Bullinger, Heinrich - Seelsorge mit Schwerkranken und Sterbenden

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Bullinger, Heinrich - Seelsorge mit Schwerkranken und Sterbenden

Bericht der krancken 1535

Als Seelsorger bei den Schwerkranken und Sterbenden seelsorgerlich handeln. In eigener Krankheit sich richtig verhalten, und sich zum Sterben vorbereiten. Kurzer und einfacher Leitfaden von Heinrich Bullinger.

JESUS

Das ist mein lieber Sohn, in dem ich versöhnt bin; auf ihn höret.

(Das ist min lieber Sun / in dem ich versüenet bin / jm sind gehörig. )

Matth. 17,5

1535

Für den Leser. Vorrede zu dieser Anleitung.

Eigentlich sollten wir das Wichtigste während unseres ganzen Lebens lernen: wie wir christlich und friedlich sterben können. Doch wir sind so nachlässig, wir armselige, verderbten Menschen, daß wir das um einer kleinen Zeitspanne willen bis zuletzt aufsparen. Ja, wer gut stirbt, hat den Sieges- und Ehrenkranz erlangt. Also: Wie und wodurch gelangen wir zu einem friedlichen Lebensende? Es ist die höchste Weisheit, sich dieser Frage zu stellen.

Es gibt manche Leute, die nur schon den Namen des Todes nicht hören können; sie meinen, damit ihre eigene Sicherheit zu erhöhen. Sie schreien mit den Worten des Propheten: „O Tod, wie ist es bitter, an dich denken zu müssen.“ Sir. 41,1. Sie lassen aber dabei aus, daß derselbe Prophet fortfährt: „Ja, für denjenigen Menschen ist es bitter, der in diesem Leben sein Vertrauen auf möglichst viel Hab und Gut setzt.“ Doch demjenigen Menschen, der sein herzliches Vertrauen auf Gott und auf das ewige Leben setzt, ist es anders zumute. Er denkt oft an sein Ende, hält die irdischen Belange für letztlich unwichtig, freut sich aber über die himmlischen. Darum hat Salomo gesagt: „Besser, in ein Trauerhaus zu gehen als in ein Haus der Gelage. Denn dort sieht man, wie alle Menschen enden; und wer Andere tot liegen sieht, denkt daran, wie es auch ihm ergehen wird.“ Im Schlemmerhause hingegen sieht man nichts als ein Durcheinander und Unrat, durch die der Mensch schlimmer wird, und es reizt ihn auf, Arges zu tun.

Wirkliche Christen sollen also nicht so empfindlich sein, daß sie den Tod nicht nennen hören wollen; oder so töricht, daß sie glauben sicher zu sein, wenn niemand vom Tod redet; oder so nachlässig, daß sie es bis zuletzt aufsparen, sich mit dem Tod zu befassen und sich auf jenes andere Leben vorzubereiten.

Paulus hat gesagt: „Wir haben hier keine Stätte zum Bleiben; wir suchen aber eine, die kommen und bleiben wird.“ Hebr. 13,14.

Und Philip. 3,20f.: „Unser Alltag ist im Himmel, von wo wir den Heiland Jesus Christus erwarten, der unseren niedrigen Leib umgestalten wird, um ihn wie seinen herrlich verklärten Leib zu machen. Das tut er mit jener Kraft, mit der er sich alles untertan machen kann.“

Das richtige, bleibende Leben beginnt erst jenseits von diesem Leben. Durch den Tod erreichen wir es, wo wir es recht anstellen. Deshalb soll dir die Mühe nicht zu groß sein, diese unsere Anleitung zu lesen: wie du dich in deiner Krankheit verhalten und dich für ein friedliches Ende vorbereiten kannst. Doch ich beschreibe hier nicht alles, was man in dieser weitläufigen Sache sagen könnte; wer könnte das in solch kurzer Form schaffen? Ich schreibe nur dasjenige auf, was einfachen Christen von Nutzen und nötig ist. Das habe ich in Kapitel eingeteilt und so formuliert, daß ich bald denjenigen anleite, der den Schwerkranken besucht und tröstet, bald aber rede ich mit dem Schwerkranken selbst. Vergleiche und erforsche nun alle diese Aussagen mit der Bibel, und dann behalte das, was gut, heilsam und dienlich ist. Sag Gott Lob und Dank; gib ihm allein die Ehre.

Der Kranke soll sich in den Willen Gottes schicken. Kapitel 1

Wo wir Menschen uns nicht in den gütigen und nicht nur momentan passenden Willen Gottes schicken, ist uns alles, was wir tun und dulden müssen, zu schwer, es zu ertragen; sobald wir aber Gottes Willen anerkennen, ihn richtig verstehen und uns in Treuen darein schicken, so gibt es nichts, was so bitter, rauh, schwer erträglich und schrecklich wäre, daß es uns nicht süß, glatt, leicht und ein Grund zur Hoffnung würde. Darum soll man bei den Schwerkranken zuerst und als Wichtigstes getreulich darauf hinwirken, daß sie sich willig und ergeben in den Willen Gottes schicken. Die folgenden Punkte soll man beachten, um ihnen diese Haltung nahe zu bringen:

Ohne die Kraft und den Willen Gottes geschieht nichts

Erstens stelle man mit ihnen klar, daß nichts sich ohne die Kraft und den Willen Gottes ereignet; daß Tod und Leben, Krankheit und Gesundheit, Freud und Leid einzig von Gott kommt; daß er all unsere Not weiß, unser Innerstes erkennt und alle unsere Anliegen versteht. Darum muß man auch sagen, daß auch diese Krankheit, mit welcher der betreffende Mensch behaftet ist, nicht ohne Gottes Kraft, Wissen und Willen da ist; ebenso daß Gott alle Not und alle Anliegen des Schwerkranken weiß und versteht. Diese Bemerkungen sollen dann mit dem heilvollen Wort Gottes ausführlicher klar gemacht und als wahr erwiesen werden.

1. Sam. 2,6 sagt Anna: „ER läßt sterben und gibt Leben, führt in das Totenreich und wieder heraus. ER macht arm und macht reich, er erniedrigt und erhöht“ usw. Matth. 10,29-30 redet unser Schutzherr Jesus: „Kauft man nicht zwei Sperlinge um bloß einen Pfennig? und doch fällt keiner von ihnen matt zu Boden, ohne eueren Vater. Es sind aber auch alle euere Härchen auf dem Haupt gezählt“ usw.

Jesaja 45,6b-7 spricht Gott: „Ich bin der Herr und niemand sonst. Ich schaffe das Licht und die Finsternis. Ich mache Frieden und das Übel; ja, ich, der Herr, tue dies alles.“

Von solchen Aussagen ist die ganze Bibel voll; von denen muß man die besten und klarsten auswählen und sich merken.

Gott tut alles mit angemessener Beurteilung

Warum Gott den einzelnen Menschen in seine Krankheit gibt, und warum er die Kranken nicht heilt, wenn er doch die Krankheiten ohne weiteres heilen kann - das steht allein in Gottes rechtskräftigem Urteil, und da haben wir nichts zu reklamieren oder zu diskutieren. Vielmehr soll der Kranke sich deutlich vor Augen führen, daß Gott wahrhaft, gut und gerecht ist; daß er niemandem Gewalttat noch Unbilliges zufügt; daß er ein Gott des lebenserhaltenden Gerichts ist; daß er nicht den Rang der Person ansieht, sondern sich einen jeden einzelnen mit angemessener Maßnahme vornimmt. Der Prophet sagt: „Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und dem Heil zugetan in allen seinen Werken.“ - Ist er nun geradlinig, wahrhaft und gut in allen seinen Wegen, so ist klar, daß er auch darin gerecht ist, daß er diesen Kranken jetzt mit der betreffenden Krankheit heimgesucht hat; es gibt auch einen offensichtlichen und gerechtfertigten Anlaß dafür, daß er ihn heimgesucht hat.

Allgemeine Ursachen der Krankheiten

Dieser Anlaß kann dem Schwerkranken nicht im ganzen Umfang und im tiefsten Grunde aufgezeigt werden. Die Schrift bezeugt aber, daß Gott sowohl Gute wie Böse heimsucht, aus vielen und einleuchtenden Gründen:

Hiob, der getreue Diener Gottes, wurde mit vielen und bösartigen Geschwüren geschlagen, so daß an ihm von der Fußsohle bis zur Scheitel nichts unversehrt und gesund war. Es ist aber nicht so, daß er eine solche Strafe mit einem lasterhaften Leben verdient hätte; sondern Gott wollte Hiobs Geduld durch Übung stärken, und wollte dessen Treue offensichtlich machen. Solcherart werden die Rechtschaffenen in der Schrift (1. Petr. 1,7 und 3,3) mit dem Gold verglichen, das in den Schmelztiegel geworfen wird - nicht um es mit dem Feuer zum Verschwinden zu bringen, sondern um es als echt zu erweisen und es zu läutern.

Sodann quittiert Gott bisweilen die Sünden und Laster der Menschen mit Krankheiten.

Das ist deutlich gesagt in 3. Mose 26,16b. In 2. Mose 15,26 sagt Moses: „Wo du auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, horchst und tust, was recht ist vor seinen Augen; wo du auf seine Gebote hörst und alle seine Rechte einhältst - da will ich dir keinerlei Krankheit auferlegen von denen, die ich auf Ägypten gelegt habe. Ich bin der Herr, dein Arzt.“

Des weiteren sendet Gott die Krankheiten nicht nur, um damit zu züchtigen, sondern auch, um die Seinen aus dieser Zeit hinüberzunehmen und sie immerwährend zu belohnen.

Das sind nun die wichtigen allgemeinen Ursachen der Krankheiten. Dem einzelnen kranken Menschen kann man, in Bezug auf seine Krankheit, die folgende Meinung darlegen:

Ist er deswegen von Gott angerührt worden, daß er von diesem Jammertal zum ewigen Vaterland gebracht werde, so kann er den Willen und diese Entscheidung Gottes nicht anklagen. Klagt er aber dennoch an, so handelt dieser wie ein Häftling, der sich schwer beklagt, daß er aus der schweren und stinkenden Haft entlassen und in einen schönen königlichen Palast geführt wird.

Will Gott mit dem Kranksein den Vertrauensglauben des Schwerkranken einübend bestärken und seine Geduld läutern, so soll dieser eher Gott lobpreisen als ihn anklagen. Denn Geduld bringt Erfahrung, Erfahrung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden.

Bestraft Gott mit der momentanen Krankheit die Sünde des Kranken, so kann dieser sich nicht über das erwähnte Urteil und den Willen Gottes beklagen. Oder wer kann so reden: „Ich habe nicht gesündigt“?

Hiob 4,17-19 steht geschrieben: „Kann der Mensch von Gott als unschuldig beurteilt werden? Kann jemand aufgrund seiner Werke als rein und integer anerkannt und gerichtlich bestätigt werden? Schau, er hat sogar unter seinen himmlischen Dienern Untreue gefunden, und unter seinen Engeln ist Stolz und Ungehorsam gewesen; um wieviel mehr werden dann diejenigen nicht integer sein, die in Lehmhäusern wohnen, deren Fundamente Dreck und Staub sind.“

So spricht David: „Wer kann sich des Übertretens voll bewußt sein? Darum sprich mich los von meinen verborgenen Sünden.“

- Weil wir nun allesamt Sünder sind: wie können wir dann die Maßnahmen Gottes für ungerechtfertigt halten, die er in Form von mancherlei Krankheit über uns ergehen läßt, um die Sünde als solche zu entlarven?

Warum aber maßregelt Gott gerade mich strenger als andere Sünder?

Es möchte sein, daß jemand der Meinung ist, Gott strafe andere, die viel größere Sünder sind, nicht ebensosehr mit Krankheiten oder Plagen wie uns. Das ist unehrenhaft und unchristlich über Gott gedacht, wo er doch - man weiß es ja - einem jeden vergilt, wie er es verdient. Daß er dann und wann wartet, ist wegen seiner Langmut, mit der er Anreiz zur Besserung gibt. Etlichen bösen Menschen schickt er hienieden, in dieser Zeit, wenig oder gar kein Widriges; das ist deswegen, weil er sie hier fröhlich leben und Wollust genießen lassen will, dort aber fortdauernd der Pein überlassen. In diesem Zusammenhang hat Paulus gesagt: „Wenn wir gerichtet oder gemaßregelt werden, so geschieht das vom Herrn, damit wir nicht zusammen mit der Welt abgelehnt werden. Oder wer bist du, das du einen fremden Menschen richtest?“ Du sagst, es gebe bösere Menschen, die Gott aber nicht mit Krankheit und Unfall maßregelt wie dich. - Was weißt du schon davon, wie er sie maßregelt, oder was er ihnen zu erleiden gibt? Nicht jedes Leiden ist offensichtlich; die allergrößten Leiden sind inwendiges Herzeleid. Oder vielleicht bist du sogar böser als derjenige, den du meinst? Warum stellst du dich anderen voran? Warum tust du nicht zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge, bevor du deinen Brüdern die Splitter aus ihren Augen ziehen willst? Oder, wenn Gott andere trotz allem verschont, solltest du ihnen das vergönnen? Oder weißt du, warum Gott sie verschont? Jedenfalls, Gott hat dich angepackt; du bist jetzt unter seinem Walten. Die anderen wird er sehr wohl ebenfalls auffinden zu seiner Zeit. Schließlich ist er gerecht, und alle seine Urteile sind heilsam und passend. Daran sollst du in keiner Weise zweifeln; es soll dir bewußt sein: Es ist schon recht, daß du jetzt in der Hand Gottes mit der momentanen Krankheit behaftet bist.

Gottes Maßregelung und Urteil dient uns zum Guten.

Drittens soll der Kranke erkennen, daß Gottes Urteil über ihn nicht nur gerecht und verdienterweise ergangen ist; es geschieht sogar zum Guten aus väterlicher Treue und Liebe.

Hier passen die Worte des Paulus Hebr. 12,5b-10: „Mein Sohn, fliehe nicht die Züchtigung des Herrn, und nimm seine Maßnahmen ruhig auf dich. Wen der Herr liebhat, den maßregelt er; er geißelt jeden Sohn, den er aufnimmt. So ihr nun die Maßregelung annehmt, begegnet euch Gott wie ein Vater. Denn gibt es ein Kind, das der Vater nicht hie und da geschlagen, das heißt gemaßregelt hat? Wenn nun alle Kinder gemaßregelt werden, und ihr seid ohne Züchtigung, so seid ihr ja Bastarde und nicht eheliche Kinder. Wir haben ja auch unsere fleischlichen Väter als Maßregelnde erlebt - sollten wir dann dem Geist-Vater nicht viel mehr untertan werden, und dadurch leben? Jene irdischen Väter haben uns wahrlich eine kleine Zeit lang nach ihrem eigenen Gutdünken erzogen; dieser aber tut es nur uns zum Guten, nämlich um uns seine Heiligkeit zu vermitteln.

Nun macht jede Züchtigung tatsächlich keine Freude, solange sie andauert, sondern sie bereitet viel Mühsal und Jammer; danach aber gibt sie eine friedvolle Frucht all denen, die durch sie geformt werden.“

Wer nun diese Worte des Apostels zutiefst bedenkt, der gibt sich willig in den Willen Gottes, seines getreuen Vaters; er vertraut darauf und weiß zutiefst, daß alles, was da von Gott gehandhabt wird in seiner Krankheit (es führe zum Tode oder zum Leben) gut und richtig ist und ihm, dem Kranken, zu Nutzen und Heil dient.

Es geht wie Gott will.

Darum antworten alle verständigen Kranken auf die Frage, wie es denn um sie stehe, recht und billig altem Brauche gemäß: „Wie Gott will.“ Es achte aber ein jeder darauf, daß Herz und Mund miteinander übereinstimmt und daß er aus vollem Willen sich in den Willen Gottes ergibt. Wo das nicht ganz erreicht wird, weil doch viel Fehlerhaftes und Mangelhaftes in unserem armen Leben ist, da erbitte ein jeder beharrlich von Gott durch Jesus Christus: „Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“

Die Ärzte aufsuchen und in der Krankheit Arznei gebrauchen, das ist keine Sünde. Kapitel 2

Jetzt gibt es aber viele Menschen, die sich solcherart in den Willen Gottes ergeben wollen, daß sie dabei alle Ärzte und Arzneien mißachten und derart etwas versäumen. Solche Leute sagen: Ich habe mich schließlich in Gott ergeben; dieser soll mein Arzt sein, und ich will darüber hinaus keines Menschen Rat und keine Arznei annehmen.

Gott handelt durch passende Hilfsmittel.

Diese Leute handeln nicht unrecht, indem sie sich treu in Gott ergeben. Daß sie aber darüber hinaus nicht einmal erkennen, daß Gott in allen seinen Kreaturen durch passende, natürliche Mittel wirkt - das ist ein Mangel und ein Mißverstehen. Wir reden aber hier nicht von Wundern und Zeichen, sondern von dem gewöhnlichen Ablauf der Natur, der von Gott eingesetzt und erschaffen ist. Gott könnte die ganze Welt durch ein Wunder speisen, so wie er im Evangelium fünftausend Mann mit fünf Broten, und danach viertausend mit sieben Broten speiste. Wenn nun aber einer sagen wollte: „Ich habe mich in Gott ergeben, der wird mich schon speisen, ich brauche weder zu säen noch zu ernten“ - der würde wider die Ordnung Gottes handeln und reden, ja, er würde Gott versuchen. Gleichermaßen hätte Gott sehr wohl, auch ohne Mitwirkung anderer erschaffener Dinge, das Rote Meer zu einer Mauer aufrichten können in einem einzigen Augenblick; er ließ aber die ganze Nacht einen starken Wind wehen, mit dem er seinem Volk die Strasse zubereitete. 2. Mose 14,21. Ebenso könnte Gott in dem einen Augenblick alle Krankheiten über den Menschen ausschütten, und in einem anderen Augenblick sie wieder vom Menschen wegnehmen. Er gebraucht aber die passenden Hilfsmittel und schickt den Menschen die Krankheiten mit einem bösen, faulen Wind, mit Speise und Trank, durch Magengebresten; ebenso nimmt er auch auf gewöhnliche und natürliche Weise die Krankheiten hinweg, durch Heilmittel. Es kann ja niemand abstreiten, daß Gott den Wurzeln und dem Kraut ihre eigene Kraft und Wirkung gegeben hat. Mein Lieber, warum also soll niemand Arzneien anwenden? Jes. 38: Gott wollte den König Hiskia heilen vom Apostem oder Blast und Geschwür der Pestilenz; er hieß aber stoffliche Arznei dazu geben. Und der ehrwürdige König war nicht so unanständig und spröde, daß er sagte: „Will Gott mich heilen, so kann er es schon; was soll ich mit den Feigen, wegen der Krankheit? Was sollten Feigen gegen die Pestilenz helfen?“ So steht geschrieben in 2. Kön. 20,7: „Und Jesaja sagte: 'Bringt ein paar Feigen. ' Und als sie es brachten, legten sie sie auf die Schwären, und er wurde gesund.“ Es ist wahr, was man so sagt: 'Gott hat alle Dinge angeordnet, und alle Dinge ereignen sich so wie er sie angeordnet hat. ' Auch dieses ist aber wahr: Gott hat in seiner Ordnung Hilfsmittel, durch die er wirkt und seinen Willen ausführt.

