Burger, Carl Heinrich August von - Sechste Predigt - Am Epiphaniasfest 1857.

Burger, Carl Heinrich August von - Sechste Predigt - Am Epiphaniasfest 1857.

Text: Matth. 2, 1-12.
Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande zur Zeit des Königs Herodes, siehe da kamen die Weisen vom Morgenlande gen Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborne König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind gekommen ihn anzubeten. Da das der König Herodes hörete, erschrak er und mit ihm das ganze Jerusalem; und ließ versammeln alle Hohepriester und Schriftgelehrten unter dem Volke, und erforschte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem im jüdischen Lande. Denn also stehet geschrieben durch den Propheten: Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mit Nichten die kleinste unter den Fürsten Juda; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei. Da berief Herodes die Weisen heimlich und erlernete mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre; und wies sie gen Bethlehem und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr es findet, so saget mir's wieder, daß ich auch komme, und es anbete. Als sie nun den König gehöret hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis er kam und stand oben über, da das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreuet; und gingen in das Haus, und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an, und thaten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen. Und Gott befahl ihnen im Traum, daß sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken. Und zogen durch einen andern Weg wieder in ihr Land.

Das heutige Festevangelium berichtet uns das letzte der freudebringenden Ereignisse, die sich zunächst um die Geburt des Herrn in unsrem Fleisch und Blute reihten. Die Hirten bei Bethlehem sind die ersten, deren Gruß und gläubiges Bekenntniß Mariens Herz erfreute und befestigte in seiner zuvor gefaßten Zuversicht; die Worte Simeons und der Hanna fügten neue Bestätigung zu der schon empfangenen; die Ankunft der Weisen vom Morgenland, der wundersame Ruf, der sie herbeigezogen, die anbetende Verehrung, welche sie dem Kinde zollten, die thatsächliche Huldigung, die sie damit verbanden, machten für diesmal den Freudenbecher voll, aus welchem Joseph und Maria Muth und Glaubensstärke in der bald folgenden Bedrängniß schöpfen sollten. Darum schließt auch die festliche Zeit des Kirchenjahres, die das Weihnachtsfest zum Ziel und Mittelpunkt hat, mit dem heutigen Tage ab. Aber es ist ein Abschluß voll tiefer Beziehungen für die ganze folgende Geschichte, von einem Reichthum der Belehrung über das, was nachher kommen sollte, die bis zu dieser Stunde an ihrer Bedeutung nichts verloren hat, und der wir darum unsre ganze Aufmerksamkeit jetzt schenken wollen, indem wir davon reden:

wiefern die Geschichte der Weisen aus Morgenland in unsrem Texte ein prophetisches Ereigniß war; sie war dies aber

  1. als vorbildliche Enthüllung des Rathes Gottes über die gesammte Heidenwelt;
  2. als ein Zeugniß für die Stellung, welche Israel in diesem Rathe einnimmt;
  3. als ein bedeutsamer Wink über die Natur des Reiches, dessen König dort begrüßt ward. -

Dir, Herr, ist Niemand gleich! Du bist groß und Dein Name ist groß und kannst es mit der That beweisen. Wer sollte Dich nicht fürchten, Du König der Heiden! Ja, Du hast mit Thaten Deines Namens Ehre in der Welt bewiesen und thust es immerdar. Oeffne uns die Augen für die Wunder Deiner Wege! Heilige unsre Betrachtung, zu der wir auf dem Grunde Deines Wortes heute uns anschicken, und mache unser Herz getrost in Deiner Wahrheit, die von Alters her bezeugt ist und immer neu vor unsern Augen sich bewährt. Segne uns dazu diese Stunde um Deines Namens willen! Amen.

I.

