafür, dass wer seinen Bruder lieb hat, aus Gott ist, vom Gegenteil hergenommen. In den Verworfenen nämlich und den Söhnen des Teufels regiert der Hass und hat gleichsam die Oberherrschaft in ihrem Leben inne. Als Beispiel dafür wird Kain angeführt. Zum Trost der Frommen dient aber der weitere Satz (V. 13): Verwundert euch nicht, ob euch die Welt hasset. Diese Ausführung ist sorgfältig zu beachten. Immer nämlich handeln die Menschen in der Lebensführung gedankenlos, weil sie die Heiligkeit in erdichtete Werke setzen; und während sie sich mit unnützen Dingen abquälen, meinen sie, Gott doppelt angenehm zu sein. Wie die Mönche ihre Art zu leben stolz den Stand der Vollkommenheit nennen. Ebenso kann die Gottesverehrung im Papsttum nur für ein Gemisch von Aberglauben gehalten werden. Und doch sagt der Apostel, nur die Gerechtigkeit gefalle Gott, wenn wir uns untereinander lieben; hinwiederum herrscht der Teufel, wo Hass, Feindschaft, Neid und Streit wüten. Zugleich muss man im Gedächtnis behalten, was ich vorhin berührt habe, nämlich dass die Liebe zu den Brüdern, weil sie aus der Liebe zu Gott geboren wird, wie die Wirkung aus der Ursache, von der Liebe zu Gott nicht getrennt werden kann. Vielmehr wird sie deshalb von Johannes gelobt, weil sie der Beweis unserer Gottesverehrung ist. Wenn er sagt, Kain sei zum Mord des Bruders dadurch getrieben worden, dass seine Werke böse waren, so deutet er, wie gesagt, an, dass, wo die Gottlosigkeit herrscht, der Hass alle Beziehungen des Lebens in Besitz nimmt. Dass die Werke Abels gerecht waren, erwähnt er, damit wir es geduldig tragen lernen, wenn die Welt uns ohne Grund, und durch kein Unrecht unserseits gereizt, hasst.

V. 14. Wir wissen usw. Durch einen auffallenden Ausspruch empfiehlt uns der Apostel die Liebe, weil sie das Zeugnis unseres Übergangs vom Tode zum Leben ist. Daraus folgt: wenn wir die Brüder lieben, sind wir glücklich, elend aber, wenn wir hassen. Jeder wünscht, vom Tode erlöst zu werden. So müssen Leute, die durch Pflege des Hasses freiwillig für ihren Tod sorgen, mehr als stumpfsinnig sein. Ferner, wenn der Apostel sagt, aus der Liebe erkenne man, dass wir ins Leben übergegangen sind, so behauptet er damit nicht, dass der Mensch sein eigener Erlöser ist, als ob er sich durch die Liebe gegen die Brüder vom Tode retten und sich das Leben verschaffen könnte. Er redet hier ja nicht von der Ursache des Heils. Aber da die Liebe eine vorzügliche Frucht des Geistes ist, so ist sie auch ein gewisses Zeichen der Wiedergeburt. Da nur der die Brüder lauter liebt, der durch den Geist Gottes wiedergeboren ist, so wird daraus mit Recht geschlossen, dass der Geist Gottes, der Leben ist, in allen wohnt, welche die Brüder lieben. Da also die Liebe der Reihenfolge nach die zweite Stelle einnimmt, so wäre die Folgerung unrichtig, dass man durch sie das Leben erwerbe. Mehr Schein würde eine andere Schlussfolgerung haben: wenn die Liebe uns unseres Lebens gewisser macht, so ruht die Heilsgewissheit auf den Werken. Aber auch das lässt sich leicht widerlegen. Obwohl nämlich der Glaube durch alle Gnadenerweisungen Gottes gleichsam wie durch Stützen befestigt wird, so hört er doch nicht auf, sein Fundament einzig in der Barmherzigkeit Gottes zu haben. Zum Beispiel: wenn es hell ist, sind wir gewiss, dass die Sonne scheint; wenn die Sonne den Ort, wo wir sind, bestrahlt, können wir alles deutlicher sehen. Aber wenn auch keine sichtbaren Strahlen uns berühren, so sind wir doch damit zufrieden, dass die Sonne am Himmel steht und Licht verbreitet. Ebenso kann, nachdem der Glaube sich auf Christus gegründet hat, einiges hinzukommen, das ihn unterstützt, aber doch ruht er allein auf Christi Gnade.

