Bullinger, Heinrich - Von rechter Hülfe und Errettung in Nöthen.

Bullinger, Heinrich - Von rechter Hülfe und Errettung in Nöthen.

Eine Predigt aus dem h. Evangelio Matthäi dem 14. Kap. gehalten in Zürich am 12. Juli 1552. Besonders nütze zu dieser Zeit, in so schweren Gefahren Deutschlands, zu lesen.

(Die Zeitverhältnisse betreffend ist zu bemerken: Moritz von Sachsen, mit Frankreich verbündet, war bereits gegen Kaiser Carl. V. aufgebrochen, hatte ihn aus Innsbruck verscheucht und fand sich eben vor den Thoren von Frankfurt am Main ein, woselbst der jugendlich kecke Georg von Mecklenburg ans Stadtthor klopfte und seine Kühnheit mit dem Tode büßte. Noch hatte der Krieg seinen Fortgang; Alles schwebte im Ungewissen; erst zu Ende Juli’s kam der Passauer Vertrag zu Stande.)

Der heil. Apostel und Evangelist Matthäus schreibt im 14. Kapitel seines heil. Evangeliums V. 22-33 wie folgt: „Und alsobald nöthigte Jesus seine Jünger in das Schiff zu steigen und vor ihm hinüber zu fahren, bis er das Volk entließe. Und nachdem er das Volk entlassen, stieg er auf den Berg für sich zu beten; und als es Abend geworden, war er allein daselbst. Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und litt Noth von den Wellen; denn der Wind war entgegen. Aber um die vierte Nachtwache ging Jesus zu ihnen, und wandelte auf dem See. Und da ihn die Jünger auf dem See wandeln sahen, erschraken sie und sprachen: Es ist ein Gespenst! und schrieen vor Furcht. Jesus aber redete alsobald mit ihnen und sprach: Seid getrost! Ich bin es: fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so heiß mich auf dem Wasser zu dir kommen. Da sprach er: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff, und wandelte auf dem Wasser, daß er zu Jesu käme. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er; und da er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr hilf mir! Alsobald aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind. Da kamen die in dem Schiffe waren, beteten ihn an und sprachen: „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“

Unter vielen andern Sorgen, wodurch der Mensch hier auf Erden geübt wird, sind vornehmlich zwei, die beinahe alle Menschen jämmerlich peinigen, und noch dazu, wenn man nicht die rechte Arznei dagegen findet, in Schande und Schaden, ja in ewiges Verderben bringen. Die eine ist die Sorge der Nahrung, wo wir Speise und Trank, Kleidung, Dach und Gemach finden und bekommen, da wir mehrtheils besorgen, es sei nicht genug vorhanden zu unserm Unterhalt auf Erden. Die andere Sorge ist die um Hülfe und Errettung aus den Gefahren und Unfällen, in welche alle Menschen täglich gerathen, da wir immerdar sorgen, wir müssen so verderben, daß uns Niemand helfen wolle noch könne. Die erste Sorge, wenn sie die Oberhand gewinnt, bringt den Menschen in viel Sünde und Schande, in Geiz, in Lügen, in Diebstahl, in Mord, in Wucher und dazu auch öfter in Völlerei und allerlei Unreinigkeit. Das sieht und erfährt man täglich aus mancherlei Beispielen und Erfahrungen. Die andere bringt die Menschen, die sie überwältigt, in greuliche Laster, und so weit, daß Etliche sich vermessen zu sagen: Wenn mir der Teufel helfen könnte und wollte, so nähme ich’s an und ließe mir helfen. Viele laufen in ihren Krankheiten und Trübsalen zu den Lachsnern, Besegnern, Wahrsagern, Teufelsbeschwörern, Hexen und Schwarzkünstlern, deren Rath und Hülfe begehrend. Solches thun sie wider den wahren Glauben, wider das Gelübde der heiligen christlichen Taufe und wider alle göttlichen und billigen Gesetze. Da sie doch wohl wissen sollten, daß man mit dem Teufel nichts soll zu schaffen haben und deshalb aller vorgenannten verbotenen und verworfenen Personen, die mit dem Teufel verkehren, sich entschlagen. Denn es läßt sich nicht damit vertheidigen, daß Viele sprechen: Die Noth ist groß, der Kranke würde gern gesund und, wer in Nöthen ist, erlöst. Denn obgleich allerdings Armuth und Hunger eine große unleidliche Noth ist, so folgt doch nicht daraus: Mich hungert und ich muß zu essen haben, nehm ich’s, wo ich’s finde, raube und stehle. Denn es gibt andere Mittel, die Speise zu bekommen, als mit Unehren, wie uns ja in Gottes lauterem Wort für alle Anliegen ein bestimmter Bescheid gegeben wird von der Hülfe und Errettung in Nöthen, wobei klar und ausdrücklich wie des Teufels, so auch sonst alle unziemliche Hülfe und Rettung von Gott selbst verboten wird.

So gibt denn unser Herr und Gott, der treue Vater hier in diesem 14. Kap. zwei gar köstliche Arzneien wider die beiden genannten Sorgen. Zum ersten wider die angsthafte Sorge um Nahrung, um Speise und Trank und um Alles, was der Mensch zu seiner leiblichen Nothdurft bedarf, zeigt er uns hier Jesum Christum seinen Sohn, ja er stellt uns diesen vor unsere Augen, doch nicht mit leeren Händen, sondern mit der Fülle seines göttlichen Segens. Denn hier speiset und sättiget er mit fünf Broten und zwei Fischen bei fünftausend Männer ohne Weiber und Kinder, deren wohl auch eine beträchtliche Zahl war. Damit will uns der Herr belehren, daß wir der angsthaften, peinlichen Sorge nicht bedürfen, weil er uns speisen könne und wolle auch da, wo wir hoffnungslos weder sehen noch ahnen mögen, wie er uns nähren werde. Dieser Gott hat sein Volk Israel, das an Seelen ohne Weiber und Kinder bei 600.000 Mann stark war, in der Wüste vierzig ganze Jahre speisen und erhalten können, daß ihm an Essen, Trinken, Kleidern und Herberge und an Allem dem, was sie vonnöthen hatten, gar nichts mangelte. Das hält er uns auch trostweise vor, 5. Mos. 8. Eben derselbe Gott speiset und erhält auch hier in der Wüste viele tausend Menschen, da doch weder Hoffnung noch Mittel zu ihrer Speisung vorhanden waren.

Du sprichst: Was kann ich mich aber deß trösten, daß vor etlich tausend Jahren dort in der Wüste und vor fünfzehnhundert Jahren auch hier einmal in der Wüste eine große Volksmenge von Gott wunderbar gespeist und erhalten worden ist? Solche Zeit ist nicht mehr, so hab’ ich auch nichts desto mehr in meinem Bauch, jetzt gilt eine ganz andere Rechnung als damals. Antwort: Was vorher geschrieben worden, spricht Paulus, das wird uns zur Lehre und zum Trost vorher geschrieben, auf daß wir durch den Bericht der Schriften Hoffnung empfangen. Also sind uns diese Geschichten von dem durch Gottes Güte in der Wüste gesättigten Volke auch zum Troste geschrieben, damit wir wissen, daß auch uns Gott nicht minder denn jenen gnädig sein und allen unseren Mangel ersetzen wolle. Dazu ist kund und offenbar, daß das Zeichen mit den fünf Broten nicht nur einmal geschehen ist, sondern daß gleiches jährlich geschieht. Denn wer kann leugnen, daß der Bauersmann im Herbst mit einem Sack oder fünf Samenkorns auf das Feld hinausfährt und es in den Acker sät, in der Ernte aber das, was er auf demselben Felde schneidet, kaum mit zehn Lastwagen wieder hinein in die Scheunen fährt. Dessen zu geschweigen, wie Gott mit seinem Segen dann auch das schafft, daß das Korn aus dem Stock und aus den Garben, auch aus der Mühle wohl ergibt, und schon wenig Brot gut sättigt. Wirkt denn Gott nicht alle Jahre gleiche Wunder wie vor Zeiten? Du säest keinen Wein in deinen Weingarten, und dennoch schafft Gott, daß aus dem dürren Holz der gute und liebliche Wein hervorwächst und die Menschen erfreut. Ebenso speist er uns auch mit allerlei Obst. Ich meine, ja, das heiße noch heute zu Tage so, wohl wie vor 1500 Jahren das Volk in der Wüste sättigen. Wer wollte aber nicht hieraus lernen, Gott dem Gewaltigen und Treuen wohl vertrauen? weil er doch alle Stunden dem Menschen so viel Gutes beweist. Lese, wer Lust hat, den 104. Psalm, wie David die Gutthaten Gottes so herrlich lobt, die allen Zeiten und Menschen zu Theil werden.