Die Geschichte der Weisen vom Morgenland ist ein prophetisches Ereigniß, denn sie enthüllt uns in einem Vorbild den Rath des Herrn über die gesammte Heidenwelt. Es ist zwar keine neue Offenbarung, die dadurch gegeben wurde, sondern nur Bestätigung und Anfang der Erfüllung einer alten, oftmals wiederholten. Aber daß sie der Herr so rasch und augenfällig an die Geburt des Herrn Jesu selbst sich beinahe unmittelbar anschließen läßt, ist ein Zeichen, wie ernst es Ihm mit jenem Rathe ist, und wie Er nicht säumen will, ihn schleunigst auszuführen. Denn daß die Heiden Miterben des Segens sein sollten, der in Christo dem Volke des alten Bundes aufging, daß Gott nicht bloß der Juden, daß Er auch der Heiden Gott sei, und auch über sie Gedanken des Friedens habe, das mußte, wer der Schrift kundig war, vor Alters wissen; ist doch schon in der Grundverheißung an Abraham gesagt, daß in seinem Samen alle Völker gesegnet werden sollen, und ist es doch nur Erneuerung dieser längst bezeugten Wahrheit, wenn Gott durch des Propheten Mund zu Seinem auserwählten Boten spricht: „Es ist ein Geringes, daß du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und das Verwahrlosete in Israel wieder zubringen; sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, daß du seiest mein Heil bis an der Welt Ende“ (Jes. 49, 6); oder wenn derselbe Prophet seinem Volke zuruft: „Die Heiden werden in deinem Lichte wandeln und die Könige im Glanze, der über dir aufgeht. Die Menge der Kameele wird dich bedecken, die Läufer aus Midian und Epha; sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen“ (Jes. 60, 3. 6.). Durch eine einseitige Verbindung dieser Worte mit der Geschichte unsres Textes hat man aus den Weisen des Morgenlandes Könige gemacht, die aus verschiedenen Gegenden der Heidenwelt bei der Geburtsstätte des Herrn sich zusammengefunden hätten, während der Text sie unzweideutig als Männer von priesterlicher Abkunft aus den Ländern im Osten Palästinas zu erkennen gibt. Aber das ist richtig, daß derselbe Herr und Gott, der jene Weissagungen gegeben hatte, nun auch die Erstlinge der Heiden herbeigeführt hat, um den Anfang der Erfüllung Seines Wortes zu machen und allen, welche darauf achten wollten, zu bezeugen, daß es am Fortgang und verheißenen Ende sicherlich nicht fehlen werde.

Aber bezeichnend ist die Art, wie Er den Weisen die Nachricht kundgegeben hatte, der sie folgten, bis sie Jesum sahen.