V. 15. Der ist ein Totschläger. Um uns noch mehr zur Liebe zu reizen, zeigt der Apostel, welch abscheuliches Ding vor Gott der Hass ist. Es gibt niemand, der nicht den Mord verabscheute, ja sogar den Namen selbst verwünschen wir alle. Der Apostel aber verkündet, dass jeder ein Mörder ist, der den Bruder hasst. Es konnte nichts Härteres gesagt werden; aber es ist doch keine Übertreibung. Denn wenn wir jemand hassen, so wünschen wir, er möchte nicht da sein. Es macht auch nichts aus, wenn einer dabei seine Hände von Beschädigung fernhält, denn der Wunsch zu schaden, wird ebenso wie der Versuch vor Gott verdammt. Ja, auch wenn wir nicht begehren zu schaden, aber doch wünschen, dass unserm Bruder irgendetwas Böses widerfahre, auch dann sind wir Mörder. Der Apostel bezeichnet die Sache also einfach, wie sie ist, wenn er dem Hass den Namen Mord beilegt. Hier wird die Torheit der Menschen dargetan, dass sie, die den Namen verabscheuen, das Verbrechen selbst fast für nichts achten. Woher das? Weil der äußere Schein der Dinge alle unsere Sinne gefangen nimmt, vor Gott aber der innere Trieb in Betracht kommt. Damit deshalb keiner mehr eine so schwere Sünde verkleinere, lasst uns lernen, unsere Urteile nach Gottes Urteil zu gestalten.

V. 16. Daran haben wir erkannt usw. Nun zeigt der Apostel, was wahre Liebe ist. Es ist nicht genug, sie zu loben, wenn man sich nicht an ihre Kraft hält. Die vollkommene Liebe zeigt er am Beispiel Christi, der sein eigenes Leben nicht geschont und dadurch bezeugt hat, wie sehr er uns liebte. Nach diesem Ziel heißt er uns streben. Kurz, darin wird unsere Liebe dargetan, wenn wir die Liebe, die wir zu uns haben, auf die Brüder übertragen, so dass ein jeder sich selbst vergisst und für die andern sorgt. Gewiss ist, dass wir Christus sehr ungleich sind; aber der Apostel empfiehlt uns seine Nachfolge, weil es sich ziemt, dass wir seinen Fußstapfen von ferne nachfolgen, wenn wir ihn auch nicht erreichen. Es ist des Apostels Absicht, den eitlen Ruhm der Heuchler zu erschüttern, die sich rühmen, Glauben an Christus zu haben, obwohl sie keine Bruderliebe haben. Deshalb sagt er mit diesen Worten, dass wir nichts mit Christus gemein haben, wenn in unsern Herzen nicht der Eifer der Liebe lebt. Dennoch hält er uns, wie gesagt, die Liebe Christi nicht so vor, dass er die gleiche von uns forderte. Was hieße das anders, als alle zur Verzweiflung bringen? Aber unser Gemüt soll darauf gestimmt sein, dass wir begehren, unser Leben oder unser Sterben in erster Linie für Gott, sodann auch für die Nächsten zur Verfügung zu stellen. Es ist auch noch ein anderer Unterschied zwischen uns und Christus, so dass unser Tod nicht dieselbe Kraft haben kann. Durch unser Blut wird nämlich nicht der Zorn Gottes gestillt, noch wird durch unsern Tod das Leben erworben, noch wird die verdiente Strafe für andere getragen. Aber der Apostel sieht bei dieser Vergleichung nicht darauf, welches der Zweck und die Wirkung des Todes Christi war; er will nur, dass unser Leben nach seinem Vorbild gestaltet werde.