Daher sagt Jesus Sirach zu recht Sir. 38,4: „Der Herr hat aus der Erde Arznei geschaffen, und wer weise und verständig ist, wird sich nicht scheuen, sie anzuwenden.“

Wurde nicht das Wasser süß durch das Holz? nämlich damit sie Gottes Kraft erkennen lernten. 2. Mose 15,23-26.

So sind immer Ärzte gewesen im Volke Gottes 4. Reg. 4. / 2. Mose 21, und sogar Lukas der Evangelist war ein Arzt (Kol. 4,14). Es gibt auch nichts edleres, sinnvolleres und besseres in einer Stadt oder in einem Gemeinwesen als ein gottesfürchtiger, rechtschaffener, wohlausgebildeter Arzt. Nichts ist törichter an uns Menschen, als sich an jeden beliebigen Mann vom Lande, fahrenden Schüler, Marktschreier, Großmaul und an einen unerfahrenen, einem nicht bekannten Arzt zu wenden.

Von rechtschaffenen Ärzten schreibt Jesus Sirach am erwähnten Ort: „Der Herr hat den Menschen Weisheit und Verstand gegeben, damit man Ihn ehre in seinen wunderbaren Taten; mit diesen heilt der Arzt die Menschen und nimmt ihnen ihre Schmerzen weg. Der Arzt wird von den Verständigen dieser Welt hoch in Ehren gehalten.“ usw.

Daß aber der König Asa in der Bibel gescholten wird, das geschieht nicht deshalb, weil er die Ärzte aufsuchte, sondern weil er den Herrn nicht suchte.

So steht geschrieben in 2. Chron. 16,12: „Und Asa suchte in seiner Krankheit nicht den Herrn, sondern die Ärzte.“

Darum fährt Jesus Sirach am erwähnten Ort in seiner Lehre fort: „Sohn, nimm dich in deiner Krankheit nicht für unwichtig, sondern bitte den Herren, der wird dich gesund machen.“

Also soll ein jeder kranker Mensch auch an sich selbst denken und sich in nichts versäumen; er soll rechtzeitig ärztlichen Rat annehmen, aber nicht so, daß er seine Hoffnung auf diese Ärzte setzt, sondern indem er auf Gott hofft, der hienieden durch seine Schöpfungsmittel wirkt, wie es ihm gefällt.

Ohne daß Gott es bewirkt, ist die Arznei nichts wert.

Denn ohne Gottes Kraft und Wirken hat keine Arznei ihre Wirkkraft; das sieht man deutlich an der Frau, die 12 Jahre ihre Krankheit gehabt hatte und erfolglos all ihr Hab und Gut für die Ärzte aufgewendet hatte (Mk. 5,25-26). Wenn das Arzneimittel eine Kraft hat, so ist das ein Wohlwollen, eine Hilfe Gottes. Wo dieses Mittel und alle anderen Arzneien nichts helfen können, so hat Gott etwas anderes mit dir vor; schick dich geduldig darein, genau so wie du in aller Therapie deinen Willen in Gottes Willen ergeben sollst; mit ernsthaftem Beten und Gott anrufend, er möge deine Sache zu seiner Ehre und zum Heil deiner Seele besorgen. Vor allem aber hüte sich ein jeder Christ vor den Praktiken der Exorzismen und Beschwörungen, vor den Zauberkundigen, vor Wallfahrten, vor Heiligenkult und -opfer. Einzig Gott soll gesucht werden, in jeder Beziehung. Er ist ein Gott des Lebens wie des Sterbens; überdies hat er die erwähnten Praktiken strikte verboten.

Das Sterben hat viel Hoffnung und Erleichterung an sich; es löst uns ein für allemal vom Elend. Kapitel 3

Wenn nun der Schwerkranke spürt, daß alle Arznei wenig oder gar keine Erleichterung bringen will, sondern daß die Kraft immer weiter abnimmt und alles sich dem Tode zuneigt, dann soll er sich willig in den Tod ergeben und die übermächtige Furcht vor dem Tode mit den folgenden wohltuenden Gedanken vermindern und stillen:

Der Tod ist eine Buße für die Sünde

Der Tod ist eine selber verschuldete Buße, die Gott dem Menschen auferlegt hat als Maßnahme auf die Sünden und ebenso für alle andere menschliche Unzulänglichkeit und Mühseligkeit. Am Anfang wurde Adam durch Gott unsterblich, vollkommen und ohne Gebresten erschaffen, so daß ihm wirklich nichts fehlte. Nachdem er aber gesündigt hatte, erst dann folgte alles Elend, besonders der Tod.

So redet Gott in 1. Mose 3,17-19: „Weil du auf die Stimme deines Weibes 1) gehört und von dem Baume gegessen hast, von dem ich dir geboten habe, du sollst nicht davon essen - so sei jetzt der Erdboden verflucht um deinetwillen; mit Mühe und Beschwer sollst du dich von ihm ernähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und das Kraut des Feldes sollst du essen; ja, im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wiederum zur Erde wirst, von der du genommen bist. Denn Dreck bist du, und zu Dreck sollst du wieder werden.“

Der Tod ist bekanntlich allen Menschen bestimmt, und zwar von Gott auch dazu bestimmt, daß es besser wird als der Sündenzustand; darum können wir Menschen entsprechend Erleichterung darob empfangen und den Gedanken fassen: 'Da wirklich niemand dem Tod entrinnen kann, mußt du ja sowieso bald sterben, auch wenn du jetzt wieder hochkommst. ' Und wenn es überhaupt kein gutes Argument gäbe, so solltest du doch aus der Not eine Tugend machen; sintemal der Tod aber von Gott zur Besserung des Sündenzustandes eingesetzt ist, und du als ein armer Sünder in Sünden erzeugt und empfangen bist, und doch hast du Gott als deinen treuen Vater - darum sollst du den Preis für deine Sünden willig bezahlen und dem gütigen Vater die geschuldete Pflicht willig leisten.

Alle Menschen sind gestorben, auch die heiligsten.

Denke daran, was für eine große und ehrbare Gemeinschaft diejenigen sind, die ebenfalls gestorben sind. Der Sohn Gottes und Marias, Jesus Christus, der doch nie keine Sünde beging, der vom heiligen Geist empfangen und von einer Jungfrau geboren wurde, er hat für uns alle den Tod geschmeckt, um den ewigen Tod wegzunehmen und den zeitlichen Tod für die, die ihm vertrauen, einigermaßen zu mildern. Alle Auserwählten Gottes haben den Preis zu sterben bezahlt, insbesondere: Abraham, der Getreue; Mose, der Zugang hatte zu den Geheimnissen Gottes; David, der Mensch nach dem Herzen Gottes; ebenso der allerheiligste von Frauen geborene, Johannes der Täufer; die immerfort reine Jungfrau Maria; der Lieblingsjünger Christi, Johannes; die überragenden Apostel Petrus, Paulus und Jakobus. Alles in allem: sämtliche heiligen Propheten und Apostel, alle heiligen Väter, Lehrer und Blutzeugen, sie alle sind durch den Tod aus diesem Leben geschieden. So denke nun ein jeder daran, was für hohe und heilige Kameraden er habe, und daß er sich nicht unterfangen solle, besser zu sein als diese, die doch willig gestorben sind. Es wäre auch eine unerhörte Ungeduld, wenn du nicht erdulden wolltest, was doch alle Menschen, sogar alle Heiligen seit Menschengedenken erduldet haben.

Wir haben hier keine Stätte zum Bleiben.

Dazu kommt, daß wir hier keine Stätte zum Bleiben haben, und wir wohnen in unseren Körpern wie in miserablen, zerschlissenen und abgeschossenen Zelten. Wenn uns nun jemand hinausführte aus einem miserablen Haus, dessen Dach bloß aufgesetzt (und nicht verankert) wäre, die Wände wären zum Umfallen schräg, und er gäbe uns ein wohlgebautes schönes Haus - würden wir uns nicht freuen und unserem Gönner großen Lob und Dank sagen? Warum denn sind wir so unwirsch und so ohne Geduld dem Tod gegenüber, ja so undankbar gegen Gott, der uns die Last der baufälligen Hütte abnimmt, uns aus der armseligen Körperlichkeit führt und uns in bleibende Herrlichkeit setzt?

Der Tod

Der Tod ist ja sowieso nichts anderes als eine Strasse/ein Weg aus dem Gefängnis in die Freiheit, von Jammer und Not zu Freude und Ruhe, von Uneinigkeit zur Einigkeit, von Gefahr zur Sicherheit, von irdischer Vergänglichkeit zu himmlischer, dauernder Beständigkeit, von der Finsternis zum Licht, von der Menschengemeinschaft zum geselligen Umgang mit den Engeln; ja, der Tod ist richtig ein Gang vom Tod zum Leben. - Insofern soll der Schwerkranke nicht ins Jammern verfallen, indem er immer wieder mit schweren Gedanken an den Tod denkt; sondern er kann sich getrost auf den Weg alles Fleisches begeben.

Die Schönheit, der Glanz, die Freude und die Lust dieser Welt - das soll niemanden gereuen; es ist ja alles nur kurz und unstet. Kapitel 4

Daß manche Menschen so ungern sterben, kommt davon her, daß sie sich allzusehr auf die Welt und auf irdische vergängliche Dinge fixiert haben, und daß sie die eigentlich schönen und bleibenden himmlischen Güter vergessen haben. Diese Leute handeln so wie kleine Kinder, die Jetons für Goldstücke halten und sie lieben und aufbewahren. Denn die irdischen Güter sind nicht eigentliche Güter, sie weder Schönheit noch wirkliche Freude an sich, und dazu ist mehr Arg als Gutes an ihnen, mehr Unruhe als Ruhe, mehr Leid als Freude. Wer sich dessen noch nicht bewußt ist, der schaue sich nur des Menschen Leben und dessen Entwicklung an:

Des Menschen Leben ist ein Jammer.

Was ist die Zeit der Kindheit anderes als ein stetes Weinen und Klagen? Die Jugendzeit ist voller Disziplinar-Maßnahmen und Mühsal, und sie ist törichten Begierden ergeben. Das Erwachsenenalter macht sich schweren Kummer und Sorge um zeitliche Dinge, oder es geht zugrunde durch Maßlosigkeit in allen Dingen. Ebenso haben auch alle einzelnen Situationen des Menschen ihr großes Ungemach. Der Reiche erwirbt sein Hab und Gut unter großen Sorgen und viel Anstrengungen, und mit noch größeren Anstrengungen behält oder verliert er es. Der Arme dagegen hat eine überaus drückende Last, unter der er tief seufzt. Wer in bürgerliche Ehrenämter und zu Wohlstand gekommen ist, erfährt Feindschaft und Widerstand; wer aber unbeachtet im Hintergrund steht, der verzehrt sich im Selbstmitleid. Wer mächtig ist und über vieles zu bestimmen hat, der muß auch vieles fürchten. Der Untergebene muß viel in Kauf nehmen, und ungern muß er sich vieles sagen lassen; hat einer Frau und Kinder, so hat er Sorgen und Leid; hat er niemanden, ist er einsam. Hat jemand hier in dieser Zeitlichkeit Freude, so wird ihm diese vergällt oder mit Leid bitter gemacht. Wer kann schon all die Gefahren und Krankheiten aufzählen, denen die Menschen alle unterworfen sind?

Innere Anfechtungen des Menschen

Die inneren Anfechtungen sind oft überwältigender und schädlicher als die leiblichen Krankheiten. Sie bedrängten den heiligen Paulus dermaßen, daß er in großer Angst schrie: „O ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leib, der dem Tod anheimgegeben ist?“ Röm. 7,24. Wenn dann die fleischliche Hoffart aus ist, dringt die geistliche in den Vordergrund; wenn Geiz und Haß vertrieben sind, treten Unkeuschheit und Trägheit an uns; kurz, da ist nimmermehr Ruhe, sondern ein langwieriger Widerstreit, so daß wir ganz gewiß dann am unsichersten dran sind, wenn wir uns am sichersten wähnen.

Die harten Gegebenheiten und die Mißgeschicke der Menschen, die Not und die Anliegen Anderer sind so mannigfaltig, so elend und zum erbarmen, daß nur schon sie genug Bitterkeit in unser Leben brächten, auch ohne Krankheit und Anfechtungen. Das eigentliche Alter aber, nach dem wir alle streben, ist nichts als stetige Krankheit, Unzulänglichkeit und Verdruß.

Das menschliche Leben ist nur kurz.

Und wenn dieses Leben auch nichts als Vergnügen hätte - in Wirklichkeit hat es nichts als Jammer und Not an sich - was ist schon kürzer als des Menschen Leben? Rechne doch aus, wie viele Tage dein Leben hat.

Hiob sagt: „Der Mensch, der von der Frau geboren ist, altert und vermodert wie ein Kleid, das von den Motten zerfressen wird; sein Leben ist kurz und jammervoll; er wächst und wird abgehauen wie die Blumen; wie ein Schatten geht er dahin und währt und besteht nicht.“ Hiob 13,28-14,2.

Mose sagt, der Mensch sei wie ein Schlaf, gleich dem Gras, das morgens wächst und abends dürr ist. Er sagt, daß unsere Tage fort und fort abnehmen, und gleichermaßen fahren unsere Jahre in einem Augenblick dahin. Denn unser Lebtag währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, so sind es achtzig Jahre; solches hohes Alter zu erreichen ist nichts als Mühsal und Beschwer. So schnell vergehen wir und fliegen dahin. Psalm 90,5-6. 9-10.

Jesaja sagt: „Alles Fleisch ist Gras, und seine Schönheit ist wie eine Blume des Feldes. Das Gras wird dürr, und die Blüte fällt ab.“ Jes. 40,6-8.

Jakobus sagt: „Was ist unser Leben anderes als Rauch oder Dampf, der eine kleine Weile sichtbar ist und sogleich verschwindet?“ Jak. 4,14.

Dergleichen haben auch die Heiden erkannt; etliche haben den Menschen mit einer Luftblase im Wasser verglichen, die sich plötzlich bildet und sich aus dem Wasser aufbläst, nach einem kurzen Augenblick aber wieder zerplatzt. Etliche haben den Menschen mit dem Schatten verglichen, an dem doch nichts als der Anschein ist; etliche dem Traum eines Schattens, was noch weniger ist als der Schatten. Dadurch wollten sie jeweils zu verstehen geben, wie sehr unser Leben auf Erden nichts sei.

Ein Beispiel: Xerxes

Xerxes, der gewaltige Perserkönig, hatte einst von einem Berg hinunter den Überblick über seinen Heerzug, in dem etliche hunderttausend Mann waren, und da beweinte er die Härte und die Kürze des menschlichen Geschlechts, daß nämlich nach wenigen Jahren keiner mehr aus dieser großen Zahl leben werde. Dazu hat der heilige Hieronymus gar schön geschrieben: „O könnten wir doch auf einen solchen Berg kommen, von dem aus wir die ganze Welt übersehen könnten. Von da aus wollte ich dir zeigen, wie der ganze Erdenkreis stirbt, wie ein Volk das andere, ein Königreich das andere verwüstet und vernichtet; wie manche gefoltert, andere getötet werden; diese vom Wasser verschluckt, jene vom Feuer verzehrt werden; manche gefangengenommen und in die Leibeigenschaft gestoßen, andere aber voller Pracht in die Verantwortung erhoben werden zu Herren und Gewalthabern; hier würde ich dir Freude und Triumph zeigen, dort Leid und Niederlage; hier wie man wird, dort wie man stirbt; ebenso wie diese betteln, jene aber in Pracht und Unmäßigkeit protzen. Solcherart würde ich dir nicht nur des Xerxes Heerzug zeigen, sondern die Königreiche aller Welt, ja alle Menschen, die zurzeit leben, von denen aber nach wenigen Jahren keiner mehr übrig ist.“ Deshalb beweinten die Thraker ihre neugeborenen Kindlein unter Trauern und Leid, als solche, die in einen großen Jammer geboren werden; ihre Toten aber trugen sie mit großen Freuden und in eigentlichem Triumph zu Grabe, als solche, die jetzt allen Jammer dieser Zeit überwunden hätten. - Darum: Wer nun alle diese Dinge bei sich selber wirklich bedenkt, den wird in keiner Weise gereuen, weder die Welt noch das Vergnügen an ihr zu verlassen.

Die Schönheit der ewigen Güter, und die Lust daran.

Übrigens kann man gar nicht vergleichen, was wir verlassen und was wir erlangen werden. Wenn jemand meint, er habe Grund, daß ihn der Glanz dieser Welt reut - noch mehr Anlaß hat er, Freude zu empfinden und ein noch größeres Begehren nach der Schönheit und Freude des ewigen Lebens. Gott hat zwar der gebrochenen Leiblichkeit, dem armseligen menschlichen Geschlecht schon hie in Zeit eine so schöne Wohnung erschaffen, so daß wir uns nicht genug ergötzen können an der Schönheit des Himmels, am Glanz des Gestirns und an den Wundern seiner Schöpfung, - wieviel mehr hat er dann in der himmlischen Wirklichkeit seinen Auserwählten eine Wohnung zur Lust zubereitet!