Ein Stern war ihnen erschienen, in dessen Ausgang sie das Zeichen des Ereignisses begrüßten, das ihnen Gott durch diesen Stern auch in der Thai anzeigen wollte. Wir können hier uns nicht verbreiten über die Bemühungen sternkundiger Gelehrten, das Wunder dieses Ausganges zu erklären. Wäre zu unsrer Erbauung dieses naturgeschichtliche Verständnis nöthig, so hätte uns die Schrift die Mittel zu demselben angegeben. Aber es genügt uns zu wissen, was geschehen ist; das wie? zu erforschen, mögen die versuchen, welche sich dazu berufen halten. Nur so viel ist aus dem Begebniß klar: für's Erste, daß eine Erwartung rege war bei jenen Weisen, die ihnen das Verständniß des gegebenen Zeichens möglich machte. Sie mußten wo anders her von einem Könige, der in Israel geboren werden sollte und auch sie angehe, wissen; es mußte diese Kunde ihr Gemüth ergriffen und mit Sehnsucht, daß sie sich wahr erweisen möchte, erfüllt haben; sie mußten aus Zeichen aussehen^ wann und wo doch das Erwartete geschehen werde, und das hoffende Verlangen, die Achtsamkeit des sehnenden Begehrens schärfte den Blick ihres Geistes, daß sie, erleuchtet durch de n Geist von oben den erscheinenden Stern in Verbindung bringen konnten mit dem Gegenstande ihrer Hoffnung, und nicht als Zweifelnde, sondern ihrer Sache ganz gewiß und sicher nur noch ausgingen, das Geschehene mit eigenen Augen zu betrachten und anbetend zu bewundern. Aus vielen Wegen konnte die Hoffnung Israels auch ihnen bekannt worden sein; aber die Gnade Gottes, welche aus das kommende Heil sie vorbereiten wollte, hatte die Kunde davon befestigt in ihren Herzen, daß sie ihnen nicht verloren ging, und bediente sich nun ihres äußeren Berufes und ihrer sonstigen Beschäftigung, um aus dem Weg derselben das Zeichen der Erfüllung ihnen zuzuwenden. Sternkunde war ihre Wissenschaft, mit der sie umgingen von ihre n Vätern her, die sie übten als einen religiösen Dienst; die Sterne zu deuten und aus ihren Bewegungen zu schließen auf Begebenheiten der Geschichte, gehörte zu ihrem priesterlichen Amte und Berufe. Soviel auch dabei Irriges und Falsches unterlausen mochte, so wenig wir aus ihrem Versuch, in den Sternen die menschlichen Geschicke zu lesen, berechtigt sind, den Schluß zu ziehen, daß Gott auch uns auf diese Weise Seinen Willen offenbaren werde: das bleibt stehen, und das ist die zweite Wahrheit, auf die wir dabei achten müssen, daß Gott zu ihrer hergebrachten Anschauung sich herabgelassen und gleichsam in der Sprache, welche sie verstanden oder wenigstens glaubten zu verstehen, zu ihnen geredet hat, um sie auf Christi Ankunft und Erscheinung, deren Erwartung schon zuvor geweckt war, hinzuweisen und auf den Eintritt derselben aufmerksam zu machen. Denn wenn gleich völlig wahr ist, was Paulus sagt, daß Gott alle Heiden hat vor Christo wandeln lassen ihre eigenen Wege, so schließt das doch nicht aus, daß Er auf diesen ihren Wegen ihnen nachgegangen ist, und sie also gelenkt hat, daß sie zu einer Schule der Vorbereitung werden mußten auf die Offenbarung Christi. Daher erklärt sich das vielfach bezeugte allgemeine Warten der Völker in den Tagen Jesu auf die Offenbarung eines Heilands, von dem sie nur nicht wußten, wie, woher er kommen sollte. Darum mußte unter Gottes Leitung allenthalben der ererbte Glaube an die väterlichen Götter zu Grunde gehen, und die Forschungen der Weisen im Abendland und Morgenland zu Fragen führen, welche sie nicht lösen konnten, die aber für die Lösung, die in Christo kommen sollte, sie empfänglich machten und der Thätigkeit christlicher Heilsverkündigung ein weites Feld eröffneten, das nur des göttlichen Samens wartete, um ihn begierig aufzunehmen und schnell zur Blüthe und zur Frucht zu bringen. Dies gnädige Walten Gottes in der Heidenwelt wird auch in jenem Stern der Weisen uns versinnlicht und in einem Bilde vorgeführt. Das Warten der Völker wird vor uns aufgedeckt in dem Verhalten jener frommen Männer, und der Stern, den sie gesehen, ist die göttliche Bestätigung, daß ihr Warten Freude werden sollte. Denn das Heil Christi ist bestimmt für alle; Er ist der König Zions, dem auch die Heiden zum Erbe gegeben sind und der Welt Ende zum Eigenthum. Als solcher wird Er in unsrem Texte erkannt und begrüßt, und das ist das erste, was wir aus ihm merken und verstehen sollen. -

II.