V. 17. Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat usw. Der Apostel predigt jetzt von den allgemeinen Pflichten der Liebe, die aus jener obersten Quelle fließen, da wir bereit sind, uns bis zum Tode für den Nächsten zu verzehren. Er scheint vom Höheren auf das Geringere zu schließen. Denn wer sich weigert, mit seinem Vermögen, ohne dass das Leben irgendwie aufs Spiel gesetzt wird, die Not des Bruders zu erleichtern, der wird noch viel weniger sein Leben wagen. Er leugnet also, dass wir Liebe haben, wenn wir dem Nächsten unsere Mittel vorenthalten. Übrigens empfiehlt er das äußere Wohltun so, dass er zugleich sehr gut zum Ausdruck bringt, welches die rechte Art des Wohltuns ist und welche Gesinnung dasselbe regieren muss. Das ist also der erste Grundsatz, dass niemand die Brüder wirklich liebt, der es nicht durch die Tat bezeugt, so oft es erfordert wird. Der zweite Grundsatz ist: soviel Vermögen ein jeder hat, so weit ist er verpflichtet, den Brüdern zu helfen. Der Herr reicht uns ja deshalb die Mittel dar, damit wir Liebe üben sollen. Der dritte Grundsatz: man muss auf eines jeden Bedürfnis sehen; je nachdem einer Speise oder Trank oder andere Dinge bedarf, von denen uns eine Menge zu Gebote steht, soll er unsern Liebesdienst erbitten. Der vierte Grundsatz: kein Wohltun gefällt Gott, wenn nicht Mitgefühl damit verbunden ist. Viele sind zum Schein freigebig, die sich doch durch das Elend der Brüder nicht im Mindesten berührt fühlen. Der Apostel aber schreibt vor, man solle das Herz öffnen, und das geschieht, wenn wir einen solchen Sinn anziehen, dass wir unter den Übeln anderer ebenso leiden wie unter den eigenen.

Wie bleibt die Liebe Gottes bei ihm? Hier handelt es sich um die Liebe zu den Brüdern. Weshalb braucht der Apostel also den Ausdruck: die Liebe Gottes? Man muss den Grundsatz festhalten, dass die Liebe zu Gott notwendig die Liebe zu den Brüdern in uns erzeugt. Gott stellt unsere Liebe gegen ihn auf diese Weise auf die Probe, dass er befiehlt, aus Rücksicht auf ihn die Menschen zu lieben.

V. 18. Lasst uns nicht lieben mit Worten. In diesem ersten Gliede liegt ein Zugeständnis. Wir können ja nicht allein mit der Zunge lieben; aber weil viele das fälschlich vorgeben, so gesteht der Apostel ihrer Heuchelei den Namen der wirklichen Liebe zu, wie es oft zu geschehen pflegt; indessen widerlegt er im zweiten Gliede ihr eitles Gerede, indem er leugnet, dass eine Liebe ohne Auswirkung ihren Namen mit Wahrheit trage. So müssen die Worte verstanden werden: Lasst uns nicht mit der Zunge bekennen, dass wir Liebe haben, sondern lasst uns das mit der Tat beweisen, weil erst das die rechte Art der Liebe ist.

V. 19. Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind. Wenn wir wirklich die Nächsten lieben, so haben wir daran ein Zeugnis, dass wir aus Gott geboren sind, der die Wahrheit ist, oder dass die Wahrheit Gottes in uns einen Platz hat. Lasst uns aber immer daran denken, dass wir nicht aus der Liebe die Erkenntnis haben, von welcher der Apostel redet. Aus der Liebe können wir die Heilsgewissheit nicht holen! Sondern wir erkennen aus nichts anderem, dass wir Gottes Kinder sind, als daraus, dass er seine freie Annahme an Kindesstatt unsern Herzen durch seinen Geist versiegelt und wir sein gewisses Pfand, das uns in Christus dargeboten wird, durch den Glauben umfassen. Es ist also die Liebe eine Zugabe oder eine Stütze zur Stärkung des Glaubens, nicht der Grund, worauf er ruht. Weshalb sagt nun der Apostel: und können unser Herz vor ihm stillen? Er erinnert uns mit diesen Worten daran, dass der Glaube nicht ohne ein gutes Gewissen bestehen kann; nicht als ob das „Stillen“ daher entstände oder davon abhinge; aber wir sind erst dann wirklich, ohne Täuschung, von unserer Verbindung mit Gott überzeugt, wenn die Wirksamkeit des heiligen Geistes sich in unserer Liebe dartut. Es ziemt sich, immer zu erwägen, wovon der Apostel handelt. Weil er nämlich ein erdichtetes und trügerisches Bekenntnis des Glaubens verdammt, so sagt er, es gebe für uns auf keinem andern Wege ein wirkliches Stillen des Herzens vor Gott, als wenn sein Geist die Frucht der Liebe in uns hervorbringt. Obwohl aber das gute Gewissen vom Glauben nicht getrennt werden kann, so wird doch niemand mit Recht daraus schließen, wie müssten auf unsere Werke sehen, damit wir eine wirkliche Stille des Herzens gewinnen.