Das Alles aber hat auch nicht die Meinung, daß wir gar nichts thun und warten sollen, ob uns Brot in den Mund regne. An dem Beispiel des Volkes und des Herrn lernen wir, was unsere Pflicht und Schuldigkeit ist, oder was wir thun sollen. Das Volk folgt dem Herrn nach, hört gern und fleißig sein Wort, harrt bei ihm begierig aus bis auf den Abend, ohne allen Verdruß. Da klagt nicht Einer über den fernen Weg oder die Versäumung seiner Arbeit oder die Gefahr seines Hauses, die er, während er der Predigt nachlaufe, bestehen müsse. Sie alle waren willig. Also sollen auch wir vor allen Dingen von ganzem Herzen Gottes Reich suchen und gottesfürchtig das Wort Gottes willig und ernstlich hören und nicht darüber klagen. Der Herr Jesus betet, sagt Gott Dank, bricht das Brot und theilt es aus, heißt auch das Uebriggebliebene sammeln und behalten. Darum sollen auch wir beten und Gott treulich und ohne Aufhören anrufen, daß er uns wolle fruchtbare Zeiten und gute Witterung geben, uns vor Ungewitter behüten und verleihen, daß wir seine Gaben recht brauchen und erkennen, wie wir sie von ihm allein haben. Wir sollen auch Gott Lob und Dank sagen für seine Gaben, wenn er uns seinen Segen verliehen hat, nicht allein, so man essen will und gegessen hat, sondern auch am Morgen, am Abend und zu allen Zeiten. Darneben sollen wir geflissen die Arbeit thun, die uns Gott geboten hat, gerne nach unserm Vermögen dem Dürftigen mittheilen, mäßig und bescheiden Gottes Gaben gebrauchen, häuslich sein und zusammen halten, daß nichts verloren gehe. Denn verschwenden und prassen, und verwüsten oder verwahrlosen ist eine große Sünde und wider des Herrn Wort, der hier die Bröcklein und Ueberbleibsel sammeln und aufheben heißt. Das ist die rechte Arznei wider die erste Sorge, die Nahrungssorge, und wenn wir sie annehmen, werden wir nicht lügen, trügen, stehlen, wuchern oder rauben, sondern fromm sein, Gott wohl vertrauen, beten, arbeiten, häuslich sein und hiermit Gott walten lassen. Wer aber solche Arznei nicht annehmen, sondern schnell reiche werden will, der fällt in viel schädliche und schändliche Versuchungen und in des Teufels Stricke und in ewiges Verderben, wie das vom h. Apostel Paulus erklärt wird in der ersten Epistel an Timotheus im 6. Kapitel.

Wie aber der Herr der Nahrungssorge nicht allein mit guten, süßen Worten, sondern auch mit der That gesteuert hat, so wird er jetzt auch die andere Sorge um Hülfe und Errettung in Nöthen mit kräftiger That stillen. Denn an der That, die uns das heil. Evangelium vor Augen stellt, werden wir lernen, daß Jesus Christus unser Herr und Heiland allmächtig ist, Herr im Himmel und auf Erden und in allen Elementen, und deßhalb uns zu helfen vermag, ja auch uns helfen und erlösen will aus allen unsern Anliegen, so man anders ihn dafür hält, an ihn glaubt und ihm vertraut.

Veranlassung zu dieser tröstlichen Handlung war, daß der Herr seine Jünger in das Schiff treibt und ihnen, wie der h. Marcus erzählt, gebietet, über den See, gen Bethsaida zu schiffen, da er durch göttliche Voraussicht wohl wußte, was sich auf dem See zutragen würde. Daraus lernen wir den Ursprung aller unserer Gefahren, Trübsale und Nöthen erkennen. Gott, unser Herr, ist der gewaltige, herrliche Gott Zebaoth d.i. der Gott der Heerschaaren. Denn wie ein mächtiger König seine Heerzeuge hat, und darin Diener, Waffen und Rüstungen von allerlei Nationen, die er wider seine Feinde braucht oder sonst seine Befehle auszurichten, also hat unser Herr und Gott als der gewaltigste König, ein Heer des Himmels und der Erde, viele tausend Engel, gute und böse, alle Elemente, Feuer, Wasser, Wind, Witterung, viel hundert tausend Menschen, ja alle Fürsten auf Erden, allerlei Thiere, Rachen und Plagen und den Tod selbst. Diesen gebietet er, und sie sind ihm gehorsam, alles das sorgfältig auszurichten, was er sie heißt und wozu er ihnen Kraft gibt. Die könnte er zwar so regieren, daß sie dem Menschen zum Guten dienten und gar keinen Schaden thäten. Das geschieht aber nicht immerhin, sondern Gott richtet sein Heerzeug oder einen Theil davon wider den Menschen, ihn schädigen zu lassen. Und er thut dies aus heiligem, gerechtem Gericht.

Denn entweder will er die Seinen gnädig versuchen, ihnen Anlaß geben, ihren Glauben zu üben und zu bewähren, und also den Herrn zu verehren, damit sie von ihm wiederum geehrt werden; wie denn dem heil. Gottesdiener Hiob widerfuhr. Als er um all sein Hab und Gut kam und in der größten Trübseligkeit steckte, sprach er nicht (wie die Leute meistens thun): Gott hat’s gegeben, der Teufel hat’s genommen, sondern: Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s auch genommen. So sagt der Herr selbst (Joh. 9 und 11.), daß den Menschen Krankheiten auferlegt werden, wodurch der Name und die Ehre Gottes an den Tag kommen und gepriesen werden. Oder Gott schickt Kreuz und Leiden, gestattet bösen Geistern und Menschen, daß sie großes Uebel den Menschen zufügen zur Bestrafung ihres Ungehorsams und großer Sünden und Schandthaten. Also wurden Sanherib und Nebukadnezar Diener Gottes genannt und wider Jerusalem geführt. Deshalb wenn wir in Kriegs-, Wassers-, Feuersnöthen, in Theurung, Ungewitter, in Krankheiten und großen Leiden sind, sollen wir mehr sehen auf den Schöpfer aller Dinge, als auf die Geschöpfe und Mittel, die der Schöpfer als ein Herr der Heerzeuge braucht. Wir sollen bedenken, daß unser sündiges Leben eine solche Ruthe von Gott wohl verdient hat, auch daß Gott mit solchen Mitteln uns züchtigen und wieder zu sich bringen möchte, oder daß er unsern Glauben erforschen, seine Gnadenhand uns bieten, ja uns herrlich machen will. So hat er hier seine Jünger auf das Wasser getrieben, um ihren Glauben zu bewähren, und daneben seine gnädige Hülfe ihnen zu beweisen, ihnen und allen gläubigen Menschen zum Trost, daß sie in allen andern Trübsalen ihr Leben hindurch daran gedächten und desto getroster auf Gott vertrauen lernten. In solcher Erkenntniß Gottes und seiner Absichten findet der Mensch erst ein gutes Fundament der Geduld in allen Leiden.

Nachdem aber die Jünger in das Schiff gestiegen und vom Land hinweg geschifft waren, entließ der Herr das Volk freundlich und schied von ihnen, weil sie ihn wie Johannes im 6. Kap. bezeugt, zum König machen wollten. Er ging aber für sich allein an den Berg hinauf um zu beten, und verharrte da in seinem Gebet bis um die vierte Nachtwache, d.i. fast bis an den Morgen. Mit diesem seinem Beispiel lehrt er uns, wenn uns gleich Ehre und Anderes zufallen wollte, was uns nicht geziemte oder gebührte, so sollen wir dieß keineswegs annehmen. Ferner, wenn uns Nahrung, Hab und Gut zu Theil wird, wie denn das Volk hier vom Herrn wunderbar gespeist worden, so sollen wir dabei bescheiden sein, uns hüten vor allem Pracht und Hochmuth, ja wir sollen ohne Unterlaß beten, daß uns Gott Gnade gebe, seine Gaben recht zu seiner Ehre, zu unserer Nothdurft und des Nächsten Wohlfahrt zu gebrauchen, daß uns Gott nicht lasse durch diese irdischen, zeitlichen Schätze die himmlischen und ewigen verlieren. Es soll aber unser Gebet beharrlich sein und inbrünstig.