Aber die zweite vorbildliche Weissagung unsres Textes betrifft die Stellung Israels, welche sick bedeutsam darin ausspricht. Denn so groß die Erwartung und so bestimmt die Hoffnung der Weisen war, so hell der Stern in ihr verlangendes Gemüth hinein schien: ohne die Hülfe Israels würden sie dennoch das Ziel, das sie suchten, nicht gefunden haben. Denn nur im Worte Gottes redet Gottes Geist zu unsrem Geiste also klar und unzweideutig, daß er vermag sein eigenes Sehnen zu begreifen und die Wege der Erfüllung zu verstehen und sicher zu behalten. Aber dies Wort war Israel vertrauet; von ihm mußten es die Völker holen. Schon die Erwartung jenes Königs der Juden, den die Weisen suchten, war von Israel ausgegangen und hatte sich von ihm aus verbreitet in die Heidenwelt. Aber auch als Er geboren und das Zeichen des Geschehenen den Weisen gegeben war, konnte nur das Wort des Herrn ihre Schritte zum erwünschten Ziele wirklich lenken. Nach Bethlehem wies sie nicht der Stern, sondern der Ausspruch des Propheten Micha, den die Schriftgelehrten kannten und dem Könige Herodes auf seine Frage nicht verhielten, das weissagende Wort nämlich: „Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mit Nichten die kleinste unter den Fürsten Juda, denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei.“ Als sie dies Wort gehöret hatten, machten sich die Weisen auf, das Kind in Bethlehem zu suchen, und der wieder erscheinende Stern besiegelte ihnen, was sie aus ihm allein und ohne das Wort nicht vernommen hätten. Das aber war Israels Beruf, das Wort des Herrn zu bewahren für das ganze menschliche Geschlecht und an die Völker mitzutheilen zu rechter Zeit. Denn „von Zion sollte das Gesetz des Höchsten aufgehen und des Herrn Wort von Jerusalem,“ Nichts ist unwahrer und unwürdiger als jene oft gehegte und ausgesprochene Vorstellung von dem Gott der Juden, der gegen die andern Völker fremd oder gar feindselig sich verhalten haben sollte. Wohl hat Er Israel erwählt zum ersten Volke seines Bundes, zum Träger Seiner Offenbarung, zum Bewahrer Seiner Geheimnisse, zum Zeugen Seiner Wahrheit; aber Er hat es dazu von Anbeginn erwählt zu Nutz und Frommen für die ganze Welt. Es sollte die Fackel sein, die alle Völker einst erleuchten werde, der Heerd, von dem die Flamme göttlicher Erkenntniß und Begeisterung hinausgetragen werden sollte unter alle Heiden. Darum wird es von allen ausgeschieden und mit Strenge abgesondert, damit es nicht sein Kleinod und sein Gut an sie verliere vor der Zeit und der Zusammenhang der Offenbarung abgerissen und unterbrochen werde durch seinen eigenen Abfall und Vermengung mit den Heiden; aber dazu hat es auch wiederum der Herr zu seiner Zeit hinausgeworfen und zerstreut unter alle Heiden, damit es auf alle die ersten Keime der Erkenntniß, die entscheidende Bekanntschaft mit dem Rath des Höchsten, die ahnende Erwartung dessen übertrüge, was auch für sie geschehen und kräftig werden sollte. Nur so verstehen wir die Führungen des Herrn mit Seinem auserwählten Volke, wenn wir sie betrachten in dem Licht des göttlichen Endzweckes, der das Heil der ganzen Welt von Anfang an zum Ziele hatte. Darum thaten die Weisen recht, sie konnten gar nicht anders, als in Jerusalem nachfragen nach dem, was sie suchten. Denn wo das Wort des Herrn war, nur da war auf ihre Frage die rechte Antwort möglich, und sie ist ihnen auch zu Theil geworden.