V. 20. So uns unser Herz verdammt usw. Die Erinnerung an das Gegenteil beweist, dass solche Leute vergebens den Namen und den Schein von Christen haben, denen das Zeugnis eines guten Gewissens fehlt. Denn wenn einer ein schlechtes Gewissen hat und durch das eigene Gefühl seines Herzens verdammt wird, so wird er noch viel weniger dem Gericht Gottes entgehen. Es folgt also, dass durch die Unruhe eines schlechten Gewissens der Glaube vernichtet wird. Dass Gott größer ist denn unser Herz, wird in Rücksicht auf das Gericht gesagt, weil er natürlich viel schärfer sieht als wir und genauer nachforscht und strenger urteilt. So sagt Paulus (1. Kor. 4, 4): obwohl er sich keines Dinges bewusst sei, so sei er darum noch nicht gerechtfertigt. Damit gesteht er zu, dass er trotz ernster Achtsamkeit auf seine Pflicht in vielen Stücken fehlt, und dass ihm die Unwissenheitssünden entgehen, die Gott doch straft. Johannes erklärt es also für unmöglich, dass ein Mensch dem Gericht Gottes entgeht, den sein eigenes Gewissen beunruhigt und anklagt. Darauf zielt auch hin, was er gleich folgen lässt, dass Gott alle Dinge erkennt. Wie sollte ihm das verborgen bleiben, was wir zu sehen genötigt sind, die wir doch im Vergleich zu ihm kurzsichtig, ja fast blind sind! Weil nun der Blick Gottes tiefer dringt als das Gefühl unseres Gewissens, so kann nur der vor ihm bestehen, den ein unversehrtes Gewissen aufrecht hält. Aber hier erhebt sich der Einwurf: es ist gewiss, dass die Verworfenen bisweilen vom Satan in einen solchen Stumpfsinn versenkt werden, dass sie ihre Sünden weiter nicht fühlen und ohne Schmerz und Furcht sorglos in ihr Verderben stürzen. Es ist auch gewiss, dass die Heuchler sich zu schmeicheln und das Gericht Gottes stolz zu verachten pflegen, weil sie, durch einen falschen Wahn von Gerechtigkeit trunken, sich durch ihre Sünden nicht rühren lassen. Die Antwort ist leicht: die Heuchler werden deshalb betrogen, weil sie das Licht fliehen; die Verworfenen fühlen deshalb nichts, weil sie von Gott abweichen; kurz, es gibt nur in den Schlupfwinkeln die Sicherheit eines bösen Gewissens. Der Apostel redet aber hier von solchen Gewissen, die Gott ans Licht gezogen hat und vor seinen Richterstuhl zwingt, und die er durch das Gefühl seines Gerichtes heimsucht. Indessen auch das ist im Allgemeinen wahr, dass es keinen andern sichern Frieden gibt als den, welchen der Geist Gottes gereinigten Herzen gewährt. Die Menschen, die wir als ganz stumpf bezeichnen, spüren doch bisweilen dumpfe Stiche und fühlen sich mitten in ihrer Schlafsucht gequält.