Aber, wendest du ein, wie kann ich nichts thun denn beten? Ich muß arbeiten und Anderes auch thun. Antwort: Kannst du doch arbeiten und etwa ein üppiges Lied dazu singen oder Unnützes schwatzen? Kannst nachsinnen und nichts desto minder deine Geschäfte thun? Also kannst du auch wohl einen Psalmsingen und Gutes oder Nützliches reden und nichts desto weniger auch deine Sache schaffen. Du kannst Gott in deinem herzen haben und nichts desto weniger thun, was du thun sollst. Wenn du auch nicht das Vaterunser oder einen Psalm förmlich oder von Wort zu Wort betest, so sprichst du doch in deinem Thun und Lassen: Herr, hilf mir, Herr, behüte mich, Herr, erbarme dich meiner! Herr, weiche nicht von mir, Herr, gib mir deine Gnade u. dergl. Denn Beten ist ein Erheben des Herzens zu Gott und ein Gespräch mit Gott. Wenn du dann auch Zeit und Gelegenheit hast, förmlich zu beten, so magst du und sollst du das heil. Vaterunser und andere dergleichen Gebete ordentlich thun und aussprechen, es geschehe nun in der Kirche (wie denn ein jeder Christenmensch zu seiner Zeit die Kirche besuchen soll), oder daheim in deinem Hause, oder wo du rechte und zum Gebet geschickte Gelegenheit findest.

Jetzt wollen wir sehen das Wunderwerk Gottes, wie die geliebten Jünger Christi in große Angst und Noth kamen und wieder daraus erlöst wurden, damit wir auch lernen auf rechte Hülfe und Rettung hoffen in allen unsern Nöthen.

I.

Die Geschichte mag in vier Theile abgetheilt werden. Der erste Theil begreift und stellt uns vor Augen die Gefahr der Jünger Christi und wie große ihre Angst gewesen. Das beschreibt uns der heil. Evangelist darum so genau, damit wir unsre Noth mit dieser Angst vergleichen und Trost empfangen, wenn wir sehen, wie weit es der Herr auch mit seinen lieben Jüngern kommen läßt, so daß es uns minder wundern darf, wenn es auch uns bösen Menschen zuweilen übel ergeht. Die Jünger waren jetzt mit dem Schiffe mitten auf den See gekommen, wo sie sobald weder ein Gestad noch einen Hafen erreichen mochten. Da ergreift sie der Wind, ja der Gegenwind so gewaltig und stark, daß er den See auftreibt, die Wellen in das Schiff schlägt, ja dasselbe dermaßen überwältigt, daß sie im Schiff nichts Anderes vor sich sahen als den grausamen Tod. Und diese ihre letzte Noth wurde noch dadurch vermehrt und verschärft, daß es kein Ende nehmen wollte und es dunkle Nacht war. Denn die Gefahr dauerte nahezu die ganze lange Nacht. Die Nacht wurde bei den Alten in vier Wachen eingetheilt, davon zwei vor und zwei nach Mitternacht. Um die vierte Nachtwache, gegen drei oder vier Uhr morgens, da erst kam der Herr sie zu erlösen. Und obschon er kam und ihnen seine Ankunft hätte Trost bringen sollen, verursache sie ihnen doch noch größern Schrecken. Denn sie waren in der Noth so verwirrt und erschrocken, daß sie den Herrn für ein Gespenst ansahen, und also ihre Noth noch größer und bitterer wurde.

Hier ist nothwendig, daß ich die Hauptsache ein wenig ruhen lasse, und vorerst etwas von den Gespenstern sage. Daß Gespenster seien und erscheinen, hat nie Jemand leugnen könnten noch mögen als die Sadducäer, die, wie der heil. Lucas zeugt (Ap. 23.), sagten, es gebe weder Engel noch Geister. Was aber die Gespenster seien, wird nicht gleichmäßig von den Gelehrten ausgelegt. Die Gelehrten, die gerne viel Geld von den Seelen lösten und darum das Fegfeuer, wovon die erste apostolische Kirche gar nichts wußte, tapfer einheizen, schreiben und sagen, es erscheinen den Menschen die Seelen der Abgestorbenen, Hülfe und Erlösung von ihnen zu begehren, und das seien zum Theil die Gespenster, die etwa von Menschen gesehen werden. Aber wenn wir die Artikel unsers wahren alten heiligen Christenglaubens eigentlich erwägen, so finden wir, daß man von den Seelen der Abgestorbenen viel Besseres urtheilen soll: nämlich, daß alle, die in wahrem christlichem glauben dahin scheiden, das wirklich erlangen, was sie glauben, weil doch der Herr im heil. Evangelium so klar spricht: Dir geschehe nach deinem Glauben; und: Alles ist dem Gläubigen möglich. Nun glauben sie aber Ablaß oder Verzeihung der Sünden, Auferstehung des Leibes und ein ewiges Leben. Darum erlangen sie auch Verzeihung der Sünden, Auferstehung des Leibes und ewiges Leben. Dagegen wer solches nicht glaubt, der ist verdammt, wie denn unser Herr es ausdrücklich ausspricht, Marci im 16. und Johannis im 3. Kap. wohl zum dritten und vierten Mal. Daraus folgt unwidersprechlich, daß alle die Seelen deiner lieben Vorfahren, so in wahrem Glauben verschieden sind, nirgend anderswo als in der Ruhe, im Himmel sein können; denn die Sünde allein scheidet uns von Gott und wirft uns in die Pein. Nun haben sie aber geglaubt die Verzeihung der Sünden. Darum schadet ihnen die Sünde nicht nach ihrem Tode, noch müssen sie der Sünde wegen von Gott geschieden Noth leiden oder hin und her im Elend wandeln. Denn sonst wären ihnen die Sünden nicht verziehen. Was wäre dann der Glaube oder wie würde erfüllt, was sie geglaubt haben? Nein, die Gläubigen sind unzweifelhaft im ewigen Leben, und nach ihrem leiblichen Tod nicht hier im Elend (Verbannung) oder dort in Pein. Und hinwieder ist auch das unwidersprechlich, daß aller Ungläubigen Seelen nirgend anderswo als in der Pein und ewigen Verdammniß sind, von wannen sie nimmermehr zu uns heraus kommen, wie der Herr gleichfalls im Evangelio bezeugt, wo er von der Seele des reichen Mannes in der Hölle spricht (Luc. 16.). Der Herr verbietet uns auch in seinem Gesetz, die Wahrheit von Todten zu erforschen (5. Mos. 13.). Darum wandeln hier auf Erden keine Seelen der Menschen, weder der Gläubigen noch der Ungläubigen. So hält es auch der heil. Bischof Johannes Chrysostomus in der 29. Predigt über das Evangelium Matthäi.

Wenn Etliche aus dem ersten Buch Samuel dem 28. Kap. die Erweckung Samuels von den Todten durch die Hexe zu Endor dagegen vorwenden, so war dieß in Wahrheit des Teufels Gespenst und nicht Samuels Seele. Es sei ferne von uns zu glauben, daß der Teufel durch seine Werkzeuge, Schwarzkünstler und Hexen Gewalt habe über die Seelen der Seligen, sie nach seiner Lust aus der Freude und Seligkeit zu ziehen oder zu rufen und sie nach seinem Gefallen dahin zu stellen, wo er will oder seine gottlosen Diener begehren. Daß aber die, welche den Samuel auferweckt hat, eine Hexe war, sagt die Schrift ausdrücklich. Wenn daher die Schrift den Samuel nannte, meinte sie nicht den rechten Samuel, sondern den, der sich in Samuels Gestalt verwandelt hatte, das war der Teufel, der sich auch, wie Paulus bezeugt (2. Cor. 11.) in einen Engel des Lichtes gestalten kann. So hat auch St. Augustinus an Simplicianus und an andern Orten von dieser Auferweckung Samuels geurtheilt und vielfach mit guten Erläuterungen erwiesen, daß es nicht Samuel war.

