Bullinger, Heinrich - Confessio Helvetica Posterior

Inhaltsverzeichnis

Bullinger, Heinrich - Confessio Helvetica Posterior

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Bekenntnis und kurze, einfache Erläuterung der reinen christlichen Religion

I. Kapitel: Die Heilige Schrift, das wahre Wort Gottes

Wir glauben und bekennen, dass die kanonischen Schriften der heiligen Propheten und Apostel beider Testamente das wahre Wort Gottes sind, und dass sie aus sich selbst heraus Kraft und Grund genug haben, ohne der Bestätigung durch Menschen zu bedürfen. Denn Gott selbst hat zu den Vätern, Propheten und Aposteln gesprochen und spricht auch jetzt noch zu uns durch die Heiligen Schriften. Und in dieser Heiligen Schrift besitzt die ganze Kirche Christi eine vollständige Darstellung dessen, was immer zur rechten Belehrung über den seligmachenden Glauben und ein Gott wohlgefälliges Leben gehört. Deshalb wird von Gott deutlich verboten, etwas dazu oder davon zu tun (5. Mose 4,2). Wir sind darum der Ansicht, dass man aus diesen Schriften die wahre Weisheit und Frömmigkeit, die Verbesserung und Leitung der Kirchen, die Unterweisung in allen Pflichten der Frömmigkeit und endlich den Beweis der Lehren und den Gegenbeweis oder die Widerlegung aller Irrtümer, aber auch alle Ermahnungen gewinnen müsse, nach jenem Apostelwort: „Jede von Gottes Geist eingegebene Schrift ist auch nütze zur Lehre, zur Überführung usw.“ (2. Tim. 3,16). Und wiederum sagt der Apostel zu Timotheus (1. Tim. 3,15): „Dies schreibe ich dir …, damit du wissest, wie man sich verhalten muss im Hause Gottes“. Ferner schreibt derselbe Apostel an die Thessalonicher: „… dass ihr das von uns gepredigte Wort Gottes, als ihr es empfingt, aufgenommen habt nicht als Wort von Menschen, sondern wie es in Wahrheit ist, als Wort Gottes usw. (1. Thess. 2,13). Denn der Herr hat selbst im Evangelium gesagt (Mt. 10,20; Luk. 10,16; Joh. 13,20) „Denn nicht ihr seid es, die reden, sondern der Geist eures Vaters ist's, der in euch redet. Deshalb: wer euch hört, der hört mich, und wer euch verwirft, der verwirft mich.“

Wenn also heute dieses Wort Gottes durch rechtmäßig berufene Prediger in der Kirche verkündigt wird, glauben wir, dass Gottes Wort selbst verkündigt und von den Gläubigen vernommen werde, dass man aber auch kein anderes Wort Gottes erfinden oder vom Himmel her erwarten dürfe: Und auch jetzt müssen wir auf das Wort selber achten, das gepredigt wird, und nicht auf den verkündigenden Diener; ja, wenn dieser sogar ein arger Bösewicht und Sünder wäre, so bleibt nichtsdestoweniger das Wort Gottes wahr und gut. Nach unserer Ansicht darf man jene äußere Predigt auch nicht deshalb für gleichsam unnütz halten, weil die Unterweisung in der wahren Religion von der inneren Erleuchtung des Geistes abhänge: deshalb, weil geschrieben stehe (Jer. 31,34): „Da wird keiner mehr den andern, keiner seinen Bruder belehren und sprechen „Erkennet den Herrn“. sondern sie werden mich alle erkennen …“ Und (1. Kor. 3,7): „Somit ist weder der etwas, welcher pflanzt, noch der, welcher begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“ Obwohl nämlich (Joh. 6,44) niemand zu Christus kommen kann, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe, und dass er inwendig vom Heiligen Geist erleuchtet sei, wissen wir doch, dass Gott will, man solle sein Wort überall auch öffentlich verkündigen. Gott hätte freilich den Cornelius in der Apostelgeschichte auch ohne den Dienst des heiligen Petrus durch seinen Heiligen Geist oder durch den Dienst eines Engels unterweisen können, er wies ihn aber nichtsdestoweniger an Petrus, von dem der Engel sagt: Dieser wird dir sagen, was du tun sollst“ (Apg. 10,6). Denn der, der durch die Gabe des Heiligen Geistes die Menschen inwendig erleuchtet, derselbe gibt seinen Jüngern den Befehl: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen, die erschaffen sind!“ (Mk. 16,15). Daher predigte Paulus in Philippi der Purpurkrämerin Lydia das Evangelium äußerlich, innerlich aber „tat ihr der Herr das Herz auf“ (Apg. 16,14). Ebenso kommt Paulus (in Röm. 10,13-17) nach einer feinen Entwicklung seiner Gedanken zu dem Schluss: „Also kommt der Glaube aus der Predigt, die Predigt aber durch das Wort Christi.“ Wir geben allerdings zu, Gott könne Menschen auch ohne die äußere Verkündigung erleuchten, wann und welche er wolle: das liegt in seiner Allmacht. Wir reden aber von der gewöhnlichen Art, wie die Menschen unterwiesen werden müssen, wie sie uns durch Befehl und Beispiel von Gott überliefert ist.

Wir verwerfen daher alle Irrlehren des Artemon, der Manichäer, der Valentinianer, des Credo und der Marcioniten, die geleugnet haben, dass die Heiligen Schriften vom Heiligen Geist gewirkt seien, oder die einige davon nicht anerkannt, andere mit Einschüben versehen oder verstümmelt haben. Interesse verhehlen wir keineswegs, dass gewisse Bücher des Alten Testaments von den Alten „Apokryphen“ von andern „Ecclesiastici“ genannt worden sind, da sie zwar wollten, dass sie in den Kirchen gelesen, jedoch nicht, dass sie zur Bekräftigung des Glaubens herbeigezogen werden. Wie auch Augustin im 18. Buch seiner Schrift „Der Gottesstaat“, Kapitel 38, daran erinnert, dass in den Königsbüchern Namen und Bücher gewisser Propheten angeführt seien, aber beifügt, diese befänden sich nicht im Kanon, und für die Frömmigkeit genügten die Bücher, die wir hätten.

II. Kapitel: Die Auslegung der Heiligen Schriften, die Kirchenväter, die allgemeinen Kirchenversammlungen und die Überlieferungen

Der Apostel Petrus hat erklärt, die Auslegung der Heiligen Schriften sei nicht dem Belieben jedes Einzelnen anheimgestellt (2. Pet. 1,20). Deshalb billigen wir nicht alle möglichen Auslegungen. Also anerkennen wir auch nicht ohne weiteres als wahre und ursprüngliche Auslegung der Schriften, was man die Auffassung der römischen Kirche nennt, das heißt eben, was die Verteidiger der römischen Kirche schlechtweg allen zur Annahme aufzudrängen suchen. Vielmehr anerkennen wir nur das als recht gläubige und ursprüngliche Auslegung der Schriften, was aus ihnen selbst gewonnen ist durch Prüfung aus dem Sinn der Ursprache, in der sie geschrieben sind, und in Berücksichtigung des Zusammenhanges, ferner durch den Vergleich mit ähnlichen und unähnlichen, besonders aber mit weiteren und klareren Stellen. Das stimmt mit der Regel des Glaubens und der Liebe überein und trägt vor allem zu Gottes Ehre und zum Heil der Menschen bei. Deshalb verachten wir nicht die Auslegungen der heiligen griechischen und lateinischen Kirchenväter, und wir mißbilligen auch nicht ihre Auseinandersetzungen und Abhandlungen über heilige Dinge, sofern sie mit den Schriften übereinstimmen; immerhin lehnen wir sie in aller Bescheidenheit ab, wenn es sich ergibt, dass sie den Schriften fremde oder gar ihnen widersprechende Gedanken vorbringen. Und wir glauben ihnen dann keineswegs Unrecht zu tun, da sie alle einstimmig ihre eigenen Schriften den kanonischen das heißt biblischen nicht gleichgestellt haben wollen, sondern geradezu auffordern zu prüfen, ob sie mit jenen übereinstimmen oder von ihnen abweichen, und verlangen, dass man das Übereinstimmende annehme und vom Widersprechenden abstehe. Mit den Kirchenvätern in eine Reihe stellen wir die Erklärungen und Richtlinien der Kirchenversammlungen. Deshalb lassen wir uns in strittigen Punkten der Religion und des Glaubens weder durch bloße Sätze der Kirchenväter oder durch Konzilsbeschlüsse, noch viel weniger durch angenommene Gewohnheiten oder durch die Menge derer, die derselben Meinung sind, noch durch die Einrede des Besitzes während langer Zeit in die Enge treiben. Darum anerkennen wir in Sachen des Glaubens keinen anderen Richter als Gott selbst, der durch die Heiligen Schriften verkündigt, was wahr und was falsch sei, was man befolgen und was man fliehen müsse. So geben wir uns bloß zufrieden mit Urteilen, die von geisterfüllten Menschen stammen und aus dem Worte Gottes gewonnen sind. Jeremia wenigstens und andere Propheten haben die Versammlungen der Priester, die wider das Gesetz Gottes gerichtet waren, schwer missbilligt und nachdrücklich die Warnung erhoben, dass wir nicht auf die Väter hören und den Weg jener Leute betreten sollten, die nach ihren eigenen Fündlein wandelten und sich von Gottes Gesetz abgewandt haben. Gleicherweise lehnen wir die menschlichen Überlieferungen ab. Sie mögen sich mit noch so schön klingenden Titeln schmücken, als ob sie göttlichen und apostolischen Ursprungs seien, indem sie durch mündliche Überlieferung der Apostel und schriftliche Überlieferung apostolischer Männer der Kirche von Bischof zu Bischof übergeben worden seien, die aber, wenn man sie mit den Schriften vergleicht, von ihnen abweichen und gerade durch diese Widersprüche beweisen, dass sie nicht im geringsten apostolisch sind. So wie die Apostel nichts einander Widersprechendes gelehrt haben, so haben auch die apostolischen Väter nichts den Aposteln Entgegengesetztes weitergegeben. Es wäre doch wahrlich gottlos zu behaupten, die Apostel hätten durch das mündliche Wort ihren Schriften Widersprechendes überliefert. Paulus sagt unzweideutig, er habe in allen Gemeinden dasselbe gelehrt (1. Kor. 4,17). Und abermals sagt er: „Wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr lest oder auch erkennt“ (2. Kor. 1,13). Anderswo bezeugt er weiter, dass er und seine Schüler, das heißt apostolische Männer, denselben Weg gehen und gleicherweise im selben Geiste alles tun (2. Kor. 12,18). Wohl hatten auch die Juden einst ihre Überlieferungen der Alten, aber diese sind vom Herrn scharf zurückgewiesen worden, indem er zeigte, wie deren Beobachtung dem Gesetze Gottes den Weg versperre, und dass man Gott durch solche Überlieferungen vergeblich verehre (Mt. 15,8-9; Mk. 7,7).

III. Kapitel: Gott in seiner Einheit und Dreieinigkeit

Wir glauben und lehren, dass Gott Einer sei nach Wesen und Natur, dass er durch sich selbst bestehe und in allem sich selbst genüge, dass er der unsichtbare, unkörperliche, unendliche, ewige, der Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge sei, das höchste Gut, der Lebendige, der alles ins Leben ruft und erhält, allmächtig und allweise, gütig oder auch barmherzig, gerecht und wahrhaftig. Wir verabscheuen aber die Vielgötterei, da ausdrücklich geschrieben steht: „Der Herr, unser Gott, ist ein Herr“ (5. Mose 6,4). Ach bin der Herr, dein Gott … du sollst keine andern Götter neben mir haben“ (2. Mose 20,3). „Ich bin der Herr, und keiner sonst“ (Jes. 45,5 und 18). „Bin nicht ich es, der Herr? und es ist keiner sonst, kein Gott außer mir, ein wahrhaftiger, rettender Gott ist nicht neben mir!“ (Jes. 45,21). „Der Herr, der Herr ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue“ (2. Mose 34,6).

Nichtsdestoweniger glauben und lehren wir, dass dieser unendliche, eine und unzerteilte Gott unzertrennt und unvermischt unterschieden sei in Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist, derart, dass der Vater den Sohn von Ewigkeit gezeugt habe, der Sohn durch unbeschreibbare Geburt geboren sei, der Heilige Geist aber von beiden ausgehe, und zwar von Ewigkeit, und mit beiden angebetet werden müsse. So sind denn zwar nicht drei Götter, sondern drei wesensgleiche Personen, gleich ewig, einander eben gleich und doch ihrem Stande nach unterschieden, der Ordnung gemäß einer dem andern vorgehend, jedoch ohne Ungleichheit. Nach Natur oder Wesen sind sie nämlich miteinander so verbunden, dass nur ein einziger Gott ist und das göttliche Wesen dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste gemeinsam ist. Die Unterscheidung der drei Personen hat uns nämlich die Schrift deutlich überliefert, indem der Engel unter anderem zu der göttlichen Jungfrau spricht: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das gezeugt wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Luk. 1,35). Aber auch bei der Taufe Christi hörte man eine Stimme, die vom Himmel herab auf Jesus kam, die sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn“ (Mt. 3,17). Es erschien aber auch der Heilige Geist in Gestalt einer Taube (Joh. 1,32). Und als der Herr selbst den Taufbefehl gab, befahl er zu taufen „auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt. 28,19). Desgleichen hat er anderswo im Evangelium gesagt: „Der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird …“ (Joh. 14,26). Ebenso spricht er wiederum: „Wenn der Beistand kommt, den ich euch vom Vater her senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, so wird der von mir zeugen“ (Joh. 15,26). Kurz, wir nehmen das Bekenntnis der Apostel an, das uns den wahren Glauben überliefert. Wir verwerfen deshalb die Ansichten der Juden und Mohammedaner und aller, die diese hochheilige und anbetungswürdige Dreieinigkeit lästern. Wir verwerfen ebenso alle Irrlehren und Irrlehrer, die lehren, der Sohn und der Heilige Geist seien nur dem Namen nach Gott, oder in der Dreieinigkeit sei ein erschaffenes und Dienendes, oder eines dem andern untertan, oder es sei darin Ungleiches, Größeres und Kleineres, Leibliches oder leiblich Nachgebildetes, nach Sitten und Willen Verschiedenes, oder dann Vermischtes oder Einzelstehendes, oder dass der Sohn und der Heilige Geist nur andere Zustände oder besondere Erscheinungsformen des einen Gottvaters seien, wie die Monarchianer geglaubt haben, oder die Noetianer, wie Praxeas, die Patripassianer, wie Sabellius, Samosatenus, Aetius und Macedonius, die Anthropomorphiten und schließlich wie Arius und andere dergleichen.

IV. Kapitel: Bilder Gottes, Christi und der Heiligen

Weil nun Gott unsichtbarer Geist und unendlichen Wesens ist, kann er auch nicht durch irgendeine Kunst oder ein Bild dargestellt werden; deshalb scheuen wir uns nicht, mit der Heiligen Schrift bildliche Darstellungen Gottes lauter Lug und Trug zu nennen. Wir verwerfen daher nicht bloß die heidnischen Götzenbilder, sondern auch Bilder, die von Christen verehrt werden. Denn obschon Christus menschliches Wesen angenommen hat, hat er das nicht deshalb getan, um Bildhauern und Malern als Modell zu dienen. Er hat gesagt, er sei nicht gekommen, Gesetz und Propheten aufzulösen (Mt. 5,17). Im Gesetz und in den Propheten werden aber Bilder verboten (5. Mose 4,16 und 23; Jes. 40,18ff.). Er sagt nicht, dass er in der Kirche leiblich gegenwärtig sein werde, sondern er verheißt, uns mit seinem Geiste stets nahe zu sein (Joh. 16,7); wer mag also glauben, dass ein bloßer Schatten oder ein Bild des Leibes (2. Kor. 5,16) den Frommen irgend etwas nütze? Und wenn er in uns bleibt durch seinen Heiligen Geist, so sind wir ja Tempel Gottes (1. Kor. 3,16). „Was für eine Vereinbarung besteht zwischen dem Tempel Gottes und den Götzen?“ (2. Kor. 6,16). Und wenn die seligen Geister und die bei Gott im Himmel Vollendeten, so lange sie hier lebten, alle göttliche Verehrung ablehnten und gegen die Götzenbilder ankämpften (Apg. 3,12; 14,15; Offb. 14,7; 22,8 und 9), wem soll es da einleuchten, dass den bei Gott Himmel Vollendeten und Engeln Bilder gefielen, vor denen die Menschen ihre Knie beugen, das Haupt entblößen und andere Ehrenbezeugungen vollziehen? Damit aber die Menschen im Glauben unterwiesen und über göttliche Dinge und ihre Seligkeit belehrt würden, hat der Herr befohlen, das Evangelium zu predigen (Mk. 16,15), aber nicht zu malen oder mit Malerei das Volk zu lehren; er hat auch die Sakramente eingesetzt, aber nirgends Bilder verordnet. Wir mögen aber unsere Blicke hinwenden, wohin wir wollen, so begegnen uns lebendige und wahre Geschöpfe Gottes, die, wenn sie beachtet würden, wie es billig wäre, den Betrachter weit mehr ergreifen müssten, als alle von Menschen geschaffenen Bilder oder ihre nichtssagenden, unbeweglichen, matten und toten Bildgestalten, von denen der Prophet mit Recht sagt: „Sie haben einen Mund und können nicht reden, haben Augen und können nicht sehen; sie haben Ohren und hören nicht …“ (Ps. 115,5 7). Deshalb sind wir einverstanden mit dem Ausspruch des alten Schriftstellers Lactantius, der gesagt hat: Zweifellos ist da keine Religion, wo ein Bild ist. Wir finden auch, der selige Bischof Epiphanius habe wohl getan, als er ein Bild von Christus oder irgendeinem Heiligen, das er auf einem Vorhang an der Kirchentüre fand, zerschnitt und wegnahm, weil er erkannt hatte, dass es gegen die Heilige Schrift gehe, wenn in der Kirche Christi das Bild eines Menschen hange. Deshalb ordnete er auch an, dass künftig in der Kirche Christi keine derartigen Vorhänge mehr aufgehängt werden dürften, die unserem Glauben zuwiderlaufen, sondern dass man vielmehr solche Verwirrung stiftenden Dinge beseitigen müsse, die der Kirche und der Gläubigen unwürdig seien. Wir billigen auch die Meinung des heiligen Augustin, der in seinem Buche „Die wahre Religion“ im 55. Kapitel gesagt hat, unser Glaube heiße uns nicht Menschenwerke verehren; denn die Werkmeister, die solche Werke herstellen, seien doch gewiss höher zu achten, und dennoch sollen wir nicht einmal ihnen göttliche Verehrung zuteil werden lassen.