V. 21. So uns unser Herz nicht verdammt usw. Ich habe schon auseinandergesetzt, dass sich das weder auf die Heuchelei, noch auf die freche Gottesverachtung bezieht. Denn wenn auch den Verworfenen ihre Wege wohl gefallen, so wägt doch Gott die Herzen, sagt Salomo (Spr. 16, 2). Diese prüfende Wage Gottes bewirkt, dass sich keiner rühmen kann, er habe ein reines Herz. Die Worte des Apostels haben diesen Sinn: wir kommen erst dann mit ruhiger Zuversicht vor das Angesicht Gottes, wenn wir ein gutes Gewissen und das Zeugnis eines geraden und rechtschaffenen Herzens bei uns haben. Auch das Wort des Paulus ist wahr (Eph. 3, 12), dass uns durch den Glauben, der sich auf die Gnade Christi gründet, der Zugang zu Gott mit Zuversicht offensteht; ebenso, dass wir durch den Glauben Frieden erlangen, so dass unsere Gewissen ruhig vor Gott stehen können. Aber zwischen diesen Meinungen ist kein Widerspruch. Paulus zeigt den Grund der Zuversicht. Johannes spricht von einer unablösbaren Eigenschaft, die notwendig damit zusammenhängt, obwohl sie nicht der Grund ist. Hier entsteht nun eine noch größere Schwierigkeit, nämlich dass keine Zuversicht in der ganzen Welt übrig zu bleiben scheint. Wer wird denn gefunden, den sein Herz in keinem Punkte anklagt? Ich antworte: wenn die Frommen sich auch überführt fühlen, so sprechen sie sich doch zugleich frei. Es ist notwendig, dass sie über ihre Sünden inwendig ernstlich gestraft werden, damit die Angst sie zur Demut und zum Missfallen an sich selbst erziehe; aber sie fliehen doch bald zum Opfer Christi, wo sie sicheren Frieden haben. Indessen meint es der Apostel doch noch anders, dass sie sich nicht als Angeklagte fühlen. Wenn sie auch erkennen, dass sie in vielen Punkten fehlen, so gibt ihnen das Gewissen doch das Zeugnis, dass sie wirklich und von Herzen Gott fürchten und sich seiner Gerechtigkeit zu unterwerfen begehren. Die mit dieser frommen Gesinnung begabt sind und wissen, dass ihre Bemühungen, wie weit sie auch von der Vollkommenheit entfernt sind, dennoch Gott gefallen, von denen wird mit Recht gesagt, sie hätten ein gestilltes und beruhigtes Herz, weil es keine inneren Gewissensbitte gibt, die ihre ruhige Heiterkeit stören.

V. 22. Und was wir bitten usw. Weil die Zuversicht und die Anrufung Gottes miteinander verbundene Dinge sind, so sagt der Apostel jetzt, Gott könne nur von denen angerufen werden, die ihn mit reinem Herzen fürchten und recht verehren, wie er vorher gelehrt hat, ein schlechtes Gewissen streite wider die Zuversicht und Freudigkeit. Wir haben hier den allgemeinen Grundsatz der Schrift, dass die Gottlosen von Gott nicht erhört werden, ja vielmehr, dass ihre Opfer und Bitten ihm verhasst sind. Also wird hier den Heuchlern die Tür geschlossen, damit sie nicht mit ihrer Verachtung Gottes vor sein Angesicht kommen. Dass man ein gutes Gewissen mitbringen muss, hat aber nicht die Meinung, als erwürbe ein solches unsern Bitten Gnade. Weh uns, wenn wir auf die Werke schauen, die nichts als Grund zum Zittern in sich bergen! Die Gläubigen eilen nicht anders zum Thron Gottes, als gestützt auf die Mittlerschaft Christ. Weil aber mit dem Glauben immer die Liebe zu Gott verbunden ist, so beraubt der Apostel die Heuchler, um sie härter zu treffen, dieses einzigartigen Vorrechts, dessen Gott seine Kinder würdigt, damit sie nicht etwa meinten, sie hätten für ihre Bitten Zugang zu Gott. Wenn er sagt: denn wir halten seine Gebote, so meint er nicht, die Freudigkeit zum Gebet sei auf unsere Werke gegründet; er betont nur das, der Glaube könne nicht getrennt werden von der Frömmigkeit und der lauteren Gottesverehrung.