Paulus hat damals aus dem Propheten Jesaja gesagt: „Was keines Menschen Auge je gesehen und noch kein Ohr je gehört und noch nie je in eines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott denen zubereitet, die ihn lieb haben.“

Aber auch wenn nun all das, was in der Welt ist, lustvoll wäre, so kann doch dieses den Gläubigen nicht reuen, wenn er an die überschwengliche Freude und Pracht des himmlischen Vaterlandes denkt. - Darum soll man solches denjenigen Kranken, die sich in die Welt vergafft haben, ernsthaft und deutlich vor Augen stellen.

In der Krankheit nicht zuviel Kummer tragen um Frau, Kinder, Freunde, Reichtum oder Armut. Kapitel 5

Die Liebe zu den Kindern, Freunden und Verwandten.

Frau und Kinder, Freunde und gute Gönner zu schätzen, das hat Gott nicht verboten und rechnet es nicht als unrecht an; viele Menschen vergehen sich aber mit ihrem Übermaß.

Denn sie stellen sich diese so intensiv vor Augen, daß sie dadurch Gott und dessen Willen vergessen, und sie können nichts anderes mehr reden und denken als: „Ach meine kleinen Kinder, noch aufziehen sollte ich sie können; o meine lieben und guten Freunde, daß ich sie nun durch den Tod verlassen muß!“ Damit machen sie sich so müde und unruhig, daß sie nichts mehr denken können, was wesentlich oder passend, überdauernd oder himmlisch ist. Diese Menschen sollten sich nicht in solchem Masse in irdische Dinge verlieren, sondern viel eher sich Mut machen und sich selber die folgenden Worte des Paulus sagen: „Die welche Frauen haben, sollen in ihrem Innern so sein, als ob sie keine hätten; wenn sie weinen, so als weinten sie nicht; wenn sie sich freuen, so als freuten sie sich nicht; wenn sie kaufen, so als kauften sie nicht; wenn sie die Mittel dieser Welt benützen, so als benützten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht.“ 1. Kor. 7,29-30. Des weiteren sollten sich diese Leute die Worte Christi zu Herzen nehmen: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, der paßt mir nicht; wer Söhne und Töchter mehr liebt als mich, der paßt mir nicht; und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der paßt mir nicht. Wer sein Leben findet, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden.“ Matth. 10,37-39. Wenn du dann in deinem Innern fühlst, daß dir nichts anderes mehr bleibt als zu sterben, dann bist du in der Lage, richtig zu ermessen, was Gottes Wille dir gegenüber ist; in diesen Willen sollst du dich ergeben, dein Kreuz auf dich nehmen, deinen Eigenwillen brechen und vergessen, was hinter dir ist, und dich nach dem ausstrecken, was vor dir ist, und das ist Gott und ewiges Leben. Philipp. 3,13. Gottes Fürsorge, Hilfe und Schutz bewirkt mehr an Frau und Kinder als all unser Berechnen und Griesgramen. Ihm empfiehl vertrauensvoll dein Anliegen.

Jeder tue das Seine.

In keiner Weise sage ich, es sündige jemand mit seiner Sorge für die Seinen; sondern es soll ein Maß sein in diesem und in anderem, und es soll ein jeglicher seine Aufgabe tun, das übrige aber Gott anbefehlen. Niemand aber soll mehr tun als es angemessen ist. Merk dir das Folgende dazu:

Der Kranke ist entweder arm oder reich. Die Reichen kümmern sich um ihr Gut, die Armen aber um die Armut ihrer Kinder und armen Freunde. Die Reichen hinterlassen den Ihren viel; die Armen wenig oder nichts. So denken jene daran, wie ihr Gut wohl verteilt wird, diese aber, wie die Ihren wohl überleben können, und wie sie wohl Mangel und Hunger erdulden müssen usw.

Der Schwerkranke soll seine Angelegenheiten testamentarisch ordnen.

Der Reiche, der Frau und Kinder hat, soll diese mit einer guten schriftlichen Anordnung bedenken, in der Form wie das am betreffenden Orte der Brauch ist. Hat er andere Erben, so verordne er seine Sachen aber in der Art eines Testaments. Das ist nicht wider Gott, sondern vielmehr mit Gott.

Paulus sagt: „So jemand die Seinen nicht versorgt, der hat Treu und Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger.“ 1. Tim. 5,8.

Auch kam Jesaja zum König Hiskia, als er in schwerer Krankheit lag, und sagte: „So spricht der Herr zu dir: Ordne deine Angelegenheiten, sorg für deine Leute, denn du mußt sterben, du wirst nicht wieder aufkommen.“ Jes. 38,1b.

Und Christus selbst, am Kreuz sterbend, empfahl die Sorge für seine Mutter dem Evangelisten Johannes. Joh. 19,26-27.

Mit solchen Maßnahmen wird auch viel Streiterei vermieden, die sich sonst nach dem Tode oft einstellt im Freundeskreis, sofern man nicht im vornherein alle Sachen richtig ordnet. Wenn du nun alle deine Angelegenheiten gut und nach bestem Können ordnest, so hast du das Deine getan; im weiteren laß diesbezüglich Gott walten, vergiß es, und wende dein Herz aufwärts in den Himmel, wo du ja ewig leben möchtest.

Welcherart aber das Testament oder die Anordnung aller Belange aufzustellen sei, das wird ein jeder wohl zu bewerkstelligen wissen je nach der Art und Möglichkeiten seiner Dinge, auch gemäß dem hilfreichen Rat gottesfürchtiger und sachkundiger Leute. Doch allem voran soll man auf Anstand, Ehre, Gerechtigkeit und Gottes Huld achten, und erst in zweiter Linie auf das, was den zeitlichen Besitz betrifft. Eine schönes Beispiel dafür, obwohl in viele Worte gefaßt, hast du in Tobit 4. Kapitel; nach dieser kannst du auch deine Anliegen einigermaßen erledigen. Die Worte, das Testament des Tobit will ich jetzt als Muster aufschreiben.

Das Testament des Tobit.

Höre die Worte, die ich dir sage, mein Sohn, und nimm sie dir zutiefst zu Herzen. Wenn Gott meine Seele von mir nimmt, so begrabe meinen Körper und halte deine Mutter in hohen Ehren jeden Tag, solange du lebst. Denn du sollst niemals die Schmerzen vergessen, die sie deinethalben in ihrem Leib hatte. Und wenn sie dann ebenfalls stirbt, so begrabe sie neben mir. Sieh aber zu, daß du dein Leben lang Gott im Herzen hast. Hüte dich davor, bewußt in Unrecht und Sünde einzuwilligen und die Gebote Gottes zu verlassen. Gib Almosen aus deinem Besitz, und wende nie dein Gesicht von keinem Armen ab; so wird Gott auch sein Angesicht niemals von dir wenden. Gib Almosen wie du kannst. Hast du viel, so gib reichlich. Hast du wenig, so befleißige dich, dieses wenige gerne ebenfalls zu teilen. Damit wirst du dir einen guten Schatz und hohe Belohnung zusammenlegen auf den Tag der Not. Hüte dich eifrig, mein Sohn, vor aller Unkeuschheit, und sieh zu, daß man kein solches Laster von dir vernimmt; du wirst ja deine Ehefrau haben. Laß die Hoffart weder in deine Gedanken noch in deinen Worten herrschen; denn die Hoffart ist der Anfang allen Verderbens. Wer für dich arbeitet, dem gib seinen Lohn sogleich, und sieh zu, daß du des Tagelöhners Lohn nicht über Nacht zurückbehältst. Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Suche in jeder Lage Rat bei den Weisen. Lobe Gott allezeit, und begehre von ihm, daß er deine Wege leite, und daß alle deine Pläne und Vorhaben in Gott bleiben. Des weiteren lasse ich dich wissen, daß ich zehn Talent Silber dem Gabael hinterlassen habe usw.“

Niemand soll dieses Testament des Tobit verachten nur deswegen, daß es eher eine Unterweisung in guten Sitten und in rechtem Leben in Gott ist als ein Ordnen der äußerlichen Dinge. Denn alles Hab und Gut gilt nichts, wo nicht Gottesfurcht ist. Deshalb ist es ein gutes Testament für seine Kinder und Freunde, wenn man sie wohl unterrichtet und sie lehrt, gottesfürchtig und wohlanständig vor Gott und Welt zu handeln.

Gib ungerechtfertigtes Gut zurück.

Die Reichen sollen sich genau in Erinnerung rufen, wie sie ihr Hab und Gut erworben haben. So sie unrechtmäßiges Gut in ihrem Besitz haben - daß sie die Armen nicht vergessen. Haben sie jemandes Hab und Gut unrechtmäßig in ihrem Besitz, so sollen sie es zurückgeben und nicht es zuerst ihren Erben zuteilen. Das wäre ein zusätzlicher Fehler neben dem, daß sie es sonst schon in ihrem Leben widerrechtlich innegehabt haben.

Kirchenschmuck vergeben

Niemand aber lasse sich so betören, daß er sein Hab und Gut, es sei rechtmäßig oder unrechtmäßig, an Mönche und Pfaffen, für Statuen, Messen und äußeren Kirchenschmuck vergibt und es seinen rechtmäßigen Erben oder den wirklich Bedürftigen und Armen entzieht. Denn solches ist vom Herrn selber strikte verboten und streng getadelt Matth. 15, 5-8. Auch soll niemand so unverschämt sein, von einem armen kranken Menschen solche Testamente und Legate zu begehren. So liegt auch kein Glück oder Heil bei dem Gut, das den nächsten natürlichen Erben oder den Armen entzogen und zu anderen als gottgefälligen Gebräuchen und Tätigkeiten verwendet wird.

Wenn der Schwerkranke so töricht sein sollte, daß ihn sein Geld, Hab und Gut reut oder ihn ein Stück weit verhindert, willig abzusterben, so soll ihm ernstlich angezeigt werden, wie eitel und nichtswertig alles Geld und Gut ist.

Dazu ist das 6. Kapitel des 2. Timotheusbriefes, ebenso Lukas 12 und 16 zu verwenden.

Das Testament des Armen

Der Kranke, der arm ist und seinen armen Kindern und Freunden nichts hinterlassen noch zuwenden kann, braucht sich deshalb nicht viel Kummer zu machen und Leid zu tragen, sondern er soll vielmehr mit Tobias sagen: „Erschreckt nicht, liebe Kinder; wir haben zwar hienieden ein armseliges Leben, doch wir werden viel Gutes erfahren, wenn wir Gott fürchten und von aller Bosheit fliehen und recht handeln.“ Hierher paßt auch der Psalm 36, welcher sehr klar bezeugt, wie einerseits der Fromme, wenn er auch arm ist, von Gott nicht verlassen wird; andererseits, wie sehr das Wenige der Frommen über allem Reichtum der Gottlosen steht. Gott ist auch ein Gott der Witwen und Waisen, nimmt sie in seinen Schutz, und sagt 2. Mose 22,22-23: „Ihr sollt keine Witwen und Waisen betrüben. Macht ihr ihnen aber Kummer, so werden sie zu mir schreien, und ich werde ihr Schreien erhören“ usw. Darum braucht der Kranke überhaupt keinen Zweifel zu haben an Gottes Treue und Fürsorge, und er soll seine Frau und Kinder in Gottes Schutz, Schirm und Hilfe stellen mit ernstlichem Gebet, er habe sie zu Gnaden übergeben. Wo solches in wirklichem Vertrauen geschieht, wird es den Hinterlassenen zum großen Heil gereichen, und es wird ihnen nützlicher sein, als wenn du ihnen viel unrechtmäßiges Gut hinterlassen würdest. Wenn dann der Kranke auch das erwägt, wie Gott alle lebendige Kreatur speist und erhält, wie er die Armen aus dem Kot erhebt, die Reichen hinwiederum von der Höhe herab in tiefe große Armut stößt, und daß das von den Eltern hinterlassene Gut öfters zur Verderbnis der Kinder gereicht, indem sie es üppig vertun, dann kann es ja nicht anders sein, als daß er Erleichterung und Ermutigung empfängt, und er wird denken: „Nun also, befiehl es Gott, der wird es schon recht machen mit den Meinen, und so wie er dich bis in diese Stunde erhalten hat, so kann und will er auch sie nach seinem gnädigen Willen väterlich hinbringen und erhalten.“

Hat aber der Schwerkranke nichts, was ihm Schwierigkeiten bereitet, ist er frei und ohne Verpflichtung und ohne Sorge, so sage er Gott Lob und Dank und schicke sich mit um so größerer Leichtigkeit und Geduld zum Sterben; er sage auch denen Lob und Dank, die sich bisher um ihn gesorgt, ihn ernährt und erzogen haben.

Die Verheißung des heiligen Evangeliums. In Christus Jesus liegt alles Heil, die Begnadigung und Verzeihung der Sünden. Kapitel 6

Wenn nun der Schwerkranke sich (so wie beschrieben) in sich gekehrt und weltlich zeitliche Dinge vergessen d. h. sie Gott, seinem Vater, frei und in Treuen übergeben hat, dann ist es der nächste, höchste und wichtigste Schritt, daß man ihm ausführlich erzählt über das Heil, das durch Jesus Christus erobert und erlangt worden ist. Denn viele Menschen denken: „Nun gut, ich brächte es jetzt fertig, die Welt und alle zeitlichen Sorgen in die Ecke zu stellen und mich willig in den Tod zu ergeben - wenn ich nur genau wüßte, daß ich das ewige Leben nicht verlieren werde; ich bin ja ein armer Sünder, und in meinem Leben habe ich sehr wenig Gutes oder überhaupt nichts Rechtes getan, und so muß ich befürchten, daß ich von Gott verstoßen bin, so daß ich hier das zeitliche Leben verliere und dort auch das ewige Leben nicht haben werde.

Da ist es nun gut, die Botschaft des heilvollen Evangeliums zu sagen, die der ehrwürdige Apostel Paulus folgendermaßen kurz zusammengefaßt hat: „Das ist ein wahres, gewisses Wort und wert, es vollständig anzunehmen: nämlich daß Christus Jesus in diese Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen.“ 1. Tim. 1,15.

Unser Schutzherr selber hat es im Evangelium gesagt: „Die Gesunden brauchen den Arzt nicht, sondern die Kranken.“ Matth. 9,12. Und bald darauf: „Kommet zu mir, alle die ihr Mühe habt und Not leidet, die ihr beschwert oder mit Sorgen beladen seid; ich will euch Ruhe geben und die Last abnehmen.“ Matth. 11,28.

Und im Evangelium Johannes spricht der Schutzherr wiederum selbst: „Ebenso wie Mose in der Wüste die Schlange aufgehängt hat, so muß auch der Sohn des Menschen aufgehängt werden, damit jeder, der ihm vertraut, nicht umkommt, sondern ewiges Leben hat. Dermaßen hat Gott die Welt geliebt, daß er sogar seinen erstgeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat. Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um die Welt zu verurteilen, sondern die Welt durch sein Wirken zu bewahren und selig zu machen.“ Joh. 3,14-16.

Zusammenfassung des ganzen Evangeliums

Diese Worte Gottes soll man den Schwerkranken eindringlich vor Augen stellen, so daß sie dank Jesus Christus an Gott glauben und fest hoffen auf Verzeihung der Sünden und ewiges Leben. Dazu ist es auch richtig, die Worte Christi in ihrem Wesen zu erläutern und verstehbar zu machen, besonders wie Christus gesagt hat, er müsse gleicherweise erhöht werden wie die Schlange in der Wüste erhöht worden sei. Das ist nun so:

Das Volk Israel murrte wider Gott, und darum ließ Gott erzürnt feurige Schlangen auf sie los; diese machten ihnen Entzündungen und töteten sie. 'Feurig' werden die Schlangen in der Schrift 4. Mose 21 nicht deshalb genannt, weil sie in Substanz und Wesen aus Feuer gewesen wären, sondern weil sie mit ihrem giftigen Biß den Menschen Entzündungen verursacht, das heißt sie derart vergiftet haben, daß sie Fieber bekamen und zu einem Durst erhitzt wurden und nichts als zu trinken begehrten; sobald sie aber tranken, schwollen sie sogleich an und gingen zugrunde. Um diese schwere Plage zu heilen, befahl Gott dem Mose, eine eherne Schlange zu verfertigen und sie an einem Pfahl aufzuhängen; wer von feurigen Schlangen gestochen wurde und darauf die eherne anblickte, der wurde geheilt, und das Gift konnte ihm nicht tödlich sein. - Das hatte nun eine tiefere Bedeutung; es ist ein Bild für den Tod Jesu Christi. Von der Schlange ist unser erster Vater Adam gestochen und vergiftet worden. Von Adam her sind wir alle in Sünden erzeugt. Das Gift ist die Sünde. Die Eigenart des Giftes entzündet den Menschen. Die Sünde macht uns auch brennend d. h. brünstig in vielerlei Begierden. Wenn wir nun diese Begierden ausleben, so sterben wir.

Darum sagt der heilige Apostel zu recht: „Durch einen einzigen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen, und der Tod durch die Sünde. So werden alle Menschen als Sünder in die Welt geboren; und die Sünde wird mit dem Tode vergolten.“ Röm. 5,12. 6,23

Darum haben alle Menschen, die ihrer eigenen Kräfte halber verloren sind, überhaupt nichts mehr, mit dem sie sich vor dem Tode erretten könnten.

An diesem Punkte aber wird die eherne Schlange aufgerichtet. Diese eherne Schlange bedeutet Christus. Aus Gottes Gnaden und Barmherzigkeit wurde den Israeliten das Heilungsmittel gegeben, und nicht aus ihrem eigenen Verdienst, sondern aus Erbarmen. Nicht nach seiner Schuldigkeit, weil wir es verdient hätten, hat Gott uns seinen Sohn gegeben, damit wir am Leben bleiben. Wer vergiftet war und die Schlange ansah, dem schadete das Gift nicht dermaßen, daß er sterben mußte. Und nun, wer auf Jesus Christus vertraut und ihm glaubt, dem schadet die Sünde nicht so, daß er sterben müßte; ja, er wird leben und selig werden.