V. Kapitel: Anbetung, Verehrung und Anrufung Gottes durch den einzigen Mittler Jesus Christus

Wir lehren, dass man den wahren Gott allein anbeten und verehren soll. Diese Ehre geben wir keinem andern nach dem Befehl des Herrn: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen“ (Mt. 4,10). Alle Propheten haben das Volk Israel sehr ernstlich getadelt, wenn sie fremde Götter und nicht einzig den wahren Gott allein angebetet und verehrt haben. Und zwar lehren wir, dass man Gott anbeten und verehren müsse, wie er uns selbst gelehrt hat, ihm zu dienen, nämlich im Geist und in der Wahrheit (Joh. 4,23 und 24), nicht auf abergläubische Weise, sondern mit Aufrichtigkeit, nach seinem Wort, damit er nicht einst zu uns sagen müsse: Wer hat das von euren Händen gefordert? (Jes. 66,1ff.; Jer. 7,22). Auch Paulus sagt: „Gott lässt sich nicht von Menschenhänden Dienst erweisen, als ob er noch etwas bedürfte, während er selbst allen Leben und Atem und alles gibt“ (Apg. 17,25). Diesen einen Gott rufen wir an in allen Entscheidungen und Wechselfällen unseres Lebens, und zwar durch die Vermittlung unseres einzigen Mittlers und Fürbitters Jesus Christus. Es ist uns ja bestimmt geboten: „Rufe mich an am Tage der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen“ (Ps. 50,15). Unser Herr hat uns aber auch in freundlichster Weise die Verheißung gegeben: „Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet, so wird er es euch um meines Namens willen geben“ (Joh. 16,23). Ebenso: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch Ruhe geben“ (Mt. 11,28). Und wenn geschrieben steht: „Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht gläubig geworden sind?“ (Röm. 10,14), so glauben wir eben an Gott allein und rufen deshalb auch ihn allein an, und zwar durch Christus. Der Apostel sagt nämlich: „Es ist ein Gott, es ist auch ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1. Tim. 2,5), und: „Wenn jemand sündigt, laben wir einen Beistand beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten“ (1. Joh. 2,1). Darum beten wir nicht die himmlischen oder göttlichen Heiligen an, geben ihnen nicht göttliche Ehre, rufen sie auch nicht an, noch anerkennen wir sie als unsere Fürsprecher und Mittler vor dem Vater im Himmel. Uns genügt Gott und der Mittler Christus, und die Ehre, die wir Gott und seinem Sohne schuldig sind, geben wir niemand anders, weil Gott ausdrücklich gesagt hat: … ich will meine Ehre keinem andern geben … (Jes. 42,8), und weil Petrus sagt: … es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel für die Menschen gegeben, durch den wir gerettet werden sollen …“ (Apg. 4,12). Die in diesem Namen durch den Glauben Ruhe gefunden haben, suchen nichts außer Christus. Dabei verachten wir jedoch nicht die göttlichen Heiligen, noch denken wir gering von ihnen. Wir anerkennen, dass sie lebendige Glieder Christi sind, Freunde Gottes, die Fleisch und Welt sieghaft überwunden haben. Wir lieben sie deshalb wie Brüder und ehren sie auch, allerdings nicht im Sinne göttlicher Verehrung, sondern durch ehrenvolle Wertschätzung und rechtes Lob. Ebenso folgen wir ihrem Beispiel. Denn wir wünschen mit inbrünstigem Verlangen und Gebet, als Nachfolger ihres Glaubens und ihrer Tugenden einst ebenso des ewigen Heils teilhaftig zu werden, mit ihnen ewig bei Gott zu wohnen und uns mit ihnen in Christus zu freuen. In diesen Punkten stimmen wir auch dem Satz des heiligen Augustin in seinem Buche über „Die wahre Religion“ zu: „Unser Glaube soll nicht bestehen in der Verehrung von Toten. Wenn sie nämlich fromm gelebt haben, so dürfen wir von ihnen nicht annehmen, dass sie auf derartige Ehren Anspruch erheben, sondern dann wollen sie, dass jener von uns verehrt werde, durch dessen Erleuchtung sie sich freuen, dass wir Genossen ihres Verdienstes sind. Daher sind sie zu ehren, weil sie der Nachahmung wert sind, aber sie sind nicht in religiösem Sinne anzubeten.“ Um so weniger glauben wir, dass man die Überreste der Heiligen anbeten oder verehren dürfe. Jene alten Heiligen das heißt Christen glaubten, ihren Toten genügend Ehre angetan zu haben, wenn sie deren Überreste zur Erde bestattet hatten, nachdem ihr Geist gen Himmel entflohen war. Und als allervornehmste Hinterlassenschaft der Vorfahren betrachteten sie deren Tugenden, Lehre und Glauben. Wie sie diese mit dem Lob der Toten empfahlen, so gaben sie sich schon zu ihren Lebzeiten Mühe, sie selber zu verwirklichen. Jene alten Christen haben auch bloß beim Namen des einen Gottes Jehova geschworen nach der Vorschrift des göttlichen Gesetzes. Denn wie dort verboten ist, im Namen anderer Götter zu schwören (5. Mose 10,20; 2. Mose 23,13), so leisten wir auch keinen bei den Heiligen geforderten Schwur. Wir verwerfen deshalb in allen diesen Punkten jede Lehre, die den himmlischen Heiligen zu viel Ehre antut.

VI. Kapitel: Die Vorsehung Gottes

Wir glauben, dass durch die Vorsehung dieses weisen, ewigen und allmächtigen Gottes alles im Himmel und auf Erden und bei allen Geschöpfen erhalten und geleitet werde. Denn David bezeugt und sagt: „Der Herr ist erhaben über alle Völker, und seine Herrlichkeit über die Himmel! Wer ist dem Herrn gleich, unserm Gott, im Himmel und auf der Erde? Ihm, der droben thront in der Höhe, der herniederschaut in die Tiefe …“ (Ps. 113,4-6). Derselbe wiederum sagt: „… mit all meinen Wegen bist du vertraut. Ja, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, o Herr, nicht wüsstest …“ (Ps. 139,3 und 4). Auch Paulus bezeugt und sagt: „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17,28), und: „Aus ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge (Röm. 11,36). Deshalb tut Augustin ganz richtig und schriftgemäß den Ausspruch im 8. Kapitel seines Buches „Der Kampf des Christen“: „Der Herr hat gesagt: „Verkauft man nicht zwei Sperlinge für fünf Rappen? und nicht einer von ihnen wird ohne Zutun eures Vaters auf die Erde fallen“ (Mt. 10,29). Indem er aber so sprach, wollte er zeigen, dass durch Gottes Allmacht sogar das geleitet werde, was die Menschen höchst gering schätzen. So spricht die Wahrheit selbst, dass die Vögel des Himmels von Gott gespeist und die Lilien auf dem Felde von ihm bekleidet werden; die Wahrheit, die auch bezeugt, dass unsere Haare auf dem Haupte alle gezählt seien (Mt. 6,26.28; 10,30) usw. Wir verwerfen deshalb die Ansicht der Epikuräer, die eine Vorsehung Gottes leugnen, und aller jener, die lästerlich behaupten, Gott bewege sich nur innerhalb der Grenzen des Himmels, könne aber uns und das Unsrige nicht sehen und auch nicht dafür sorgen. Diese Leute hat schon der königliche Prophet David verurteilt, der gesagt hat: „Wie lange sollen die Gottlosen, o Herr, wie lange noch sollen sie frohlocken …? Sie denken: der Herr sieht es nicht, der Gott Jakobs merkt es nicht. Merkt's euch doch, ihr Narren im Volke, ihr Toren, wann werdet ihr klug? Der das Ohr gepflanzt, sollte der nicht hören? Der das Auge gebildet, sollte der nicht sehen? (Ps. 94,3. 7 9). Allerdings verschmähen wir die Mittel nicht als unnütz, durch die die göttliche Vorsehung sich vollzieht, sondern wir lehren, dass wir uns ihnen soweit anpassen müssen, als sie uns im Wort Gottes empfohlen werden. Daher missbilligen wir die unbesonnenen Worte jener Leute, die sagen: Wenn alles durch Gottes Vorsehung geschieht, so sind unsere Bestrebungen und Anstrengungen ganz vergeblich; es genügt, wenn wir alles der göttlichen Vorsehung überlassen, und wir haben keinen Grund, uns um irgend etwas zu kümmern oder etwas zu tun. Denn wenn auch Paulus anerkannte, dass er durch das Walten der Vorsehung Gottes nach Rom fahre, der ihm selbst gesagt hatte: „Du sollst auch in Rom Zeugnis ablegen“ (Apg. 23,11), der überdies verheissen und gesprochen hatte: „Kein Einziger aus euch wird das Leben verlieren“ (Apg. 27,22), und „Keinem von euch wird ein Haar vom Haupte verloren gehen“ (Apg. 27,34), so sagt derselbe Paulus nichtsdestoweniger, als die Seeleute an die Flucht denken, zum Hauptmann und zu den Soldaten ebenfalls: „ Wenn diese nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden“ (Apg. 27,31). Denn Gott, der jeglicher Sache ihren Zweck gibt, der hat auch Anfang und Mittel bestimmt, durch die man zum Ziele gelangt. Die Heiden schreiben die Dinge einem blinden Schicksal und dem ungewissen Zufall zu. Der heilige Jakobus will hingegen nicht, dass wir sagen: („Heute oder morgen wollen wir in die und die Stadt ziehen … und Handel treiben“, sondern fügt hinzu: „… anstatt, dass ihr sagtet: wenn der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder jenes tun“ (Jak. 4,13. 15). Und Augustin: „Alles, was oberflächlichen Leuten im Naturverlauf zufällig zu geschehen scheint, erfüllt nur sein Wort, weil nichts ohne seinen Befehl geschieht“ (Auslegung zum Ps. 148). So schien es vielleicht auch gut Glück, wenn Saul auf der Suche nach den Eselinnen seines Vaters den Propheten Samuel traf, aber der Herr hatte bereits vorher zum Propheten gesagt: „Morgen um diese Zeit werde ich einen Mann aus dem Lande Benjamin zu dir senden …“ (1. Sam. 9,16).

VII. Kapitel: Die Erschaffung aller Dinge, die Engel, der Teufel und der Mensch

Dieser gute und allmächtige Gott hat durch sein Wort, das mit ihm ewig ist, alles Sichtbare und Unsichtbare erschaffen und erhält es auch durch seinen Geist, der mit ihm ewig ist. So bezeugt auch David schon mit den Worten: „Durch das Wort des Herrn sind die Himmel gemacht und durch den Hauch seines Mundes ihr ganzes Heer“ (Ps. 33,6). Alles aber, was Gott geschaffen hatte, war, wie die Schrift sagt, sehr gut (1. Mose 1,31) und ist zum Nutzen und zum Gebrauch für den Menschen geschaffen. Alle jene Dinge aber, behaupten wir, stammen aus einem Urgrund. Wir verwerfen daher die Ansicht der Manichäer und Marcioniten, die gottlos vorgaben, es gebe zwei Grundlagen des Seins und zwei Naturen, nämlich die Naturen des Guten und Bösen, ebenso zwei Urgründe und zwei einander feindliche Götter, einen guten und einen bösen. Unter allen Geschöpfen ragen hervor die Engel und die Menschen. zu seinen Dienern Lohe und Feuer“ (Ps. 104,4). Ebenso: „Sind sie nicht alle dienstbare Geister, zum Dienst ausgesandt um derer willen, die das Heil ererben sollen?“ (Hebr. 1,14). Der Herr Jesus selbst aber bezeugt vom Teufel: „Er war von Anfang an ein Menschenmörder und stand nicht in der Wahrheit; denn Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater derselben“ (Joh. 8,44). Wir lehren also, dass die einen Engel im Gehorsam verharrt haben und zum treuen Dienst für Gott und die Menschen bestimmt worden sind; die andern aber sind durch eigene Schuld gefallen und ins Verderben gestürzt worden und sind zu Feinden alles Guten und der Gläubigen geworden, usw. Vom Menschen aber sagt schon die Schrift, dass er im Anfang gut geschaffen worden sei zum Gott ähnlichen Ebenbild; dass Gott ihn ins Paradies gesetzt und ihm alles untertan gemacht habe (1. Mose 2,7-8). Es ist das, was David so herrlich im 8. Psalm preist (Ps. 8,6 9). Und er gab ihm überdies eine Gefährtin und segnete sie. Wir erklären aber, dass der Mensch aus zwei, und zwar verschiedenen, Elementen bestehe, doch in einer Person: nämlich aus der unsterblichen Seele, die, wenn sie vom Leibe getrennt wird, weder schläft noch stirbt, und aus dem sterblichen Leibe, der immerhin am jüngsten Gericht wieder von den Toten auferweckt werden wird, so dass der ganze Mensch von da an, sei's im Leben, sei's im Tode, ewig bleibt. Wir verwerfen die Anschauung aller derer, die darüber spotten oder mit spitzfindigen Reden die Unsterblichkeit der Seele in Zweifel ziehen, oder sagen, die Seele schlafe, oder sie sei ein Teil Gottes. Kurz, wir verwerfen sämtliche Meinungen aller derer, die über die Schöpfung, über Engel und böse Geister und über den Menschen, von dem abweichende Lehren aufstellen, was uns durch die heiligen Schriften in der apostolischen Kirche Christi überliefert ist.

VIII. Kapitel: Der Fall und die Sünde des Menschen und die Ursache der Sünde

Am Anfang war der Mensch von Gott zum Ebenbilde Gottes geschaffen in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit, gut und fehlerlos. Weil er aber auf Antrieb der Schlange und durch eigene Schuld von dieser Güte und Rechtschaffenheit abfiel, geriet er unter die Macht der Sünde, des Todes und mannigfaltiger Übel. Und so wie er nun nach dem Sündenfall geworden war, sind eben alle, die von ihm abstammen, der Sünde nämlich, dem Tode und mannigfaltigen Übeln verfallen. Unter Sünde verstehen wir aber jene angeborene Verderbtheit des Menschen, die von unseren Voreltern auf uns alle übertragen und fortgepflanzt wurde. Durch sie sind wir versunken in verkehrte Begierden, abgewandt vom Guten, aber geneigt zu allem Bösen, erfüllt mit aller Schlechtigkeit, Misstrauen, Verachtung und Hass gegen Gott und können aus uns selbst nichts Gutes tun, ja nicht einmal denken. Indem wir uns also jahraus jahrein ständig mit bösen Gedanken, Worten und Werken gegen Gottes Gesetz versündigen, bringen wir schlechte Früchte hervor, wie es ein schlechter Baum nicht anders kann (Mt. 12,33ff.). Aus diesem Grunde sind wir ganz nach unserem Verdienst dem Zorne Gottes verfallen und werden gerechten Strafen unterworfen; so wären wir auch alle von Gott verstoßen, wenn uns nicht der Erlöser Christus wieder hergestellt hätte.

Unter Tod verstehen wir nicht nur den leiblichen Tod, den wir alle einmal um der Sünden willen erleiden müssen, sondern auch die ewigen Strafen, die uns für unsere Sünden und unsere Verdorbenheit gebühren. Denn der Apostel sagt: wir waren „tot durch die Übertretungen und die Sünden… und waren von Natur Kinder des Zornes, wie auch die übrigen. Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, hat um seiner großen Liebe willen, mit der er uns geliebt hat, uns, die wir doch durch die Übertretungen tot waren, mit Christus lebendig gemacht“ (Eph. 2,1ff.). Ebenso: „Gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod auf alle Menschen übergegangen ist, weil sie alle gesündigt haben …“ (Röm. 5,12).

Wir anerkennen also, dass alle Menschen mit der Erbsünde behaftet sind. Wir anerkennen, dass alles andere, was daraus entsteht, Sünde genannt werde und wirkliche Sünde sei, mit was für einem Namen man es immer benennen wolle, seien es „Todsünden“, seien es „lässliche Sünden“ , sei es auch jene Sünde, die genannt wird Sünde wider den Heiligen Geist, die niemals vergeben wird (Mk. 3,29; 1. Joh. 5,16). Wir gestehen auch, dass nicht alle Sünden gleichwertig sind, obwohl sie alle aus derselben Quelle der Verderbnis und des Unglaubens fließen, sondern, dass die einen schwerer sind als die andern. Wie der Herr gesagt hat: Es wird dem Lande Sodom und Gomorrha erträglicher gehen als einer Stadt, die das `Fort des Evangeliums zurückweist (Mt. 10,14f.; 11,20ff.). Wir verwerfen daher die Ansichten aller derer, die etwas Gegenteiliges gelehrt haben, besonders aber des Pelagius und aller Pelagianer, sowie der Jovinianer, die wie die Stoiker die Sünden gleichwertig machen. Wir stimmen darin in allem mit dem heiligen Augustin überein, der seine Ansicht aus der Heiligen Schrift gewonnen und verteidigt hat. Wir verwerfen außerdem die Ansicht des Florinus und des Blastus, gegen die auch Irenäus geschrieben hat, und aller derer, die Gott zum Urheber der Sünde machen. Denn es steht ausdrücklich geschrieben: „Du bist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt … du hassest alle Übeltäter. Umkommen lässest du die Lügner …“ (Ps. 5,5-7). Ferner: „Wenn der Teufel die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben“ (Joh. 8,44). Es ist aber auch in uns selbst Schaden und Verderbnis genug, dass Gott uns nicht noch neue und größere Verkehrtheit einflößen muss. Wenn nun aber in den Schriften gesagt wird, dass Gott den Sinn eines Menschen verhärte, verblende und verkehre, so ist das so zu verstehen, dass Gott dies nach gerechtem Urteil tue, als ein gerechter Richter und Rächer. Endlich, so oft es in der Schrift heißt, Gott tue etwas Böses, oder wenn es so scheint, bedeutet das nicht, dass der Mensch das Böse nicht tue, sondern dass Gott es geschehen lasse und nicht hindere, nach seinem gerechten Gericht, obwohl er es hätte verhindern können, wenn er gewollt hätte: es bedeutet vielmehr: entweder, dass Gott zum Guten wende, was die Menschen böse gemacht haben, wie die Sünden der Brüder Josephs, oder dass er die Sünden so leitet, dass sie nicht weiter, als es ihm gut scheint, hervorbrechen und um sich fressen. Der heilige Augustin sagt in seinem „Handbüchlein“: „Auf wunderbare und unerklärliche Weise geschieht nicht ohne den Willen Gottes, was sogar gegen seinen Willen geschieht. Denn es geschähe nicht, wenn er es nicht geschehen ließe. Und da er es doch nicht widerwillig zulässt, dann also mit Willen. Und Gott in seiner Güte ließe auch nicht ein böses Geschehen zu, wenn er nicht daraus ein gutes Geschehen machen könnte.“ Soweit Augustin. Die übrigen Fragen: ob Gott gewollt habe, dass Adam fallen sollte, oder ob er ihn zum Fall getrieben, oder weshalb er den Fall nicht verhindert habe, und ähnliche Fragen rechnen wir zu den Fragen bloßer Neugierde außer wenn vielleicht die Frechheit von Irrlehrern oder sonst anmaßenden Menschen dazu zwingt, diese Dinge aus dem Worte Gottes zu erklären, wie es nicht selten fromme Lehrer der Kirche getan haben. In Bezug auf diese Fragen wissen wir nur, dass der Herr dem Menschen verboten hat, von jener Frucht zu essen und dass er die Übertretung bestraft hat; wir wissen aber auch, dass das, was geschieht, nicht böse ist, sobald wir auf die Vorsehung Gottes, seinen Willen und seine Macht schauen, wohl aber, wenn man an den Satan und unseren eigenen, Gott widerstrebenden Willen denkt.