Gott gebraucht, wie schon bemerkt, gegen die Menschen den Dienst der guten und bösen Geister oder Engel. Oft schickt der Herr den Seinen seine lieben Engel zu, die ihnen so oder anders erscheinen und den Befehl Gottes mit Zusprechen, Warnen und auf allerlei Weise und Weg ausrichten, wie man davon viele und klare Beispiele in beiden Testamenten findet. Wer solche Erscheinungen hat, der danke Gott und schicke sich in den Willen Gottes. Zuweilen läßt sich der böse Geist hervor in Gestalt von Engeln oder Seelen oder dieses oder jenes verstorbenen Menschen, daß die ihn sehen nicht anders meinen, als sähen sie den Todten. Das thut das böse Gespenst, die Menschen zu versuchen, zu verführen und zu äffen; so sagt es auch klar der heil. Chrysostomus. Der Gläubige soll dagegen wachen, fest im Glauben beharren und sich vom Teufel und seinem Gespenst nicht äffen oder verführen lassen. Verachte den Feind, glaube seinem Vorgehen nicht, halt’ überall nichts auf ihn und sein betrügliches Gespenst, so wirst du erfahren, daß er mit Schanden weicht: oder bleibt er auch und poltert und tobt, so mag er dir doch nicht schaden, dein Schutz, Trost und Schirm steht fest genug in Christo Jesu, der dich erlöst und den Teufel überwunden hat. Es begibt sich auch etwa, daß Schwarzkünstler, Teufelsbeschwörer und Segner Gespenster zurichten, um die Menschen zu verführen. Wie denn kund und offenbar ist, wie die Predigermönche in Bern einen Geist oder ein Gespenst vorstellten, weßhalb sie auch von der Obrigkeit zum Feuertod verurtheilt wurden. Zuweilen ist es Huren- und Bubenvolk, das, seine Buhlerei mit einander zu treiben, die einfältigen Leute im Haus auf dem Wahne läßt, es gehe bei Nacht ein Geist oder ein Ungeheuer um im hause. Ein solcher Geist wäre gut mit Geißeln zu beschwören. Manchmal sind es sonst listige Leute, die ihre Abentheuer unter der Gestalt eines Spukgeistes oder Gespenstes treiben. Solche Bübereien sind schon öfter entdeckt und bestraft worden. Ein ander Mal betäubt uns großer Schrecken und überschwängliche Furcht, daß wir uns überreden, wir sehen weiße Frauen und schwarze lange Männer; wie sich etwa die Trunkenen auch einbilden, etwas zu sehen, wo nichts ist, oder bloß andere Leute, und weder Gespenster noch Ungeheuer. So wie hier die Jünger den Herrn für ein Gespenst ansehen, der doch nichts weniger war; aber so waren sie von Angst und Noth erschüttert, daß Matthäus sagt: Sie schreien vor Furcht! So viel von Geistern und Gespenstern.

Kehren wir jetzt wieder zu der Hauptsache zurück, d.h. zu der großen Angst und Noth der geliebten Jünger Christi. Die sollen wir nicht allein ins Auge fassen, sondern damit vergleichen alle unsere andere Angst und Noth, Wassers- und Feuersnoth, Armuth, Theurung, Hunger und Elend, allerlei Kummer und Leid bei dir und den Deinen, allerlei Krankheiten und Plagen, Aufruhr, Verrätherei, Mord, Krieg und Gefängniß, ja alles, was dich je zuweilen bedrängt. Denn solchen Trübsalen sind wir Alle und unser ein Jedes besonders unterworfen. Dergleichen verhängt und sendet der heilige gerechte Gott über uns, der auch hier das schwere Ungewitter über seine Jünger kommen und sie lange darin kämpfen läßt. Sie zeigen keine Ungeduld, sie murren nicht wider den Herrn, sie schelten einander nicht, als ob der oder dieser daran Schuld habe. Also sollen wir auch in unsern Nöthen thun. Meistens aber thun wir das Gegentheil, murren wider Gott, geben diesem und jenem die Schuld und sagen, dergleichen habe noch kein Volk und kein Mensch je erlitten wie wir. Wie lange will mich doch Gott im Bett haben? Wie lang wird doch die Theure und die Hungersnoth währen? Wann will uns doch Gott der schweren Kriege abhelfen? Wie lange wollen die rohen, unbarmherzigen, gotteslästerlichen, räuberischen Kriegsleute uns auf dem Halse liegen, biedern Leuten ihre Weiber und Kinder schänden und den Armen Alles verderben und wegnehmen? Es möchte doch das Mordgeschrei zu Gott aufsteigen! Nun wohlan, du siehst, daß den lieben Jüngern Christi die Weile lange werden mußte, ja daß diese Nacht ihnen nicht anderes als ein steter Tod war. Wie viel frömmer aber waren sie denn wir! und was leiden wir, das wir nicht vielfach verdient hätten? Wie böse, schändlich und unbußfertig sind wir doch! Oder wie wenig bessern uns die Plagen, von denen wir doch sehen und bekennen müssen, daß sie Gottes Plagen sind, von ihm um unserer Sünden willen über uns ausgeschüttet! Was haben wir uns denn über unsere Nöthen zu klagen?

Du sagst: Die Jünger haben nur eine Nacht gelitten, wir leiden Jahr und Tag, und ist unsers Leidens doch kein Ende. Aber deiner Büberei, deines Gotteslästerns, Hurens, Ehebrechens, hoffärtigen Lebens, Fressens, Saufens, Spielens, Wucherns und anderer Laster ist auch kein Ende. Haben wir aber kein anderes Beispiel langwährender Noth, als nur das einzige der Jünger mit der Nacht in Wassersnöthen? Lesen wir nicht auch im Evangelio (Matth. 9.), daß ein armes Weib ihre Krankheit zwölf ganzer Jahre getragen, ja all ihr Hab und Gut verarznet, und dennoch keine Hülfe gefunden noch Linderung empfunden hat? Lesen wir nicht im h. Evangelio (Luc. 13.), daß ein anderes armes Weib achtzehn Jahre lang lahm und dermaßen krumm war, daß sie ihr Haupt gar nicht aufrichten konnte? Ich halte dafür, das seien schwere, langwierige Leiden, ja überaus große Angst und Noth gewesen. Lesen wir nicht im Evangelio (Joh. 5.), daß ein armer, lahmer Mann krank gelegen und erst nach 38 Jahren vom Herrn gesund gemacht ward? und in den Geschichten der h. Apostel (Ap. 3. und 4.), daß ein armer Bettler, der bei 40 Jahren lahm gewesen, erst da geheilt wurde? Wer will nun unserm Herrn und Gott ein Ziel bestimmen, wann er kommen und uns helfen solle? Lasset uns denn freiwillig und geduldig seiner gnädigen Hand uns unterwerfen, wie der Herr uns ja auch gelehrt hat beten: Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.

Unser Murren und ungeduldiges Verlangen macht uns wahrlich aus einem Leiden zwei, bringt uns auch in Schande, Sünde und Schmach. Denn wer Gottes Hülfe und Hand nicht erwarten mag und sich selbst zu helfen unterfängt, der schickt nach dem Teufelsbeschwörer, ein Anderer hebt etwas anderes Ungebührliches an, Etliche machen sich auch elendiglich leiblos. Ezechias macht ein Bündniß mit dem König Egyptens wider Gott (Jesai. 30.). Also beginnen wir allerlei, was wider Gott ist und wodurch uns dennoch nicht geholfen, ja unsere Sache je länger je ärger wird. Denn es thut es schlechterdings nicht, wenn wir vor der Zeit, d.i. bevor es dem Herrn gefällt, aus der Noth entweichen oder mit Gewalt uns heraus reißen wollen. Kurz der Wind und das Ungewitter auf dem See stillten sich nicht, bis der Herr wollte und gebot. Da erst hörte alles Ungestüm auf. Mitten im Sturm aber sah der Herr wohl, wie Marcus sagt, daß sie im Rudern Noth litten. Es sieht und weiß der Herr unsre Angst, Arbeit und Noth wohl, ob wir es gleich nicht meinen, daß er etwas von unserm Leiden wisse. Er wird auch wohl zu rechter Zeit kommen und helfen; nur lasset uns demüthig und geduldig auf seine Hülfe und Rettung warten mit Anrufung seines Namens und beharrlichem Gebet, auch mit Schickung unsers Wandels in seinen Gehorsam; denn er verläßt Niemanden.