Auch David hat gesagt: „Selig sind diejenigen, denen ihre Missetat verziehen ist, und deren Sünden zugedeckt sind. Selig ist der Mensch, dem Gott die Sünden nicht anrechnet.“ Psalm 32,1-2.

Allen denen aber, die auf Christus vertrauen, rechnet Gott ihre Sünden nicht an, und zwar in Ansehen der Verdienste und der Erlösung Christi; darum werden die Gläubigen durch Christus von den Sünden gereinigt und werden Erben des ewigen Lebens. Die Tatsache, daß Mose eine Schlange und nicht etwas anderes vor den Augen der Vergifteten aufhängte, bedeutet, daß Jesus Christus der Heiland die Gestalt eines sündigen Menschen annehmen mußte. und uns in allem gleich werden mußte. Daß Mose aber nicht eine lebendig, also giftige, sondern eine eherne Schlange aufhängte, das bedeutet, daß Jesus kein Gift, Gebrechen, Sünde oder Mangel haben werde, sondern rein und lauter, fest, wahrhaftig und stark sein werde, ein harter, unbeweglicher Fels allen denen, die auf ihn bauen und sich auf ihn verlassen.

Warum Jesus Christus ein Mensch geworden ist.

So hat man hier den Kranken vor allem die Menschwerdung und das Leiden Christi deutlich bildhaft zu machen:

  1. Warum ist Christus Mensch geworden? Weil Gott gut, treu und barmherzig ist, hat er seine Güte dem Menschen gegenüber auf das deutlichste offenbaren wollen, und das hat er nicht mit etwas Wertvollerem tun können als durch die Menschwerdung Christi, seines Sohnes, der seiner Natur und seines Wesens ist. Indem er Mensch wurde, vereinigte er die menschliche Natur mit sich zu einer einzige Person, wie denn geschrieben steht: „Das Wort wurde Fleisch“. Mit dieser hohen Art eines Geheimnisses gab Gott uns zu verstehen, wie sehr er mit uns Menschen verbündet sein wolle, ja sich uns zu eigen geben wolle, und wie er uns Menschen erhalten und erhöhen wolle gleichermaßen wie er den Menschen Jesus Christus erhalten und erhöht hat, nämlich zu ewiger Freude und Seligkeit.
  2. Christus sollte ja der Mittler sein; darum mußte. er teilhaftig werden der Art und Natur beider Partner, zwischen denen er vermitteln sollte. Er mußte. ja etwas an sich haben, was er für unsere Sünde opfern konnte. Denn ohne Blutvergießen geschah im Alten Testament keine Verzeihung. Hätte er nun nicht wahre menschliche Art angenommen - wie hätte er sterben, sein Blut vergießen und sich für unsere Sünde als Opfer darbieten können?

Die Frucht von Christi Leiden

Und hier zeigt sich die Frucht des Sterbens und Leidens Christi: nämlich daß wir durch den Tod Christi Verzeihung der Sünden und ewiges Leben erlangen werden. Das will ich jetzt lieber mit Schriftstellen anzeigen als es mit anderen Worten weitschweifend zu erzählen.

1. Joh. 4,9-10 sagt Johannes: „Darin ist die Liebe Gottes erschienen, daß Gott seinen Sohn in diese Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben sollen; ja, darin besteht die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt hat und seinen Sohn gesendet zur Versöhnung und Bezahlung unserer Sünden.“

1. Tim. 2,4-5 sagt Paulus: „Gott begehrt, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist nur Ein Gott und Ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für männiglich zur Erlösung.“

Joh. 14,2-4. 6 spricht unser Schutzherr selber zu seinen Jüngern: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen; wo dem anders wäre, hätte ich es euch gesagt; jetzt aber gehe ich hin, euch einen Ort vorzubereiten. Und wenn ich auch weggehe, um euch den Ort vorzubereiten, so werde ich doch wieder zu euch kommen und euch zu mir nehmen, damit ihr auch da seid wo ich bin. Also wißt ihr jetzt, wohin ich gehe, und wißt, welches der Weg ist; nämlich, Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich.“

Hebr. 2,14-18 spricht Paulus: „Dieweil die Kinder (er meint: die gläubig vertrauenden Menschen) Fleisch und Blut haben, ist auch er deren teilhaft geworden, damit er mit dem Tod denjenigen überwinde und zerbreche, der die Macht des Todes ausübt, das ist der Teufel; und damit er diejenigen erlöse, welche durch die Furcht vor dem Tod lebenslang Knechte und Eigenleute waren. Er nimmt nicht die Engel als Brüder an, sondern den Samen Abrahams nimmt er an. Er mußte. in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig sein kann und ein getreuer Hohepriester sein kann vor Gott, die Sünde des Volkes zu begnadigen und zu versöhnen. Denn sintemal er selbst versucht worden ist, kann er glauben und helfen denen, die versucht werden.

Hierher dienen jetzt das 7. bis 10. Kapitel in derselben Epistel, die alle sehr deutlich das Bild von Jesus Christus einprägen, vom ewigen Opfer für unsere Sünde.

Damit also hast du die Frucht von Christi Leiden und Menschwerdung, nämlich die Sicherstellung unseres Heils, die Bezahlung und Verzeihung unserer Sünden, und daß wir durch Jesus Christus einen freien Zugang zu Gott haben; darum hat Johannes gesagt: „So jemand sündigt, so haben wir einen Helfer, einen Fürbitter und Fürsprecher bei dem Vater, nämlich Jesus Christus, den Gerechten, und er ist die Genugtuung d. h. Bezahlung für unsere Sünde; nicht aber nur für unsere Sünden allein, sondern für die Sünde der ganzen Welt.“

Der Kranke soll sich nicht Kummer machen über die Abgeltung der Sünde und die Peinigung des Fegefeuers. Kapitel 7

So fällt also stracks alles dahin, womit man immer wieder die sterbenden Menschen so schwer belastet hat. Es heißt nämlich, für jede einzelne Sünde müsse man Genugtuung bezahlen; man könne aber auch Geld bezahlen und Abgaben leisten für Ablaß, Kirchenrechte, Gebräuche und Sitten, und dadurch werde die ewige Schuld und Pein in eine zeitlich begrenzte Strafe umgewandelt und die Seele aus der Hölle in das Fegefeuer gesetzt; auch aus diesem könne sie erlöst werden durch die erwähnten Messen und das Gebet der sogenannten Geistlichen. Für solches nun wird viel Geld und Gut von sogenannten Geistlichen entgegengenommen, und die Herzen vieler Leute werden so weit gebracht, daß sie sich auf diese Grundlage verlassen und meinen, auf diese Weise Gott zu versöhnen und ihre Sünde zu bezahlen. Aber rechtschaffene, tapfere Christen brauchen auf solche Reden nicht einzugehen oder sich Kummer zu lassen, sondern sie sollen fest und unentwegt darauf beharren, daß einzig das Blut Jesu Christi uns von den Sünden reinigt; daß einzig das Opfer von Jesus Christus die alleinige und ewig richtige und vollständige Bezahlung für unsere Sünde ist, Gott wohlgefällig; es ist ein einziges Mal für unsere Sünden aufgeopfert worden. Es kann also keinerlei andere Tat, kein Gebet, keine Ordnung, keinerlei Gebräuche noch Sitten, auch kein sichtbares oder unsichtbares Feuer uns von Sünden reinfegen und säubern. Einzig durch Gottes Gnade und durch das wahre Vertrauen in Christus wird uns die Verzeihung und das Heil zuteil, durch kein sonstiges Mittel, keine Tat oder Anordnung, kein Geld oder Gut.

Auch Petrus hat bezeugt und gesagt: „Wißt, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von euerem eitlen Wandel aufgrund der väterlichen Satzungen, sondern mit dem teuren Blut Christi, quasi des unschuldigen und unbefleckten Opferlammes.“ 1. Petr. 1,18-19.

In der Apostelgeschichte 8,20 sagt derselbe Petrus zu Simon: „Daß du verdammt werdest mit deinem Geld, weil du meinst, Gottes Gabe werde mit Geld erlangt.“

Nun aber wird Verzeihung und Ablaß, d. h. die Bezahlung für die Sünden, von Gott gegeben, und so wird sie keinesfalls mit Ablaßkauf erlangt oder mit irgendwelchem Kaufen, Opfern, Tauschen, Abgelten mit Hab und Gut. Wer aber das Vertrauen d. h. den Glauben in den Sohn Gottes setzt, dem wird seine Sünde verziehen, und zwar nicht aufgrund irgendeiner Tat oder eines Verdienstes, sondern einzig aufgrund der Versöhnungstat von Jesus Christus. So bekennen wir alle in den Artikeln unseres wahren, alten, unbezweifelten Christlichen Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube Ablaß, d. h. Verzeihung der Sünden, Auferstehung des Leibes, und ewiges Leben.“

Wer das nicht glaubt, der ist bereits gerichtet, und es hilft ihm nichts anderes auf Erden. Joh. 3,18.

„Denn es ist den Menschen kein anderer Name gegeben, durch den sie selig werden, als einzig der Name Jesus Christus.“ Apg. 4,12.

Wer aber vertrauend daran glaubt, der zieht kein anderes Werk oder Mittel bei zusätzlich zum Schutzherren Christus und seinem Verdienst. Denn was auch immer hoch gilt vor der Welt - es ist dem Herren nicht zu vergleichen.

Davon hat Paulus geredet: „Ich achte es alles für Kot und Dreck im Vergleich dagegen, daß ich in herrlicher Weise Christus Jesus kenne und ihn als meinem Schutzherren anerkenne, und ich will als einer gelten, der in ihm lebt; ich will nicht die Tadellosigkeit aus dem Gesetz haben, sondern die Tadellosigkeit Christi, die aus dem Vertrauen stammt Philipp. 3,8b-9.

Wer nun dergestalt in Christus vertraut, der kommt in keine Strafe, in kein Feuer und in keine Schmerzen.

Denn der Mund der Wahrheit, in dem keine Lüge ist, sagt Joh. 5,24: „Wahrlich, wahrlich sage ich euch: Wer mein Wort hört und dem, der mich gesandt hat, vertraut, der hat das ewige Leben und kommt in kein Gericht (Pein d. h. Strafe), sondern er ist vom Tod ins Leben durchgedrungen.“

Das Fegefeuer wird durch Christus nicht anerkannt.

Noch immer gibt es Leute auf Erden, die es wagen, um ihres Bauches und Eigennutzes willen dieser hellen Wahrheit zu widersprechen. Sie tun es nur, um die des Wortes Unkundigen in ihrer Macht zu behalten, sich bei dem erfundenen Fegefeuer zu erwärmen und die Geldbörsen der Unkundigen auszufegen. Diese Leute sagen, das Feuer sei immer neu wirksam gemacht durch das Blut Christi, um die Sünden zu reinigen; sie sagen das aber ohne daß es eine Grundlage in der Schrift hat und im Glaubensbekenntnis. Wir aber wissen und vertrauen darauf, daß Gott seine Ehre keinem anderen abgibt; nun ist es aber die größte Ehre Gottes, daß er anerkannt werde als der einzige, der uns unsere Sünde vergibt, einzig durch seinen Sohn; er wird also auf keinen Fall die Ehre einem Feuer weitergeben oder diesem die Kraft geben, den Rost unserer Sünden abzufegen. So gehört also alle Ehre einzig Gott, durch Jesus Christus; der ist nun ein für allemal geopfert und wird nicht mehr geopfert, und dieses sein einziges dauernd gültiges Opfer ist das einzige Werk, das einzige Mittel und das wirkliche Feuer, das als einzigstes unsere Sünde säubert; ja, so wir an ihn glauben und ihm vertrauen, nicht aber, wenn wir im Fegefeuer leiden. Denn das Verzeihen kommt uns nicht aufgrund unseres eigenen Leidens zu, sondern aufgrund des Leidens Christi; durch den Glauben wird es uns zugesprochen.

Einzig Christus trägt unsere Sünde.

Etliche machen den Einspruch: „Wir wollen zwar alle Dinge auf Christus legen und einzig auf den Vertrauensglauben pochen. Dieser ist aber nicht immerzu vollkommen in uns Menschen, dennoch aber ist es ein Glaube. Deshalb kann um des Glaubens willen ein solcher Mensch nicht verdammt sein, es kann aber Gott diesen Menschen auch nicht in die Seligkeit aufnehmen, wegen dieser seiner Unvollkommenheit. Deshalb und folglich gibt es eine Zwischenlösung, einen Mittelort, in dem die Unvollkommenheit abgefegt wird, und das ist eben das Fegefeuer.“ So reden sie.

Diese Leute verstehen nicht, was Jesaja gesagt hat: „Die Maßnahme, damit es besser wird, ist ihm auferlegt, und aufgrund seiner Verletzungen werden wir gesund. Wir alle irren so wie Schafe, ein jeder geht seinen eigenen Weg, und der Herr hat alle unsere Sünde auf ihn gelegt.“ Jes. 53,5-6. Apg. 6. 1. Petr. 2.

Aufgrund dieser Schriftstelle hat auch Johannes der Täufer gesagt und dabei auf Jesus Christus gezeigt: „Dies ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinnimmt.“ Joh. 1,29; 1. Kor. 5,7.

Und Paulus: „Als wir tot waren in unseren Sünden, hat Gott uns durch Christus lebendig gemacht; und als wir unsere Sünde nicht bezahlen konnten, hat er uns durch Christus losgekauft.“ Eph. 2,1-2; 1. Kor. 1; Röm. 8.

Darum ist es gut, daß wir alle Last auf den Schutzherren legen, denn niemand anders kann sie tragen und wegnehmen; er ist auch als einziger die vollständige Bezahlung. Was nun die Unvollkommenheit unseres Glaubens betrifft: Es gibt nur ein Einziges, das vollkommen ist, nämlich Gott; niemand kann uns diese Unvollkommenheit gutmachen als eben Gott durch seinen Sohn, Jesus Christus. Kein Feuer, kein Leiden des Menschen macht es gut. Auch der Glaube findet nur hier in dieser Zeit statt, nicht in der Vollkommenheit; darum kommt die Vollkommenheit Christi unserer Unvollkommenheit in dieser Zeitlichkeit zu Hilfe. Ja, niemand wird hier in Zeit dermaßen rein und vervollkommnet, daß ihm nichts mehr fehlt; die Gnade Gottes findet in jedem Fall etwas zum Verzeihen.

Das hat auch der Prophet David erkannt und hat deshalb gebetet: „Höre mein Gebet, o Herr, vernimm mein ernstliches Gebet; erhöre mich um deiner Wahrheit und Gerechtigkeit willen. Geh doch nicht zu Gericht mit deinem Knecht, denn vor deinem Gericht ist kein Lebender gerecht.“ Psalm 143,2.

Und in einem anderen Psalm: „Wenn du, o Herr, die Sünde exakt anrechnen willst - wer mag dann vor dir bestehen und bleiben?“ Psalm 130,3.

Darum hat Paulus zu den Philippern geschrieben: „Ich sage nicht, ich sei vollkommen; ich jage ihm aber nach, ob ich dasjenige ergreifen könne, in dem ich von Christus Jesus ergriffen bin. Meine Brüder, ich schätze mich selber nicht so ein, daß ich sage, ich habe es schon ergriffen; das aber sage ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt, und jage dem vorgenommenen Ziel nach, dem Kleinod, nämlich der himmlischen Berufung durch Jesus Christus.“ Phil. 3,13-14.

In dieser Erkenntnis sind nun die armen Kranken und schwachgläubigen Menschen zu unterrichten, nämlich daß sie vergessen, was hinter ihnen ist, die Welt, die Sünde und ihr Verdienst, und daß sie sich aufgrund von Christus ausstrecken nach dem ewigen Heil, und diesem nachjagen in Vertrauensglauben und Beharrlichkeit.

Trost und Bestärkung der Kleingläubigen

Überhaupt soll man keinen Gläubigen auf seine Werke und auf sein Eigenverdienst hinweisen, und noch weniger ihn in seiner Schwachheit zaghaft machen oder ihm seinen Schwachglauben nähren und mit dem Fegefeuer aufwärmen; nein, vielmehr soll man so reden: Wir stellen dem Schwachen deutlich vor, wie Gott ein freundliches, liebevolles Gut ist; wie er des sündigen Menschen Tod nicht begehrt, sondern jedermann selig machen will; und davon ist der Schwache nicht ausgeschlossen wegen seiner Sünden. 1. Joh. 4; Ezech. 18; 1. Tim. 2.

Der Herr selber hat gesagt: „Kommet zu mir alle, die Mühe haben und belastet sind, und ich will euch der Last entledigen und Ruhe geben.“ Matth. 11,28.

Solches hat er aber auch an vielen armen Sündern bewiesen, besonders an Matthäus, an Zachäus, an Petrus, an Maria Magdalena, am Mörder am Kreuz; die hat er allesamt begnadigt, und dabei sämtlichen Sündern Vergebung ihrer Sünden verheißen, wo sie Vertrauen haben in ihn. Nun aber wird Gott nicht lügen; es ist eher möglich, daß Himmel und Erde zerbrechen, als daß ein Tüpfelchen von Gottes Wort und seiner Verheißung hinfällig wird. Darum soll der Schwache in keiner Weise an der Wahrheit Gottes zweifeln. Joh. 9 . Dies alles soll man ihnen sagen. Ja, die Sünde ist groß, und es könnte jemand meinen, er sei nicht wert, daß Gott ihn erhören möge, oder sein Glaube sei so schwach, daß er nichts erreichen werde. Doch die beiden jetzt folgenden Evangelischen Erzählungen sollen gerade diese Menschen zuversichtlich machen und das Herz des Schwachen stärken.

