Calvin, Jean - An die französische Gemeinde in London.

Nr. 345 (C. R. – 1653)

Calvin, Jean - An die französische Gemeinde in London.

Die Refugianten-Gemeinden Londons, deutscher, italienischer und französischer Zunge standen unter der Aufsicht Johannes von Laski.

Über allerlei Unruhen und liturgische Schwierigkeiten.

Sehr liebe und verehrte Brüder, da ich wünsche, dass Ihr Ruhe habt, so dass Ihr im Frieden umso bessere Gelegenheit habt, Gott zu dienen, und es mit umso größerem Mute tut, so bedauerte ich die Unruhen sehr, die Euch einige unbedachte Leute gemacht haben; es mir doppelt leid, dass sie sich auf mich und die Genfer Kirche beriefen, um Euch zu belästigen. Wie sie nun damit Unrecht hatten, so scheints mir, solltet Ihr so viel vernünftige Freundlichkeit walten lassen, dass Ihr uns nicht mit in ihre Torheiten hineingezogen und verwickelt werden lasst. Einer von denen, über die ich klagen hörte, kann mir ein guter Zeuge dafür sein, dass ich ihn seit seiner Rückkehr nicht in seinem Fehler bestärkt, vielmehr mich bemüht habe, ihn sein Unrecht spüren zu lassen, wiewohl Herr von Laski mir geschrieben hatte, dass von Euch ihm bereits alles verziehen sei. Ich sage das, weil ich hörte, man werfe ihnen vor, sie wollten aus mir einen Götzen und aus Genf ein Jerusalem machen. Ich habe es nicht um Eure Gemeinde verdient, dass man mich dort so behandelt, und selbst wenn noch zehnmal mehr Undankbarkeit darin läge, so wollte ich doch nicht lassen, Euer Wohl zu suchen. Aber ich sehe mich genötigt, Euch darauf aufmerksam zu machen, denn solche Handlungsweise ist eher verderblich als erbaulich, und wiewohl ich solche Dinge begraben will, so kann ich nicht hindern, dass viele Leute Anstoß daran nehmen.

Wenn die, welche bei Euch diesen Zwist verursacht haben, in der Verschiedenheit der Zeremonien dazu Anlass fanden, wie Herr von Laski mir gemeldet hat, so haben sie schlecht verstanden, worin die wahre Einheit der Christen besteht und wie jedes Glied sich dem kirchlichen Körper anpassen soll, in dem es lebt. Freilich, weiß man irgendeine andere Form, die besser wäre, so ists wohl erlaubt, zuerst mit dem Pfarrer zu beraten und ihm zu sagen, was man denkt, wenn man sich nur der ortsüblichen Art anpasst, ohne nach Neuerung zu schreien, sondern friedlich jede Ordnung, die Gottes Wort nicht zuwiderläuft, respektiert. Wie nun die beide in Frage kommenden Leute vorgegangen sind, weiß ich nur soweit, als ich mich an den Bericht halten kann, der mir davon gegeben wurde. Nämlich, dass sie zu unbedacht waren, und dass sie weder die Mäßigung noch die Bescheidenheit zeigten, die ihnen geziemt hätte. Ich sage das aber nur, weil es gut ist, solche Leute durch Milde wieder zurecht zu bringen, anstatt das Übel durch heftige Maßregeln zu verschlimmern. Nicht dass ich sagen wollte, sie seien schon zu streng behandelt worden, sondern nur, weil mir davon berichtet wurde, was ich noch gar nicht glauben kann. Ich habe die Zuversicht, dass Ihr meine Mahnung nicht übel nehmt, da sie Euch ja zu nichts von vornherein verpflichtet.

Über die andern strittigen Punkte kann ich nur sagen, dass es doch jedenfalls Unwissenheit war, wenn sie Euch Eure Redeweise vorwarfen, die die Jungfrau Maria Mutter Gottes nennt, und mit der Unwissenheit kann dann leicht zu große Kühnheit, je Frechheit verbunden sein, wie das alte Sprichwort sagt: Die Dümmsten sind die Frechsten. Doch um es Euch brüderlich offen zu sagen: ich kann nicht verhehlen, dass man es unrichtig findet, dass dieser Name gewöhnlich gebraucht wird, wenn von der Jungfrau die Rede ist, und ich meinesteils kann diesen Ausdruck weder gut, noch passend, noch schicklich finden. Es werden es auch alle Leute ruhigen Sinnes so halten. So kann ich nicht glauben, dass dies Brauch in Eurer Kirche sei, denn sonst könnte man gerade so gut vom Leib, Blut, Haupt und Tode Gottes sprechen. Ihr wisst, die Schrift lehrt uns eine andere Redeweise, aber das Schlimmste an der Sache ist die Ursache zu Ärgernis. Denn Mutter Gottes zu sagen von der Jungfrau Maria, kann nur dazu dienen, die Unwissenden in ihrem Aberglauben zu verstocken. Und wer sich darin gefiele, zeigte damit, dass er nicht weiß, was das heißt, die Kirche zu erbauen.

Was den Titel Bischof von Rom angeht, so ists unpassend, noch darüber zu reden. Wir tun diesen gehörnten Tieren zu viel Ehre an, wenn wir sie Bischöfe nennen; denn das ist ein zu ehrenvolles Wort für sie. Der Name Papst kommt dem Räuber, der sich auf Gottes Stuhl gesetzt hat, auch nicht zu. Darin möchte ich, ohne Anmaßung, dem folgen, was allgemein angenommen ist.

Die Hauptsache in Eurem Zwist ist das liturgische Gebet [für den Bischof zu Rom]. Ich weiß wohl, dass man unterscheiden muss zwischen der Person des Papstes und seinem fluchwürdigen, verdammten Thron. Aber es scheint mir, dass, wer ausdrücklich für den betet, der so deutlich das Zeichen der Verworfenheit an sich trägt, viel überflüssige Zeit haben muss. Ich will keinem ein Gesetz auferlegen, aber mir scheint es wünschenswert, dass wir durch die Nüchternheit unserer Gebete zeigen, welche Ehrfurcht wir vor dem Namen Gottes empfinden. Ich spreche so frei, wie Ihrs an einem Bruder dulden müsst, und ich hoffe, Ihr duldet es auch. Denn ich bin meinerseits bereit, mich von Euch zurechtweisen zu lassen, wenn Ihr nicht gut findet, was ich geschrieben habe. Wenn Ihrs Euch übrigens wohl überlegt, und jeder sich der Wahrheit ohne Streitsucht unterordnet, so wird hoffentlich die Übereinstimmung unter uns leicht zu erreichen sein. Wenn Euch diese Störung hart erscheint, so habt Mitleid mit uns, die wir hier täglich viel ärgeren Lärm auszuhalten haben. Meinerseits will ich den lieben Gott bitten und tue es jetzt schon, er möge Euch mehr und mehr zunehmen lassen an Gnadengaben seines Geistes, Euer Wirken gedeihen lassen, und Euch starke Handreichung tun in dem Amt, das er Euch anvertraut hat. Ebenso werden meine Brüder tun, die – ich weiß es – Euch sehr zugetan sind.

Genf, 27. September 1552.

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