II.

Im andern Theil dieser Geschichte vernehmen wir, wie der Herr seinen Jüngern zu rechter Zeit geholfen und sie aus aller Noth erlöst hat. Daraus lernen wir erkennen die rechte Hülfe und Errettung in allerlei Aengsten und Nöthen, wer denn helfe und wie wir uns verhalten sollen, damit uns geholfen werde.

Niemand hilft in Nöthen als nur der einige Gott durch unsern Herrn Jesum Christum. Denn wer helfen soll, muß das Vermögen und den Willen haben zu helfen; diese beiden Stücke müssen beisammen sein. Wer zu helfen vermöchte, aber keinen Willen zu helfen hat, oder wer zwar einen guten Willen zu helfen hat, aber nichts vermag, wird gar nichts ausrichten können. Der Herr aber, unser Erlöser Jesus Christus, ist allmächtig und gar gutwillig, hat uns Menschen sehr lieb, besonders die in Nöthen sind, ja er mag uns wohl glauben und ein Mitleiden haben mit unsern Schwachheiten, dieweil er, wie Paulus spricht (Hebr. 2. und 4.), in gleicher Noth mit uns hier auf Erden ist geübt und versucht worden. Dann ist auch kein besserer, mächtigerer und gutwilligerer Nothhelfer in allen unsern Anfechtungen, denn eben unser Herr Jesus, dem ja der Vater alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben hat, wie er auch sein wahrer Sohn, gleicher Ehre und Herrlichkeit und nach Wesen und Gewalt Eins mit ihm ist. Darum zeugen die h. Evangelisten so vielfältig von seiner Kraft und Macht, die er thatsächlich in den wichtigsten Fällen bewiesen hat. Er reinigt die Sondersiechen, heilet allerlei Gebrechen und Krankheiten, also, daß auch die grausamsten Plagen, an deren Heilung jedermann verzweifelt, von ihm mit Einem Worte vertrieben werden; er erweckt die Todten, er verzeiht die Sünden, er treibt die Teufel aus und wirkt Wunder, dergleichen auf Erden nie mehr gehört worden.

Solche Wunderthaten und Zeichen stehen und zeugen vor der ganzen heiligen christlichen Kirche viel heller und augenscheinlicher als die Tafeln und Briefe, Krücken und Bänder, die hin und her in vielen Kirchen hangen und die Menschen reizen oder berufen, Hülfe zu suchen bei den Kreaturen und stummen Bildern. Warum gelten die Wunderzeichen Christi in der ganzen heil. christlichen Kirche nicht so viel, geschweige denn mehr bei dir, als die auf Tafeln gemalten, die in den steinernen Kirchen hangen, aber aus vielen Ursachen verständigen Leuten zweifelhaft sind? Gegen die Wunderzeichen Christi kann kein Verständiger Zweifel erheben, noch Mängel daran finden. Sie sind gewiß und wahrhaft, keine bloßen Gemälde in steinernen Kirchen aufgehängt, sondern beglaubigt und gepredigt durch die Zeugen der Wahrheit, die heil. Apostel und Evangelisten in der heil. christl. Kirche, da sie jetzt noch schriftlich und mündlich als wahrhaftig bezeugt werden, nicht um die Menschen zu den Kreaturen zu weisen, die weder helfen können noch wollen, ja noch viel minder um Geld mit ihnen zu sammeln oder zu gewinnen, sondern alle Menschen zu bewegen, daß sie zu Christo dem rechten Nothhelfer laufen, allerlei Güter von ihm zu empfangen, der mancherlei Gebrechen geheilt und damit bezeugt hat, daß er alle Anliegen, alle Wünsche und Anfechtungen aller derer, die zu ihm kommen, zu berathen, zu stillen und zu heben vermag, und dafür nichts von uns annehmen, sondern Alles frei und umsonst schenken will. Deßhalb stellt der h. Prophet Jesajas nicht ohne große Ursache aller Welt den Herrn vor, der also redet (Jesaj. 55.): „Wohlan, ihr Alle, die ihr dürstet, kommet zum Wasser, und ihr, die ihr kein Geld habet, kommet, kaufet, daß ihr zu essen habet; kommet und kaufet Wein und Milch ohne Geld und ohne Werth. Warum gebet ihr Geld aus für das, was euch nicht speiset, und eure Arbeit für das, was nicht sättigt? Lieber, höret mir zu und folget mir, so werdet ihr das Beste essen, und eure Seele wird an dem Fetten Lust haben. Neiget eure Ohren und kommet zu mir; merket auf, so wird euere Seele leben.“ Darauf bezieht sich jetzt, was unser Herr zur Erklärung dieser prophetischen Worte geredet hat (Matth. 11.): „Alle Dinge sind mir von meinem Vater übergeben, und Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater, und auch den Vater erkennt Niemand als nur der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren. Kommet zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken und Ruhe geben. Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig, so werdet ihr Ruhe finden für euere Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Darum her, her zu dem Herrn Christo komme alle Welt, es kommen zu ihm Alle, die in Aengsten und Nöthen sind; er ist mächtig und freundlich, er kann und will auch gern Allen denen reichlich helfen, die zu ihm kommen. Wahrlich, wenn du einmal zu dem Herrn selbst kommst und seine süße Vollkommenheit empfindest, wirst du in Ewigkeit keinem andern oder bessern Trost und Helfer nachfragen. Denn an ihm allein wirst du genug haben und ganz und gar ersättigt werden; so lange du noch andern nachfragst, hast du den Herrn noch nicht recht empfunden.

Der Herr kommt jetzt zu seinen Jüngern und wandelt auf dem Wasser. Daß er aber auf dem Wasser wandelte und nicht unterging, war ein kräftiger Beweis, daß er über das Wasser Macht hatte. Gleichwie er vor Zeiten das rothe Meer und den Jordan wie eine Mauer aufstellte, in Babylon dem Feuer in dem brennenden Ofen seine Kraft verhielt, daß es die drei Gesellen nicht versehrte, auch den Löwen ihren Rachen und Grimm verschloß, daß sie Daniel nicht schaden mochten. Solcher Wunder gibt es unzählige, die uns groß und unmöglich scheinen, aber dem Allmächtigen gar leicht sind und uns auch bezeugen in unsern Nöthen, daß, wenn der Herr will, ihm nichts unmöglich ist und er aus aller Noth erretten kann.

So mangelt es auch durchaus nicht an dem guten Willen unsers Herrn Jesu Christi. Keine größere Liebe wird gefunden, denn die er zu uns getragen hat und noch trägt. Er ist aus dem Himmel zu uns herab gekommen in dieses Elend, er hat unsre Schwachheit, unser Fleisch und Blut an sich genommen und mit der Gottheit vereinigt, er hat sich um unsertwillen in den schmählichen und bittern Tod des Kreuzes gegeben, nur um uns vom Tod, ja vom ewigen Tod, von der Sünde und Hölle, vom Teufel und aller seiner Gewalt zu erlösen und uns ihm zu eigen zu gewinnen. Wie könnten wir denn zweifeln an seinem guten geneigten Willen gegen die Menschen? Lesen wir nicht im Evangelio, daß er allezeit gütig gesinnt war gegen Alle, die zu ihm flohen und seiner Hülfe begehrten? Er verstieß nicht und wies nicht von sich ab die Zöllner und offenbar lasterhaften und sündigen Menschen (Luc. 15.). Denn er hat zu sich aufgenommen Matthäus, Zachäus, jene laut verschreite Sünderin, den elenden Mörder am Kreuz (Matth. 9. Luc. 19. 7. 23.). Darum vertrauen wir nur unserm Herrn Christo fest und unzweifelhaft, so wir ihn anrufen um Hülfe und Heil, und was für uns gut ist und zum Besten unserer Seele dient, wird er uns nicht versagen, sondern wie ihm Alles möglich ist, so wird er uns gutwillig helfen. Hilft er nicht, so ist es ein gewisses Zeichen, daß die Hülfe uns nicht nützlich und heilsam ist. Denn er hat uns immer lieb und will uns von Herzen wohl. Er stellt sich wohl hier, wie er dem Schiffe naht, an, als wolle er vorüber gehen und sich ihrer nichts annehmen. Aber, wenn der Herr mit der Hülfe verzieht, so thut er es, damit unser Glaube desto inbrünstiger werde und der Bedrängte je länger je mehr zu ihm schreie. Wie das augenscheinlich bei dem kananäischen Weibe zu sehen ist (Matth. 15.). Denn daß er sonst willig und bereit sei zu helfen, beweist er damit, daß er seinen Jüngern, die in größter Noth und Angst Mord und Jammer schrieen, tröstend zurief: Seid getrost! ich bin es, fürchtet euch nicht! Er heißt sie getrosten Muthes sein, ihm Gutes zutrauen und ihn nicht so sehr fürchten. Warum? Ich bin’s. Als ob er spräche: Ich, euer Herr, Meister, Erretter, euer Schutz und Schirm, euer Schatz und einziges vollkommenes Gut, ich, euer Erlöser und Helfer, bin’s, ich kann und will euch helfen; das glaubet mir und darum fürchtet euch nicht!