Die erste steht Matth. 15,22-28; da kommt eine kanaanäische Frau, eine Heidin und arme Sünderin, vor Jesus und schreit zu ihm: „O Herr, du Sohn Davids, erbarm dich meiner.“ Jesus aber antwortete kein einziges Wort. Das konnte sie jedoch nicht abschrecken, sondern sie schrie je länger desto lauter: „O Herr, erbarm dich meiner.“ Und obschon Jesus sagte, er sei nur zu seinen eigenen Schäflein geschickt, schrie sie trotzdem: „O Herr, komm mir zu Hilfe.“ Und als der Herr noch schärfer antwortete und sagte: „Es geziemt sich nicht, daß ich das Brot den Kindern wegnehme und es den Hunden vorwerfe“, und damit beleidigte er sie, indem er sie mit einem Hund verglich - da gab sie dennoch nicht auf und sagte: „Das ist gewiß wahr, o Herr; aber immerhin essen die Hunde die Brosamen, die vom Tische ihrer Herren fallen.“ Nun, genau so beharrlich sollen wir sein, uns demütigen und fort und fort schreien: „O Herr, erbarme dich unser; wenn wir auch Hunde und arme Sünder sind, so hilf uns trotzdem und verlaß uns nicht gänzlich“ usw. Dies, damit auch zu uns gesagt werde: „Groß ist euer Glaube; euch geschehe, wie ihr begehrt.“

Die andere Erzählung steht in Markus 9,17-24 etwa mit diesen Worten aufgezeichnet: „Es brachte einer seinen Sohn zum Herrn; der hatte einen stumm machenden Geist, fiel zu Boden und bekam Schaum vor dem Mund. Der Herr fragte den Vater, wie lange dem Knaben dieses schon widerfahre. Und er sprach: „Von Kind an. Kannst du es, so erbarm dich unser und hilf uns.“ Jesus aber sprach zu ihm: „Wenn du könntest, vertrauend glauben könntest - alle Dinge sind möglich demjenigen, der glaubt.“ Und sogleich schrie der Vater des Kindes weinend und sagte: „Ich glaube, o Herr; hilf meinem Unglauben.“ So soll auch ein jeder, der schwach ist, von Herzen schreien: „O Herr, ich vertraue auf dich; mehr mir meinen Glauben und hilf meinem Unglauben.“

Soviel von der Bezahlung der Sünden und vom rechten Vertrauen auf Jesus Christus.

Jesus Christus ist die Auferstehung und das Leben, in dem wir auferstehen und ewig leben. Kapitel 8

Jesus Christus ist aber nicht nur die Bezahlung und Versöhnung für unsere Sünde, sondern auch die Auferstehung und das Leben; in ihm haben wir die sichere Kunde vom Leben und die Kraft des Lebens. Und hier soll die Wirkkraft und die Auswirkung der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi genau betrachtet werden.

Alle Glaubenskraft der Christen beruht auf der Auferstehung Christi.

Von der Auferstehung Christi sagt Paulus: „Wenn Christus nicht auferstanden wäre, so wäre unsere Predigt nichts, es wäre auch euer Glaube nichts; ihr wäret noch in eueren Sünden, und die welche entschlafen sind, wären verloren.“ 1. Kor. 15,17-18. Damit stellt der heilige Apostel die ganze evangelische Predigt, all unseren Glauben, die Sündenvergebung und das ewige Leben auf die Auferstehung von Jesus Christus. Denn wenn dieser nicht von den Toten auferstanden wäre, so hätten wir denken mögen, die Sünde sei nicht hinweggenommen. Denn die Kraft des Todes, das ist die Sünde. Nun aber, wo er den Tod überwunden hat, ist klar, daß zuvor die Sünde zerbrochen und kraftlos gemacht werden mußte. Ebenso: Wäre unser Schutzherr nicht auferstanden, so hätten wir denken müssen: „Der Tod nimmt uns dahin, und nach dem Tod ist nichts mehr. Denn wer von den Toten ist jemals gekommen und hat uns berichtet, was dort sei?“ Darum ist Christus, der Schutzherr, nun wirklich von den Toten auferstanden. Er hat sich in vielen Offenbarungen und deutlichen Erscheinungen seinen Jüngern gezeigt, mit Zeichen und Beweisen; er hat sich von ihnen berühren lassen, hat mit ihnen gegessen, und ist vierzig Tage lang bei ihnen gewesen; da hat er mit ihnen vom Reich Gottes geredet und hat klar erwiesen, daß ein anderes und besseres Leben dort ist, und daß unsere Leiber am jüngsten Tag auferstehen und verklärt werden und ewiges Leben erben. Luk. 24; Apg. 1; 1. Kor. 15.

Hierher paßt, daß Paulus auch dies gesagt hat: „Wie von einem einzigen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch die Auferstehung der Toten von einem einzigen Menschen her. Denn ebenso wie wir alle durch Adam sterben, so werden wir alle durch Christus lebendig gemacht, doch ein jeder dann, wenn er an der Reihe ist; der Erstling ist Christus, danach diejenigen, die bei seiner Wiederkunft zu Christus gehören.“

Die Seele stirbt nicht.

Die Seele lebt immer, und auch wenn sie sich vom Leibe trennt, so hört sie nicht auf, sondern sie kommt sogleich zur Seligkeit oder aber zur Verdammnis. Die Seelen, die zur Seligkeit kommen, bleiben durch Christus bewahrt wie denn geschrieben steht Joh. 6,39: „Das ist der Willen dessen, der mich gesandt hat“, spricht Christus, „daß ein jeder, der den Sohn sucht und auf ihn vertraut, das ewige Leben hat, und ich will ihn bewahren am letzten Tag“; das bedeutet, 'ich will ihm seine Seele erretten und erhalten an seinem letzten Ende. '

So sprach er auch zum Mörder am Kreuz: „Heute wirst du bei mir sein im Paradies.“ Luk. 23,43.

Auch Stephanus betete: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.“ Apg. 7,59.

Andererseits bleiben auch die Seelen der Gottlosen leben, aber zu Pein und Verdammnis, welche der ewige Tod genannt wird; den sterben sie auch, aber nicht so, daß sie aufhören und nicht mehr sind, sondern indem sie nichts als Leid und Pein tragen müssen ewiglich.

Der Leib aufersteht.

Also wird zwar dereinst der Leib eines Jeden begraben, aber zur Auferstehung. Denn ebenso wie Jesus Christus wahrhaftig von den Toten auferstanden ist, so werden auch die Körper von den Toten auferstehen, doch nicht am dritten Tage nach ihrem Begräbnis, wie es Christus widerfuhr, sondern zum letzten Gericht. Das hat auch Paulus klar festgestellt und hat gesagt: Der Erstling ist Christus, danach aber wird ein jeglicher in seiner Weise auferstehen auf den letzten Tag. Das heißt: In Christus sieht man, daß es eine Auferstehung und ein anderes Leben gibt, und auch daß wir auferstehen werden; auf welche Weise aber ein jeglicher auferstehen werde, ob zum Tod oder zum Leben, das heißt zum Leid oder zur Freude, zur Pein oder zur Seligkeit, das hat seine Ordnung. Diejenigen, welche im Vertrauen gelebt haben, auferstehen zu ewiger Seligkeit; die aber nicht geglaubt haben, auferstehen zu ewiger Pein. Wann aber dieses geschieht, das bezeichnet er auch: nämlich am letzten Tag. Dazu gibt es nun in Gottes Wort viele Aussagen, die man den Schwerkranken gut einprägen soll. Deren etliche, aber nur die wichtigen, will ich jetzt aufführen.

Hiob 19,25-27 ist geschrieben: „Ich weiß, daß mein Retter und Beschirmer lebt, und daß ich dereinst aus dem Kot auferstehen werde, und daß meine Glieder wieder mit dieser Haut überzogen werden, und daß ich, mit meinem Fleisch bekleidet, Gott anschauen werde; ja, ich werde ihn anschauen mit diesen meinen Augen, nicht mit anderen.“

Der Leib wird begraben, nicht die Seele.

Daniel 12,2: „Die Menge derer, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen; etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Pein und Schmach.“

Aus diesen Worten des Daniel hat der Herr seine Worte genommen, die Joh. 5,228b-29 so aufgezeichnet sind: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und sie werden hervorkommen: diejenigen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung für das Lebens; diejenigen aber, die Übel getan haben, zur Auferstehung für das Gericht.“

Das Ende der Welt wird den Jüngsten Tag erleben.

1. Kor. 15,51-53 sagt Paulus: „Ich sage euch etwas Geheimes: Wir werden nicht alle entschlafen (das heißt; sterben); wir werden aber alle verwandelt, und zwar schnell, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir (das heißt, die welche dann noch leben und den Tag erleben) werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muß das Unverwesliche anziehen, und das Sterbliche die Unsterblichkeit.“ usw. -

Dergleichen Worte schreibt er auch in 1. Thess. 4.

In allen diesen Aussagen wird festgestellt, daß unser Leib in die Erde gesät wird, und daß er bei der Wiederkunft Christi wieder schön gebildet hervorwachsen wird. Er wird wieder der Seele beigefügt und von aller Zerbrechlichkeit befreit. Joh. 12,17. Dies ist die Verwandlung, von der Paulus oben geschrieben hat: „Fleisch und Blut wird den Himmel nicht besitzen“. Matth. 19 das heißt, keine menschlichen Begierden, Anfechtungen, Ungebührlichkeit, Mißbildung noch Gebresten werden in den verklärten Körpern haften noch in jenem Leben existieren; darum heißen die veränderten Leiber auch verklärt, das heißt geläutert und gesäubert. Denn wir werden wie die Engel Gottes, nicht daß wir zu lautern bloßen Geistern werden, sondern daß nichts Fleischliches, d. h. Zerbrechliches, Begehrliches und Unvollkommenes in unserem verklärten Leib sein wird, so wie auch in der Substanz der Engel nichts Bresthaftes ist. Und so wird der Herr unseren niedrigen bresthaften Leib seinem herrlichen verklärten Leib angleichen. Philip. 3,10.

Hierher gehört die Auferweckung des Lazarus, der schon vier Tage im Grabe gelegen hatte und bereits stank. Joh. 11,1-44. Mit dessen Auferweckung wollte uns Christus zu verstehen geben, wie wahr unser Glauben an die Auferstehung des Leibes ist, und daß wir durch den Vertrauensglauben an ihn ewig leben, was die Seele betrifft, und in der Kraft seiner Auferstehung am letzten Tag auferweckt werden, was den Leib betrifft. Denn so erklärt er seine eigene Person und sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer mir vertraut, der wird leben, ob er auch stirbt; und wer da lebt und mir vertraut, der wird ewiglich nicht sterben.“ Solche Worte soll der Kranke sich zu Herzen nehmen, soll es sich tief einprägen und sich stets daran erinnern; er soll sich auch nicht beirren lassen dadurch, daß der Leib wieder zur Erde wird. Denn Er, der den ersten Menschen von der Erde nahm und ihn nicht nur so erschuf wie die anderen Dinge, indem er gesagt hätte: 'Es werde ein Mensch' - ja, der wird sehr wohl unseren Leib wiederum auferwecken können von der Erde, auch wenn dieser wirklich zur Erde geworden ist. Und wenn unser Leib von den Tieren verzehrt wird, so sollen wir uns erinnern, wie der Herr den Jona aus dem Bauch des Walfisches unversehrt und lebend wieder hervorbrachte, als Vorausbild der Auferstehung. Matth. 12,39.

Hierher gehört auch das 37. Kapitel des Hesekiel, und 1. Kor. 15.

Die Himmelfahrt Christi.

Die Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus macht diese Auferstehung noch viel wichtiger. Denn so wie wir im Betrachten seiner Auferstehung erkennen, daß unser Leib und Seele nach dem Tode nicht verdirbt, sondern weiterlebt, auch wenn das Fleisch verwest - so verstehen wir aus der Himmelfahrt Christi, wohin und wozu Seele und Leib der Gläubigen im Tod hingenommen werden, nämlich: in die ewige Freude und Seligkeit werden sie genommen. Denn mit seiner Himmelfahrt hat er bezeugt, daß der Mensch, den er angenommen hat, ganz bei Gott sein wird; er bittet den Vater auch und sagt Joh. 17,24: „Vater, ich will, daß da wo ich bin, auch diejenigen seien, die du mir gegeben hast, daß sie meine Klarheit sehen, die du mir gegeben hast. Denn du hast mich geliebt noch bevor die Welt gegründet war.“ Diese große Zusage und diese treffliche Verheißung soll des Schwerkranken Herz sicher machen, ja es freudig machen zur Liebe, und daß es ein Verlangen hat nach der himmlischen ewigen Gloria und Seligkeit, weil er doch sieht, daß diese ihm wirklich offensteht durch Christus.

Christus ist die Auferstehung und das Leben auch derer, die vor ihm gelebt haben.

Wahrhaftig, alle heiligen Väter und Diener Gottes in beiden Testamenten haben sich im Vertrauen auf die Auferstehung, das ist in Erkenntnis Jesu Christi willig in den Tod ergeben, und sie haben ein Verlangen nach der Seligkeit gehabt. Denn Jesus Christus ist die Auferstehung und das Leben gewesen für alle Gottnahen von Adam bis zu uns, und er wird es auch bleiben bis zum Ende der Welt. So habe ich das ausführlicher erklärt in dem Büchlein, das ich vor einem Jahr geschrieben habe vom einzigen und ewigen Bund Gottes.

So spricht Petrus: „Der Herr wird kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Denn dazu ist das Evangelium den Toten gepredigt worden, daß sie, was Leib und Fleisch betrifft, gerichtet werden wie andere Menschen; was aber den Geist betrifft, so sollen sie bei Gott leben.“ 1. Petr. 4,5-6.

Tote: darunter versteht er die verstorbenen Väter, deren Seelen im Gefängnis gehalten wurden, wie er klarer im 4. Kapitel zeigt; ihnen ist das Evangelium gepredigt worden, das heißt, ihnen ist die Erlösung durch Christus kundgetan und mitgeteilt worden, nämlich daß sie erlöst sind, jetzt bei Gott leben, was den Geist d. h. die Seele betrifft, körperlich aber ruhen sie bis auf das allgemeine Gericht, in dem alles Fleisch d. h. alle Menschen auferstehen und gerichtet werden. Dies ist es auch, daß der heilige Simeon frohlockte und, als er den Herren Jesus erkannt hatte, gerne bald sterben wollte. Er sagte nämlich: „Laß jetzt deinen Knecht, o Herr, im Frieden dahinfahren, nach deinem Wort. Meine Augen haben ja deinen Heiland gesehen, den du ausgerüstet hast, für alle Völker deutlich sichtbar ein Licht zu sein, das die Heiden erleuchtet. Er ist die Ehre und der Preis deines Volkes Israel.“ Luk. 2,29-32.

Ein jeder Gläubige hat mit den Augen seines Herzens nicht etwa weniger deutlich Christus gesehen, ihn, der unser aller Auferstehung und Leben ist, in dem wir gewißlich leben werden d. h. um dessentwillen unsere Seele nicht verderben, sondern ewiges Leben erlangen wird, und darüber hinaus wird unser Leib zur letzten Zeit auferstehen und geläutert werden. So soll also auch jeder Gläubige lobend und dankend sagen: Ich weiß ja doch und vertraue darauf, daß ich durch Jesus Christus erlöst bin und zum ewigen Leben geführt werde; auch daß ich durch den leiblichen Tod nicht verdorben und zunichte gemacht bin, sondern nur verändert und sogar vom Tod ins Leben genommen werde. Darum bin ich bereit, hinzufahren und zu sterben, wenn es nur der Wille des Herren ist.“Denn ich habe ein Verlangen“, so sprach Paulus, „aus dem Jammer von hinnen abzuscheiden und bei Christus zu sein. Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“

Der Glaube hat seine Kraft und Auswirkung in Christus. Deren Beschreibung. Kapitel 9

Etliche sagen: „Wenn dem so ist, dann muß der Mensch ja nur noch sagen: 'Ich glaube an Christus'; damit wird aber all das als nichts erklärt, was man sonst von den guten Worten und Werken lehrt.“ - Wer so spricht, versteht noch nicht, daß der bekennende Glaube eine Kraft, eine lebendige Wirksamkeit Gottes im Menschen ist und nicht bloß ein leeres Geschwätz vom Himmelreich.

Der Glaube ist eine Kraft, die etwas bewirkt.

Der Vertrauensglaube an Jesus Christus macht den Menschen neu, wiedergeboren, so daß er zur Selbsterkenntnis gebracht wird und so seine Sünde und Unrecht erkennt, diese vor Gott frei zugibt und bekennt, es bereut, um Verzeihung bittet und Hoffnung schöpft, und dazu Gott treu liebt, ihn, der doch das Oberste ist, ein wohlwollender Vater; mit festgefaßtem Vorsatz hütet der Gläubige sich vor dem Argen und tut das Gute - nicht in der Hoffnung, damit das Heil zu erlangen; denn er weiß gut, daß ihm und allen Gläubigen das Heil einzig durch das Verdienst Christi erworben worden ist. Er ist vielmehr Gott dankbar und zeigt seine Reue, indem er Rechtschaffenes tut.

Beichte und Absolution

Der Gläubige leistet die Beichte, das Sündenbekenntnis, nur Gott selber; ihm, vor dem er gesündigt hat.