IX. Kapitel: Der freie Wille und die andern Fähigkeiten des Menschen

In dieser Sache, die in der Kirche immer vielen Streitigkeiten gerufen hat, lehren wir, dass die Lage oder der Stand des Menschen als ein dreifacher anzusehen sei. Da ist der Stand, in dem der Mensch am Anfang vor dem Sündenfall gewesen ist: nämlich unbedingt fehlerlos und frei, so dass er im Guten verharren, sich aber auch für das Böse entscheiden konnte; er hat sich jedoch für das Böse entschieden und hat sich und das ganze Menschengeschlecht mit Sünde und Tod verkettet, wie es bereits ausgeführt worden ist. Darauf ist zu betrachten, wie der Mensch nach dem Sündenfall gewesen ist. Zwar wurde dem Menschen nicht der Verstand genommen oder der Wille geraubt, als ob er nun gar zu Stock und Stein geworden wäre; aber jene Fähigkeiten sind im Menschen so verändert und vermindert, dass sie nicht mehr dasselbe vermögen wie vor dem Sündenfall. Denn der Verstand ist verdunkelt; aus dem freien Willen aber ist ein dienstbarer Wille geworden. Denn er dient der Sünde nicht unfreiwillig, sondern freiwillig. Darum redet man auch von Freiwilligkeit und nicht von Unfreiwilligkeit. Was also das Böse oder die Sünde angeht, so wird der Mensch weder von Gott noch vom Teufel dazu gezwungen, sondern er begeht das Böse aus eigenem Antrieb und hat allerdings in dieser Hinsicht allerfreiesten Willen! Wenn wir allerdings nicht selten beobachten, dass die ärgsten Taten und Pläne der Menschen von Gott verhindert werden, so dass sie ihren Zweck nicht erreichen, so nimmt er doch dem Menschen die Freiheit im Bösen nicht, sondern Gott kommt mit seiner Macht dem zuvor, was der Mensch mit seinem „freien Willen“ anders geplant hat, so wie sich die Brüder Josephs vornehmen, den Joseph zu töten, es aber nicht können, weil durch Gottes Ratschluss etwas anderes beschlossen war. Was aber das Gute und die Tugenden betrifft, so beurteilt der Verstand des Menschen die göttlichen Dinge aus sich selbst nicht recht. Die Evangelien und die apostolischen Schriften fordern von einem jeglichen unter uns die Wiedergeburt, wenn wir selig werden wollen. Daher trägt die erste Geburt von Adam her nichts zu unserer Seligkeit bei. Paulus sagt: „Ein natürlicher Mensch aber nimmt die Dinge, die des Geistes Gottes sind, nicht an“ usw. (1. Kor. 2,14). Ebenso sagt er, dass wir nicht geschickt seien, aus uns selbst etwas Gutes zu denken (2. Kor. 3,5). Gewiss ist der Geist oder Verstand der Führer des Willens; aber wenn der Führer blind ist, kann man sich ja denken, wohin auch der Wille gelangt. Darum gibt es für den noch nicht wiedergeborenen Menschen keinen freien Willen zum Guten und auch keine Kraft, das Gute zu vollbringen. Der Herr sagt im Evangelium: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der Sünde tut, ist der Sünde Knecht“ (Joh. 8,34). Und der Apostel Paulus spricht: „Das Trachten des Fleisches ist Feindschaft wider Gott; denn es unterwirft sich dem Gesetz Gottes nicht; es vermag das ja auch nicht“ (Röm. 8,7). In den irdischen Dingen ist der Mensch wohl trotz seinem Fall nicht ohne Verstand. Denn Gott hat ihm aus Barmherzigkeit natürliche geistige Fähigkeiten gelassen, die allerdings weit geringer sind, als was er vor dem Falle besaß. Gott befiehlt auch, dass man diese übe und pflege und gibt dazu die Gaben und das Gedeihen. Und es ist offenbar, dass wir in allen Künsten nichts erreichen ohne den Segen Gottes. Die Heilige Schrift führt bestimmt alle Künste auf Gott zurück. Übrigens schreiben sogar die Heiden den Ursprung der Künste der Erfindung der Götter zu. Endlich ist zu untersuchen, ob und inwiefern die Wiedergeborenen einen freien Willen haben. Bei der Wiedergeburt wird der Verstand erleuchtet durch den Heiligen Geist, so dass er die Geheimnisse und den Willen Gottes erkennt. Und der Wille selbst wird durch den Geist nicht bloß verändert, sondern er wird auch mit den Fähigkeiten ausgerüstet, dass er aus innerem Antrieb das Gute will und es ausführen kann (Röm. 8,1ff.). Würden wir das nicht zugeben, so müssten wir die christliche Freiheit leugnen und die Knechtschaft des Gesetzes einführen. Aber Gott spricht auch durch den Propheten: „Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und es ihnen ins Herz schreiben“ (Jer. 31,33; Hes. 36,26f.). Und der Herr sagt im Evangelium: „Wenn nun der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein“ (Joh. 8,36). Auch Paulus schreibt an die Philipper: „Denn euch wurde verliehen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden“ (Phil. 1,29), und wiederum: „Ich vertraue … darauf, dass der, welcher in euch ein so gutes Werk angefangen hat, es vollenden wird bis zum Tage Christi Jesu“ (Phil. 1,6). Ferner: „Denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als das Vollbringen wirkt“ (Phil. 2,13). Dabei lehren wir, sei zweierlei zu beachten. Erstens: Die Wiedergeborenen handeln bei der Entscheidung für das Gute und beim Tun des Guten nicht nur als Geschobene, sondern selbsttätig. Sie werden nämlich von Gott getrieben, dass sie selber tun, was sie tun. Augustin führt daher mit Recht jene Wahrheit an. dass Gott unser Helfer sei. Man kann aber nur einem helfen, der selber etwas tut. Die Manichäer beraubten den Menschen jeder Selbsttätigkeit und machten ihn sozusagen zu Stock und Stein. Zweitens: In den Wiedergeborenen bleibt Schwachheit zurück. Denn da die Sünde in uns wohnt und das Fleisch in den Wiedergeborenen bis ans Ende unseres Lebens dem Geiste widerstreitet, vermögen sie nicht völlig zu erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Das wird vom Apostel Paulus in Röm. 7 und Gal. 5 bestätigt. Deshalb ist dieser unser freier Wille wegen der Überreste des uns bis ans Ende anhaftenden alten Adams und der angeborenen menschlichen Verderbnis immer schwach. Da nun die Triebe des Fleisches und die Überreste des alten Menschen immerhin nicht so wirksam sind, dass sie das Wirken des Geistes ganz auslöschen, so können deshalb die Gläubigen frei genannt werden, jedoch so, dass sie ihre Schwachheit wohl kennen und sich keineswegs des freien Willens rühmen. Die Gläubigen sollen nämlich stets das Apostelwort beherzigen, das der selige Augustin so oft anführt: „Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? Hast du es aber doch empfangen, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ (1. Kor. 4,7). Dazu kommt, dass nicht immer das geschieht, was wir uns vorgenommen haben. Der Ausgang der Dinge liegt eben in Gottes Hand. Daher bittet Paulus den Herrn, dass er Gelingen zu seiner leise gebe (Röm. 1,10). Daraus ist auch ersichtlich, wie schwach der freie Wille sei. übrigens leugnet niemand, dass in äußeren Dingen Wiedergeborene und Nichtwiedergeborene freien Willen haben. Diese Anlage hat der Mensch mit den andern Lebewesen gemein, ist er doch nicht niedriger als sie, so dass er das eine will, das andere nicht will. So kann er reden oder schweigen, von zu Hause weggehen oder daheim bleiben usw. Doch ist auch hier Gottes Macht zu beachten, die bewirkt, dass Bileam nicht dahin gelangen konnte, wohin er wollte 4. Mose 24), und Zacharias beim Verlassen des Tempels nicht zu reden vermochte, wie er wollte (Luk. 1).

In dieser Hinsicht lehnen wir die Lehre der Manichäer ab, die leugnen, dass der Ursprung des Bösen aus dem freien Willen des gut geschaffenen Menschen gekommen sei. Wir verwerfen auch die Meinung der Pelagianer, die sagen, der gefallene Mensch habe genügend freien Willen, das gebotene Gute zu tun. Beide werden von der Heiligen Schrift widerlegt; denn den Manichäern wird gesagt: „Gott hat den Menschen gut geschaffen“ (1. Mose 1,27; Pred. 7,29-30), und den Pelagianern: „Wenn der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein“ (Joh. 8,36).

X. Kapitel: Die göttliche Vorherbestimmung und die Erwählung der Heiligen

Gott hat von Ewigkeit her ohne jedes Ansehen der Menschen frei und aus lauter Gnade die Heiligen, die er in Christus selig machen will, vorherbestimmt oder erwählt, nach jenem Apostelwort: „Gott hat uns in ihm erwählt vor Grundlegung der Welt“ (Eph. 1,4). Und ferner: „Gott hat uns errettet und mit heiliger Berufung berufen nicht auf Grund unserer Werke, sondern auf Grund seiner eigenen zuvor getroffenen Entscheidung und der Gnade, die uns in Christus Jesus verliehen worden ist vor ewigen Zeiten, jetzt dagegen geoffenbart worden ist durch das Erscheinen unseres Heilandes Christus Jesus“ (2. Tim. 1,9.10). Also hat uns Gott nicht ohne Mittel allerdings nicht wegen irgendeines Verdienstes unsererseits sondern in Christus und um Christi willen erwählt, so dass diejenigen auch die Erwählten sind, die bereits durch den Glauben in Christus eingepflanzt wurden. Verworfen aber sind diejenigen, die außer Christus sind nach dem Apostelwort: Stellet euch selbst auf die Probe, ob ihr im Glauben seid; prüfet euch selbst! Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Ihr müsstet denn unbewährt (verworfen) sein“ (2. Kor. 13,5). Mithin hat Gott die Heiligen in Christus für ein bestimmtes Ziel auserwählt, worauf der Apostel mit den Worten hinweist: Er hat uns ja in ihm erwählt…, damit wir neugierig zu forschen, sondern bemüht euch, auf dem schmalen Weg in den Himmel einzugehen. Daher können wir die gottlosen Reden gewisser Leute nicht billigen, die da sagen: „Wenige sind auserwählt, und da es nicht sicher ist, ob ich in jener Zahl der Auserwählten sei, will ich mir den Lebensgenuss nicht Verkümmern. Andere sagen: Wenn ich von Gott vorherbestimmt und erwählt bin, wird mich an der bereits sicher bestimmten Seligkeit nichts hindern, was ich auch immer verüben mag. Gehöre ich aber zu der Zahl der Verworfenen, so hilft mir kein Glaube und keine Buße, da der Ratschluss Gottes unabänderlich ist. Deshalb sind auch alle Belehrungen und Ermahnungen nutzlos.“ Denn gegen solche Leute ist jenes Apostelwort gerichtet: „Ein Knecht des Herrn … sei geschickt zum Lehren, willig, Böses zu ertragen, mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweisend, ob ihnen etwa Gott Sinnesänderung verleihe zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder zur Besinnung kommen aus der Schlinge des Teufels heraus, nachdem sie von ihm gefangen worden sind für seinen Willen“ (2. Tim. 2,24-26). Aber auch Augustin zeigt im 14. und den folgenden Kapiteln des Buches über „Das Gut der Beharrlichkeit“, dass beides gepredigt werden muss: die freie Gnadenwahl und Vorherbestimmung und die heilsamen Ermahnungen und Belehrungen. Wir missbilligen deshalb das Verhalten jenem Menschen, die außerhalb des Glaubens an Christus Antwort suchen auf die Frage, ob sie von Ewigkeit her erwählt seien und was Gott vor aller Zeit über sie selbst beschlossen habe. Man muss eben die Predigt des Evangeliums hören und ihr glauben und darf nicht daran zweifeln: wenn du glaubst und in Christus bist, so bist du erwählt. Denn der Vater hat uns seinen ewigen Ratschluss der Vorherbestimmung in Christus offenbart, wie ich bereits mit dem Apostelwort 2. Tim. 1,9f erläutert habe. Man muss also vor allen Dingen lehren und beherzigen, welch große Liebe des Vaters gegen uns in Christus uns offenbart worden sei; man muss darauf hören, was der Herr selbst uns täglich im Evangelium predigt, indem er ruft und sagt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch Ruhe geben“ (Mt. 11,28). „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh. 3,16). Ferner: Es ist nicht der Wille eures Vaters in den Himmeln, dass eines dieser Kleinen verloren gehe“ (Mt. 18,14). Daher sei Christus der Spiegel, in dem wir unsere Vorherbestimmung betrachten. Wir werden ein genügend deutliches und festes Zeugnis haben, dass wir im Buche des Lebens aufgeschrieben sind, wenn wir Gemeinschaft mit Christus haben und er im wahren Glauben unser ist, wir aber sein sind. Da nun kaum eine andere Anfechtung gefährlicher ist als die Anfechtung wegen der Vorherbestimmung, so möge uns trösten, dass die Verheißungen Gottes allen Gläubigen gelten, weil er selbst sagt: „Bittet, so wird euch gegeben…, denn jeder, der bittet, empfängt“ (Luk. 11,9.10). Endlich, dass wir mit der ganzen Kirche bitten: „Unser Vater, der du bist in den Himmeln“, und dass wir durch die Taufe dem Leibe Christi eingepflanzt sind und wir in der Kirche oft mit seinem Fleisch und Blut gespiesen werden zum ewigen Leben. Also gestärkt sollen wir nach der Anweisung des Paulus unser Heil mit Furcht und Zittern schaffen (Phil. 2,12).

XI. Kapitel: Jesus Christus, wahrer Gott und Mensch und einziger Heiland der Welt

Wir glauben und lehren außerdem, dass der Sohn Gottes, unser Herr Jesus Christus, durch den Vater von Ewigkeit her vorausbestimmt und verordnet wurde zum Heiland der Welt. Wir glauben, dass er vom Vater gezeugt sei, nicht nur, da er von der Jungfrau Maria Fleisch und Blut annahm und nicht nur vor der Grundlegung der Welt, sondern vor aller Ewigkeit, und zwar auf unbeschreibliche Weise. Denn Jesaja sagt: „Wer will seine Geburt erzählen?“ (Jes. 53,8), und Micha: „Sein Ursprung ist in der Vorzeit, in unvordenklichen Tagen“ (Micha 5,2). Denn auch Johannes sagt in seinem Evangelium: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh. 1,1). Deshalb ist der Sohn dem Vater in der Gottheit ebenbürtig und wesensgleich, also wahrer Gott (Phil. 2,11), und zwar weder bloß dem Namen nach, noch durch Annahme an Kindesstatt, noch durch irgendeine Gnadenerweisung, sondern von Natur und Wesen (Phil. 2,6), wie der Apostel Johannes wiederum schreibt: „Dies ist der wahre Gott und ewiges Leben“ (1. Joh. 5,20). Paulus sagt: Er hat den Sohn „zum Erben von allem eingesetzt, durch den er auch die Welten gemacht hat; dieser ist auch der Abglanz seiner Herrlichkeit und Ebenbild seines Wesens und trägt das Weltall durch sein machtvolles Wort“ (Hebr. 1,2-3). Denn auch im Evangelium hat der Herr selbst gesagt: „Und jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“ (Joh. 17,5). So heißt es auch anderswo im Evangelium: Die Juden suchten Jesus zu töten, weil er „Gott seinen Vater genannt und sich selbst Gott gleichgemacht hatte“ (Joh. 5,18). Wir verabscheuen deshalb auch die gottlose Lehre des Arius und aller Arianer, die Jesu Gottessohnschaft leugnen, besonders aber die Lästerungen des Spaniers Michael Servet und aller seiner Anhänger, die der Satan wider Gottes Sohn mittelst dieser Männer gleichsam aus der Hölle geschöpft hat und höchst frech und gottlos über den Erdkreis ausgießt. Wir glauben und lehren auch, dass des ewigen Gottes wahrer Mensch ewiger Sohn ein Menschensohn geworden sei aus dem Samen Abrahams und Davids, und zwar nicht durch die Zeugung eines Mannes, wie Ebion gesagt hat, sondern auf reinste Weise empfangen vom Heiligen Geist und geboren von Maria, die immer Jungfrau geblieben ist, wie uns die evangelische Geschichte gewissenhaft berichtet (Mt. 1). Auch Paulus sagt: „Denn er nimmt sich doch wohl nicht der Engel an, sondern der Nachkommenschaft Abrahams nimmt er sich an“ (Hebr. 2,16); ebenso der Apostel Johannes: Wer nicht glaubt, dass Christus ins Fleisch gekommen sei, der ist nicht aus Gott (1. Joh. 4,3). Das Fleisch Christi war also nicht eine Scheinnatur, noch vom Himmel herabgebracht, wie Valentin und Marcion träumten. Außerdem hatte unser Herr Jesus nicht eine Seele ohne Empfindung und Vernunft, wie Apollinaris dachte, und nicht einen Leib ohne Seele, wie Eunomius lehrte, sondern er hatte eine Seele mit Vernunft und einen Leib mit Sinnesempfindungen, durch die er in seiner Leidenszeit wirkliche Schmerzen duldete, wie er selbst bezeugt hat: „Meine Seele ist zu Tode bekümmert“ (Mt. 26,38). Und auch: „Jetzt ist meine Seele erregt“ (Joh. 12,27).

Darum erkennen wir in einem und demselben, unserem Herrn Jesus Christus, zwei Naturen oder Naturen Christi Wesensarten, eine göttliche und eine menschliche (Hebr. 2) ; von diesen sagen wir, dass sie verbunden und vereinigt seien, jedoch so, dass sie einander weder verschlungen hätten, noch vermengt oder vermischt wären; vielmehr sind sie derart vereinigt und verbunden in einer Person, dass die Eigenschaften der beiden Naturen stets gewahrt bleiben, so dass wir auch nur einen Herrn Christus verehren und nicht zwei: Er ist in einer Person wahrer Gott und wahrer Mensch, nach der göttlichen Natur dem Vater, nach der menschlichen aber uns Menschen wesensgleich und in allem ähnlich, ausgenommen die Sünde (Hebr. 4,15). Wir verabscheuen deshalb die Lehre der Nestorianer, die aus dem einen Christus zwei machen und die Einheit der Person auseinanderreißen; ebenso verwerfen wir auch völlig den Unsinn des Eutyches und der Monotheliten oder Monophysiten, die die Eigenschaften der menschlichen Natur austilgen. So lehren wir auch nicht etwa, dass die göttliche Natur in Christus gelitten habe oder dass Christus nach seiner menschlichen Natur jetzt noch in dieser Welt oder allenthalben sei. Weder glauben noch lehren wir, dass der wirkliche Leib Christi nach der Verklärung aufgehört habe oder vergöttlicht worden sei, und zwar so vergöttlicht, dass er die Eigenschaften von Leib und Seele abgelegt hätte und derart in die göttliche Natur zurückgetreten wäre, dass er seither nur noch eine Natur hätte. Deshalb billigen wir auch keineswegs die geistlosen Spitzfindigkeiten, und die verworrenen und dunkeln, nie sich gleichbleibenden Darlegungen eines Schwenckfeld und ähnlicher Geistesakrobaten über diesen Punkt; denn wir sind keine Schwenckfeldianer.