Merke denn, daß er von Allen, die in Aengsten und Nöthen sind, Vertrauen fordert, d.i. wahren Glauben. Durch den Glauben ergeben wir uns in Christo an Gott, als an den einigen Nothhelfer und Brunnquell alles Guten, bei dem wir allein alles das finden, was wir bedürfen, und der uns auch gern alles das geben will, was uns nützlich und heilsam ist. Deß sollen wir uns zu Gott versehen und ihm alles Gute zutrauen in unsern Nöthen, damit uns geholfen werde. Denn der Herr spricht im 50. Psalm: Rufe mich an in der Zeit der Noth, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen. In der ganzen heiligen Schrift wird uns kein anderer Weg zur Hülfe gewiesen; dessen sollen wir uns gerne behelfen. Weil wir aber ungeachtet der heiligen evangelischen Lehre den Geschöpfen mehr denn dem Schöpfer nachlaufen, Gott wenig vertrauen und ungleich den Heiligen Gottes und unserm wahren christlichen Glauben zuwider nicht bei Gott allein alles Gute in allen unsern Anliegen suchen, so sind wir mit allerlei Noth umgeben, finden wenig Hülfe, ja vielmehr Zunahme und Mehrung der Uebel. So bekehre sich doch ein Jeder zu dem Herrn Christo, rufe mit Vertrauen ihn an um Hülfe und Rath, um Erleichterung und Errettung, und es wird uns gewiß nicht fehlen; denn er spricht auch jetzt noch zu uns wie einst zu seinen Jüngern: Seid getrost und wohl zu Muth, ich bin’s fürchtet euch nicht! – Darum lasset uns zu Christo, von dem wir Christen heißen, fliehen in allen unsern Anliegen, in Krankheiten, in Anfechtungen, in Theurungen, in Hungers-, Todes-, Krieges-, Wassers- und Feuersnoth. Niemand ist doch mächtiger und williger zu helfen, und außer ihm kann und mag uns niemand helfen.

III.

Man findet aber kleinmüthige Leute und deren nicht wenige, die sprechen: Es ist wohl wahr, der Herr verheißt Hülfe und Rettung in allen Nöthen, aber deß kann ich armer Mensch mich wenig trösten. Er heißt wohl zu ihm kommen, wer macht mich aber gewiß, daß er gerade auch mich insbesondere gemeint habe, daß, wenn mir für meine Person oder für die Meinen etwas am Herzen liegt, auch ich zu ihm um Hülfe und Rath laufen dürfe. Damit nun solcher Zweifel und solches Mißtrauen gänzlich dahin falle, sehen wir im dritten Theil dieser Geschichte, wie der Herr Christus nicht bloß mit dem ganzen Schiffe handelt, oder insgemein mit allen denen, die auf dem Schiffe eine gläubige Kirche waren, sondern auch noch besonders und allein mit Petrus. Damit will er dir kräftig und thatsächlich beweisen, daß er nicht allein der allgemeinen Kirche, sondern jeglichem Gliede der Kirche, ja einem jeden Hülfsbedürftigen, also dir und mir, sofern wir anders seiner Hülfe mit Glauben und vertrauensvollem Anrufen begehren.

Als nämlich Petrus mit Freuden und aus Liebe, doch mit etwas unbestimmtem Gemüthe zum Herrn sprach: Herr, bist du es, so heiß mich zu dir auf das Wasser kommen, also daß mich wie dich das Wasser trage, antwortet der Herr. So komm her. Darauf stieg Petrus aus dem Schiff und wandelte auf dem Wasser dem Herrn entgegen. Als aber ein scharfer und starker Wind dem Petrus unter Augen wehte, erschrak er und begann zu zweifeln, ob der Herr bei der Hand wäre und ob er aufrecht bleiben könne. Damit fing er auch an unterzugehen und in den See zu sinken. In dieser Noth rief er alsbald zum Herrn und schrie: Hilf, o Herr, und erhalte mich! Und der Herr verzog nicht lange mit seiner Hülfe, sondern streckte seine Hand gnädig und tröstlich nach ihm aus, zog ihn aus dem Wasser, stellte ihn darauf und führte ihn mit hinein in das Schiff.

Sieh diese tröstliche That soll dich und jeden Gläubigen dahin bringen, zu glauben, daß Gott nicht allein ein Heiland und Helfer der Menschen im Allgemeinen, sondern auch insonderheit dein Heiland und Helfer sein wolle, gleichwie er hier besonders des Petrus Heiland und Helfer ist und er gerade den Petrus darum aus dem Schiffe zu ihm auf den See berufen, um ihm insonderheit Hülfe zu erweisen und doch also zu überzeugen, daß er auch dir besonders Hülfe leiten wolle. Der heil. Geist wolle unser einem Jeden solch Vertrauen ins Herz gießen; denn ohne des Geistes Einkehr wird unsre Vernunft allein gar nichts hoffen.

Neben diesem Beispiele des Petrus bestätigen und versichern uns noch andere gute Gründe im heil. Geiste, daß Gott unser eines Jeden Gott, Trost, Heil und Hülfe sein will. Nämlich Gott hat einen ewigen Bund mit dem ganzen Menschengeschlechte aufgerichtet und unter Anderm zu Abraham gesprochen: Ich will dein Gott und deines Samens Gott sein. (Röm. 4. Gal. 3. Joh. 17). Da aber der heil. Paulus erklärt, daß alle und jede Gläubigen, es seien Juden oder Heiden, solcher Same Abrahams seien, so betet der Herr Christus auf dem Weg an den Oelberg, nicht weit vom Bach Kidron: Ich bitte nicht allein für die Apostel, sondern „auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden.“ Glaubst du denn der Predigt der Apostel, so ist Gott mit dir, wie Christus gebeten hat, wohl Eins. Wenn wir beten, sprechen wir in der Mehrzahl: Vater unser. Denn wir beten insgemein für Jedermann auf diesem ganzen Erdboden. Wenn wir aber den Glauben sprechen, sagen wir nicht in der Mehrzahl: Wir glauben an Gott – sondern ein Jeder spricht für sich selbst: Ich glaube an Gott, indem du so bekennest, daß Gott nicht allein ein allgemeiner Gott oder anderer Leute Gott, sondern besonders und eigentlich dein Herr und Gott, dein Trost, deine Hülfe und dein einiges vollkommenes Gut sei. Darauf weisen auch die heiligen, hochwürdigen Sakramente, die als von Gott gegebene Siegel und Briefe unser einem Jeden bezeugen, daß Gott sein Heil und unser eines Jeden besondere Hülfe sei. Darum redet der Diener der Kirche, der dich tauft, unterschiedentlich: Ich taufe dich Heinrich, Andreas, Thomas, Anna, Agathe, Margaretha in den Namen des Vaters u.s.f. Das heil. Nachtmal oder Sakrament des Leibes und Blutes unsers Herrn Jesu Christi ist nicht also vom Herrn eingesetzt, daß Einer allein dastehen und das Nachtmal insgemein für Alle, die hinter ihm stehen, genießen solle, da wir keine Gewißheit haben, wenn das Sakrament des Heiles nicht von unser einem Jeden insonderheit genossen wird, ob das Heil unser einem Jedem insbesondere zu Theil werde. Unser Herr Christus hat sein heil. Sakrament allen und jeden Gläubigen eingesetzt und gegeben und ausdrücklich gesprochen: Nehmet, esset – und auch zu dem Tranke oder Becher. Trinket daraus Alle. Er will, daß wir Alle und unser ein Jedes insbesondere von seinem Tische das Brot essen und sein Trank trinken, die wahrhafte Zeugnisse sind, daß der Leib Christi für uns dahin gegeben und sein Blut zur Abwaschung unserer Sünden vergossen ist, und daß er die rechte Speise und Trank, das ist, das Leben unserer Seelen sei. Und wenn unser ein Jedes einen Theil davon für sich nimmt und nicht für ein anderes, so bekennt es, daß Christus sein Erlöser ist, und daß die Güter und Gaben Christi aus Christi Gnaden sein eigen sind. Denn gleichwie das genossene leibliche Brot dein ist und deinen Leib speist, wie der Wein dich tränkt und erfreut, also wenn du an Christum glaubst und das würdige Sakrament empfängst, speist dich Christus, ist dien Leben und deine Freude, deine Erhaltung und Seligkeit. So haben wir das Bündniß der Taufe an unserm Leibe, die Speise von des Herrn Tische aber in unserm Leibe. Warum wollten wir denn zweifeln und nicht fest glauben, wie der Herr dem Petrus insbesondere geholfen, so werde er auch uns Allen und Jedem besonders in allem unserm Anliegen nach Seele und Leib helfen?