Aber noch eine andre Seite der Stellung Israels sehen wir aus unsrem Texte im Bilde. Wohl wußten der Hohepriester und die Schriftgelehrten, wo Christus geboren werden sollte; aber als sie hörten, daß es geschehen sei, „erschrak das ganze Jerusalem,“ statt sich im Glauben daran zu erheben; und wir lesen nicht, daß auch nur Einer von ihnen hingegangen sei, um mit den Weisen selbst das Kind zu suchen, dessen doch vor allen sie sich hätten freuen sollen. Die Kenntniß des Heils hatten sie, das Sehnen und Verlangen darnach finden wir in unsrem Texte bloß bei den Weisen. Das war ein bedeutsames Vorzeichen des vom Herrn in den Tagen Seines Lehramts ausgesprochenen und schon zu der Apostel Zeit vollzogenen Gerichtes, daß das Reich Gottes von Israel genommen und den Heiden gegeben werden sollte. Israels Schuld war es, daß es von dem Schatze göttlicher Erkenntniß, der ihm in die Hand gegeben war, keinen besseren Gebrauch zu machen wußte, als daß es andern damit diente, aber sich von dem Genuß und Antheil daran ausschloß. Aber der Rath des Herrn ging dennoch seinen stetigen ununterbrochenen Gang; er verwandelt auch das Böse in Mittel des Heils und der Rettung für die, die sich wollen retten lassen, und Israels Fall mußte der Welt Reichthum werden; denn in Folge des Verwerfungsurtheils, das es über sich hereingezogen hatte, drang das Licht der ihm vertrauten Offenbarung in die Heidenländer, wo es empfänglichen Sinn und den Durst und Hunger nach Erlösung vorfand, dem die Befriedigung verheißen ist. So sind die ersten zu den letzten worden, und die Heiden, die nicht haben nach der Gerechtigkeit gestanden, wie Paulus sagt, weil sie von ihr nichts wußten, weil sie ihnen nicht bezeugt war, haben die Gerechtigkeit erlanget, nämlich die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. Israel aber hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgestanden und hat die Gerechtigkeit nicht überkommen, weil es den Rath des Herrn verachtete, und wollte auf einem selbsterwählten Wege selig werden, auf dem es in seiner blinden Hoffahrt des Zieles nur verfehlen konnte. So stehet noch heute das Verhältniß. Das Licht der Offenbarung, das über Israel zuerst vor allen Völkern einst aufgegangen war, erfüllt mit seinem Glanze längst schon weithin das Gebiet gewesener Heiden, Und hat sie erhöhet und mit tausendfachem Ruhm und Zier geschmückt und sie zu Herrn dieser Welt gemacht, wie jetzt am Tage ist. Dagegen Israel wandelt heute noch im Dunkeln und harrt der Stunde, da auch ihm der Tag des Heils und der Erlösung aufgehen soll. Doch er wird kommen; die jetzt die letzten sind, sie können auch noch einst die ersten werden und sollen es nach der Propheten und Apostel Zeugniß; es soll auch das ganze Israel einst selig werden. Dessen laßt uns nicht vergessen, sondern dankbar den Segen brauchen, der von ihnen zu uns gekommen ist, und ihn also benützen, daß sie einst von uns ihn wieder nehmen können. Denn Gott hat Alles beschlossen unter den Unglauben, auf daß Er sich aller erbarme, sagt der Apostel. An Israels Unglauben sollen wir uns ein Exempel nehmen, um im Glauben vor Gott zu bestehen, und sollen mit unserm Glauben sie eisern machen, daß sie sich entschließen uns darin nachzufolgen, und also wieder eingefüget werden in den Bau der vollkommenen Gemeinde Jesu Christi, welcher allein Aller Heil und Leben war und ist und bleiben wird in Ewigkeit.

III.

Aber es liegt in unserem Texte noch schließlich ein bedeutsamer Wink über die Natur des Reiches, dessen König von den Weisen gesucht und begrüßt wird. In Jerusalem, der alten Königsstadt, fragen sie nach Ihm. Wo sollten sie auch sonst? Wird man nicht immer den König suchen, wo sein Sitz ist?