Wir glauben aber, dass unser Herr Jesus Christus wirklich gelitten wirklich nach dem Fleisch für uns gelitten hat und gestorben ist, wie Petrus sagt (1. Petr. 4,1). Wir verabscheuen die gottlose und unsinnige Ansicht der Jakobiten und alle Türken, die das Leiden Jesu leugnen und lästern. Indessen leugnen wir nicht, dass der Herr der Herrlichkeit, nach den Worten des Paulus, für uns gekreuzigt worden sei (1. Kor. 2,8). Denn wir nehmen gläubig und ehrfurchtsvoll jene Lehre in Gebrauch, die auf Grund der Heiligen Schrift sagt, dass Eigenschaften, die der einen Natur Christi zukommen, bisweilen auch der andern zugeschrieben werden können. Diese Lehre wurde schon von alters her bei der Erklärung und Vergleichung von einander scheinbar widersprechenden Schriftstellen angewandt.

Wir glauben und lehren, dass dieser unser Herr Jesus Christus mit dem wirklichen Leib, in dem er gekreuzigt wurde und gestorben ist, von den Toten auferstanden sei, und er habe sich keinen andern Leib an Stelle des begrabenen geschaffen, auch nicht einen Geist an Stelle des Leibes angenommen, sondern den wirklichen Leib behalten. Deshalb zeigt er seinen Jüngern, als sie glaubten, den Geist des Herrn zu sehen, seine Hände und Füße mit den Wundmalen der Nägel und spricht dazu: „Sehet meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin! Rühret mich an und sehet; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, dass ich es habe“ (Luk. 24,39).

Wir glauben auch, dass unser Herr Jesus Christus in diesem seinem Leibe aufgefahren sei über alle sichtbaren Himmel in den obersten Himmel selbst, die Wohnung Gottes und der Seligen, zur Rechten des Vaters. Wenn dies auch zunächst eine gleiche Gemeinschaft an der Herrlichkeit und Majestät bedeutet, wird der Himmel doch auch als ein bestimmter Ort angenommen, von dem der Herr im Evangelium sagt: „Ich gehe hin, um euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh. 14,2). Aber auch der Apostel Petrus sagt: „Der Himmel muss Christus aufnehmen bis zu der Herstellung aller Dinge“ (Apg. 3,21). Vom Himmel her aber wird er wiederkommen zum Gericht, dann, wenn die Bosheit in der Welt aufs Höchste gestiegen ist und der Antichrist nach Zerstörung des wahren Glaubens alles mit Aberglauben und Gottlosigkeit erfüllt und die Kirche mit Blut und Feuer grausam verwüstet hat (Dan. 11). Christus aber wird wiederkommen, den Seinigen beistehen, bei seiner Wiederkunft den Antichrist vernichten und Lebendige und Tote richten (Apg. 17,31). Denn die Toten werden auferstehen (1. Thess. 4,14ff) und die Lebenden, die an jenem Tage der allen Geschöpfen unbekannt ist (Mk. 13,32) noch übrig sind, werden in einem Augenblick verwandelt und alle Gläubigen Christus in die Luft entgegengerückt werden, damit sie mit ihm eingehen zur Stätte der Seligkeit und leben in Ewigkeit (Apg. 17,31; 1. Thess. 4,15 17; Mk. 13,32; 1. Kor. 15,51-52). Die Ungläubigen aber und die Gottlosen werden mit den Teufeln zur Hölle fahren, wo sie ewig brennen und nie mehr aus ihrer Qual erlöst werden können (Mt. 25,41).

Wir verwerfen deshalb die Lehren aller derjenigen, die eine wirkliche Auferstehung des Leibes leugnen (2. Tim. 2,18), oder die wie Johannes von Jerusalem gegen den Hieronymus geschrieben hat keine richtige Ansicht von den verklärten Leibern haben. Wir verwerfen ferner die Ansicht derjenigen, die geglaubt haben, auch die Teufel und alle Gottlosen müssten einst noch gerettet werden, und ihre Strafe werde ein Ende haben. Denn der Herr hat ganz einfach gesagt: „Ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer verlischt nicht“ (Mk. 9,48). Wir verwerfen außerdem die jüdischen Träume, dass dem Gerichtstag ein goldenes Zeitalter auf Erden vorausgehe, wobei die Frommen nach Niederwerfung ihrer gottlosen Feinde die Reiche der Welt erlangen werden. Denn die Wahrheit nach den Evangelien und der apostolischen Lehre lautet ganz anders: Mt. 24. 25; Luk. 18; sodann 2. Thess. 2 und 2. Tim. 3-4.

Weiter: Durch sein Leiden und seinen Tod und alles das, was unser Herr von seiner Ankunft im Fleisch an um unsertwillen getan und erduldet hat, hat er den himmlischen Vater mit allen Gläubigen versöhnt, die Sünde getilgt, dem Tode die Macht genommen, Verdammnis und Hölle gebrochen und durch seine Auferstehung von den Toten Leben und Unsterblichkeit ans Licht gebracht und wiederhergestellt. Denn er ist unsere Gerechtigkeit, unser Leben und unsere Auferstehung, ja die Vollkommenheit und Erlösung aller Gläubigen, ihr Heil und ihr überfließender Reichtum (Röm. 4,25; 10,4; 1. Kor. 1,30; Joh. 6,33ff; 11,25ff.). Denn der Apostel sagt: „Denn in ihm beschloss Gott die ganze Fülle wohnen zu lassen“ (Kol. 1,19) „und ihr seid erfüllt in ihm“ (Kol. 2,9-10).

Wir lehren und glauben nämlich, dass dieser Jesus Christus, unser Herr, der einzige und ewige Heiland des menschlichen Geschlechtes, ja der ganzen Welt sei, in dem durch den Glauben alle gerettet sind, die vor der Gesetzgebung, die unter dem Gesetz und die unter dem Evangelium das Heil erlangt haben oder es noch bis zum Ende dieser Zeit erlangen werden. Denn der Herr sagt selbst im Evangelium: „Wer nicht durch die Türe in den Schafstall hineingeht, sondern anderswo hineinsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber … Ich bin die Türe zu den Schafen“

(Joh. 10,1. 7). Ebenso sagt er an einer andern Stelle des Johannesevangeliums: „Abraham sah meinen Tag und freute sich“ (Joh. 8,56). Aber auch der Apostel Petrus sagt: „Es ist in keinem andern das Heil“ außer in Christus „denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel für die Menschen gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg. 4,12; 10,43). „Vielmehr durch die Gnade des Herrn Jesus glauben wir gerettet zu werden wie auch jene, unsere Väter“ (Apg. 15,11). Ebenso schreibt Paulus: Unsere Väter „aßen alle dieselbe geistliche Speise und tranken denselben geistlichen Trank; denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der nachfolgte, der Fels aber war Christus“ (1. Kor. 10,3-4). Desgleichen lesen wir, dass Johannes gesagt habe, Christus sei das Lamm, das geschlachtet ist von Grundlegung der Welt an (Offb. 13,8). Und Johannes der Täufer hat bezeugt: Siehe (Christus), das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh. 1,29). Daher bekennen und predigen wir laut, Jesus Christus sei der alleinige Erlöser der Welt und Heiland, König und Hohepriester, der wahre und ersehnte und jener so heilige gesegnete Messias, den alle Vorbilder des Gesetzes und die Weissagungen der Propheten zum voraus dargestellt und verheißen haben. Ihn hat Gott uns selbst zum Herrn gegeben und gesandt, so dass wir keinen andern erwarten dürfen. So bleibt denn nichts anderes übrig, als dass wir alle jeglichen Ruhm Christus geben, an ihn glauben und in ihm allein zur Ruhe kommen und sonst alle andern Stützen des Lebens gering schätzen und verwerfen. Denn alle, die ihr Heil in irgend etwas anderem suchen, als allein in Christus, die sind aus der Gnade Gottes gefallen und machen, dass Christus ihnen nichts nützt (Gal. 5,4).

Kurz gesagt: wir glauben mit aufrichtigem Herzen und bekennen frei und offen mit dem Munde, was in den Bekenntnissen der vier ersten und bedeutendsten Kirchensynoden von Nicäa, Konstantinopel, Ephesus und Chalcedon, sowie im Bekenntnis des seligen Athanasius und allen ähnlichen Bekenntnissen über das Geheimnis der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus nach der Heiligen Schrift festgestellt und enthalten ist, verwerfen dagegen alles, was diesen widerspricht. Auf diese Weise halten wir den unversehrten und reinen, rechtmäßigen und allgemeinen christlichen Glauben fest, weil wir wissen, dass in den genannten Bekenntnissen nichts enthalten ist, was dem Worte Gottes nicht entspräche oder nicht zur reinen Darlegung des Glaubens genügte.

XII. Kapitel: Das Gesetz Gottes

Wir lehren, dass uns durch das Gesetz Gottes der Wille Gottes dargelegt werde, nämlich, was wir tun oder lassen sollen, was gut und gerecht, oder was böse und ungerecht sei. Deshalb bekennen wir, dass das Gesetz gut und heilig sei. Dieses Gesetz ist einerseits durch den Finger Gottes in die Herzen der Menschen geschrieben (Röm. 2,15) und wird Gesetz der Natur genannt, andererseits aber ist es durch den Finger Gottes in die beiden Gesetzestafeln des Moses eingegraben worden und in den Büchern Mose ausführlicher erklärt (2. Mose 20,1ff.; 5. Mose 5,6ff.). Dieses teilen wir um der Klarheit willen ein in das Sittengesetz, das enthalten ist in den zehn Geboten oder in den beiden Tafeln und in den Büchern Mose erklärt wird, das Zeremonialgesetz. das die Zeremonien und den Gottesdienst festsetzt, und das Rechtsgesetz, das sich mit den staatlichen und wirtschaftlichen Ordnungen befasst.

Wir glauben, dass uns durch dieses Gesetz Gottes der ganze Wille Gottes und alle notwendigen Gebote für jeden Bereich des Lebens vollkommen gegeben seien. Sonst hätte der Herr wohl nicht verboten: „Ihr sollt nichts hinzutun zu dem, was ich euch gebiete, und sollt auch nichts davontun …“. (5. Mose 4,2; 12,32). Er hätte dann nicht geboten, nach diesem Gesetz recht zu wandeln und nicht abzuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken. (Jes. 30,21).

Wir lehren, dieses Gesetz sei den Menschen nicht gegeben, dass sie durch dessen Beobachtung gerecht gemacht würden, sondern dass wir durch seine Anklage vielmehr unsere Schwachheit, Sünde und Verdammnis erkennen, und verzweifelnd an der eigenen Kraft, uns im Glauben zu Christus wenden sollen. Deutlich sagt der Apostel: „Das Gesetz bewirkt Zorn“ (Röm. 3,20 und 4,15) und: „… durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“. Wenn uns ja das Gesetz gegeben wäre, damit es uns gerecht oder lebendig mache, käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz. Nun aber hat die Schrift - des Gesetzes nämlich alles unter die Sünde beschlossen, damit die Verheißung den Gläubigen aus dem Glauben an Christus gegeben werde. Daher ist das Gesetz unser Erzieher auf Christus hin geworden, damit wir aus dem Glauben gerechtfertigt würden (Gal. 3,21ff.). Denn weder konnte noch kann irgendein Mensch dem Gesetz Gottes Genüge tun und es erfüllen, weil unserem Fleisch bis zum letzten Atemzug Schwachheit anhaftet und verbleibt. Wiederum sagt der Apostel: „Denn um das zu erreichen was dem Gesetz unmöglich war, weil seine Kraft gelähmt war durch das Fleisch, sandte Gott seinen Sohn in einer Gestalt, die dem sündlichen Fleisch ähnlich war“ (Röm. 8,3). Deshalb ist Christus die Erfüllung des Gesetzes und unsere Vollkommenheit (Röm. 10,4); so wie er den Fluch des Gesetzes aufhob, indem er an unserer Statt zur Schmähung oder zum Fluch wurde (Gal. 3,13), lässt er uns durch den Glauben teilhaben an seiner Erfüllung des Gesetzes, und es wird uns seine Gerechtigkeit und sein Gehorsam angerechnet.

Insofern ist also das Gesetz Gottes abgetan, als es uns nicht mehr verdammt und nicht mehr den Zorn Gottes auf uns bringt; denn wir stehen unter der Gnade und nicht unter dem Gesetz. Außerdem hat Christus alle sinnbildlichen Ordnungen des Gesetzes erfüllt. Da nun die Sache selbst vorhanden ist und die Schatten gewichen sind, so haben wir in Christus die Wahrheit und alle Fülle des Lebens. Immerhin verwerfen wir deshalb nicht geringschätzig das Gesetz, indem wir der Worte des Herrn gedenken, da er spricht: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Mt. 5,17). Wir wissen, dass uns durch das Gesetz die Gestalt von Tugend und Laster dargestellt wird. Wir wissen ferner, dass das geschriebene Gesetz, sofern es durch das Evangelium ausgelegt wird, der Kirche nützlich ist und man deshalb das Lesen des Gesetzes nicht aus der Kirche ausschließen darf. Denn war auch das Angesicht des Moses mit einer Decke verhüllt, so betont doch der Apostel, dass die Decke durch Christus weggenommen und beseitigt werde. Wir verwerfen demnach alles, was alte und neue Irrlehrer gegen das Gesetz gelehrt haben.

XIII. Kapitel: Das Evangelium Jesu Christi; die Verheissungen; Geist und Buchstabe

Dem Gesetz steht das Evangelium gegenüber. Denn während das Gesetz Zorn wirkt und den Fluch ankündigt, predigt das Evangelium Gnade und Segen. So sagt auch Johannes: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben worden, die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus gekommen“ (Joh. 1,17). Indessen ist es nichtsdestoweniger sicher, dass auch diejenigen, die vor der Gesetzgebung und die unter dem Gesetz gelebt haben, nicht ganz ohne Evangelium waren. Sie besaßen nämlich schon herrliche evangelische Verheißungen, wie zum Beispiel: „Der Same des Weibes wird der Schlange den Kopf zertreten“ (1. Mose 3,15). „Mit dem Namen deines Stammes werden sich Segen wünschen alle Völker der Erde“ (1. Mose 22,18). „Nie weicht das Zepter von Juda … bis dass der Herrscher kommt“ (1. Mose 49,10). „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erstehen lassen aus der Mitte deiner Brüder auf den sollt ihr hören!“ (5. Mose 18,15; Apg. 3,23).

Und zwar erkennen wir, dass den Vätern zwei Arten von Verheißungen zuteil wurden, wie sie auch uns geoffenbart sind. Die einen betrafen die gegenwärtigen oder irdischen Dinge, zum Beispiel das Land Kanaan und die Siege, oder heute etwa das tägliche Brot. Die andern bezogen sich einst und beziehen sich noch jetzt auf die himmlischen und ewigen Dinge, nämlich die göttliche Gnade, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben durch den Glauben an Jesus Christus. Die Alten hatten also nicht bloß äußerliche und irdische, sondern auch geistliche und himmlische Verheißungen in Christus. Denn Petrus sagt: „In Hinsicht auf diese Seligkeit suchten und forschten die Propheten, die von der für euch bestimmten Gnade weissagten“ (1. Pet. 1,10). Daher hat auch der Apostel Paulus gesagt: „Das Evangelium hat Gott vorher verheißen durch seine Propheten in den heiligen Schriften“ (Röm. 1,2). Daraus geht deutlich genug hervor, dass die Alten keineswegs ohne jegliches Evangelium gewesen sind.

Wenn nun auch unsere Väter auf diese Weise den Schriften der Propheten Evangelium besaßen, durch das sie im Glauben das Heil in Christus erlangt haben, so nennt man doch im eigentlichen Sinn „Evangelium“ jene frohe und selige Botschaft, durch die uns, der Welt, zuerst durch Johannes den Täufer, dann durch den Herrn Christus selbst, später durch die Apostel und ihre Nachfolger gepredigt ,.worden ist, dass Gott das nun ausgeführt habe, was er seit Beginn der Welt verheißen hat, indem er uns seinen einzigen Sohn geschickt, ja sogar geschenkt habe, und in ihm auch die Versöhnung mit dem Vater, die Vergebung der Sünden, alle Fülle und das ewige Leben. Deshalb wird mit Recht Evangelium genannt: die von den vier Evangelisten niedergeschriebene Geschichte, die ausführt, wie dies alles durch Christus geschehen und erfüllt worden sei, ferner, was Christus gelehrt und getan habe, und dass die, die an ihn glauben, alle Fülle des Lebens haben. Ebenso wird die Predigt und das Schrifttum der Apostel, worin sie uns erklären, wie uns der Sohn vom Vater gegeben worden sei und in ihm alles Heil und Leben, mit Recht evangelische Lehre genannt, so dass sie auch heute diesen herrlichen Namen nicht verliert, sofern sie rein verkündigt wird. Jene Predigt des Evangeliums selbst wird vom Apostel Paulus Geist und Dienst des Geistes genannt, darum, weil sie in den Ohren, mehr noch, in den Herzen der Gläubigen kraft des Glaubens, der sie durch den Heiligen Geist erleuchtet, wirksam und lebendig wird. Denn Buchstabe heißt im Gegensatz zum Geist jede äußere Sache, und zwar besonders die Lehre des Gesetzes, die ohne den Geist und den Glauben in den Herzen derer, die nicht im lebendigen Glauben stehen, Zorn wirkt und zur Sünde reizt. Darum wird sie auch vom Apostel Paulus „der Dienst des Todes“ genannt. Hierher nämlich gehört jenes Apostelwort: „Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig“ (2. Kor. 3,6). Falsche Apostel nun predigten das Evangelium, indem sie es mit dem Gesetz vermengten und so verfälschten, als ob Christus nicht ohne das Gesetz selig machen könnte. Solche sollen die Ebioniten gewesen sein, die Anhänger des Irrlehrers Ebion waren, und die Nazaräer, im Altertum auch genannt Minäer. Deren aller Ansichten verwerfen wir und lehren, indem wir das Evangelium rein predigen, d. h. lehren und glauben, dass wir durch den Geist allein und nicht durch das Gesetz gerechtfertigt werden. Darüber wird unter dem Titel „Die Rechtfertigung“ noch eine ausführlichere Erklärung folgen.

Obwohl nun die Lehre des Evangeliums, wie sie von Christus zuerst verkündigt wurde, im Vergleich mit der Gesetzeslehre der Pharisäer eine neue Lehre zu sein schien, und obwohl auch Jeremia von einem neuen Bunde geweissagt hat, war sie nicht nur damals schon alt und ist bis heute eine alte Lehre, sondern sie ist überhaupt die älteste Lehre in der Welt neu wird sie nämlich heute von den Papisten nur genannt, weil sie sie vergleichen mit der Lehre, die sie sich selber zurecht gemacht haben. Gott hat indessen von Ewigkeit her beschlossen, dass die Welt durch Christus selig werden solle, und diesen seinen Vorsatz und ewigen Ratschluss hat er der Welt durch das Evangelium offenbart (2. Tim. 1,9f.). Daraus geht klar hervor, dass die evangelische Religion und Lehre unter allen Lehren, die je gewesen sind, je sind und sein werden, die allerälteste ist. Daher sagen wir, dass alle diejenigen einem übeln Irrtum huldigen und unwürdig von Gottes ewigem Ratschluss reden, die die evangelische Lehre eine neumodische Religion nennen und einen Glauben, der kaum dreißig Jahre alt sei. Auf solche trifft das Wort des Propheten Jesaja zu: „Wehe denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, die Finsternis zu Licht und Licht zu Finsternis machen, die bitter zu süß und süß zu bitter machen!“ (Jes. 5,20).