Da sollen wir aber, sage ich, recht und wohl auf den Herrn Jesum vertrauen und fest glauben. Petrus glaubt und wandelt auf dem Wasser. Denn Christus hat ihn geheißen auf dem Wasser gehen, und er glaubte den Worten Christi und ging in der Kraft Christi auf dem Wasser; aber bald kommt er in einen Zweifel und fängt an ins Wasser zu sinken. Sieh hier, wie kräftig der Glaube ist. An dem gläubigen Petrus geschieht das Wunder, das am Herrn auch geschehen war. Sieh aber auch gerade an diesem Petrus, wie gefährlich und böse das Zweifeln ist. Petrus beginnt im Glauben zu wanken, und mit diesem Wanken beginnt auch sein Versinken ins Wasser. Also siehst du, daß unser Zweifeln eine rechte Ursache vieler unserer Unfälle ist.

Du spricht: Das ist grade das Einzige, was mich allezeit ängstigt, daß ich nämlich empfinde, daß mein Glaube nicht so fest und inbrünstig ist, wie ich doch empfinde und erkenne, daß er sein sollte. Deßhalb besorge ich, daß ich wegen meines schwachen Glaubens bei dem Herrn wenig oder nichts erlangen werde. Antwort: War nicht Petrus in seinem Glauben auch schwach, ließ ihn aber der Herr darum ertrinken, weil er anhob zu sinken? Keineswegs. Denn weil er in seiner Schwachheit das Vertrauen nicht ganz dahin warf, sondern dabei laut und heftig schrie: Hilf, o Herr, erhalte mich! bot ihm der Herr eilends und unverzüglich seine gnädige Hand und zog ihn wieder aus dem Wasser hervor. Und obwohl er ihn seines Kleinmuthes, seiner Furcht und Schwäche nicht entgelten ließ, strafte er dennoch seinen Kleinglauben und sprach: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt! damit er fühlen möchte, daß er seine Rettung ganz und gar der Gnade und dem Erbarmen Jesu Christi zu danken habe. Ja damit wollte er uns lehren, daß, wenn wir die Blödigkeit unsers Glaubens empfinden, wir unsere Unvollkommenheit erkennen und Gnade begehren sollen, daneben aber nicht verzweifeln oder alle Hoffnung darum hinwerfen, weil wir noch Zweifel in unserm Fleisch wahrnehmen oder nicht so vollkommen glauben, wie wir wohl einsehen, daß wir glauben sollten. Dieß ist allen und jeden Menschen ein sehr großer Trost.

Denn es ist wohl zu merken, daß es zweierlei Zweifel gibt. Der eine ist in den ungläubigen Menschen, deren Gemüth dem schwankenden Meere gleicht, indem sie kein wahres Vertrauen auf Gott haben. Von diesen sagt der h. Jacobus, wer also zweifle, der soll nicht meinen, daß er etwas von Gott erlangen werde. Der andere ist in den gläubigen Dienern Gottes. Wenn diese schon mit wahrem Glauben von Gott begnadigt sind, behalten sie dennoch ihre angeborene sündige Art bis in das Grab. Daraus erwachsen Zweifel und allerlei Blödigkeit und Unvollkommenheit, die uns aber Gott des Glaubens wegen aus Gnaden nicht zurechnet. Sodann bleiben auch die Gläubigen nicht in ihrer Blödigkeit, sondern dringen immerdar nach Befestigung des Glaubens, lassen sich durch den Zweifel nicht überwinden, sondern bitten Gott um Mehrung des wahren Glaubens, und daß er ihnen gnädig sei.

Aber sie, die in den letzten Nöthen die Kranken elendiglich mit dem Fegfeuer trösten, die leiten die Menschen hier anders an. Denn sie sagen: Wenn der Mensch aus dieser Zeit durch den Tod abscheidet, so begibt es sich meistens, daß wegen menschlicher Furcht und Blödigkeit sein Glaube nicht so vollkommen ist als er sein sollte und daß Gott einen solchen Menschen nicht kann alsobald in den Himmel aufnehmen. Weil aber ein solcher Mensch dennoch einen Glauben hat, kann ihn Gott nicht in die Hölle versenken. Da muß jetzt ein Mittelort sein, an dem die Menschen zum Himmel gereinigt werden. Das ist das Fegfeuer, worin nämlich die Seelen gefegt, rein und sauber werden von der Unvollkommenheit, die im Tode übrig geblieben. Grade wie wenn unser Leiden so kräftig wäre, daß es uns von unsern Sünden reinigen könnte, oder als ob irgendwo ein Feuer wäre, das die Seelen reinigen möchte; da doch allein das Leiden und Blut Christi solche Kraft hat und zwar nicht in jenem, sondern in diesem Leben. Das ist wahrlich ein elender Trost, der den Menschen in seiner letzten Noth auf seine eigene Pein und sein eigen Verdienst und in das Feuer weist und richtet. Der Herr redet viel tröstlicher mit dem armen sündigen Mörder: Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du bei mir im Paradiese sein! Was aber die Blödigkeit der Gläubigen betrifft, so ist der Glaube an sich selbst in seiner Art und Natur als eine Gabe des heil. Geistes fest und unzweifelhaft. Daneben bleibt in uns auch und regt sich, wie so eben gesagt, unsere angeborene Blödigkeit und Schwäche, wodurch aber der Glaube nicht ganz ausgelöscht wird, so daß in Einem Menschen rechter Glauben vom Himmel und dennoch Kleinmuth von uns her, also in uns ein schwacher Glaube sein kann. Solcher blöder Glaube nun wird zwar vom Herrn gescholten und bestraft, aber darum der Kleingläubige doch nicht verworfen. Denn der Herr rechnet aus Gnaden unsre Unvollkommenheit und Schwäche uns nicht an, unsern Glauben, den Er uns gegeben hat, rechnet er uns zum Besten, d.i. er nimmt uns aus Gnaden ganz als seine Kinder auf, wie sich dies hier klar bei Petrus zeigt.