In welcher Form das zu tun ist, das ist im 51. Psalm formuliert: „Erbarm dich meiner, o Herr, nach deiner Güte; tilge mein Übertreten nach deinem großen Erbarmen. Wasche mir immer wieder meine Missetat ab, und reinige mich von meiner Sünde. Ich bekenne mein Übertreten, und ich vergesse nie meine Sünde. Wider dich allein habe ich gesündigt, und habe getan, was böse ist vor deinen Augen. Mach du mich vor deinem Wort rechtschaffen, und rein vor deinem Gericht.“

Eine andere Form des Beichtens hat der Herr selber gesagt Luk. 15,18b-19; das lautet so: „Vater, ich habe gesündigt vor dem Himmel und vor dir, und ich bin nicht mehr wert, daß ich weiterhin dein Sohn heiße; mach mich aber zu einem deiner Tagelöhnern.“

Eine nochmals andere Form ist bildhaft dargestellt Luk. 18,13 mit diesen Worten: „Der Sünder stand weit abseits, wollte seine Augen nicht zum Himmel aufheben, sondern schlug sich an die Brust und sagte: „O Gott, sei mir armem Sünder gnädig.“

Die allgemeine Form, die bisher gebraucht worden ist, lautet so: „Ich armer, sündiger Mensch bekenne mich vor dir, mein Schutzherr Gott und Schöpfer, daß ich leider viel gesündigt habe wider dich, mit Absichten, Gedanken, Worten und Werken, wie du, ewiger Gott, gut weißt; es tut mir leid wegen diesen Sünden, und ich begehre deine Gnade und Barmherzigkeit.“

Es ist aber bis jetzt der Welt eine Beichte aufgedrängt worden, in der ein jeder alle einzelnen seiner Sünden dem Pfarrer in das Ohr flüstern mußte. , kleine Sünden und große: wie, wann, wo, mit wem, und warum er sie begangen habe; von diesem mußte. man die Absolution, die Lossprechung von den Sünden empfangen. Das lassen wir aber bleiben, weil es doch eine Menschensatzung ist und nicht nötig ist zum Heil. Wir wollen niemanden darauf verpflichten, weil wir bei den Aposteln und in ihren Schriften kein einziges Beispiel davon finden. So wissen wir aus Matth. 15,8, daß man Gott vergeblich ehrt mit Menschensatzungen, und aus Mark. 2,2-11, daß niemand uns unsere Sünde verzeihen kann, außer einzig Gott durch Jesus Christus. seinen Sohn; ihm soll man beichten, und diese Beichte, die von Herzen vor Gott geschieht, ist notwendig zum Heil.

Von ihr sagt der ehrwürdige Johannes in 1. Joh. 1,7b-10: „Das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde. So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. So wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, indem er uns die Sünde verzeiht und uns rein macht von aller Ungerechtigkeit. Wo wir aber sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.“ usw.

Darum bedenke ein jeglicher Kranker, in welcher Form er die Beichte seiner Sünden richtig tue vor Gott, seinem Schutzherrn und Vater. Wenn aber jemand den Diener des Worts oder sonst einen Bruder, der sich in Gottes Wort auskennt, um Rat fragen will und dabei seine Sünde und Missetat aufdeckt - das lassen wir zu, sofern es freiwillig ist und kein Zwang und keine Verbindlichkeit daraus wird.

Die Gläubigen sollen aber keine andere Absolution anerkennen als die gnadenvolle Predigt des heiligen Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Von diesem hast du in den vorausgehenden Kapiteln ausreichend Bericht bekommen. Und einzig der wirkliche Vertrauensglaube in Jesus Christus kann das unruhige Gewissen zum Frieden führen; nur er gibt dem unruhigen Menschen Heilsgewißheit.

Solches lehrte auch Christus selber, als er sprach: „Wer von dem Wasser trinken wird, das ich gebe, den wird nimmermehr dürsten.“ Joh. 4,14.

Ebenso: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer mir vertraut, den wird nimmermehr dürsten.“ Joh. 6,48. 58b.

Ein anderes Mittel gibt es nicht, unserem Herzen die Gewißheit und Ruhe zu geben. Darum braucht ein jeglicher Gläubige richtigerweise nichts anderes.

Das Sakrament des Leibes und Blutes Christi empfangen

Das Nachtmahl unseres Schutzherren Jesus Christus, das Sakrament des Leibes und des Blutes Christi, wird hie und da den Schwerkranken als Verzeihung der Sünden und zur Versicherung des ewigen Lebens gebracht. Es ist aber vielmehr eine Vergegenwärtigung des Leidens Christi, und eine allgemeine Danksagung der ganzen Kirche, für die Guttaten Gottes. So haben die Apostel dieses Sakrament gefeiert. Apg. 2 und 20,11. So gebe sich der Schwerkranke zufrieden mit dem allgemeinen öffentlichen Brotbrechen, das er mit der ganzen Gemeinde zusammen (1. Kor. 10,16-17) getan hat; damit hat er Anteil an den Sakramenten und ist ein Glied der ganzen Gemeinde Christi geworden; diese ist Körper Christi. Er vertraue fest darauf, daß er durch den hingegebenen Leib und das vergossene Blut vom Tod erlöst und jetzt ein Glied am Leibe Christi geworden ist; ein Glied, das nie mehr von Christus abgetrennt wird.

Die letzte Ölung

So ist auch die letzte Ölung bei den Alten nicht zur Verzeihung der Sünden gegeben worden, sondern zur Pflege und als Heilmittel. Der ehrwürdige Jakobus schreibt vor (Jak. 5,14), man solle bei den Kranken beten und sie im Namen des Herrn mit Öl salben; damit will er keine Zeremonie aufrichten, sondern vielmehr zum Erbarmen ermahnen, man solle um des Herren willen ihnen helfen und sie pflegen, und was man ihnen an Arznei und Pflege gibt, das gebe man mit Gottesfurcht, mit rechtem Vertrauen im Namen des Herrn.

Angaben über den Gebrauch des Öls, so wie er bei den Alten gewesen ist, findest du in 2. Kön. 12, Matth. 6, Luk. 7, Mark. 6 und in vielen Psalmen.

Aus dem Glauben erwächst Liebe zu Gott und zum Nächsten, nämlich daß wir unseren Feinden vergeben und in allen Leiden geduldig und in aller Anfechtung standhaft sind. Kapitel 10

Außerdem bewirkt der Glaube in den Herzen der Gläubigen Liebe zu Gott und zum Nächsten. Wer aber den Nächsten liebt, der liebt ihn so wie wir von Christus geliebt sind. Wir handelten einst noch gegen Gott - da hat Christus dennoch Menschenart und Menschennatur angenommen und hat sich gedemütigt bis in den Tod, ja bis in den Tod am Kreuz. Darum verzeiht und vergibt auch jeder Christ, in der Liebe Christi, allen denen die ihm je Unrecht und Leid angetan haben.

Verzeihen und vergeben, denen, die uns Leid zugefügt haben.

Sofern die Schwerkranken begehren, teilhaft zu werden an den oben genannten Werten, die Gott uns in Christus gegeben hat, soll man sie jetzt ermahnen, es solle jeder seinen Feinden verzeihen und vergeben, und auch für sie um Gottes Gnade bitten. Unser Schutzherr Jesus hat uns das als Beispiel vorgemacht Luk. 23,34; er hat am Kreuz für seine Feinde gebetet: „Vater, verzeih ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“

Darin hat der heilige Märtyrer Stephanus Nachfolge getan und hat zuallerletzt ebenfalls für seine Feinde gebetet: „O Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“ Apg. 7,60.

Wir beten alle in unserem gemeinsamen Gebet, das der Herr Jesus uns gelehrt hat: „Und vergib uns unsere Schulden, wie denn auch wir unseren Schuldnern vergeben.“ Matth. 6,12.

Darauf hat er selber weiter gesagt: „So ihr den Menschen ihre Verirrungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Verirrungen nicht vergebt, da wird euch euer Vater euere Verirrungen auch nicht vergeben.“

Hierher gehört jetzt Matth. 17, und was der ehrwürdige Jakobus Jak. 5,16. gelehrt hat: „Gebt einander euere Fehler zu und bekennt sie, und betet füreinander, daß ihr gesund werdet.“

Wer aber partout nicht verzeihen und seinem Widersacher vergeben will, der wisse, daß all sein Tun und Lassen Gott nicht genehm ist. Denn Jesus, der Schutzherr selber, lehrt im Evangelium, man solle Gott zuliebe etwas tun; es komme niemand vor ihn, er habe sich denn zuvor mit seinem Bruder geeinigt und versöhnt. Ist aber in dir der Neid, die Feindschaft und der Haß so sehr groß, daß du sie nicht in einem Zug aus deinem Herzen werfen kannst, so bitte Gott ernsthaft und unaufhörlich um Gnade, er möge dir doch deinen unguten Willen brechen und einen guten Willen einpflanzen, damit du jedermann frei wirklich vergeben kannst, so wie du deinerseits begehrst, daß Gott deine Sünde verzeihe und vergebe.

Geduld in Leiden und Schmerz.

Die Liebe zu Gott aber, die aus dem Glauben erwächst, wirkt Geduld im Leiden und in der Krankheit, auch Beständigkeit in Gutem. Denn die Liebe erleichtert schwierige Dinge; sie nimmt dem, den man liebt, nichts übel. Nun weißt du ja, daß die Krankheit dir nicht ohne den Willen Gottes zugefallen ist; so dir dann Gott lieb ist - und es ist ja nur recht, daß wir unseren Vater, der uns so herzlich liebt, ebenfalls lieben -, wirst du kein Bedauern verspüren, wenn er dich hart anpackt. 1. Petr. 2,20-21. Zudem: Christus hat gelitten und hat uns damit ein Beispiel gegeben; wir nun sollen seinen Fußstapfen folgen, unser Kreuz auf uns nehmen und in Geduld den Weg gehen, der rauh und eng ist. Hat uns nun Christus so geliebt, daß er durch das Kreuz in seine Glorie gegangen ist - es ist nur recht, daß wir uns in allem unserem Leiden geduldig verhalten. Ein jeder Schwerkranke soll hier ermessen, welches Leid, Pein, Angst und Not alle lieben Freunde Gottes von jeher erlitten haben. Solches soll uns ebenfalls Geduld lehren.

Darauf dringt der Apostel im Brief an die Hebräer, im 11. und 12. Kapitel.

Im Guten beständig sein und bleiben

Da wir aber bloß Menschen sind, ist es nicht anders möglich, als daß der Kranke hie und da wegen der Schwere der Krankheit ungeduldig wird aufgrund von schwerer Anfechtung und unerträglicher Schmerzen. Wahrer Glaube erlöscht aber deswegen nicht ganz. Er dringt immer wieder hervor und wendet die Ungeduld ab durch Geduld. Denn der Gläubige weiß ohne zu zweifeln, daß alles gut wird, indem wir im Guten bleiben.

Jesus hat gesagt: „Wer bis ans Ende ausharrt, der wird heil.“ Matth. 24,13.

Darum soll sich der Kranke immer wieder aufrichten aus der Ungeduld, nicht im Widerwillen stecken bleiben Gott gegenüber, sondern er wird demütig seinen Irrtum und die Ungeduld bekennen und um Geduld und Beständigkeit in allem Guten bitten.

Die Versuchung durch den Bösen

Es ist auch so, daß der böse Feind seine Pfeile auf den Kranken abschießt, ob er ihn von der Einfachheit und Wahrheit des Vertrauensglaubens zur Verzweiflung und zum Abfall bringen könne. Gegen dieses soll und muß der Kranke sich sorgfältig bekleiden mit dem Harnisch Gottes, den der Apostel im Epheserbrief 6,11-17 beschreibt. Darüber hinaus ist es uns Menschen zu gutem Nutzen, wenn wir uns der Angriffe und Versuchungen des Bösen bewußt sind und diesen gut und ordentlich entgegenwirken können. Er versucht uns zur Linken und zur rechten, das heißt, mit argen Dingen und mit guten Dingen. Da müssen wir nun aufmerksam sein und uns mit dem Wort Gottes und mit wahrem Vertrauen wappnen, damit er uns nicht in Verzweiflung oder zur Selbstgefälligkeit bringt. Denn wenn er mit dem einen keinen Erfolg hat, so versucht er es mit dem anderen.

Zuerst wirft er dem Kranken vor, er sei verloren und von Gott abgelehnt. Antwort (Röm. 8,1): Es ist keine Ablehnung denen gegenüber, die Christus eingepflanzt sind. - „Du bist aber ein Sünder, und darum bist du Christus nicht eingepflanzt.“ - Antwort (1. Tim. 1,15): Christus Jesus ist in diese Welt gekommen, die Sünder selig zu machen. - „Deine Sünden übertreffen aber den Sand am Meere.“ - Antwort (Psalm 103,12): So weit der Aufgang der Sonne ist vom Niedergang, so weit tut er unsere Übertretung von uns. Ebenso Jesaja 1,18b: Und wenn euere Sünden auch so rot sind wie Scharlach, so müssen sie doch weißer werden als der Schnee. Und wenn sie brennendrot sind wie Purpur, so müssen sie weißer werden als reine Wolle. - „Diese Verheißungen gelten aber einzig den Kindern Gottes; du aber bist ein Abtrünniger.“ - Antwort (Luk. 15,20): Der Verlorene Sohn war auch abtrünnig; er wurde aber dennoch herzlich begrüßt, als er zurückkam. - „Gott erhört aber die Sünder und Abtrünnigen nicht.“ - Antwort: Dann erhört er aber die Reuigen, wie in Psalm 51,19 geschrieben steht: Ein zerbrochenes und zerknirschtes Herz wirst du, o Gott, nicht verschmähen. - „Du kommst aber mit deiner Reue zu spät.“ - Antwort: Niemand kommt zu spät in den Weingarten des Herrn; das erkennt man an der Geschichte vom Mörder am Kreuz. Luk. 23,39-43. - „Dieser hatte aber ein festes Vertrauen zu Gott; das hast du nicht.“ - Antwort: Deshalb bitte ich mit den Aposteln: O Herr, mehre mir meinen Glauben. - „Und trotzdem mußt du die Welt verlassen.“ - Dagegen erlange ich aber den Himmel. - „Sterben ist ein unselig Ding.“ - Selig sind, die im Herrn sterben. - „Du mußt Frau und Kinder verlassen.“ - So nimmt Gott sie in seine Obhut. - „Du lässest aber viel Freuden zurück und viele gute Freunde.“ - Noch viel mehr Jammer und Elend als Freude verlasse ich; meine guten Freunde werden mir bald nachfolgen und immer bei mir sein usw.

Wenn nun der Böse sieht, daß er dich zur Linken nicht verführen kann, so versucht er, dich zur Rechten vom Guten wegzustoßen; er macht, daß du dir etwas einbildest auf deine Beständigkeit, Geduld, deinen Glauben, deine Liebe und deine guten Werke; er weist dich an, du könnest dich darauf verlassen, ein Wohlgefallen an dir selbst haben und dich fast für heilig halten. Denk aber demgegenüber an das Wort des Paulus: „Was besitzest du, was du nicht empfangen hast? Was rühmst du dich dann, wie wenn du es nicht von jemandem bekommen hättest?“ Und denk auch, daß ein jeder Mensch mehr Gutes versäumt als es vollbracht hat. - So soll der Gläubige jederzeit im Kampfbereitschaft bleiben, sich nicht verführen lassen, sondern vielmehr in aller Anfechtung auf Christus bauen und die Worte des Paulus im Mund und im Herzen haben Röm. 8,31b-34: „Ist Gott mit uns, wer mag wider uns sein? Er, der seinen einzigen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat - wie sollte er uns mit ihm nicht ebenfalls alles schenken? Wer will nun die Auserwählten Gottes anklagen? Wer will sie verdammen? Christus ist da, der gestorben ist, ja noch mehr, sogar auferweckt ist er; dieser ist zur Rechten Gottes und vertritt uns.“ - Daneben soll ein jeder ernstlich beten und zu Gott schreien: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.“

Das vertrauende Gebet. Wie der Kranke sich Gott anbefehlen soll. Kap. 11

Unser Schutzherr selbst hat uns ernstlich befohlen (Matth. 26,41), in der Anfechtung jeweils zu wachen und zu beten. Mit Verzichten (Fasten) und Beten wird der Teufel vertrieben. Matth. 17. Das Gebet der Gläubigen vermag viel (Jak. 5,16; Matth. 6,7-11); es ist eine einzigartige Kraft und Wirkung. Unser Schutzherr sagt: „Was ihr begehren werdet, das will ich euch geben.“ Joh. 16,23b. Wir sollen aber im Vertrauensglauben beten und nicht zweifeln; so sagt Jakobus Jak. 1,6a.

Vor allem aber soll der Kranke um Mehrung des Glaubens bitten, und um Beständigkeit und Geduld, und daß er seinen Willen immer in Gottes Willen ergeben könne.

Sodann soll er Gott Lob und Dank sagen für alle Guttaten; daß er ihn erschaffen hat, ihn bislang bewahrt hat, und besonders daß er ihn durch Jesus Christus vom ewigen Tod erlöst hat.

Weiterhin bete der Schwerkranke für seine Freunde und Feinde, für Gute und Böse, Gott möge diese begnadigen und jene stärken; und er möge seiner Kirche Beständigkeit verleihen in Wahrheit und Frieden usw.

Hierher gehören jetzt etliche Psalmen, die man lesen soll: es kann auch jeder sein Gebet und Anruf Gottes nach dem folgenden Muster formulieren.