XIV. Kapitel: Die Buße und Bekehrung des Menschen

Das Evangelium steht in engem Zusammenhang mit der Lehre von der Buße. Der Herr sagt nämlich im Evangelium, „dass auf seinen Namen hin Buße zur Vergebung der Sünden gepredigt werden solle unter allen Völkern“ (Luk. 24,47). Unter Buße nun verstehen wir die Sinneserneuerung des sündigen Menschen, die durch das Wort des Evangeliums und den Heiligen Geist geweckt und im wahren Glauben angenommen wird, so dass der sündige Mensch seine angeborene Verderbnis und alle seine Sünden, deren ihn das Wort Gottes anklagt, fernerhin erkennt, darüber von Herzen Leid trägt, sie vor Gott nicht bloß beweint und voller Beschämung gründlich eingesteht, sondern sie auch mit Abscheu verdammt und, emsig auf Besserung bedacht, fortwährend nach Unschuld und Tugend trachtet, worin er sich alle übrigen Tage seines Lebens gewissenhaft übt. Und zwar ist dies die wahre Buße: völlig aufrichtige Hinwendung zu Gott und allem Guten und beharrliche Abwendung vom Teufel und allem Bösen. Wir erklären aber bestimmt, dass solche Buße reines Gottesgeschenk sei und nicht ein Werk unserer eigenen Kraft. Denn der Apostel befiehlt: „Ein Knecht des Herrn soll … mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweisen, ob ihnen etwa Gott Sinnesänderung verleihe zur Erkenntnis der Wahrheit“ (2. Tim. 2,25). Schon jene Sünderin im Evangelium, die mit ihren Tränen die Füße des Herrn benetzte (Luk. 7,38), und Petrus, der bitterlich weinte und klagte über seine Verleugnung des Herrn (Luk. 22,62), zeigen deutlich, wie das Herz des Bußfertigen beschaffen sein muss, nämlich dass es die begangenen Sünden ernstlich beweint. Aber auch der reuige Sohn und der Zöllner im Gleichnis, mit dem Pharisäer verglichen, geben uns treffliche Vorbilder, wie wir unsere Sünden vor Gott bekennen sollen. Jener sagte: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr wert. dein Sehn zu heißen; stelle mich wie einen deiner Tagelöhner“ (Luk. 15,18ff.). Der andere aber wagte nicht einmal, seine Augen gen Himmel zu erheben, schlug an seine Brust und sprach: „O Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Luk. 18,13). Wir zweifeln nicht daran, dass Gott beide zu Gnaden angenommen hat. Auch der Apostel Johannes sagt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, so dass er uns die Sünden vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt. Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns“ (1. Joh. 1,9-10).

Wir glauben aber, dass dieses offene Bekenntnis genüge, das vor Gott allein abgelegt wird sei es im Stillen zwischen Gott und dem Sünder, sei es öffentlich in der Kirche, wo das allgemeine Sündenbekenntnis gesprochen wird, und dass es zur Erlangung der Sündenvergebung nicht nötig sei, dass jemand seine Sünden dem Priester beichte, indem er sie ihm ins Ohr flüstert und umgekehrt von ihm unter priesterlicher Handauflegung die Lossprechung hört. Denn dafür gibt es in der Heiligen Schrift weder eine Anweisung noch ein Beispiel. Das bezeugt David mit den Worten: „Da bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verbarg ich nicht. Ich sprach: Bekennen will ich dem Herrn meine Übertretung. Du aber vergabst mir die Schuld meiner Sünde“ (Ps. 32,5). Aber auch der Herr lehrt uns beten und zugleich unsere Sünden bekennen: „Unser Vater, der du bist in den Himmeln … vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldnern“ (Mt. 6,12). Nötig ist also, dass wir Gott, unserem Vater, unsere Sünden bekennen und uns mit unserem Nächsten, wenn wir ihn beleidigt haben, wieder versöhnen. Über diese Art des Bekennens sagt der Apostel Jakobus: „So bekennet nun einander die Sünden“ (Jak. 5,16). Wenn aber jemand von der Last seiner Sünden und von verwirrenden Anfechtungen bedrückt, unter vier Augen bei einem Diener der Kirche oder bei einem andern Bruder, der im Wort Gottes wohlgegründet ist, Rat, Weisung und Trost holen will, so haben wir nichts dagegen einzuwenden. Ebenso billigen wir besonders das bereits erwähnte allgemeine und öffentliche schriftgemäße Sündenbekenntnis, wie es in der Kirche und in gottesdienstlichen Versammlungen gesprochen zu werden pflegt. Von den Schlüsseln des Reiches Gottes, die den Aposteln vom Herrn übergeben wurden, schwatzen viele wunderliche Dinge, und sie schmieden daraus Schwerter, Spieße, Zepter und Kronen und dazu die Allgewalt über die größten Königreiche, sowie über Leib und Seele. Wir urteilen da einfach nach dem Worte des Herrn und sagen, dass alle rechtmäßig berufenen Diener der Kirche die Schlüssel des Himmelreiches besitzen und die Schlüsselgewalt ausüben, wenn sie das Evangelium verkündigen, das heißt, das ihrer Treue anvertraute Volk lehren, ermahnen, trösten und strafen, und die Leute in Zucht halten. So nämlich öffnen sie den Gehorsamen das Himmelreich und verschließen es den Ungehorsamen. Diese schließen Schlüssel hat der Herr den Aposteln verheißen (Mt. 16,19) und übergeben (Joh. 20,23; Mk. 16,15; Luk. 24,47ff.), da er die Jünger aussendet und ihnen befiehlt, das Evangelium der ganzen Welt zu verkündigen zur Vergebung der Sünden. Und der Apostel sagt im 2. Korintherbrief, dass der Herr seinen Dienern das Amt der Versöhnung gegeben habe (2. Kor. 5,18ff.), und gleichzeitig erklärter, worin es bestehe, nämlich in der Predigt und Lehre von der Versöhnung. Um sein Wort noch näher zu erklären, fügt er hinzu, dass die Diener Christi gesandt seien, um im Namen Christi zu amten, indem Gott durch die Diener das Volk ermahne, sich mit Gott zu versöhnen freilich durch gläubigen Gehorsam. Sie üben also die Schlüsselgewalt aus, wenn sie ermahnen zu Glauben und Buße. So versöhnen sie die Menschen mit Gott. So vergeben sie die Sünden. So öffnen sie das Himmelreich und führen die Gläubigen hinein. Dabei sind sie weit entfernt von den Leuten, von denen der Herr im Evangelium gesagt hat: „Wehe euch Gesetzeskundigen, dass ihr den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen habt; ihr selbst seid nicht hineingekommen, und die, welche hinein wollten, habt ihr daran verhindert“ (Luk. 11,52).

Die Diener der Kirche sprechen dann rechtmäßig und wie das wirksam von Sünden frei, wenn sie das Evangelium geschieht Christi und in ihm die Sündenvergebung predigen, die jedem einzelnen Gläubigen verheißen wird, wie auch jeder einzelne getauft ist, und wenn sie bezeugen, dass sie sich auf jeden einzelnen erstrecke. Wir glauben nicht, dass die Lossprechung wirksamer sei, wenn sie jemandem ins Ohr geflüstert oder über jemandes Haupt einzeln gemurmelt wird. Doch halten wir dafür, dass die Vergebung der Sünden durch das Blut Jesu den Menschen eifrig verkündigt werden muss und die einzelnen ermahnt werden sollen, dass die Sündenvergebung sie selbst angehe.

Übrigens lehren uns Beispiele aus dem Evangelium, wie die Bußfertigen wachsam und eifrig sein müssen im Trachten nach einem neuen Leben, in der Abtötung des alten und in der Erweckung des neuen Menschen. Der Herr sprach zu dem Lahmen, den er geheilt hatte: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nicht Schlimmeres widerfährt“ (Joh. 5,14). Und zur Ehebrecherin, die er freisprach, sagte er: „Geh, sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh. 8,11). Mit diesen Worten hat er allerdings nicht gesagt, es könne dazu kommen, dass der Mensch überhaupt nicht mehr sündige, solange er in diesem Fleische lebe, sondern er empfiehlt Wachsamkeit und gewissenhaften Eifer, damit wir uns auf jede Art Mühe geben und es von Gott erbitten, dass wir nicht in die Sünden zurückgleiten möchten, aus denen wir gleichsam auferstanden sind, und damit wir nicht von Fleisch, Welt und Teufel überwunden werden. Da der Zöllner Zachäus vom Herrn zu Gnaden angenommen ist, ruft er, wie es im Evangelium heißt, aus: „Siehe, Herr, die Hälfte meines Besitzes gebe ich den Armen, und wenn ich von jemand etwas erpresst habe, gebe ich es vierfach zurück“ (Luk. 19,8). Mit dem gleichen Ziele predigen wir deshalb auch, dass die wirklich Bußfertigen zur Wiedergutmachung und zur Barmherzigkeit wie auch zum Almosengeben bereit sein müssen, und überhaupt ermahnen wir alle mit den Worten des Apostels Paulus: „Daher soll die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, so dass ihr seinen Begierden gehorcht. Gebet auch eure Glieder nicht der Sünde zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit hin, sondern gebet euch selbst Gott hin als solche, die aus Toten lebendig geworden sind, und eure Glieder zu Werkzeugen der Gerechtigkeit!“ (Röm. 6,12-13).

Demgemäß verwerfen wir die verderblichen Ansichten all der Leute, die unter Missbrauch der evangelischen Predigt behaupten: Die Rückkehr zu Gott ist leicht; denn Christus hat ja alle Sünden getilgt. Leicht ist auch die Vergebung der Sünden zu erlangen, was schadet also das Sündigen? Auch braucht man sich nicht mehr um die Buße zu kümmern usw. Indessen lehren wir immer, dass allen Sündern der Zugang zu Gott offen stehe, und dass er allen Gläubigen alle ihre Sünden vergebe, ausgenommen eine einzige Sünde, die Sünde wider den Heiligen Geist (Mk. 3,29). Desgleichen verwerfen wir die Ansichten der alten und neuen Novatianer, sowie der Katharer. Wir verwerfen vor allem die gewinnsüchtige Lehre des Papstes von der Buße, und auf seine Simonie und seinen simonistischen Ablaßhandel wenden wir jenes Urteil des Petrus an: „Dein Geld fahre mit dir ins Verderben, weil du gemeint hast, die Gabe Gottes durch Geld erkaufen zu können. Du hast weder Anteil noch Anrecht an dieser Sache, denn dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott“ (Apg. 8,20-21).

Wir missbilligen auch die Meinung jener, die glauben, durch eigene Sühnwerke für ihre begangenen Sünden Genugtuung leisten zu können. Denn wir lehren, dass Christus allein durch sein Leiden und Sterben die Genugtuung, Begnadigung und Bezahlung für alle Sünden sei (Jes. 53; 1. Kor. 1,30). Trotzdem hören wir nicht auf, wie wir vorher gesagt haben, auf die Abtötung des Fleisches zu dringen, doch fügen wir immerhin bei, man dürfe diese ja nicht Gott selbstbewusst als Sühne für die Sünde aufdrängen, sondern sie in aller Demut üben, wie es Kindern Gottes geziemt, als einen neuen Gehorsam aus Dankbarkeit für die Erlösung und vollkommene Genugtuung, die wir durch den Tod und die Sühnetat des Sohnes Gottes erlangt haben.

XV. Kapitel: Die wahre Rechtfertigung der Gläubigen

„Rechtfertigen“ bedeutet für den Apostel in seiner Lehre von der Rechtfertigung: die Sünden vergeben, von Schuld und Strafe freisprechen, in Gnaden annehmen und für gerecht erklären. Denn an die Römer schreibt er: „Gott ist es, der sie gerechtspricht. Wer ist es, der verdammen will?“ (Röm. 8,33). Gerechtsprechen und verdammen sind einander entgegengesetzt. In der Apostelgeschichte sagt der Apostel: „Durch Christus wird euch Vergebung der Sünden verkündigt und von allem, wovon ihr durch das Gesetz des Mose nicht gerecht gesprochen werden konntet, wird durch diesen jeder, der glaubt, gerecht gesprochen“ (Apg. 13,38). Denn auch im Gesetz und in den Propheten lesen wir: „Wenn Männer miteinander einen Streit haben und sie treten vor Gericht, dann spricht man ihnen Recht und gibt demjenigen Recht, der im Rechte ist, und demjenigen Unrecht, der im Unrecht ist“ (5. Mose 25,1). Und Jesaja 5,23 steht: „Wehe denen…, die dem Schuldigen Recht geben um Bestechung!“

Nun ist ganz gewiss, dass wir alle von Natur Sünder und Gottlose sind und vor dem Richterstuhl Gottes der Ungerechtigkeit überwiesen und des Todes schuldig befunden werden, aber auch, dass wir von Gott, unserem Richter, durch Christi Gnade allein für gerecht erklärt, das heißt von Sünden und Tod freigesprochen werden, ohne irgendein eigenes Verdienst oder Ansehen der Person. Wie könnte man es noch deutlicher sagen als der Apostel Paulus: „Alle haben ja gesündigt und ermangeln der Ehre vor Gott und „werden gerecht gesprochen ohne Verdienst durch seine Gnade mittelst der Erlösung, die in Christus Jesus ist“ (Röm. 3,23-24).

Denn Christus hat die Sünden der Welt auf sich genommen und getilgt und so der göttlichen Gerechtigkeit Genüge getan. Gott sieht also einzig um Christi willen, der gelitten hat und auferstanden ist, gnädig auf unsere Sünden und rechnet sie uns nicht an; dagegen rechnet er uns Christi Gerechtigkeit an, als ob es unsere eigene wäre, so dass wir nicht nur von Sünden gesäubert und gereinigt oder heilig sind, sondern auch solche, die dazu noch die Gerechtigkeit Christi bekommen haben. So sind wir denn freigesprochen von Sünden, Tod und Verdammnis und sind Gerechte und Erben des ewigen Lebens. Also spricht uns eigentlich Gott allein gerecht, und zwar spricht er uns nämlich gerecht um Christi willen, indem er uns nicht die Sünden anrechnet, sondern seine Gerechtigkeit (2. Kor. 5,19ff.; Röm. 4,25).Weil wir nun diese Rechtfertigung nicht auf Grund Rechtfertigung irgendwelcher Werke, sondern allein durch den Glauben durch den Glauben an Gottes Barmherzigkeit und an Christus empfangen, so lehren und glauben wir mit dem Apostel, der sündige Mensch werde allein durch den Glauben an Christus, nicht durch das Gesetz oder durch irgendwelche Werke gerechtfertigt. Denn der Apostel sagt: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch durch den Glauben gerecht gesprochen werde, ohne Werke des Gesetzes“ (Röm. 3,28). Ferner: „Wenn nämlich Abraham aus Werken gerechtgesprochen wurde, so hat er Ruhm. Aber nicht vor Gott. Denn was sagt die Schrift? „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet.“ „Dem dagegen, der keine Werke verrichtet, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerechtspricht, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnete (Röm. 4,2ff.; 1. Mose 15,6). Und weiter: Denn vermöge der Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch Gottes Gabe ist es nicht aus Werken, damit nicht jemand sich rühme“ (Eph. 2, 8-9). Darum, weil der Glaube Christus als unsere Gerechtigkeit annimmt und der Gnade Gottes in Christus alles zuschreibt, deshalb wird dem Glauben die Rechtfertigung zuteil, nur um Christi willen, und nicht deshalb, weil der Glaube unser Werk wäre. Denn er ist Gottes Gabe. Übrigens zeigt der Herr durch mancherlei, dass wir Christus im Glauben annehmen sollen, zum Beispiel Joh. 6, wo er für glauben essen und für essen glauben braucht. Denn wie wir mit dem Essen die Speise zu uns nehmen, so haben wir durch den Glauben teil an Christus. Daher zerteilen wir nicht die Wohltat der Rechtfertigung, als ob sie teils der Gnade Gottes, teils uns selbst, unserer Liebe, unseren Werken oder unserem Verdienst anzurechnen wäre, sondern wir schreiben sie durch den Glauben ganz der Gnade Gottes in Christus zu. Unsere Liebe und unsere Werke könnten ja auch Gott nicht gefallen, da sie doch von Ungerechten stammen; daher müssen wir zuerst gerecht sein, und dann können wir lieben und gerechte Werke tun. Wir werden aber gerecht durch den Glauben an Christus, wie wir gesagt haben, rein durch Gottes Gnade, die uns die Sünden nicht zurechnet, sondern im Gegenteil die Gerechtigkeit Christi und also den Glauben an Christus uns zur Gerechtigkeit rechnet. Außerdem leitet der Apostel die Liebe ganz deutlich aus dem Glauben ab, wenn er sagt: „Das Endziel des Gebotes aber ist Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1. Tim. 1,5).

Deshalb reden wir auch hier nicht vom erheuchelten, leeren, müßigen und toten Glauben, sondern vom lebendigen und Leben schaffenden Glauben. Dieser Glaube ist und heißt lebendig, weil er Christus erfasst, der das Leben ist und das Leben schafft, und sich in lebendigen Werken als lebendig erweist. In keiner Weise widerstreitet daher Jakobus unserer Lehre, da er von einem leeren und toten Glauben redet, mit dem sich gewisse Leute brüsteten, während sie doch nicht im Glauben den lebendigen Christus im Herzen trugen. Und wenn er gesagt hat, die Werke machten gerecht, so will er damit nicht dem Apostel Paulus widersprechen sonst wäre er ja verwerflich, sondern zeigen, dass Abraham seinen lebendigen, rechtfertigenden Glauben durch Werke bewährt habe, wie es alle Frommen tun, die allein auf Christus und nicht auf ihre eigenen Werke vertrauen (Jak. 2,14ff.). Weiter sagt der Apostel Paulus: „Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. Was ich aber jetzt im Fleische lebe, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat. Ich verwerfe die Gnade Gottes nicht; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, dann ist ja Christus umsonst gestorben!“ (Gal. 2,20-21).

XVI. Kapitel: Der Glaube; die guten Werke und ihr Lohn; das „Verdienst“ des Menschen

Der christliche Glaube ist nicht bloß eine Meinung oder menschliche Überzeugung, sondern ein felsenfestes Vertrauen, eine offenbare und beständige Zustimmung des Herzens und ein ganz gewisses Erfassen der Wahrheit Gottes, die in der Heiligen Schrift und im Apostolischen Glaubensbekenntnis dargelegt ist, ja Gottes selbst als des höchsten Gutes und besonders der göttlichen Verheißung, und Christi, der der Inbegriff aller Verheißungen ist. Dieser Glaube aber ist ganz und gar Gottes Gabe, die Gott allein um seiner Gnade willen und nach seinem Ermessen seinen Erwählten schenkt, wann, wem und in welchem Maße er will, und zwar durch den Heiligen Geist mittelst der Predigt des Evangeliums und des gläubigen Gebetes. Dieser Glaube hat auch sein Wachstum, und wenn dieses nicht ebenfalls von Gott gegeben wäre, hätten die Apostel nicht gesagt: „Herr, mehre uns den Glauben!“ (Luk. 17,5).