V. 23. Und das ist sein Gebot usw. Der Apostel verwendet wieder einen allgemeinen Satz für seine Zwecke. Die Meinung ist: wenn wir nicht durch brüderliche Liebe miteinander verbunden sind, so stehen wir in einem Zwiespalt mit Gott, der uns vom Zugang zu ihm fernhält. Übrigens empfiehlt er hier nicht nur die Liebe, wie vorher, vielmehr fügt er den Glauben als Begleiter hinzu. Diese Worte verdrehen die Sophisten durch ihre Erdichtungen, als ob die Freiheit zum Beten uns teils durch den Glauben, teils durch die Werke zukomme. Da Johannes für die rechte Art des Betens das Halten der Gebote Gottes fordert und hernach lehrt, dies Halten bestehe im Glauben und in der Liebe, so schließen jene, aus diesen zwei Stücken müsse man die Zuversicht zum Beten schöpfen. Ich habe aber schon oft daran erinnert, dass hier nicht davon gehandelt wird, woher oder durch welche Mittel die Menschen sich den Mut holen, Gott anzurufen. Hier ist ja nicht vom Grund oder von der Würdigkeit die Rede; Johannes zeigt nur, dass Gott allein seine Kinder, die durch seinen Geist wiedergeboren sind, der Ehre und des Vorrechts, mit ihm zu reden, würdigt. Also ist das der Zusammenhang der Rede: es ist nicht möglich, dass Gott uns erhört, wenn keine Furcht und Ehrerbietung gegen ihn vorhanden sind. Da uns also aufgegeben ist, seinen Geboten zu gehorchen, so muss man zusehen, was er gebietet. Und zwar scheidet er Glauben und Liebe nicht, vielmehr fordert er beides gleichsam in einem Atem von uns. Das ist auch der Grund, warum das Wort „Gebot“ in der Einzahl gesetzt wurde. Übrigens ist diese Stelle besonders wichtig, weil sie ebenso klar wie kurz zum Ausdruck bringt, worin die ganze Vollkommenheit eines heiligen Lebens besteht. Es ist also nicht so, dass wir Schwierigkeiten vorschützen könnten. Gott führt uns keineswegs lange Umwege, sondern setzt uns einfach und mit einem Wort auseinander, was recht ist und was ihm gefällt. Ferner ist in dieser Kürze keine Dunkelheit, da er uns ja Anfang und Ende, recht zu leben, deutlich zeigt. Dass aber hier nur der brüderlichen Liebe Erwähnung geschieht mit Übergehung der Liebe zu Gott, hat seinen Grund, wie schon oft gesagt, darin, dass die brüderliche Liebe, wie sie nur aus der Liebe zu Gott entspringt, so auch ein sicherer und wahrer Beweis für sie ist.

Dass wir glauben an den Namen seines Sohnes. Der Name deutet auf die Predigt. Und diese Beziehung ist zu beachten, weil wenige wissen, was es heißt, an Christus glauben. Aus dieser Redeweise aber muss man schließen, dass das erst der rechte Glaube ist, der Christus, wie er im Evangelium verkündet wird, umfasst. Daher kommt es auch, dass es keinen Glauben gibt ohne Lehre, wie auch Paulus sagt (Röm. 10, 14). Zugleich ist auch zu merken, dass Glaube für den Apostel Erkenntnis Christi ist. Dieser ist das lebendige Bild Gottes, und in ihm sind verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis. Sobald wir daher von ihm abbiegen, können wir nicht anders als im Irrtum herumschweifen.

V. 24. Wer seine Gebote hält, der bleibt in ihm. Der Apostel bekräftigt, was er schon sagte, dass uns nur dann die Verbindung mit Gott offensteht, wenn wir uns gegenseitig lieben; nicht als ob die Verbindung damit anfinge, aber sie kann nicht müßig und wirkungslos sein, wo sie angefangen hat. Und das beweist er durch den Grund, dass Gott nicht in uns bleibt, wenn sein Geist nicht in uns wohnt. Sein Geist aber muss notwendig, wo er ist, seine Kraft und Wirksamkeit offenbaren. Daraus muss man schließen, dass nur die in Gott bleiben und mit ihm vereinigt sind, die seine Gebote halten. In dem Satz: und daran erkennen wir – muss das Wort „und“ so viel bedeuten wie „denn“. Übrigens muss die Eigentümlichkeit dieser Stelle erwogen werden. Obwohl nämlich dieser Satz anklingt an jenen des Paulus (Röm. 8, 15), wo er sagt, der Geist bezeuge unseren Herzen, dass wir Gottes Kinder sind, und wir riefen durch ihn zu Gott „Abba, Vater“, so ist doch im Sinne etwas Verschiedenheit. Paulus nämlich redet von der Gewissheit der freien Annahme an Kindesstatt, welche der Geist Gottes unsern Herzen versiegelt; Johannes aber schaut auf die Wirkungen, welche der in uns wohnende Geist hervorbringt, wie das auch Paulus tut, wenn er sagt (Röm. 8, 14): die sind Gottes Kinder, die durch den Geist Gottes getrieben werden. Dort redet er ja auch von der Tötung des Fleisches und von der Neuheit des Lebens. Das ist die Hauptsache, und daran wird es offenbar, ob wir Gottes Kinder sind, wenn sein Geist unser Leben lenkt und leitet. Übrigens lehrt Johannes auch: alles, was in uns an guten Werken ist, das kommt von der Gnade des Geistes, und dieser Geist wird nicht erworben durch unsere Gerechtigkeit, sondern uns umsonst geschenkt.

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Eine gnostisch-dualistische Sekte des 4. und 5. Jahrhunderts.
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