Gebet der sterbenden Menschen

Da du, o mein Herr, allmächtiger Gott und himmlischer Vater, uns durch dein wahrhaft ewiges Wort mitgeteilt hast, daß du keinen verlässest, der in seiner Not zu dir schreit, so schreie ich jetzt in meinem Anliegen zu dir, nur zu dir, und bitte dich durch deine ewige Wahrheit, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Schutzherrn: Verlaß mich nicht, jetzt an meinem Ende, mich, dein armes Geschöpf. Führt diese meine Krankheit nicht zum Tode, so verleihe mir Geduld im Krankenbett, daß an mir deine Hand erkennbar wird; und wenn ich wieder aufstehen werde, gib, daß ich dann dich immerfort vor Augen habe und mich bessern kann. - Führt die Krankheit aber zu meinem Tode, dann ist es so: Du hast du mir zwar Seele und Leib gegeben, du kannst es mit diesen aber auch nach deinem ewigen und guten Willen anders machen; doch nimm von mir das Bedauern und die Sorge um die zeitlichen Dinge, so daß ich alles mit Leichtigkeit verlassen und es dir überlassen kann in der Hoffnung, du werdest alles gut machen. Ich sage dir auch Lob und Dank, daß du mich bis zu diesem Moment väterlich und getreulich erhalten und gefördert hast, und ich befehle alle meine Anliegen deiner Treue und deinem Schirm; besonders alle, die du in meine Verantwortung gegeben hast. Ich verzeihe und vergebe allen denen, die mir jemals Leid zugefügt haben, und bitte dich, o Herr, du wollest ihnen und allen Menschen gnädig sein, die Sünder bekehren und deine Gläubigen getreulich bewahren. Daß ich in meinem elenden Leben so vielfältig wider dich gesündigt habe, das tut mir leid, und ich bitte um deinen Gnade und Barmherzigkeit, zu der wir durch Jesus Christus Zugang haben dürfen; ihn hast du uns zum ewigen Leben und zur Bezahlung unserer Sünden gegeben, und du hast gesagt, wer auf den Sohn Gottes vertraue, der werde ewiges Leben haben. So vertraue ich jetzt auf Jesus Christus, deinen einzigen Sohn, unseren Schutzherren, den wahren Gott und wahren Menschen, den einzigen Heiland für die ganze Welt; ich beanspruche auch keinen anderen Schutz, Hilfe und Beistand, sondern ich erhoffe mir durch ihn Verzeihung der Sünden und ewiges Leben. O Herr, mehre mir du immer diesen meinen Glauben und hilf meinem Unglauben; behüte mich vor der Gewalt des Bösen, führe mich nicht in Versuchung, stärke meine Schwachheit und rechne mir meine Blödigkeit (Mangelhaftigkeit) nicht an, sondern zeige mir deinen Sohn, unseren Schutzherren Jesus Christus zu deiner Rechten, wohin er sich gesetzt hat und uns damit eine feste Sicherheit gibt, daß auch wir durch ihn zu dir in die Himmel kommen werden. Auf diese Zusage hin ergebe ich mich jetzt ganz dir, mit Leib und Seele, sage dir Lob und Dank für deine Gnade und Barmherzigkeit; denn ich habe keinen Zweifel, weiß und vertraue darauf, daß du diesen meinen armen sterblichen Leib am jüngsten Tag von den Toten auferwecken wirst; meine Seele aber nimmst du bei meinem letzten Atemzug zu dir auf; diese Seele empfehle ich dir jetzt, o Herr Gott, nimm sie in deine Hände. Erbarme dich meiner und führe mich von diesem Tod ins ewige Leben durch Jesus Christus, unseren Schutzherren.

Die Fürbitte

Unser Schutzherr Jesus hat uns auch geheißen, für einander zu bitten; es gibt auch Beispiele, daß die Fürbitte rechtschaffener Leute immer viel gegolten und bewirkt hat bei Gott. So soll der Kranke die Fürbitte der Gläubigen nicht verachten, sondern sie ernsthaft begehren. - Diese Fürbitte solange hilfreich, als wir uns noch hier in dieser armen Zeit abmühen. Hingegen haben wir kein klares Wort Gottes, aber auch kein Beispiel dafür, daß die Fürbitte der Lebenden den Abgestorbenen helfe. Gleicherweise hat man auch keine Grundlage in Gottes Wort für die Meinung, daß die Seligen in den Himmeln für die Lebenden beten würden. Das Folgende aber ist klar und ausdrücklich gesagt: daß wir alle Dinge nur von Gott begehren sollen durch Jesus Christus. Darum sollen sich alle Kranken nicht auf etwas Erschaffenes beziehen, sondern sie sollen alles nur durch den Namen Jesu Christi erbitten und begehren. (Jes. 45; Psalm 49; Joh. 16; Matth. 7. ). Auch ist Gott kein Gebet genehm, wenn es nicht von uns im Namen von Jesus Christus gebetet wird. Hebr. 13,9.

So sagt Jesaja Kap. 63,16: „Abraham weiß nichts von uns, und Israel erkennt uns nicht; sondern du, Herr, bist unser Vater und Erlöser, und dein Name besteht seit Ewigkeit.“

Wenn also nur Gott allein unser Anliegen weiß, und er ist unser Vater und Erlöser, so laßt uns auch zu ihm allein unser Gebet ergehen, und laßt uns einer für den anderen, der noch in dieser Zeit ist, beten. Wenn wir dann von hinnen scheiden, so kommen wir in einen Zustand, wo das nachträgliche Gebet nicht mehr Platz hat. Denn entweder ist es unnötig, oder dann unnütz; hier nämlich sollen wir im Licht wandeln, solange uns das Licht brennt Joh. 12,35; hier ist die Gnadenzeit; hier wird das Leben erlangt oder verloren. Gal. 6. Und niemand soll darob erschrecken oder verzagen; derjenige, der in uns ist, der ist größer als derjenige, der in der Welt ist (Cyprian). So ist also keiner, der wirklich bereut, je zu spät gekommen.

Wie der Schwerkranke seine Seele in der Todesstunde Gott anbefehlen soll

So erweist es sich nun als falsch, daß etliche in ihren Todesnöten die Seligen angerufen haben, daß sie sich auf die Nachbitte verlassen und ihre Seelen den Engeln oder sonstwie Seligen zu Schirm, Schutz und Hilfe anbefohlen haben. Denn Christus, unser Schutzherr und Erlöser, unser Licht, Lehrer und Beispiel, betete und sprach in seiner Todesstunde: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Luk. 23,46

Stephanus sprach: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.“ Apg. 7,59.

David sprach: „Herr, ich vertraue auf dich, laß mich nicht zuschanden werden, sondern erlöse mich in deiner Gerechtigkeit. Neig dein Ohr zu mir; eile, mich zu erlösen. Denn du bist mein Fels und meine Burg, erhalt mich um deines Namens willen, führe mich aus dem Fangnetz, das mir gelegt ist; du bist meine Stärke. Ich befehle meinen Geist in deine Hand; erlöse mich, o Herr, du wahrhafter Gott.“ Psalm 31,2-6.

Solche und ähnliche Gebete und Empfehlungen haben die allerehrwürdigsten Freunde Gottes verwendet; ein jeder Gläubige soll sich nun auch damit zufrieden geben und sich nicht kümmern um den Tand der Mönche und der Lollarden oder der Beghinen. Gott allein gehört alle Ehre; es gibt auch kein Leben und keinen Heiland als er allein.

Im Sterben Christi haben wir ein vollkommenes Beispiel, wie wir uns zum Tod rüsten sollen. Kapitel 12

Bis hier habe ich ausführlich berichtet, wie der Schwerkranke sich in seiner Krankheit verhalten und sich auf den Tod vorbereiten soll; jetzt will ich dieses kurz zusammenfassen, indem ich das Sterben Christi als Beispiel vorstelle. Christus ist uns ja von Gott nicht nur zur Erlösung gegeben, sondern auch, um uns die Weisheit zu zeigen. 1. Kor. 1,24. Von ihm lernen wir all das, was uns zum Heil notwendig ist.

  1. Zum Beginn seines Leidens und Sterbens setzt er das Geheimnis ein, d. h. das Sakrament seines Leibes und Bluts, zur Vergegenwärtigung seines Todes und unserer Erlösung. - Darum soll der Schwerkranke, wenn sein Krankenlager beginnt, daran denken, daß er durch den Tod Jesu Christi erlöst ist; darum sage er ihm billigerweise Lob und Dank, und schicke er sich drein, Kreuz und Leiden zu erleben, und gebe sich mit Geduld in Gottes Willen.
  2. Nachher wusch Jesus seinen Jüngern die Füße, womit er sie Demut lehrte, und daß einer dem andern so verbunden sein solle, daß er ihm einen Dienst leistet. - Hat nun der Kranke dieses in seinem bisherigen Leben nicht beachtet in seinem Hochmut, Verachtung, Hoffart und Eigennutz, so beklage er das vor Gott, mache jedermann aufmerksam, um ein abschreckendes Beispiel zu sein, gebe es jedermann zu und mache jetzt noch ernst mit der Dienstbarkeit und der Demut, verzeihe und vergebe jedem, da er ja deutlich sieht, daß der Herr selber auch seinem Verräter Judas die Füße gewaschen hat.
  3. Als Jesus sich nun willig ganz in den Tod ergeben hat, da redet er fortan nichts anderes mehr als vom Vertrauen, von der Standhaftigkeit, von der Geduld und von ernstlichem Anrufen Gottes, von der Treue und Liebe Gottes, auch wie er uns nicht wie Waisen zurücklassen wolle, obschon er körperhaft von uns scheide. Das alles beschreibt der ehrwürdige Johannes sehr ausführlich im 14. -17. Kapitel. - Darum soll der Kranke jetzt dasselbe tun: die zeitlichen Dinge vergessen, sich ganz in Gott ergeben, dem Himmlischen nachtrachten, Gott voll vertrauen, sein Wohltun bedenken und loben, sich in Geduld üben und jederzeit zu ihm schreien.
  4. Dabei wird Jesus aber auch traurig und sehr bekümmert; er scheidet nur ungern von den Seinen, sagt: „Meine Seele ist bekümmert bis in den Tod“ Matth. 26,38; er ringt mit sich selbst, er wird sehr geängstigt, bedrängt und kommt in Not, so daß er Blut schwitzt. Luk. 22,44. - Das alles soll der Schwerkranke in Vertrauen und Dankbarkeit bedenken und zuversichtlich sein, daß Jesus uns mit seiner großen Angst die schwere Furcht vor dem Tod gemildert hat; und es ist uns eine Ermutigung, wenn wir bedrängt werden von Angst und Todesfurcht; er will solches in Ordnung bringen und es nicht anrechnen.
  5. Doch der Herr wandte sich in aller seiner Not ab zum Gebet und sagte: „Vater, ist es möglich, so nimm dieses Leiden von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Er betete dann zum zweiten- und zum drittenmal mit großem Ernst. - So sollen auch wir die Furcht nicht gewähren lassen, sondern ohne aufzuhören zu Gott rufen: „Ach Herr, sei mir gnädig, brich mir meinen Willen und lehre mich mit dir verbunden sein und deinen Willen tun, so daß ich mich gern mit deinem Sohn in den Tod begebe.“
  6. Nun der Engel erschien und bestärkte den Herrn. So soll ein jeder gläubige todkranke Mensch nicht daran zweifeln, daß Gott ihn stärkt und zum ewigen Leben bestimmt 2. Petr. 2,; ja, daß Gott ihn nicht in stärkerem Masse versucht werden läßt, als es ihm erträglich ist. 1. Kor. 10,13.
  7. Dann hat der Herr sich mit dem Tod abgefunden und hat sich willig in das Sterben ergeben. Joh. 19. Er geht willig selber seinen Feinden entgegen; von diesen wird er gefangengenommen, gebunden, in verräterisch und ohne Erbarmen vom Ölberg in die Stadt geführt wie ein Übeltäter und Mörder; dort wird er von einem Richter zum anderen geschleift; vor den Richtern wird er ungut behandelt, ja mißhandelt, zum höchsten geschmäht und zuletzt durch falsches Zeugnis erledigt. Solches alles hat er erduldet und unter großer Not erlitten, um uns von den Banden der Sünde zu erlösen und uns freizumachen, auch um uns vor der Rache und Schmach ewiger Verdammnis zu bewahren, ebenso um uns Geduld zu lehren, uns, die wir nicht unschuldig erleiden, was wir erleiden, er aber war unschuldig; sondern um unserer Schuld willen haben wir vielfach noch größere Pein und Not verdient
  8. Es gehört hier auch dazu, daß er verspottet und angespieen wurde, mit schweren Hieben geschlagen, gegeißelt und mit der Dornenkrone gekrönt; ja, er wurde dermaßen von Kräften gebracht, daß Jesaja von ihm sagte: „Er wird weder Wohlgestalt noch Ausstrahlung haben, und wenn wir ihn ansehen, wird keine Schönheit da sein; er wird der allerschlechteste und verachtetste sein, ja als so verworfen werden wir ihn erachten, daß wir unser Gesicht vor ihm verbergen werden.“ - Wenn der Kranke von den Seinen falsch behandelt wird, so denke er daran, was Christus von den Seinen widerfahren ist. Und dann: obschon er viel einzuwenden gehabt hätte, so hat Jesus doch nicht seinen Mund aufgetan. Darum wollen auch wir vom Leiden Christi lernen, Geduld zu haben. Wenn wir großes Kopfweh haben, große Schmerzen an unseren Gliedmassen, innere Qual und Weh - es ist richtig, daß wir dann an die Dornenkrönung Christi denken, wie er gegeißelt wurde, und daß Pilatus ihn hinausführte vor das Volk und sagte: „Seht, was für ein elender, jammervoller Mensch.“
  9. Noch mehr: er nimmt sein eigenes Kreuz auf seine Schultern, trägt dieses hinaus an die Richtstatt; dort wird er unter Schmerzen an das Kreuz genagelt, hochgestellt und in der schwersten Pein dem Tod durch Entkräftung und Erschöpfung anheimgegeben. Nackt und bloß hing er da, in den größten Schmerzen, noch drei Stunden lebend. - Das bedenke der Schwerkranke in seinen Nöten und Schmerzen; er bedenke auch, daß der Sohn Gottes diese Pein um des Menschen willen erlitt; jawohl, die Liebe Gottes zum Menschen ist groß, und das Opfer d. h. die Bezahlung für die Sünde ist vollständig.
  10. Das erste Wort, das der Herr am Kreuz redete Luk. 23,34, war dieses: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ - Daran soll der Kranke erkennen: erstens, daß der Herr für uns alle gebetet hat, und daß er damit erhört worden ist Hebr. 5,7-9; zweitens daß auch er all seinen Feinden vergeben und für sie beten soll.
  11. Das zweite Wort Joh. 19,26-27 war: „Frau, schau, das ist dein Sohn“, und zum Jünger sprach er: „Schau, das ist deine Mutter.“ Damit gab er die Sorge um sie weiter und verließ sie dennoch nicht. - Er lehrte uns damit, alle geliebte Dinge auf Erden zu verlassen um Gottes willen, ebenso aber allen, die Gott in unsere Verantwortung gegeben hat, ein geziemendes, ordnungsgemäßes und gebührliches Testament und Anordnung zu machen. Darum soll der Schwerkranke sich völlig in Gott ergeben, auch wenn er vor seinen Augen Vater und Mutter, Frau und Kinder, Freunde und Wohlgesinnte stehen hat; doch soll er ihrer auch in entsprechender Weise gedenken, wie oben gesagt.
  12. Das dritte Wort Luk. 23,43 war: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein“, sprach er zum Mörder; dieser schrie nämlich zu ihm mit Demut und Vertrauen: „Herr, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ - Unser Schutzherr hat mit dieser Zusage uns allen die Hoffnung gegeben, daß auch wir dank seinem Leiden in sein Reich aufgenommen werden, falls auch wir vertrauensvoll zu ihm schreien. Denn Jesus Christus ist der einzige Heiland und Trost der armen Sünder; er ist das einzige und immerwährende Opfer für unsere Sünde.
  13. Das vierte Wort Matth. 27,46; Psalm 22,2 war: „Mein Gott, mein Gott, wie lange willst du mich verlassen?“ Dies ist aber ein geduldiges Verlangen und ein kindliches Mahnen und Bitten gewesen, sein Vater solle ihm nach seinem Willen die heftigen Schmerzen ersparen und durch den Tod wegnehmen. - Darum darf auch der Schwerkranke in seiner großen Versuchung, Angst und Not sich freundschaftlich an Gott wenden und mit David sagen: „O Gott, mein Gott, wie hast du mich doch verlassen; die Worte meiner Klage sind ferne von meinem Heil. Ich rufe dich den ganzen Tag an, o mein Gott; du erhörst mich aber nicht; ja, auch nachts schweige ich nicht. O Herr, du bist die Hoffnung unserer Väter gewesen, sie hofften auf dich, und du halfst ihnen; sie riefen zu dir, und du erhörtest sie. So erhör auch mich, deinen armen verlassenen Diener.“
  14. Das fünfte Wort Joh. 19,28 war: „Mich dürstet.“ Da boten sie ihm einen Schwamm voll Essig an; davon versuchte er nichts, sondern er erduldete den Durst, um damit den Fluch hinwegzunehmen, der von Adam her auf uns liegt, seit er seine Lust am verbotenen Obst stillte. - So soll auch der Kranke den Durst und andere Gelüste, falls sie ihm nicht gestillt werden können, wie Christus in Geduld überwinden und immer mehr vertrauensvoll an das Wort Christi Joh. 7,37 denken: „Wer da Durst hat, der komme zu mir und trinke. Wer auf mich vertraut, wie die Schrift (Jes. 55) sagt, von dessen Leib werden Flüsse des lebendigen Wassers fließen.“
  15. Das sechste Wort war: „Es ist vollbracht.“ Ja wirklich alles, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben und verheißen war, nämlich wie Gott seinen Sohn in diese Welt schickt, der alles wieder in Ordnung bringt, Gott wieder mit dem Menschen versöhnt, die Sünde sühnt und vergibt, der Schlange den Kopf zerschmettert, den Tod und die Hölle nichtig macht und allen Vertrauenden den Himmel öffnet und ewiges Leben gibt. Dies alles ist jetzt durch das Leiden Christi vollbracht und gänzlich vollendet. - Das soll den Schwerkranken in all seiner Anfechtung trösten und ihn bei starkem Glauben behalten. Denn es ist eher möglich, daß Himmel und Erde vergehen, als daß irgend etwas vom Worte Gottes dahinfalle.

16.

Das siebte und letzte Wort war: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.“ - Darum soll der Schwerkranke an seinem Ende seine Seele nicht den Seligen oder Engeln, sondern nur Gott allein anbefehlen durch Jesus Christus, und er soll Gott voll vertrauen als seinem Vater; er hat sich ja auch sonst als Vater erwiesen all unser Leben lang, und er hat uns beten gelehrt: 'Unser Vater, der du bist im Himmel' usw.

  1. Jetzt wird nun die Seele unseres Schutzherren Jesus in das Paradies geführt, das ist in die Freude und Seligkeit; der Leib aber wird vom Kreuz abgenommen und begraben. - So geht es auch mit allen kranken und gläubigen Menschen; deren Seelen werden unmittelbar nach dem Sterben vom Tod zum Leben genommen, und die Leiber werden begraben, zur Auferstehung. Denn das Weizenkörnlein bringt nicht Frucht, wenn es nicht in der Erde drin stirbt; erst dann beginnt es schön zu wachsen Joh. 12,24. So muß auch unser Leib in das Erdreich gelegt werden, um dann zu seiner Zeit verklärt zu werden. Darum nennt die Schrift den körperlichen Tod einen Schlaf und das Sterben ein Schlafen. 1. Thess. 4,14. Denn ebenso wie der Leib eine Zeitlang im Schlaf liegt und dann wieder wach wird und aufsteht, so stirbt der Körper im Tod, und es fehlt ihm dann eine Zeitlang das Leben; bald aber wird es ihm wieder gegeben, am letzten Tag.