All das, was wir bis jetzt vom Glauben gesagt haben, haben die Apostel schon vor uns so gelehrt. Paulus sagt nämlich: „Es ist aber der Glaube eine Zuversicht auf das, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr. 11,1). Ferner sagt er: „So viele Verheißungen Gottes es gibt, in Christus ist das Ja, daher durch ihn auch das Amen“ (2. Kor. 1,20), und an die Philipper schreibt er: „Euch wurde verliehen …. an Christus zu glauben“ (Phil. 1,29). Sodann: „Gott hat jedem das Maß seines Glaubens zugeteilt“ (Röm. 12,3). Ferner sagt er: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“ (2. Thess. 3,2) und: „Nicht alle sind dem Evangelium gehorsam geworden“ (Röm. 10,16). Aber auch Lukas bezeugt: „So viele zum ewigen Leben bestimmt waren, wurden gläubig“ (Apg. 13,48). Deshalb wiederum rennt Paulus den Glauben einen „Glauben der Auserwählten Gottes“ (Tit. 1,1). Und weiter: „Also kommt der Glaube aus der Predigt, die Predigt aber durch das Wort Christi“ (Röm. 10,17). An anderen Stellen seiner Briefe fordert er oft auf, um den Glauben zu bitten. Der gleiche Apostel nennt den Glauben „durch Liebe wirksam“ (Gal. 5,6). Dieser Glaube bringt unserem Gewissen Frieden und eröffnet uns den freien Zugang zu Gott, so dass wir mit Vertrauen zu ihm selbst kommen und von ihm erlangen, was uns nützlich ist und wir nötig haben. Der Glaube hält uns auch in den Schranken der Pflicht, die wir Gott und dem Nächsten schulden, und stärkt unsere Geduld in der Trübsal, formt und schafft das wahre Bekenntnis und erzeugt, um mit einem Worte alles zu sagen, gute Früchte und gute Werke aller Art.

Wir lehren daher, dass wirklich gute Werke nur aus dem lebendigen Glauben durch den Heiligen Geist entstehen und dass sie von den Gläubigen getan werden nach dem Willen und Gebot des Wortes Gottes. Denn der Apostel Petrus sagt: „So bringet nun aber auch allen Fleiß auf und erweiset in eurem Glauben die Tugend, in der Tugend die Erkenntnis, in der Erkenntnis die Enthaltsamkeit“ (2. Pet. 1,5ff.). Wir haben früher gesagt, das Gesetz Gottes, das Gottes Wille ist, gebe uns die Richtlinien für die guten Werke. Und der Apostel Paulus sagt: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr euch der Unzucht enthaltet … und dass niemand seinen Bruder im Handel übervorteilt“ (1. Thess. 4,3ff.). Denn Gott billigt nicht Werke und Gottesdienste nach eigenem Gutdünken, solche nennt Paulus „selbsterwählten Gottesdienst“ (Kol. 2,23). Von diesen spricht auch der Herr im Evangelium: „Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie Lehren vortragen, welche Gebote von Menschen sind“ (Mt. 15,9). Wir verwerfen deshalb Werke dieser Art; solche dagegen billigen wir, die dem Willen und Gebot Gottes entsprechen, und dringen auch darauf. Diese sollen jedoch nicht getan werden mit der Absicht, damit das ewige Leben verdienen zu wollen. „Denn die Gnadengabe Gottes ist das ewige Leben“, wie der Apostel sagt (Röm. 6,23); auch nicht, damit wir von den Leuten gesehen werden, was der Herr (Mt. 6) verwirft, noch aus Gewinnsucht, was er ebenfalls verwirft (Mt. 23), sondern zur Ehre Gottes, zur Zierde unserer Berufung, und um Gott unsere Dankbarkeit zu beweisen und zum Nutzen unseres Nächsten. Ferner sagt unser Herr im Evangelium: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, preisen“ (Mt. 5,16). Aber auch der Apostel Paulus schreibt: „Ich ermahne euch …, der Berufung würdig zu wandeln“ (Eph. 4,1) und: „Alles, was ihr tut mit Wort oder mit Werk, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr Gott, dem Vater, durch ihn dankt“ (Kol. 3,17), „ein jeder sehe nicht bloß auf das Seine, sondern auch auf das, was der andern ist“ (Phil. 2. 4), und: „Auch die Unsrigen sollen lernen, sich guter Werke zu befleißigen für die notwendigen Bedürfnisse, damit sie nicht ohne Frucht seien“ (Tit. 3,14).

Obwohl wir also mit dem Apostel Paulus lehren, dass der Mensch ganz umsonst durch den Glauben an Christus gerechtfertigt werde und nicht durch irgendwelche guten Werke, wollten wir deswegen doch gute Werke nicht gering schätzen oder verwerfen, da wir wissen, dass der Mensch weder dazu erschaffen noch durch den Glauben wiedergeboren sei, damit er müßig gehe, sondern vielmehr unaufhörlich tue, was gut und nützlich ist. Denn im Evangelium sagt der Herr: „So bringt jeder gute Baum gute Früchte“ (Mt. 7,17; 12,33); ferner: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der trägt viel Frucht“ (Joh. 15,5). Weiter sagt der Apostel: „Denn sein Gebilde sind wir, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, zu denen uns Gott zum voraus bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollten“ (Eph. 2,10), und abermals: „Er hat sich für uns dahingegeben, um uns von allem gesetzwidrigen Wesen zu erlösen und für sich selbst ein Volk zum Eigentum zu reinigen, das eifrig wäre in guten Werken“ (Tit. 2,14). Wir verwerfen daher alle, die gute Werke verachten und faseln, darum brauche man sich nicht zu kümmern, und sie seien unnütz. Indessen meinen wir ja nicht, wie schon früher gesagt wurde, durch gute Werke selig zu werden, oder jene seien zur Erlangung der Seligkeit unentbehrlich, als ob ohne sie nie jemand selig geworden sei. Denn durch die Gnade und durch die Wohltat von Christus allein werden wir selig. Die Werke aber müssen notwendig aus dem Glauben entstehen. So wird die Seligkeit nur im uneigentlichen Sinn mit ihnen in Verbindung gebracht; ganz eigentlich wird sie nur der Gnade zugeschrieben. Wohlbekannt ist ja jenes Apostelwort: „Wenn aber durch Gnade, dann nicht mehr aus Werken. Wenn aber aus Werken, dann ist es nicht mehr Gnade, weil sonst das Werk nicht mehr Werk ist“ (Röm. 11,6).

Werke, die von uns aus dem Glauben getan werden, gefallen Gott, und diese billigt er, weil jene Menschen, die gute Werke tun, wegen ihres Glaubens an Christus Gott gefallen, und da diese Werke überdies durch den Heiligen Geist aus Gottes Gnade getan sind. Der heilige Petrus nämlich sagt: „… in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ist ihm willkommen“ (Apg. 10,35). Und Paulus sagt: „Deshalb hören wir … nicht auf, für euch zu beten und zu bitten…, damit ihr des Herrn würdig wandelt zu allem Wohlgefallen, Frucht bringend in allem guten Werk“ (Kol. 1,9-10). Daher lehren wir eifrig wahre, und nicht falsche oder philosophische Tugenden, sondern wirklich gute Werke und die eigentlichen Christenpflichten, und schärfen sie allen mit großem Fleiß und Ernst ein; wir tadeln aber die Faulheit und Heuchelei all derer, die zwar mit dem Munde das Evangelium rühmen und bekennen, aber durch ein schändliches Leben verunehren, indem wir ihnen in diesem Stücke die schrecklichen Drohungen Gottes vor Augen stellen, doch auch die reichen Verheißungen Gottes und seine freigebigen Belohnungen, und sie so ermahnen, trösten und tadeln.

Wir lehren nämlich auch, dass Gott denen, die Gutes tun, reichen Lohn gebe, nach dem Wort des Propheten: „Wehre deiner Stimme das Weinen, denn deine Mühe soll noch belohnt werden“ (Jer. 31,16; Jes. 4). Auch hat der Herr im Evangelium gesagt: „Freuet euch und frohlocket, weil euer Lohn groß ist in den Himmeln“ (Mt. 5,12), und: „Wer einem dieser Geringen auch nur einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt, wahrlich, ich sage euch: Ihm soll sein Lohn nicht mangeln“ (Mt. 10,42). Doch schreiben wir diesen Lohn, den der Herr gibt, nicht dem Verdienst des Empfangenden zu, sondern der Güte, Freigebigkeit und Wahrhaftigkeit Gottes, der ihn verheißt und gibt, da er ja niemandem etwas schuldig ist, und dennoch verheißen hat, dass er seinen treuen Dienern Lohn geben werde; und er gibt ihnen diesen auch, damit sie ihn ehren. Allerdings findet sich auch in den Werken der Heiligen noch vieles, was Gottes nicht würdig ist, und recht viel Unvollkommenes. Da aber Gott diejenigen, die Gutes tun, gnädig annimmt und die um Christi willen Tätigen herzlich liebt, so bezahlt er auch die verheißene Belohnung. Sonst wird nämlich unsere Gerechtigkeit verglichen mit einem „befleckten Gewand“ (Jes. 64,6). Aber auch der Herr sagt im Evangelium: „So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, sagen: wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“ (Luk. 17,10). Wenn wir also auch lehren, dass Gott für unsere guten Werke eine Belohnung gebe, so lehren wir doch zugleich mit Augustin: Gott kröne an uns nicht unser Verdienst, sondern seine eigenen Gaben. Und was wir daher an Lohn empfangen, betrachten wir ebenfalls als Gnade, und zwar mehr als Gnade, denn als Lohn, weil wir ja, was wir Gutes tun, mehr durch Gottes Hilfe, als aus uns selbst tun, und weil Paulus sagt: „Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? Hast du es aber doch empfangen, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ (1. Kor. 4,7). Diesen Schluss zieht auch der selige Blutzeuge Cyprian: An keiner Hinsicht haben wir uns zu rühmen, denn nichts ist unser.“ So wenden wir uns gegen diejenigen, die menschliche Verdienste derart verteidigen, dass sie Gottes Gnade entleeren.

XVII. Kapitel: Die katholische (allgemeine) und heilige Kirche Gottes und das einzige Haupt der Kirche

Weil Gott von Anfang an wollte, dass die Menschen selig würden und zur Erkenntnis der Wahrheit kämen, muss es immer eine Kirche gegeben haben und muss es jetzt und bis ans Ende der Welt eine Kirche geben, das heißt: eine aus der Welt berufene oder gesammelte Schar der Gläubigen, eine Gemeinschaft aller Heiligen, nämlich derer, die den wahren Gott durch das Wort und den Heiligen Geist in Christus, dem Heiland, wahrhaft erkennen und recht anbeten und im Glauben an allen durch Christus umsonst angebotenen Gütern teilhaben. Alle diese Menschen sind Bürger eines Staates, leben unter dem gleichen Herrn, unter den gleichen Gesetzen und haben an allen Gütern gleichen Anteil. Denn so hat sie der Apostel genannt „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph. 2,19), indem er die Gläubigen auf Erden Heilige nennt, weil sie durch das Blut des Sohnes Gottes geheiligt sind (1. Kor. 6,11). Auf diese bezieht sich der Artikel des Glaubensbekenntnisses: Ich glaube eine heilige, katholische (allgemeine) Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen.

Und da es immer nur einen einzigen Gott gibt, nur einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Messias Jesus, einen Hirten der ganzen Erde, ein Haupt dieses Leibes, schließlich einen Geist, ein Heil, erzen Glauben und ein Testament oder einen Bund, so folgt daraus notwendig, dass es auch nur eine einzige Kirche gibt. Deshalb nennen wir sie die katholische christliche Kirche, weil sie allumfassend ist, sich über alle Teile der Welt und über alle Zeiten erstreckt und weder durch Ort noch Zeit eingeschränkt ist. Wir wenden uns deshalb gegen die Donatisten, die die Kirche auf weiß was für Winkel Afrikas beschränken wollten. Wir billigen auch nicht die Lehre des römischen Klerus, die bloß die römische Kirche für katholisch (allgemein christlich) ausgibt.

Zwar teilt man die Kirche ein in verschiedene Teile oder Arten, nicht weil sie in sich selbst geteilt oder zerrissen wäre, sondern vielmehr, weil sie verschieden ist wegen der Mannigfaltigkeit ihrer Glieder. Sie bilden einerseits die streitende, anderseits die triumphierende Kirche. Jene streitet bis heute auf der Erde und kämpft mit dem Fleische, der Welt und dem Fürsten dieser Welt, dem Teufel, mit der Sünde und dem Tode. Diese aber triumphiert, dem Kampfe enthoben, im Himmel, und freut sich, befreit von all diesen Dingen, vor Gott. Nichtsdestoweniger haben beide miteinander Gemeinschaft oder Verbindung. Auch hatte die auf Erden streitende Kirche stets sehr viele besondere Kirchen, die aber alle zur Einheit der katholischen christlichen Kirche gehören. Diese war anders eingerichtet vor dem Gesetz unter den Patriarchen, anders unter Moses durch das Gesetz und wieder anders seit Christus durch das Evangelium. Gewöhnlich unterscheidet man zweierlei Völker, Altes und neues nämlich das Volk der Israeliten und das Volk der Bundesvolk Heiden, oder derer, die aus den Juden und aus den Heiden in der Kirche vereinigt wurden, ebenso zwei Testamente, das alte und das neue. Doch bildeten und bilden jetzt noch alle diese Völker nur eine einzige Gemeinschaft, sie haben alle ein Heil in einem Messias, in dem sie als Glieder eines Leibes unter einem Haupte alle verbunden sind, und haben auch an derselben Speise und an demselben geistlichen Tranke teil. Immerhin anerkennen wir hier, dass es in verschiedenen Zeiten verschiedene Bekenntnisse im Blick auf den verheißenen und den erschienenen Messias gegeben hat, dass aber uns nach Aufhebung des Zeremonialgesetzes das Licht heller leuchtet und dass uns auch vermehrte Gaben und vollere Freiheit gegeben sind. Diese heilige Kirche Gottes wird das Haus des lebendigen Gottes genannt, erbaut aus lebendigen und Haus des lebendigen Gottes geistlichen Steinen, und gegründet auf den unbeweglichen Felsen, auf den Grund, außer dem kein anderer gelegt werden kann. Deshalb heißt sie auch „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3,15). Sie irrt nicht, solange sie sich auf den Felsen Christus und den Grund der Apostel und Propheten stützt. Es ist aber nicht zu verwundern, wenn sie irrt, so oft sie den verlässt, der allein die Wahrheit ist. Die Kirche wird auch genannt Jungfrau und Braut Christi, und zwar die einzige und geliebte. Der Apostel sagt nämlich: „Ich habe euch mit einem Manne verlobt, um euch als eine reine Jungfrau Christus zuzuführen“ (2. Kor. 11,2). Die Kirche wird ferner genannt Herde der Schafe unter dem einen Hirten Christus und zwar bei Ezechiel 34 und bei Johannes 10. Ebenso heißt sie Leib Christi, weil die Gläubigen lebendige Glieder Christi sind unter dem Haupte Christus. Das Haupt ist des Leibes wichtigster Teil; von ihm schöpft der Leib das Leben, durch seinen Geist wird er in allen Dingen regiert, von ihm hat er Gedeihen und Wachstum. Der Leib hat nur ein einziges Haupt, und es ist ihm angepaßt. Deshalb kann die Kirche kein anderes Haupt haben als Christus. Denn wie die Kirche der geistliche Leib ist, so muss sie auch ein entsprechendes geistliches Haupt haben. Und sie kann durch keinen anderen Geist regiert werden als durch Christi Geist. Auch Paulus sagt: „Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Kirche, er, der der Anfang ist, der Erstgeborene von den Toten, damit in allem er den Vorrang hat“ (Kol. 1,18). Und wiederum sagt er: „Christus ist das Haupt der Kirche, er als Erlöser seines Leibes“ (Eph. 5,23). Ferner spricht er: „Er hat ihn zum Haupt über alles der Kirche gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles mit allem erfüllt“ (Eph. 1,22-23). Ebenso: „Wir sollen … in allen Stücken hinanwachsen zu ihm, der das Haupt ist, Christus. Und von ihm aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und zusammengehalten, das Wachstum“ (Eph. 4,15-16). Wir billigen deshalb nicht die Lehre des römischen Klerus, der seinen römischen Papst zum allgemeinen Hirten und Oberhaupt, ja sogar zum Statthalter Christi für die katholische streitende Kirche auf Erden macht, der die Fülle der Gewalt und die höchste Herrschaft in der Kirche habe, wie sie sagen. Wir lehren nämlich, dass Christus der Herr sei und der einzige Oberhirte Christus der der Welt bleibe; als Hoherpriester verrichte er vor Gott, dem Vater, und in der Kirche selber jegliches Priester- oder Hirtenamt bis ans Ende der Welt. Daher bedarf er keines Statthalters, den nur ein Abwesender nötig hat. Christus aber ist in der Kirche gegenwärtig und ihr lebendigmachendes Haupt. Er hat seinen Aposteln und ihren Nachfolgern aufs strengste verboten, Vorrang und Herrschaft in der Kirche aufzurichten. Die sich deshalb dieser hellen Wahrheit hartnäckig widersetzen und in der Kirche eine andere Regierung einführen wer sähe nicht, dass sie jenen beigezählt werden müssen, von denen die Apostel Christi weissagen, nämlich Petrus in 2. Pet. 2,1ff., und Paulus Apg. 20,29f.; 2. Kor. 11,3ff.; 2. Thess. 2,3ff., und auch an anderen Stellen?

Mit der Ablehnung des römischen Oberhauptes bringen wir jedoch keine Unordnung oder Verwirrung in die Kirche, da wir ja lehren, dass uns die von den Aposteln überlieferte Leitung der Kirche genüge, die Kirche in rechter Ordnung zu halten. Am Anfang, als noch kein römisches Haupt da war, das wie man heute sagt die Ordnung in der Kirche aufrecht erhielt, ist sie auch nicht ungeordnet und zuchtlos gewesen. Das römische Haupt will eben nur seine eigene Willkürherrschaft und die in der Kirche eingerissenen Missstände bewahren, hindert und bekämpft aber die rechte Reformation der Kirche und sucht sie mit allen Mitteln zu hintertreiben. Man wirft uns vor, es gebe in unseren Kirchen mancherlei Streit und Zwietracht, seit sie sich von der römischen Kirche getrennt hätten; deshalb seien sie nicht wahre Kirchen. Als ob es in der römischen Kirche keine Sekten und niemals Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten gegeben hätte, und zwar gerade in Glaubenssachen, die nicht etwa nur in Schulen, sondern auch auf den heiligen Kanzeln mitten im Volk ausgetragen wurden. Wir anerkennen wohl, dass der Apostel gesagt habe: „Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens“ (1. Kor. 14,33) und: „Wenn unter euch Eifersucht und Zank sind, seid ihr da nicht fleischlich?“ (1. Kor. 3,3). Indessen kann aber nicht geleugnet werden, dass Gott in der apostolischen Kirche gewesen sei, und dass diese die wahre Kirche gewesen sei, trotzdem in ihr auch Streit und Zwietracht vorkam. Denn der Apostel Paulus tadelt den Apostel Petrus (Gal. 2,11ff.); mit Paulus ist Barnabas uneins (Apg. 15). Schwerer Streit entsteht in der Gemeinde Antiochia unter Leuten, die doch den einen Christus predigten, wie uns Lukas in der Apostelgeschichte, Kapitel 15, erzählt. In der Kirche hat es immer schwere Kämpfe gegeben, und hervorragende Lehrer der Kirche waren, nicht etwa in untergeordneten Dingen, uneins, und doch hörte deswegen die Kirche nicht auf, das zu sein, was sie war. So gefällt es eben Gott, auch die kirchlichen Streitigkeiten zum Ruhme seines Namens dienen zu lassen, damit schließlich die Wahrheit leuchtend hervortrete und damit die Bewährten offenbar werden.