Aber diesmal waren sie doch fehlgegangen, sofern sie meinten, Ihn selbst dort zu finden. Sie müssen in das kleine Bethlehem Ihm nachziehen; dort weilt Er in ärmlicher Umgebung, ein König ohne allen äußeren Glanz und Zierde, ein König in Niedrigkeit und Armuth, ein König, von dem sein eigen Volk nichts weiß, obwohl Er schon in dessen Mitte sich befindet; der gleichwohl treue Unterthanen hat, aber sie theilen mit Ihm das Gepräge der äußeren Niedrigkeit; die Welt kennt sie nicht und ihre Namen haben keinen Klang in ihren Ohren, Wie müssen die Weisen überrascht gewesen sein bei diesem Anblick! Auf wundersamem Wege waren sie ausgezogen, wunderbar war ihr Führer, der sie bis hieher geleitet hatte; aber das größte Wunder sollten sie am Ziele sehen: ein königliches Kind, den Erben des Thrones Davids, einen Herrn über Alles, bei welchem von der Stunde seines Eintritts in die Welt an sich das Wort als wahr erweiset, daß Er nicht eigen hat darin, wo Er sein Haupt hinlegen könnte. „Selig, wer sich nicht an Ihm ärgert!“ Diese Seligpreisung ging an den Weisen in Erfüllung. Aber daß es mit Seinem Reiche eine andere Bewandtniß haben müsse, als mit allen ihnen sonst bekannten, das konnten sie unmöglich sich verbergen. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt,“ das hat Er mit Seinem Munde einst bezeugt, das hat Er auch durch die That von Seinem ersten Schritt in's Leben an bewiesen. Wohl hat Er ein Zeichen aufgepflanzt, um das sich alle Seine Diener schaaren. Kämpfer und Krieger sind sie alle; es ist eine Heeresmacht, die Er um Sich versammelt. Aber Sein Zeichen ist das Kreuz; die Waffen Seiner Diener sind das Gebet, der Glaube, das Wort der Wahrheit, die Geduld, die Demuth, das Zeugniß eines guten Wandels in der Furcht des Herrn; und ihre Schlachten schlagen sie mit ihrem eigenen Fleisch und Blut, mit den Versuchungen der Welt und ihres Fürsten. Die Welt verachtet sie und wird doch stets durch sie gesegnet; den Haß, der auf sie fällt, vergelten sie mit Liebe. „Dafür, daß ich sie liebe,“ können sie mit ihrem Meister sagen, „sind sie wider mich. Ich aber bete.“ Aber ohne Ausenthalt und Stillstand zieht der Herr die Kreise Seiner Herrschaft immer weiter, fügt immer neue Namen zu den Auserwählten, die Ihn kennen und auf Seine Güte hosten, und wandelt diese Erde, die voll Schuld des Abfalles und voll Greuel sündlichen Verderbens ist, in einen Schauplatz rettender Thaten Gottes um, um deren willen Er sie endlich vom Fluch des Todes und der Eitelkeit befreien und verklären wird zur Stätte und zur Wohnung der Herrlichkeit des Herrn im ungebrochenen Glanze ihrer ganzen Segensfülle. Das ist der Weg, den dieser König geht mit Seinem Reiche. Deßwegen ist Er arm in diese Welt gekommen, damit Er durch Seine Armuth sie reich mache; und wie seine Herrlichkeit verborgen war und erst am Ende Seiner Laufbahn offenbar ward vor den Augen derer, die Ihn im Glauben ihren Herrn genannt und Ihn geliebt hatten, ehe sie Ihn sahen im Lichte der Verklärung: so hat die Kirche den Beruf, Ihm nachzuwandeln in der Unterwürfigkeit demüthigen Glaubens; auch ihre Herrlichkeit wird offenbar am Ziel; jetzt aber muß sie mit Ihm leiden, damit sie dereinst mit Ihm herrschen könne, wenn das Wesen dieser Welt vergehet.