So viel vom Beispiel Christi. Wir lernen daraus, uns friedlich in unseren Tod zu schicken.

Das Begräbnis des Leibs. Das Leid und der Trost derer, denen die Ihren gestorben sind. Kap. 13

Etliche Menschen legen viel Wert auf das Begräbnis der Leichname; sie meinen, diese nütze auch der Seele etwas. Dem ist aber nicht so. Daß man den Leib ordnungsgemäß in die Erde bestattet, das ist christlich. Daß man aber viele Zeremonien macht dazu, und daß dann auch noch die hochprächtigen Gedächtnisfeiern nach dem Tod abgehalten werden, das ist heidnisch. Es ist verwunderlich, daß der Mensch so dumm tut, daß er erst dann hoffarten will, wenn er gestorben ist. Wenn es möglich ist, so laß deinen Leib zu den vielen anderen Körpern anderer gläubiger Menschen bestatten. Wo das nicht möglich ist und Gott es so fügt, daß dein Leib in Wasser oder Feuer verdirbt oder sonstwie in Wald und Feld begraben wird, so mach dir deswegen keine Sorgen. Denke doch ein jeder daran, wie die Körper der heiligen Propheten, Apostel und Märtyrer zerstreut und nur hingeworfen worden sind.

Woher die eigenartigen Gebräuche der Begräbnis stammen

Die Alten übten vielerlei seltsame Gebräuche und Gewohnheiten mit den toten Körpern und mit den Begrabenen; dies deswegen, weil sie die Lebenden damit trösten wollten, indem sie ihnen zu verstehen gaben: die Leichname sind zwar jetzt tot, doch sie werden nicht verderben. Daher haben etliche ihre Körper in kostbare und wohlverwahrte schöne Gräber, z. B. in Kästen und Behälter legen lassen. Nun aber, man verwahrt kein verdorbenes Ding; das hebt man nicht auf. An etlichen Orten legte man Blumen auf die Gräber und besprühte sie mit Wasser. Denn ebenso wie ein Garten, eine schöne Anpflanzung, auf den Winter hin abgeht, doch nach den warmen Frühjahrsregen grünen sie wieder, so auferstehen und grünen auch die abgestorbenen Leiber zu ihrer Zeit; das deuteten jene an mit ihrem Blumenstreuen und Begießen. - Jetzt aber, wo wir doch zweifelsfrei wissen und darauf vertrauen, daß unsere Leiber auferstehen werden, da brauchen wir solche schwachgläubigen Bräuche wirklich nicht mehr. Daß etliche den Abgestorbenen hinterher Opfer, Gebete und andere sogenannte Kirchenrechte leisten sollen, das ist genügend widerlegt im 7. Kapitel. Jedenfalls genügt es, wenn der Körper des abgestorbenen gläubigen Menschen in Ehren begraben wird.

Die toten Leiber entehren

Man soll ja den Gestorbenen keinen Schimpf noch Mutwillen antun, sondern sie ehrenvoll in die Erde zur Ruhe legen. Der Herr läßt durch seinen Propheten Amos den Moabitern androhen, er wolle sie empfindlich strafen, weil sie das Gebein des Königs Edom verunehrt haben Amos 2,1. - Darum sollen wir Christen die Körper der Heiligen d. h. der Gläubigen mit Ehrfurcht, Anstand und Ehren behandeln und bestatten; sie sind die Werkzeuge Gottes und sind zum ewigen Leben bestimmt.

Der Trost für diejenigen, denen die Ihren gestorben sind.

Diejenigen aber, die die Ihren zu Grabe tragen lassen und den Tod der Ihren unter Schmerz und Leid beweinen, sie sollen daran denken, auch hierin maßvoll zu bleiben, wie in allen anderen Belangen. Als dem Anaxagoras gemeldet wurde, sein Sohn sei ihm gestorben, da antwortete er: „Das bedeutet mir nichts Neues; es war mir immer bewußt, daß ich einen sterblichen Sohn habe.“ Ein anderer aber begann zu trauern und zu weinen, als er seiner Kinder Tod vernahm; und als er darob getadelt wurde, antwortete er: „Ihr Lieben, laßt mich doch auch ein Mensch sein“; er meinte damit, es sei menschlich, um die Seinen zu trauern. So haben auch die ehrwürdigen Väter ihre Toten beweint; ja sogar unser Schutzherr selber weinte um den Lazarus Joh. 11,33.

Auch um Stephanus klagten sie heftig Apg. 8,2.

In dieser Beziehung hat der Glaube die Wirkung, daß alles mit Maß geschieht.

Paulus sagt: „Was die Abgestorbenen betrifft: Ich will, daß ihr nicht traurig seid so wie diejenigen, die keine Hoffnung haben. Denn so wir glauben, daß Jesus Christus gestorben und auferstanden ist, so glauben wir auch, daß Gott die Entschlafenen mit ihm zu sich führt“ 1. Thess. 4,14.

Davon unten mehr aus dem Cyprianus.

Es soll also richtigerweise ein jedes Gott gehorsam sein und dessen Willen nicht widerstreben; vielmehr folge man Abraham nach, der willig bereit war, sogar seinen Sohn Gott aufzuopfern. 1. Mose 22. Oder, wer wollte schon so eigennützig sein, daß er wünschte, die Verstorbenen sollten aus der Ruhe und Freude wieder in dieses Elend geführt werden? Es ist doch ihre höchste Freude, daß sie all dieses Jammers, den sie unter uns hatten, enthoben sind.

Darum rät uns Jesus Sirach voller Weisheit: „Beweine den Toten und beklage ihn heftig, und rüste ihn zu, und sein Begräbnis sei dir nicht gleichgültig; doch erhole dich wieder und sei getrost trotz der Traurigkeit.“

Nimm dir die Traurigkeit nicht allzusehr zu Herzen, laß es fahren, denke an die letzten Dinge und daß keine Wiederkehr ist. Ihm wirst du nichts nützen, du wirst nur selber Kummer tragen. Denk daran: so wie die Sache für ihn steht, so ist es auch für dich; mir gestern, dir heute. Darum laß das Gedenken an den Toten, laß ihn in seiner Ruhe ruhen und bleibe getrost, wenn die Seele von ihm scheidet.

Wir haben ein schönes Beispiel in 2. Sam. 12,19-23. David trauerte um sein krankes Kind, aß nicht und betete andauernd; sobald es aber tot war, erhob er sich fröhlich, legte alles Trauern ab, begründete sein Tun und sagte: „Als das Kind noch lebte, aß ich nicht und weinte, denn ich dachte: 'Wer weiß, ob mir der Herr gnädig gesinnt wird und das Kind am Leben bleibt?' Jetzt aber, wo es tot ist - was soll ich da fasten? Kann ich es denn zurückbringen? Nein, ich werde ihm vielmehr folgen; es wird nie mehr zu mir kommen.“

Cyprianus, der heilige Märtyrer, redet in seinem Büchlein vom Sterben so von dieser Sache: „Oft und deutlich ist mir von Gott offenbart und befohlen worden, zu predigen, man solle nicht trauern und Leid tragen um die Christen, die vom Herrn aus dieser Zeit abberufen werden; es ist ja gewiß und wahrhaftig so, daß sie nicht verloren sind oder gleichsam verbannt; sondern sie werden nur anders gemacht und uns vorausgeschickt; darum sollen wir ein Verlangen haben und nicht ein Trauern nach ihnen, die vor uns abgereist oder sich quasi zu Schiff abgereist haben. Wir wollen auch vor Augen haben, wie sie dort mit weißen Freudenkleidern bekleidet sind; darum lassen wir richtigerweise hier die schwarzen Trauerkleider liegen. Auch sollten wir den Ungläubigen keinen Anlaß geben, uns zu tadeln und uns nachzureden, wir würden zwar sagen, die Abgestorbenen leben, doch wir seien dabei in Trauer, wie wenn sie verloren und verdorben wären. Man darf den Glauben, den man mit dem Mund bekennt, nicht mit gegenteiliger Tat zerstören.“

Dies ist aber unser Glaubensbekenntnis: „Ich vertraue auf die Vergebung der Sünden, auf die Auferstehung des Leibes und auf das ewige Leben.“ So wie wir nun glauben, so geschieht uns. Vertrauen wir auf die Vergebung der Sünden, so sind sie uns vergeben, und es bleibt nichts mehr, weswegen die Seele des Gläubigen dort in Pein kommt oder von den ewigen Freuden ausgeschlossen wird. Wer wollte schon trauern darüber, daß die Seele des Abgestorbenen jetzt ewige Freude hat? Vielmehr sollten wir uns mit dem Abgestorbenen freuen. Oder was könnten wir nachträglich tun, daß ihnen die Sünden verziehen werden? Da sie ihnen verziehen sind, so machen wir mit unserem nachträglichen Tun unseren Glauben nur arg und nicht besser. Überdies: So der Körper des Toten wieder aufersteht, haben wir den Toten nicht verloren, sondern wir haben ihn nur für eine Zeit zum Schlaf gelegt; bald werden wir wieder als eine Gemeinde versammelt sein und fortan ewig in Freuden beim Schutzherrn sein. Das soll uns nun trösten und soll uns das Leid, das wir um den Abgestorbenen empfinden, maßvoll halten, auch damit andere, Schwachgläubige, an unserem Beispiel gestärkt und die Ungläubigen nicht in ihrem Unglauben bestärkt werden.

Der jähe Tod. Diejenigen, die sich selber ums Leben bringen. Kapitel 14.

Dem Gläubigen kann der Tod nicht unversehens ankommen; er hat ja immer das Wort des Schutzherren in seinem Herzen: „Wachet, denn ihr wißt nicht, zu welcher Stunde euer Herr kommen wird; also wachet allezeit und schickt euch in den Tod jederzeit.“ Matth. 24. 25.

Von ihnen ist geschrieben in Weisheit 4,7: „Wenn der Gläubige auch vom Tod überfallen wird und jäh stirbt, so wird er dennoch zur Ruhe kommen.“

Wer nun den jähen Tod fürchtet, der schicke sich deshalb nach dem Wort des Herrn, und es wird ihn nicht unversehens überfallen, was ihm widerfährt.

Von den Vertrauenslosen und Verruchten aber schreibt Paulus: „Wenn sie sagen werden: 'Es ist Frieden, es hat keine Gefahr', so wird sie das Verderben schnell überfallen, so wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden diesem nicht entrinnen.“ Darauf folgt aber, was uns allen zum Trost und zur Bestärkung dient: „Ihr aber, liebe Brüder, ihr seid nicht in der Finsternis, daß euch jener Tag wie ein Dieb packen würde; ihr seid allesamt Kinder des Lichts und Kinder des Tages; wir gehören nicht der Nacht an und nicht der Finsternis. Darum laßt uns nicht schlafen wie die anderen, sondern laßt uns wachen und nüchtern sein, angetan mit der Rüstung des Glaubens und der Liebe, und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit. Gott hat uns nicht gemacht, um Zorn zu erregen, sondern die Seligkeit zu erwerben durch Jesus Christus, unseren Schutzherren, der für uns gestorben ist, damit wir, ob wachend oder schlafend, gemeinsam mit ihm leben werden.“ usw. 1. Thess. 5,3-10.

Diejenigen, die sich selber umbringen

Diejenigen aber, die sich selber verderben, sind entweder bei klarer Vernunft, oder sie sind in Krankheit und Depression gefallen.

Manche sind bei klarem Verstand, doch sie bringen sich um, verzweifelt aus Ungeduld, Geiz, Widerwillen, oder weil sie sonstwie die Hand Gottes nicht aushalten wollen und nicht abwarten wollen, wie und was Gott mit ihnen handle; sie bringen sich in Verzweiflung um. So geben sie dem bösen Feind nach und bezeugen mit ihrer Tat, daß sie keinen Vertrauensglauben noch Hoffnung zu Gott haben; sie sind die elendesten Menschen und Geschöpfe auf Erden. Ihr Beispiel sollte eigentlich alle Menschen aufrütteln und ermahnen, es solle niemand sich von den Sorgen dieser Welt übermannen lassen, sondern seine Angelegenheiten mit Geduld Gottes Willen anheimstellen und ernsthaft bitten: „Herr, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen. Amen.“

Die aber mit Krankheit geschlagen sind und, umnachtet, sich selber verderben wollen, diese soll man fleißig pflegen und ärztlich betreuen; für diese soll man auch ernstlich Bitte und Fürbitte tun, Gott möge ihnen gnädig sein und sie erlösen. Auch wenn diese Menschen sich ungebührlich verhalten und aus Wut anders von Gott und der Seligkeit reden, als es sich gehört, auch dann sollen sie deswegen nicht freventlich verurteilt werden. Denn Gott rechnet solches Ungenügen nicht an. Es bringe aber ein jeder seine Sache mit Gott in Ordnung, solange er noch bei Vernunft und Verstand ist; dann wird ihm später sein armseliges Leben, sein sinnlos irrer Jammer nicht am Heil schaden. Dazu sollen aber auch die Gläubigen ernstlich und unentwegt beten. - Wer aber nicht besser die Seinen pflegt und für sie sorgt, als daß sie sich selbst umbringen aus Wut, Rat- und Sorglosigkeit, der ist mehr schuldig als diejenigen, die den Suizid zwar tun, aber nicht wissen, was sie tun. Diese müssen wir der Barmherzigkeit Gottes anbefehlen, jene aber dem Gericht und der Strafe. Dies habe ich um etlicher willen beifügen wollen, die sich in dieser Sache viel Kummer machen; sie sollen Bescheid haben, was sie tun und lassen sollen.

Diejenigen, die um ihrer Missetat willen getötet werden. Kapitel 15

Jedermann kann aus dem Vorangehenden zusammentragen, wie man diejenigen unterweisen und trösten solle, die um ihrer Missetaten willen vom Leben zum Tode gebracht werden. Sonst aber kann man keine allgemeinen Richtlinien aufstellen, weil die Menschen, die man zum Tod führt, nicht die gleiche Tat, Gemütsverfassung und Anfechtung haben. Die Seelsorge - Information und Trost - muß aber nach der Befindlichkeit der Personen ausgerichtet werden. Die folgenden allgemeinsten Punkte aber sind für alle passend.

Erstens und allem voran unterweise man sie, daß sie wegen diesem ihrem Jammer nicht an der Gnade Gottes zweifeln brauchen. Denn obschon Christus es zuließ, daß der Mörder mit ihm zusammen um seiner Missetat willen an das Kreuz gehängt wurde, so war er ihm doch nicht ungnädig; ja, Gott machte, daß der Übeltäter bei seinen Verbrechen ergriffen und bestraft wird, damit er in sich gehe, sein Unrecht erkenne, die Strafe willig auf sich nehme und dessen gedenke, daß Gott ihn hier in Zeit straft, um ihn dort nicht ewig abzulehnen zu müssen 1. Kor. 11,32. Des Übeltäters Tod hat auch das Gute an sich, daß Gott ihn gebraucht als ein Beispiel für andere Menschen, daß sie sich hüten vor solchem Übel und Missetat. Luk. 13,1-5. Hierher gehört das erste Kapitel dieses Buches vom Willen Gottes. - Danach ermahne man den Delinquenten zur Geduld, und daß er die Sorge um zeitliche Dinge fahren lasse, alle zeitlichen Dinge als gering erkenne und nicht solch ein Entsetzen habe vor dem Tod; so ist es oben in den ersten Kapiteln gelehrt. Dies alles kann ihm in einer kurzen Zusammenfassung dargebracht werden.

Wenn man dann beginnt, sie zu fesseln, und sie auf die Walstatt hinaus führt, dann erinnere man sie an die Banden und das Hinausführen Christi, der sein eigenes Kreuz zur Richtstatt getragen hat. Dabei soll man ihnen ausführlich darlegen, was man ihnen vorher nur zusammengefaßt gesagt hat. Man soll ihnen so viel sagen, daß sie dadurch ihre Sünden bekennen und auf Jesus Christus vertrauen; daß sie jedermann verzeihen und vergeben; daß sie jedermann mit ihrem entsetzlichen Beispiel warnen vor schändlichem und lasterhaftem Tun; und daß sie jedermanns Fürbitte begehren und selber ernsthaft zu Gott rufen. Dabei soll man ihnen die Artikel des Glaubensbekenntnisses erklären, und das Vaterunser. Dazu sind alle Kapitel dieses Büchleins dienlich vom 6. Kapitel an.

An der Richtstatt aber sollen sie ermahnt und gefragt werden, ob sie vielleicht noch etwas anderes getan haben, um dessentwillen andere Leute gefoltert werden könnten; ob sie das jetzt ans Tageslicht kommen lassen und ihr Böses geheim oder öffentlich frei bekennen wollen. Darauf werden sie ermahnt, sie sollen ihre Seele einzig in Gottes Hand, Schutz, Gnade und Barmherzigkeit befehlen mit Vertrauen und fester Hoffnung; so ist es oben im 11. Kapitel gezeigt. Vor allem aber wird dann das Beispiel Jesu Christi anzufügen sein, wie das im 12. Kapitel in kurzer Zusammenfassung beschrieben ist.

So hast du, christlicher Leser, hier eine kurze Anleitung, wie sich ein jeder Mensch in seinen Tod zu schicken, und sich Gott willig als eine lebendige, wohlgefällige Gabe darbringen soll. Wer nun selig zu sterben begehrt, der befleißige sich eines gottesfürchtigen Lebens, und daß er beizeiten das Sterben lerne - das ist: diesbezüglich alle zeitlichen Angelegenheiten beiseite lassen und alle seine Sachen nach dem Ewigen ausrichten.

Gedruckt bei Christoffel Froschauer, im Weinmonat des Jahres 1535

1)
= deiner Leiblichkeit, d. Ü.
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