Wie wir übrigens kein anderes Haupt der Kirche anerkennen als Christus, so anerkennen wir auch nicht jede beliebige Kirche, die sich für die wahre ausgibt, als wahre Kirche. Wir lehren aber, jene sei die wahre Kirche, bei der die Zeichen oder Merkmale der wahren Kirche zu finden sind: vor allem die rechtmäßige und reine Verkündigung des Wortes Gottes, wie sie uns in den Büchern der Propheten und Apostel überliefert ist, die alle zu Christus hinführen, der im Evangelium gesagt hat: „Meine Schafe hören auf meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach, und ich gebe ihnen ewiges Leben … Einem Fremden aber werden sie nicht nachfolgen, sondern vor ihm fliehen; denn sie kennen die Stimme des Fremden nicht“ (Joh. 10,27ff; 4,5). Wenn solche Leute in der Kirche sind, so haben sie einen Glauben, einen Geist und beten allein den einen Gott an, verehren nur ihn im Geist und in der Wahrheit; ihn allein lieben sie von ganzem Herzen und mit allen ihren Kräften, rufen ihn allein durch Christus, den einzigen Mittler und Fürsprecher, an und suchen außerhalb Christus und dem Glauben an ihn keine Gerechtigkeit und kein Leben. Weil sie Christus allein als Haupt und Fundament der Kirche anerkennen und auf diesem Grunde stehend sich täglich durch die Buße erneuern, tragen sie das ihnen auferlegte Kreuz mit Geduld, sind aber auch mit allen Gliedern Christi durch ungeheuchelte Liebe verbunden, und beweisen dadurch, dass sie Jünger Jesu sind, indem sie im Bande des Friedens und heiliger Einigkeit verharren. Zugleich nehmen sie auch teil an den von Christus eingesetzten und von den Aposteln überlieferten Sakramenten, und sie gebrauchen diese nicht anders, als wie sie es vom Herrn empfangen haben. Bekannt ist ja allen jenes Wort des Apostels: „Denn ich habe vom Herrn her empfangen, was ich euch überliefert habe“ (1. Kor. 11,23). Darum verwerfen wir jene Kirchen als der wahren Kirche Christi fremd, die nicht solcher Art sind, wie sie nach dem Gehörten sein sollen, mögen sie sich noch so sehr mit der ununterbrochenen Aufeinanderfolge ihrer Bischöfe, ihrer Einheit und ihrem hohen Alter brüsten. Die Apostel lehren uns ja deutlich genug, wir sollten den Götzendienst und Babylon fliehen und keine Gemeinschaft damit haben, wenn wir nicht auch der Züchtigung Gottes teilhaft werden wollen (1. Kor. 10,14; 1. Joh. 5,21; Offb. 18,4; 2. Kor. 6,14ff).

Die Gemeinschaft mit der wahren Kirche schätzen wir aber so hoch, dass wir behaupten, niemand könne vor Gott leben, der mit der wahren Kirche Gottes keine Gemeinschaft pflege, sondern sich von ihr absondere. Denn wie außerhalb der Arche Noahs keine Rettung war, als die Menschheit in der Sintflut umkam, so glauben wir, dass außerhalb Christus, der sich den Erwählten in der Kirche zum Genusse darbietet, kein gewisses Heil vorhanden sei. Deshalb lehren wir, dass, wer leben will, sich von der wahren Kirche nicht absondern dürfe.

Doch schränken wir die Kirche nicht so eng in die erwähnten Kennzeichen ein, dass wir lehrten, alle jene seien außerhalb der Kirche, die weder geflissentlich noch aus Verachtung nicht an den Sakramenten teilnehmen, sondern aus zwingenden und unvermeidlichen Gründen, also unfreiwillig, ihnen fernbleiben und sie entbehren. Wir schließen auch die nicht aus, bei denen der Glaube bisweilen abnimmt, sofern er nicht gänzlich ausgelöscht wird oder später aufhört, auch solche nicht, bei denen sich Gebrechen, Mängel oder Irrtümer finden. Denn wir wissen, dass Gott außerhalb des Volkes Israel manche Freunde in der Welt gehabt hat. Wir wissen, wie es dem Volke Gottes in der babylonischen Gefangenschaft erging, da sie siebzig Jahre lang ihren Opferdienst entbehren mussten. Wir wissen, wie es dem heiligen Petrus bei seiner Verleugnung ging. und was täglich den auserwählten Gläubigen Gottes zu begegnen pflegt, wie sie irren und schwach sind. Wir wissen außerdem, wie zur Apostelzeit die Gemeinden der Galater und Korinther beschaffen gewesen sind, bei denen der Apostel Paulus über viele schwere Vergehen Klage führt und sie dennoch heilige Gemeinden Christi nennt. Ja, bisweilen geschieht es sogar, dass Gott in gerechtem Gericht die Wahrheit seines Wortes, den allgemeinen christlichen Glauben und die rechtmäßige Gottesverehrung derart verdunkeln und zerstören lässt, dass es beinahe scheint, als sei es aus mit der Kirche, und es sei nichts mehr von ihr übrig, so wie wir es zur Zeit des Elias und zu anderen Zeiten in der Tat sehen. Indessen hat Gott in dieser Welt und in diesen dunklen Zeiten doch noch seine wahren Anbeter, und zwar sind es nicht wenige, sondern siebentausend und mehr (1. Kön. 19,18; Offb. 7,3ff.). Denn auch der Apostel ruft aus: „Doch der feste Grund, der von Gott gelegt ist, bleibt bestehen und trägt dieses Siegel: Der Herr hat erkannt, die sein sind“ usw. (2. Tim. 2,19). Daher kann auch die Kirche unsichtbar genannt werden, nicht etwa, weil die Menschen unsichtbar wären, aus denen die Kirche gesammelt wird, sondern weil die Kirche für unsere Augen verborgen und Gott allein bekannt ist und das menschliche Urteil oft am Ziele vorbeischießt.

Wiederum sind nicht alle, die der Kirche beigezählt werden, Heilige und lebendige, wahre Glieder der Kirche. Denn viele sind Heuchler, die zwar äußerlich Gottes Wort hören und vor den Augen der Leute die Sakramente empfangen; auch erwecken sie den Anschein, als ob sie Gott durch Christus allein anriefen und bekennten, Christus sei ihre einzige Gerechtigkeit, als ob sie Gott verehrten, ihre christlichen Liebespflichten erfüllten und im Unglück eine Zeitlang geduldig ausharrten; aber inwendig fehlt ihnen die wahre Erleuchtung des Geistes, der Glaube, die Aufrichtigkeit des Herzens und die Beharrlichkeit bis ans Ende. Schließlich werden aber solche Menschen in ihrem wahren Wesen doch entlarvt. Denn der Apostel Johannes sagt: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie gehörten nicht zu uns; denn wenn sie zu uns gehörten, wären sie bei uns geblieben“ (1. Joh. 2,19). So werden sie denn immerhin zur Kirche gezählt, so lange sie scheinbar fromm sind, mögen sie auch nicht wirklich zur Kirche gehören. gerade wie die Verräter im Staat, bevor sie entdeckt sind, selber auch unter die Bürger gerechnet werden, und wie sich der Lolch oder das Unkraut und die Spreu unter dem Weizen finden, oder wie man am gesunden Leib etwa Kröpfe und Geschwülste findet, obwohl sie in Wirklichkeit eher krankhafte Erscheinungen und Verunstaltungen sind, als wahre Glieder des Leibes. Deshalb wird die Kirche Gottes ganz richtig mit einem Netze verglichen, das Fische aller Art fängt, und mit einem Acker, in dem sich Unkraut und Weizen zugleich findet (Mt. 13,47ff.; 13,24ff.). Deshalb müssen wir uns sehr davor hüten zu versuchen, vor der Zeit zu richten, diejenigen auszuschließen und zu verwerfen oder auszustoßen, die der Herr nicht ausgeschlossen oder ausgestoßen haben will, oder die wir ohne Schädigung der Kirche nicht aussondern können. Anderseits muss man darüber wachen, dass nicht die Gottlosen, während die Frommen schlafen, Fortschritte machen und der Kirche so Schaden zufügen.

Außerdem lehren wir mit allem Fleiß, man solle darauf achten, worin am ehesten die Wahrheit und Einheit der Kirche liege, damit wir nicht leichtfertig Spaltungen erzeugen und in der Kirche begünstigen. Jene liegt nicht in den äußeren Zeremonien und gottesdienstlichen Gebräuchen, sondern vielmehr in der Wahrheit und Einheit des katholischen christlichen Glaubens. Der katholische christliche Glaube ist uns aber nicht durch menschliche Satzungen überliefert, sondern durch die göttliche Schrift, deren Zusammenfassung das Apostolische Glaubensbekenntnis ist. Daher lesen wir, dass bei den Alten zwar mannigfaltige Verschiedenheit in den gottesdienstlichen Gebräuchen bestanden habe, dass sie aber eine freie Mannigfaltigkeit gewesen sei und niemand gedacht habe, dass dadurch die Einheit der Kirche je aufgelöst werde. Deshalb sagen wir, die wahre Einheit der Kirche bestehe in den Glaubenslehren, in der wahren und einmütigen Verkündigung des Evangeliums Christi sowie in den vom Herrn selbst ausdrücklich überlieferten gottesdienstlichen Gebräuchen. Deshalb dringen wir ganz besonders auf jenes Apostelwort: „Wir alle nun, die wir vollkommen sind, wollen diese Gesinnung hegen; und wenn ihr in etwas anderen Sinnes seid, wird euch Gott auch dies offenbaren. Doch wozu wir schon gelangt sind, eben darin lasset uns wandeln!“ (Phil. 3,15-16).

XVIII. Kapitel: Die Diener der Kirche; ihre Einsetzung und ihre Pflichten

Um sich seine Kirche zu sammeln und zu gründen, sie zu leiten und zu erhalten, hat Gott immer Diener verwendet, bedient sich solcher auch heute noch und solange es eine Kirche auf Erden gibt. Deshalb ist Ursprung, Einsetzung und Amt der Diener von höchstem Alter und rührt von Gott selbst her, ist also nicht eine neue oder bloß menschliche Ordnung. Gott hätte sich ja wohl aus eigener Macht unmittelbar eine Gemeinde schaffen können, aber er wollte lieber durch den Dienst von Menschen mit den Menschen verkehren. Deshalb sind die Diener nicht bloß als Diener, sondern als Gottes Diener zu betrachten, weil Gott durch sie das Heil der Menschen schafft. Wir werden deshalb davor gewarnt, nicht das, was zu unserer Bekehrung und Belehrung gehört, einer dunkeln Kraft des Heiligen Geistes zuzuerkennen, so dass man das kirchliche Amt seines Inhaltes beraubt. Denn wir müssen uns stets der Worte des Apostels erinnern: „Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie sollen sie aber hören, ohne einen, der predigt? … Also kommt der Glaube aus der Predigt, die Predigt aber durch das Wort Christi“ (Röm. 10,14. 17). Und der Herr hat im Evangelium gesagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer einen aufnimmt, wenn ich ihn sende, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (Joh. 13,20). Und der Mazedonier, der dem Paulus während seines Aufenthaltes in Kleinasien in einem Gesicht erschien, ermahnte ihn und sagte: „Komm herüber … und hilf uns“ (Apg. 16,9). An einer anderen Stelle hat der Apostel gesagt: „Gottes Mitarbeiter sind wir; Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr.“ (1. Kor. 3,9). Doch müssen wir uns auch davor hüten, dass wir nicht dem Diener und dem Amt zu viel zuschreiben, auch hier eingedenk der Worte des Herrn, der im Evangelium sagt: „Niemand kann zu mir kommen , es ziehe ihn denn der Vater“ (Joh. 6,44), und des Apostelwortes: „Was ist nun Apollos? Was aber Paulus? Diener, durch die ihr gläubig geworden seid, und zwar so, wie es der Herr einem jeden verliehen hat. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber hat das Gedeihen gegeben. Somit ist weder der etwas, welcher pflanzt, noch der, welcher begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt“ (1. Kor. 3,5-7). Wir sollen also dem Worte Gottes glauben, dass Gott uns äußerlich durch seine Diener lehre, inwendig aber die Herzen seiner Erwählten durch den Heiligen Geist zum Glauben bewege, und dass man alle Ehre für diese ganze Wohltat Gott geben müsse. Davon ist bereits im ersten Kapitel dieser Darlegung die Rede gewesen.

Und zwar hat sich Gott von Anfang der Welt an der allerhervorragendsten Menschen in der Welt bedient waren die meisten auch einfältig, was die weltliche Weisheit oder Philosophie anbetrifft, so zeichneten sie sich doch in der wahren Gottesgelehrtheit aus, nämlich der Patriarchen, mit denen er oft durch Engel geredet hat. Denn die Patriarchen sind die Propheten und Lehrer ihrer Zeit gewesen, die Gott dazu bestimmte, zu diesem Zweck etliche hundert Jahre zu leben, damit sie gleichsam Väter und Lichter der Welt seien. Auf sie folgte Moses mit den Propheten, die in der ganzen Welt berühmt waren. Nach ihnen sandte der himmlische Vater seinen eingeborenen Sohn als vollkommensten Lehrer der ganzen Welt, in dem jene göttliche Weisheit verborgen ist, die auch bis auf uns kam durch die heiligste, einfachste und allervollkommenste Lehre. Er aber hat sich Jünger erwählt, die er dann zu Aposteln machte. Diese aber sind ausgegangen in die ganze Welt und haben durch die Predigt des Evangeliums überall Gemeinden gesammelt, dann aber haben sie in allen Gemeinden Hirten und Lehrer eingesetzt nach dem Befehl Christi, durch deren Nachfolger er bis heute die Kirche lehrte und leitete. Wie also Gott dem alten Bundesvolk die Patriarchen samt Moses und den Propheten gegeben hat, so hat er dem Volk des neuen Bundes seinen eingeborenen Sohn gesandt samt den Aposteln und Lehrern der Kirche.

Nun werden die Diener des neuen Bundesvolkes weiterhin mit verschiedenen Namen bezeichnet; sie heißen: Apostel, Propheten, Evangelisten, Aufseher (Bischöfe), Älteste (Presbyter), Hirten (Pastoren, Pfarrer) und Lehrer (Doktoren) (1. Kor. 12,28; Eph. 4,11). Die Apostel hatten keinen festen Wohnsitz, sondern zogen durch die Welt und sammelten die verschiedenen Gemeinden. Wo aber schon Gemeinden gegründet waren, da gab es keine Apostel mehr, sondern an ihre Stelle traten in jeder Gemeinde die Hirten oder Pfarrer. Die Propheten wussten als Seher einst das Zukünftige, aber sie erklärten auch die Schrift. Solche finden sich auch heute noch. Evangelisten nannte man die Verfasser der evangelischen Geschichte, aber auch die Prediger des Evangeliums Christi. So wie etwa auch Paulus dem Timotheus befiehlt, das Werk eines Evangelisten zu verrichten. Die Bischöfe aber sind die Aufseher und Wächter der Kirche, die auch die zum Leben notwendigen Güter der Kirche verwalten. Die Presbyter sind Älteste, sozusagen Kirchenräte oder Kirchenpfleger. Die mit heilsamem Rat die Gemeinde leiten. Die Hirten oder Pfarrer bewachen den Schafstall des Herrn und versorgen ihn mit allem Nötigen. Die Lehrer unterrichten und lehren den wahren Glauben und die rechte Frömmigkeit. So kann man also heute als Diener der Kirche nennen: Aufseher (Bischöfe), Älteste (Presbyter), Hirten (Pastoren, Pfarrer) und Lehrer (Doktoren).

In der Folgezeit sind dann allerdings noch weit mehr Amtstitel in die Kirche Gottes eingeführt worden. Die einen wurden eingesetzt als Patriarchen, andere als Erzbischöfe und Weihbischöfe, ferner als Metropoliten, Erzpriester, Diakone und Subdiakone, Akoluthen, Exorzisten, Kantoren, Janitoren und alle möglichen anderen: wie Kardinäle, Pröpste, Prioren, hohe und niedere Ordensväter, hohe und niedere Orden. Doch haben wir uns nicht darum bekümmert, was diese alle früher waren oder heute noch seien. Uns genügt die apostolische Lehre von den Dienern.

Da wir nun sicher wissen, dass die Mönche und ihre Orden oder Sekten weder von Christus noch von den Aposteln eingesetzt worden sind, so lehren wir, dass sie der Kirche nichts nützen, sondern ihr eher verderblich sind. Sind sie auch früher einst erträglich gewesen da sie noch Einsiedler waren, sich mit ihrer Hände Arbeit ihren Unterhalt beschafften und niemandem zur Last fielen, sondern sich den Pfarrern ihrer Gemeinde überall unterzogen, wie die Leute aus dem Volk, so sieht und merkt doch die ganze Welt, wie es heute um sie steht. Unter dem Vorwand irgendwelcher Gelübde leben sie doch diesen ihren Gelübden stracks zuwider, so dass sogar die besten unter ihnen den Leuten beigezählt zu werden verdienen. von denen der Apostel gesagt hat: „Wir hören. dass etliche unter euch unordentlich wandeln, indem sie nichts arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben“ (2. Thess. 3,11). Darum haben wir für solche keinen Raum in unseren Kirchen und lehren auch. es dürfe solche in den Kirchen Christi nicht geben.

Niemand soll sich auch die Ehre eines kirchlichen Amtes anmaßen, das heißt durch Geschenke oder irgendwelche Schliche oder in eigener Willkür an sich reißen. Die Diener der Kirche sollen vielmehr berufen und gewählt werden durch eine kirchliche und rechtmäßige Wahl; das heißt, ihre Wahl soll auf gottesfürchtige Weise erfolgen, und zwar nach rechter Ordnung, entweder von der Gemeinde oder von ihren dazu Abgeordneten, ohne Aufruhr, Zwiespalt und Streit. Man wähle aber auch nicht beliebige Leute, sondern zum Amt geeignete Männer mit guter und heiliger Bildung, mit frommer Beredsamkeit und einfältiger Klugheit, die auch bekannt sind als bescheidene und ehrbare Menschen, nach der apostolischen Regel, die vom Apostel aufgestellt wird in 1. Tim. 3,2ff., und Tit. 1,7ff. Und die Gewählten sollen von den Älteren eingesetzt werden unter öffentlicher Fürbitte und unter Handauflegung. Wir verurteilen hier alle, die auf eigene Faust Ämtern nachlaufen, während sie doch nicht gewählt, gesandt und eingesetzt sind (Jer. 23). Wir verwerfen ungeeignete und mit den für einen Pfarrer notwendigen Gaben nicht ausgerüstete Diener. Wir bekennen allerdings, dass die unschädliche Einfalt mancher Hirten in der alten Kirche einst der Kirche mehr genützt hat als die vielseitige, auserlesene und feine, aber ein wenig zu stolze Bildung manch' anderer. Daher, wenn die Leute nicht ganz unwissend sind, verwerfen wir auch heute nicht ihre fromme Einfalt. Die Apostel Christi nennen nun freilich alle, die an Christus glauben, Priester, nicht im Sinne eines Amtes, sondern weil wir, da wir Gläubigen alle zu Königen und Priestern gemacht sind, durch Christus Gott geistliche Opfer darbringen können (2. Mose 19,6; 1. Pet. 2,9; Offb. 1,6). Ganz verschiedene Dinge sind also dieses allgemeine Priestertum und das Dieneramt. Während jenes allen Christen gemeinsam ist, wie wir eben gesagt haben, ist das bei diesem nicht der Fall. Das Dieneramt der Kirche haben wir damals nicht aus der Kirche entfernt, als wir das päpstliche Priestertum in der Kirche Christi abgeschafft haben.