Doch ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß nicht schon jetzt die Schätze dieser Welt ihr dienen müßten, soweit sie deren zum Bestehen bedarf. Bedeutsam dafür sind die Dank- und Liebesopfer, welche die Weisen vor dem Kinde ausbreiten und zu Seinen Füßen legen. Denn „sie fielen nieder und beteten es an und thaten ihre Schätze auf und schenkten Ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen.“ Sie gaben, was sie hatten, das Beste ihres zeitlichen Besitzes. Sie wußten nicht, wozu es bald schon dienen mußte, als Joseph und Maria sich zur schnellen Flucht genöthigt sahen, und fanden in den Geschenken der Weisen sich die Mittel dazu schon gegeben. Gott hatte sie in ihre Hand gelegt. So sorgt Er aber stets für das Bedürfniß Seiner Kinder. Denn Sein ist beides, Silber und Gold. Viel Eitelkeit und Hoffarth wird damit getrieben, viel Sünde hängt sich an den zeitlichen Besitz; er nährt die Habsucht, weckt den Neid, vergiftet Sinn und Wandel, befleckt Worte und Thaten. Aber wo der Herr seiner bedarf, um Seine Heilsgedanken auszuführen, da heiligt Er ihn auch zu Seinem Dienst und weckt die Herzen, daß sie besseren Gebrauch davon zu machen wissen, als ihn im Joch der Selbstsucht zu verzehren. Die Liebe Christi macht uns willig, von dem, was Sein ist, Ihm auch freudig Opfer darzubringen, dieweil wir wissen, daß wir uns selbst Ihm schuldig sind. Nie hat es noch in Seinem Reich gefehlt an dem, was es an Geld und Gut bedurfte, um zu bestehen und zu wachsen und sich auszubreiten. Nur wo die Liebe und der Glauben ausging, da fing der Mangel an; dann aber drohte auch die Gefahr, daß Er den Leuchter des Evangeliums von seiner Stätte wegstoße, um an einem besseren Orte ihn aufzurichten, wo es treuere Bekenner, dankbarere Verehrer finde.

Geliebte in dem Herrn, es ist von lang her Brauch gewesen, am heutigen Tage von dem Werk der Mission zu sprechen. Der Brauch hat guten Grund; die Erstlinge der Heiden erinnern uns an die Menge ihrer Brüder, die noch draußen in Finsterniß und Todesschatten sitzen. Sie auch herbeizuführen zu dem Licht der Gnade ist des Herrn Wille, und die Ihm dazu dienen sollen, das sind Seine schon berufenen und erwählten Jünger, das ist die Christenheit, so weit und breit sie ist; dazu bist auch du mit berufen, du Gemeinde Christi! Daß du nickt arm bist, wenn du geben willst, das hast du oft bewiesen. Wohlan! so höre auch den Ruf der fernen Heiden, die nicht zum Licht des Lebens kommen können, wenn Niemand ist, der ihnen davon Kunde bringt. Du kannst nicht selbst hinaufgehen, um das Licht der Wahrheit ihnen vorzutragen; aber was du kannst, sollst du thun: mithelfen, daß es Andere ihnen bringen. Dazu bist du verpflichtet durch die Gnade deines Gottes, der auch dich zu Sich gezogen hat, da du noch ferne von Seinem Lichte warest. So schließe jetzt dein Herz nicht zu vor dem Bedürfniß deiner Brüder, weder der fernen noch der nahen, und bedenke, wie viel du Tag für Tag und Jahr für Jahr den Dienst der Eitelkeit dir kosten lässest, der dir nichts einbringt, keinen Dank und keinen Segen. Aber die Frucht des Glaubens und der Liebe, welche du in Gottes Dienst stellst, bleibt dir ewig. Von allen andern Schätzen, die die Weisen dort besessen haben mögen, spricht kein Mensch mehr; sie sind vergangen sammt denen, die sich je daran erfreuten. Aber das Gold, der Weihrauch und die Myrrhen, welche sie zu Jesu Füßen legten, sind noch heute nicht vergessen und Gott gedenket ihrer ewiglich. So lerne auch du deinem zeitlichen Gut eine ewige Bedeutung sichern. Aber ewig ist das Reich Christi, deines Herrn, und die Seelen, die durch deinen Dienst und deine noch so schwache Hülfe zu Ihm eingeladen werden. Sie sind Ihm alle lieb und werth. Darum sammle dir mit deinen Schätzen hier auf Erden einen Schatz, der dich noch in der Ewigkeit erfreut, indem du deinem Herrn die Erstlinge und Zehnten davon darbringst zur Vollbringung Seines Gnadenwillens. Was dein armer Leib bedarf zum Leben, das kann und wird Er dir gewähren und dir segnen. Was Er von dir bedarf, das darfst du Ihm nicht weigern; und du kennst Sein Wort: „Gebet, so wird euch gegeben, ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssiges Maaß wird man in euern Schooß euch geben; denn eben mit dem Maaß, da ihr mit messet, wird man euch wieder messen.“ So höret, was des Herrn Mund zu euch redet! Amen. -

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