Und hierin liegt gar kein Widerspruch, so wenig als in den Sprüchen des Apostels Johannes: Wer aus Gott geboren ist, der sündiget nicht (1. Joh. 3,6) und wiederum: Wer da sagt, er sündige nicht, der lügt (1. Joh. 1.). Denn der Gläubige sündigt nicht zum Tode oder der Herr rechnet ihm die Sünde nicht zum Tode oder zur Verdammniß, obschon die Sünde nichts desto weniger Sünde ist und wäre, wenn sie der Herr suchen und zurechnen wollte. Es erkennen sich auch die Gläubigen als Sünder, wenn sie ihre Art und Natur erwägen und nichts desto minder auch für heilig und rein, wenn sie die Gnade Gottes und die Erlösung oder Reinigung durch Christum mit wahrem Glauben bedenken. Der h. Paulus spricht (Röm. 7. und 8.), er habe an dem Gesetze Gottes Lust nach seinem innern Menschen, er empfinde aber ein anderes Gesetz in seinen Gliedern, das dem Gesetze seines innern Menschen widerstreite und ihn dem Gesetze der Sünde gefangen nehme. Und dann dankt er dem Herrn Christo, der ihn erlöst und bewirkt habe, daß die Gläubigen in Christo keine Verdammniß zu fürchten haben, sofern sie nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln. Darum weil auch Petrus dem Unglauben nicht den Zügel ließ, sondern den wahren Glauben bewahrte und nach demselben wandelte, nimmt ihn der Herr auf, der ja den Gläubigen ihre Blödigkeit nie zugerechnet hat.

Unser Vater Abraham hatte wahren, rechten Glauben (Gen. 17.). Dennoch trug sich zu, daß er lachte und in seinem Herzen sprach: Soll mir hundertjährigem Manne noch ein Sohn geboren werden von einer neunzigjährigen Frau? Also lachte auch Sara bei sich selbst (Gen. 18.), da sie hörte, daß sie in ihren alten Tagen gebähren sollte, vermeinte auch, es wäre fast unmöglich. Dennoch siegte in ihnen der rechte, wahre Glaube. Im h. Evangelio Matthäi (Matth. 9. Marc. 5. Luc. 8.) beginnt auch Jairus beinahe zu schwanken, da er hört, daß seine Tochter schon gestorben sei. Der Herr aber sprach: Glaube du nur, so wird deine Tochter gesund. Im Evangelio Marci (Marc. 9.) schreit einer zu dem Herrn, der ihn fragte: glaubest du, daß ich deinem Sohne helfen könne? Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben. Da hören wir klar, wie in Einem Menschen Glaube und Unglaube waren; nicht, daß gar kein Glaube in ihm war, sondern daß er den Glauben, der in ihm, aber wegen seiner Schwachheit nur klein war, Unglauben nennt und begehrt, daß er demselben helfen, dabei ihm den Glauben mehren und auf seine Unvollkommenheit nicht achten wolle. Darum, wenn wir und unsere Vorfahren und Nachkommen im wahren heiligen christlichen Glauben dahin scheiden, dabei aber unsere Schwachheit erkennen und uns in die Gnade und Barmherzigkeit Gottes ergeben, so rechnet der Herr uns unsere Blödigkeit nicht an, setzt uns nicht erst in eine Fegfeuer, die Schwachheit abzufegen, (gerade als ob die Gnade Gottes durch das Blut Christi uns nicht hier im Leben allein habe reinigen und allen Rost abfegen mögen), sondern von dieser Zeit an nimmt er uns nach dem leiblichen Tode zu ewiger Freude und Seligkeit auf. Dies bestätigt auch der Herr im h. Evangelio, indem er klar ausspricht (Joh. 5.): Wahrlich, wahrlich ich sage euch, wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesendet hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode ins Leben hinübergegangen.

Höre auf die Worte Christi alle Welt und freue sich ihrer an ihrem letzten Ende! Der Herr sagt, der Gläubige habe das ewige Leben, und erklärt es, wie er es habe oder haben werde, nämlich, daß die Seele in kein Gericht, keine Klage oder Pein komme; sondern daß sie aus dem leiblichen Tode geraden Weges ins ewige Leben übergehe. Darauf dürfen wir uns verlassen, das ist gewiß und wahrhaft. Gott sei Lob und Dank in Ewigkeit!

Aus diesem Allem ist jetzt auch leicht zu verstehen, daß die Auslegungen, als ob Rom oder der Stuhl zu Rom St. Peters Schifflein sei, gar keinen gültigen Grund hat.

IV.

Der vierte und letzte Theil als der Beschluß dieser Geschichte begreift zwei Punkte. Der erste zeigt uns, wie das Ungewitter, sobald der Herr in das Schiff kam, sich legte. Daraus lernen wir, daß alle Ungewitter, alle Plagen, Krankheiten, Theurung und Krieg aufhören, sobald der Herr will und zu uns in das Schiff kommt. Darum wer Frieden, gute Witterung und des Herrn Segen, d.i. alles Gute für Leib und Seele begehrt, der nehme Jesum Christum auf in Stadt und Land. Will Jemand los werden der räuberischen, unreinen und gotteslästerlichen Kriegsleute und des grausamen, blutigen Kriegens, will Jemand, daß die theure Zeit zur wohlfeilen werde, Seuchen und Pestilenz oder andere Krankheiten aufhören, der nehme zu ihm Christum Jesum in sein Schiff, in sein Land, in seine Stadt und sein Haus. Wie nimmt man aber Christum auf? Wenn man sein Wort hört, fest an ihn glaubt, auf ihn vertraut und nach seinem Wort fleißig wandelt.

O wenn das ganze deutsche Land diesen Rath annähme und Christum recht einließe, wahrlich es würde in allen seinen Anliegen Hülfe und Trost empfangen! (Matth. 7.) Man läßt Christum nicht ein, wenn man bloß sein Wort predigen läßt, sondern wenn man seinem Wort von Herzen vertraut und sich nach des Herrn Wort zu leben befleißt, wie wir hier an seinen Jüngern ein schönes Beispiel haben. Obgleich noch schwach und furchtsam, vertrauten sie doch wohl auf den Herrn, und waren seinem Worte gehorsam. Der h. Prophet Jeremias lebte zu einer Zeit, die gleich der jetzigen mit großen Nöthen der Theurung und allerlei Lasten, besonders mit grausamen Kriegsläufen beschwert war. Er gab aber nie einen andern Rath, als daß man sich sollte von den Sünden zu Gott bekehren mit Besserung und ernstlichem Gebet. Dadurch und sonst auf keine andere Weise würden sie Frieden, Ruhe und Segen des Herrn erlangen. Auf keinem andern Wege denn allein auf diesem wird Deutsch- und Welschland Frieden und Ruhe bekommen. Wahrlich, wenn wir diesem Rathschlag, den uns Gott in seinem Worte gibt, nicht folgen, so werden wir zu Grunde gehen, mag die Welt auch reden und vornehmen, was sie wolle.

Der andere Punkt in diesem letzten Theil ist der Bericht, was die Jünger dem Herrn auf solche wunderbare Gutthat erzeigt haben, nämlich daß sie ihm zu Füßen gefallen, ihn angebetet und frei bekannt haben, er sei der wahre lebendige Gottessohn. Darum lasset uns jetzt auch Christum Jesum als den wahren lebendigen Gottessohn anbeten, anrufen und verehren, ihn als den alleinigen Heiland erkennen, ihm auch dienen, und also in Gottesfurcht dem Beispiel der heil. Apostel nachfolgen.

Niemand auf diesem ganzen Schiff ruft den h. Petrus an oder betet ihn an oder verehrt ihn als den Herrn, mit oder neben dem Herrn, darum, weil Gott jetzt ein so großes Wunder an ihm gewirkt hatte und er wie der Herr auf dem Wasser gewandelt war. Denn Alle im Schiff waren von dem heil. Geiste erleuchtet und konnten wohl erkennen, daß Petrus und so auch alle Gläubigen von Art und Natur schwache Sünder sind und darum alles Gute nicht von ihnen selbst, sondern von dem Herrn haben, als von dem Einigen, der allein die Vollkommenheit aller Gläubigen ist. Darum beten sie alle einhellig und auch Petrus mit ihnen allein Christum an und bekennen ihn allein, geben ihm allein alle Ehre. Da sollen wir abermal dem Beispiel der lieben Apostel folgen und auch also thun, wollen wir anders rechte Glieder der Kirche Gottes und andächtige Nachfolger des h. Petrus und der andern Jünger christi sein.

Gott gebe uns Gnade durch seinen lieben Sohn, unsern Herrn Christum, daß wir einmüthig all unser Anliegen vor ihn tragen, mit wahrem Glauben ihm anhangen und bei ihm Hülfe und Rettung finden in allen unsern Nöthen, und ihm dann dafür Dank sagen und treulich dienen! Amen.

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