Allerdings gibt es im Neuen Bunde Christi kein derartiges Priestertum mehr wie im alten Bundesvolk, das die äußere Salbung, heilige Gewänder und eine Menge Zeremonien gehabt hat; diese sind auf Christus hinweisende Bilder gewesen, der bei seiner Ankunft dies alles erfüllt und aufgehoben hat. Er selber aber bleibt Priester in Ewigkeit (Hebr. 7). Um ihm nichts zu benehmen, geben wir keinem unter den Dienern der Kirche den Namen „Priester“. Denn der Herr selbst hat in der Kirche des Neuen Bundes keine Priester eingesetzt, die vom Weihbischof die Vollmacht empfangen, täglich das Messopfer, nämlich Leib und Blut des Herrn selbst, für Lebendige und Tote darzubringen, sondern bloß solche Diener, die lehren und die Sakramente verwalten sollen. So erklärt Paulus einfach und kurz, was wir von den Dienern des Neuen Bundes oder der christlichen Kirche denken und was wir ihnen zuschreiben sollen: „So soll man uns ansehen: als Diener Christi und Haushalter über Geheimnisse Gottes“ (1. Kor. 4,1). Der Apostel will also, dass wir Diener wirklich für Diener halten. Diener aber hat sie der Apostel genannt, das heißt eigentlich „Ruderknechte“, die einzig auf den Willen des Schiffsherrn sehen, also Menschen, die nicht für sich oder nach eigenem Gutdünken leben, sondern für andere, nämlich für ihre Herren, von deren Befehlen sie völlig abhangen. Denn ein Diener der Kirche soll ganz und in allen seinen Pflichten nicht seinem eigenen Gutdünken folgen, sondern stets das ausführen, wozu ihn die Befehle seines Herrn anhalten. In diesem Spruch wird auch deutlich gesagt, wer der Herr sei, nämlich Christus, dem die Diener in allen Geschäften des Amtes wie Leibeigene verpflichtet sind. Außerdem fügt er zur näheren Erläuterung des Dienstes hinzu, dass die Diener der Kirche Haushalter oder Verwalter der Geheimnisse Gottes seien. Als Geheimnisse Gottes bezeichnet Paulus aber an vielen Stellen, besonders Eph. 3,3. 9, das Evangelium Christi. Die Alte Kirche nannte auch die Sakramente Christi Geheimnisse. So sind die Diener der Kirche also dazu berufen, den Gläubigen das Evangelium zu predigen und die Sakramente zu verwalten. Denn wir lesen auch anderswo im Evangelium (Luk. 12,42) von dem treuen und klugen Knecht, dass der Herr ihn über sein ganzes Haus gesetzt habe, den Hausgenossen zur rechten Zeit ihre Speise zu geben. Wiederum an einer anderen Stelle des Evangeliums „zieht ein Mann außer Landes“, verlässt sein Haus und gibt seinen Knechten Vollmacht darüber, oder gar über sein Vermögen, und einem jeden weist er seine Arbeit zu.

Hier ist nun die rechte Gelegenheit, noch etwas zu sagen über die Gewalt und das Amt der Diener in der Kirche. Über diese Gewalt haben gewisse Leute den Mund allzu voll genommen und haben ihrer Gewalt auch alles Höchste auf Erden untergeordnet. und das gegen den Befehl des Herrn, der den Seinen zu herrschen verboten, ihnen vielmehr Demut anbefohlen hat (Luk. 22,24ff.; Mt. 18,3f.; 20,25ff.). Wahrhaft anderer Art ist die volle und uneingeschränkte Gewalt, welche auch von Rechts wegen so genannt wird. Nach solcher Gewalt sind dem Herrn Christus alle Dinge der Welt unterworfen, wie er selbst bezeugt und gesagt hat: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden“ (Mt. 28,18). Ferner: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Totenreiches“ (Offb. 1,18). Ebenso: „… er hat den Schlüssel Davids, er, der öffnet, so dass niemand schließt, und schließt, dass niemand öffnet“ (Offb. 3,7). Diese Gewalt behält sich der Herr vor und überträgt sie auf keinen andern, um etwa selber als müßiger Zuschauer nur beim Wirken seiner Diener dabeizustehen. Denn Jesaja sagt: Ach will ihm auch den Schlüssel des Hauses Davids auf die Schultern legen“ (Jes. 22,22), und wiederum: „… Die Herrschaft kommt auf seine Schulter“ (Jes. 9,6). Denn er legt seine Herrschaft nicht andern auf ihre Schultern, sondern behält und gebraucht seine Macht bis jetzt, indem er alles regiert. Etwas anderes ist es um die Amtsgewalt oder die dienstliche Bevollmächtigung; sie ist umgrenzt von dem, der der Inhaber der vollen Gewalt ist. Diese Amtsgewalt ist mehr ein Dienen als ein Herrschen. Denn ein Herr räumt seinem Hausverwalter die Macht über sein Haus ein; daher gibt er ihm auch die Schlüssel mit der Befugnis, ins Haus einzulassen oder auszuschließen, wen der Herr einlassen oder ausschließen will. Kraft dieser Vollmacht tut der Diener pflichtgemäß das, was ihm vom Herrn befohlen ist, und der Herr bestätigt, was er tut, und will, dass man die Handlung seines Dieners wie seine eigene betrachte und anerkenne. Darauf beziehen sich nämlich die Sprüche des Evangeliums: „Ich will dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben; und was du auf Erden binden wirst, das wird in den Himmeln gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird in den Himmeln gelöst sein“ (Mt. 16,19); ebenso: „Wenn ihr jemandem die Sünden vergebt, sind sie ihm vergeben; wenn ihr sie jemandem nicht vergebt, sind sie ihm nicht vergeben“ (Joh. 20,23). Sollte aber der Diener nicht alle Dinge so ausführen, wie ihm vom Herrn befohlen ist, sondern die Grenzen der Treue überschreiten, so erklärt der Herr natürlich für ungültig, was er getan hat. So ist also die Kirchengewalt der Diener in der Kirche jenes Amt, durch das sie zwar die Kirche Gottes regieren, jedoch alles in der Kirche so tun, wie es der Herr durch sein Wort vorgeschrieben hat; ist es aber so getan, so nehmen es die Gläubigen so an, als sei es vom Herrn selbst getan. Von der Schlüsselgewalt ist übrigens bereits früher die Rede gewesen.

Nun ist aber allen Dienern in der Kirche ein und dieselbe gleiche Gewalt oder Amtsbefugnis gegeben. Sicherlich leiteten am Anfang die Aufseher (Bischöfe)oder Ältesten in gemeinsamer Arbeit die Gemeinde; keiner erhob sich über den andern oder maßte sich höhere Gewalt oder Herrschaft über die Mitarbeiter an. Denn eingedenk der Worte des Herrn: „Der Hochstehende soll werden wie der Dienende“ (Luk. 22,26), blieben sie in der Demut und halfen einander gegenseitig, die Gemeinde zu leiten und zu bewahren. Indessen rief wohl einer oder ein besonders Bezeichneter von den Dienern um der Ordnung willen die Gemeindeversammlung zusammen und legte ihr die Verhandlungsgegenstände vor, sammelte die Ansichten der andern und sorgte nach Mannesart dafür, dass keinerlei Unordnung entstand. So habe. liest man in der Apostelgeschichte, der heilige Petrus getan, der immerhin deshalb nicht den andern übergeordnet oder mit größerer Gewalt über die andern ausgestattet war. Sehr richtig bemerkt der Blutzeuge Cyprian in seiner Schrift „Die Schlichtheit der Kleriker“: „Was Petrus gewesen ist, das waren auch die andern Apostel; sie hatten Ehre und Vollmacht gewissermaßen in Gütergemeinschaft; das aber kam unmittelbar aus der Einheit der Kirche, damit die Kirche als Eine erwiesen werde.“ Ähnliche Ausführungen macht der heilige Hieronymus in seiner Auslegung zum Titusbrief des Paulus, wo er sagt: „Bevor durch Antrieb des Teufels Glaubensstreitigkeiten entstanden, wurden die Gemeinden durch den gemeinschaftlichen Rat der Ältesten geleitet; als aber jeder diejenigen, die er getauft hatte, als „seine“ Leute betrachtete, statt als Eigentum Christi, wurde beschlossen, dass ein aus den Ältesten Gewählter den andern übergeordnet werden solle, dem die ganze Sorge für die Gemeinde obliege, um so die Keime zu Spaltungen zu beseitigen.“ Diesen Beschluss gibt jedoch Hieronymus nicht als göttlich aus. Sofort fügt er nämlich hinzu: „Wie die Priester wissen, dass sie nach der Gewohnheit der Kirche ihrem Vorgesetzten unterworfen sind, so mögen auch die Bischöfe daran denken, dass sie eben mehr durch Gewohnheit als in Wahrheit durch göttliche Anordnung höher stehen als die Priester und die Kirche mit ihnen gemeinschaftlich regieren sollen.“ So weit Hieronymus. Deshalb kann niemand mit irgendwelchem Rechtsanspruch verbieten, zur alten Ordnung der Kirche Gottes zurückzukehren und jene der menschlichen Gewohnheit vorzuziehen.

Die Amtspflichten der Diener sind verschiedenartig, können aber immerhin auf zwei Dinge zurückgeführt werden, die alles andere umfassen: nämlich die Lehre des Evangeliums Christi und die rechtmäßige Verwaltung der Sakramente. Den Dienern liegt es ob, die Gemeinde zum Gottesdienst zu versammeln, darin das Wort Gottes auszulegen und die ganze Lehre dem Bedürfnis und dem Nutzen der Gemeinde entsprechend anzuwenden, damit das, was gelehrt wird, allen Hörern nützlich sei und die Gläubigen erbaue. Den Dienern liegt es also ob, die Unwissenden zu lehren, jene zu ermahnen und vorwärts zu drängen, die auf dem Wege des Herrn stille stehen oder allzu langsam vorwärts schreiten, die Ängstlichen zu trösten und zu stärken und sie zu schützen gegen die mannigfaltigen Anfechtungen des Teufels. die Sünder zu bestrafen, die Irrenden auf den rechten Weg zurückzubringen, die Gefallenen aufzurichten, die Widersprechenden zu überweisen und endlich die Wölfe vom Schafstall des Herrn zu verjagen. Laster und Lasterhafte sollen sie mit Klugheit und mit Nachdruck tadeln und gegen Schandtaten weder nachsichtig sein noch schweigen. Ferner sollen sie auch die Sakramente verwalten und zu ihrem rechten Gebrauch ermahnen und alle zu ihrem Empfang durch die reine Lehre vorbereiten, die Gläubigen auch in heiliger Einheit bewahren, Spaltungen verbieten, die Kinder unterweisen, die Notdurft der Armen der Gemeinde ans Herz legen, die Kranken und von mancherlei Anfechtungen Bedrückten besuchen, unterweisen und auf dem Weg des Lebens erhalten; außerdem sollen sie in Zeiten der Not öffentliche Bet- und Bußtage, verbunden mit Fasten, das heißt heiliger Enthaltsamkeit, anordnen und alles, was zur Ruhe. zum Frieden und zum Heil der Gemeinden dient, mit größter Sorgfalt besorgen. Damit aber der Diener dies alles besser und leichter zu tun vermöge, muss man von ihm in erster Linie verlangen, dass er gottesfürchtig sei, im Gebet verharre, fleißig die Heilige Schrift lese, in allen Dingen und immer wachsam sei und allen durch ein reines Leben voranleuchte. Und weil überhaupt in der Kirche Zucht sein muss und bei den Alten einst der Ausschluss vom Abendmahl gebräuchlich war und im Volke Gottes Kirchengerichte bestellt wurden, in denen weise und fromme Männer diese Zucht handhabten, wäre es Pflicht der Diener, sich nötigenfalls je nach den Umständen von Zeit und öffentlichem Leben zur Erbauung der Gemeinde dieser Zucht zu bedienen. Dabei ist immer die Regel zu befolgen, dass alles geschehen soll zur Erbauung, anständig, ehrbar, ohne Herrschsucht und Zwietracht. Denn der Apostel bezeugt, dass ihm von Gott seine Machtbefugnis gegeben sei zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung (2. Kor. 10,8). Auch hat ja der Herr selber verboten, das Unkraut auf dem Acker Gottes auszuraufen, weil sonst die Gefahr bestehe, dass auch Weizen mit ausgerissen werde (Mt. 13,29f.). Wir verfluchen hiermit den Irrtum der Donatisten, die die Lehre und Verwaltung der Sakramente je nach dem schlechten oder guten Lebenswandel der Diener für wirksam oder unwirksam halten. Denn wir wissen, dass das Wort Christi gehört werden muss, auch wenn es vom Munde schlechter Diener ausgeht. Denn der Herr hat selbst gesagt: „Alles nun, was sie euch sagen, tut und befolget; aber nach ihren Werken tut nicht“ (Mt. 23,3). Wir wissen, dass die Sakramente durch ihre Einsetzung und das Wort Christi geheiligt und für die Gläubigen wirksam sind, auch wenn sie von unwürdigen Dienern dargeboten werden. Deshalb hat der selige Diener Gottes, Augustin, auf Grund der Heiligen Schrift viel gegen die Donatisten gestritten. Indessen soll auch unter den Dienern rechte Zucht herrschen. Man hat deshalb auf den Synoden fleißig Lehre und Lebenswandel der Diener zu prüfen. Die Fehlbaren sollen von den Älteren angeklagt und auf den rechten Weg zurückgeführt werden, wenn noch Hoffnung auf Besserung ist; oder wenn sie unverbesserlich sind, soll man sie absetzen und sie als Wölfe durch wahre Hirten von der Herde des Herrn verjagen. Denn wenn sie Irrlehrer sind, so darf man sie auf keinen Fall dulden. Wir missbilligen auch nicht jene Kirchenversammlungen (Konzilien), die nach dem Beispiel der Apostel feierlich zusammentreten zum Heil und nicht zum Verderben der Kirche.

Es sind auch alle treuen Diener als gute Arbeiter ihres Lohnes wert, und sie sündigen nicht, wenn sie einen Gehalt und alles, was für sie und ihre Familie zum Leben derweilen nötig ist, annehmen. Denn der Apostel beweist, dass von Rechts wegen dieser Unterhalt von der Gemeinde geleistet und von den Dienern angenommen werde (1. Kor. 9,7f. und 1. Tim. 5,18 und auch anderswo). Durch diese apostolische Lehre sind auch die Wiedertäufer widerlegt, die die Diener, weil sie von ihrem Dienste leben, verwerfen und schmählich beschimpfen.

XIX. Kapitel: Die Sakramente der Kirche Christi

Gleich am Anfang verband Gott in seiner Kirche mit der Predigt des Wortes seine Sakramente oder heiligen Bundeszeichen. So bezeugt deutlich die ganze Heilige Schrift. Sakramente sind aber geheimnisvolle Wahrzeichen oder heilige Gebräuche oder geweihte Handlungen, die von Gott selbst eingesetzt sind, und die bestehen in seinem Worte, in Zeichen und in bezeichneten Dingen, durch die er in der Kirche die Erinnerung an seine höchsten, dem Menschen erwiesenen Wohltaten festhält und stets erneuert, durch die er ferner seine Verheißungen besiegelt und das, was er innerlich gibt, äußerlich darstellt und gleichsam augenscheinlich macht und so unseren Glauben durch die Wirkung des Geistes Gottes in unseren Herzen stärkt und mehrt. Durch die Sakramente scheidet er uns endlich von allen andern Völkern und Religionen und heiligt und verpflichtet uns ihm allein, und zeigt uns, was er von uns fordere.

Es gibt nun einerseits Sakramente des alten Bundesvolkes und andererseits Sakramente des neuen Bundesvolkes. Die Sakramente des alten Bundesvolkes waren die Beschneidung und das Passahlamm, das geopfert wurde; deshalb wird es zu den Opfern gerechnet, die von Anfang der Welt gebracht wurden. Die Sakramente des neuen Bundesvolkes sind die Taufe und das Abendmahl des Herrn. Es gibt nun Leute, die sieben Sakramente des neuen Bundesvolkes aufzählen. Von diesen anerkennen wir die Buße, die Einsetzung der Diener allerdings nicht die päpstliche, sondern die apostolische und die Ehe wohl als nützliche Anordnungen Gottes, aber nicht als Sakramente. Die Firmung und die letzte Ölung sind Erfindungen von Menschen, die die Kirche ohne jeden Schaden entbehren kann. Wir haben sie darum auch nicht in unseren Kirchen. Denn es ist allerlei dabei, das wir keineswegs billigen können. So verabscheuen wir jede Krämerei, die die Römischen bei der Austeilung der Sakramente betreiben. Denn der Stifter aller Sakramente ist nicht irgendein Mensch, sondern Gott allein. Menschen können keine Sakramente einsetzen. Denn sie gehören zum Gottesdienst. Doch haben die Menschen nicht das Recht, über Einrichtung und Gestalt des Gottesdienstes zu verfügen, sondern sie haben das von Gott Gegebene anzunehmen und festzuhalten. Außerdem sind den gegebenen Sakramenten Verheißungen beigefügt, die Glauben erfordern; der Glaube aber stützt sich allein auf Gottes Wort. Das Wort Gottes können wir ansehen als eine Art Gesetzestafel oder Brief, die Sakramente aber als die Siegel, die Gott allein dem Brief anhängt. Und wie Gott der Stifter der Sakramente ist, so wirkt er beständig in der Kirche, in der die Sakramente richtig gehandhabt werden, so dass die Gläubigen, wenn sie von den Dienern die Sakramente empfangen, erkennen, dass Gott in seiner Stiftung wirke. Deshalb nehmen sie auch die Sakramente aus Gottes Hand selbst, und es kann ihnen die persönliche Mangelhaftigkeit des Dieners so groß sie auch sei nichts schaden, weil sie wissen, dass die Vollkommenheit der Sakramente nur von der Einsetzung durch den Herrn abhängt. Daher unterscheiden sie bei der Verwaltung der Sakramente deutlich zwischen dem Herrn selbst und dem Diener des Herrn. indem sie bekennen, dass das eigentliche Wesen der Sakramente vom Herrn, die Zeichen aber von den Dienern gespendet werden.

Die Hauptsache aber, die in allen Sakramenten von Gott dargeboten und von allen Frommen aller Zeiten erwartet wird andere nennen es die „Substanz“ und den „Stoff“ der Sakramente , ist der Heiland Christus, jenes einzige Opfer, jenes Lamm Gottes, das geschlachtet ist von der Grundlegung der Welt an, jener Felsen, aus dem alle unsere Vorfahren getrunken haben, durch den alle Auserwählten beschnitten sind mit der Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, sondern durch den Heiligen Geist, durch den sie von allen ihren Sünden reingewaschen werden und vom wahren Leib und Blut Christi zum ewigen Leben genährt werden.

Im Blick darauf, was die Hauptsache bei den Sakramenten und ihr eigentliches Wesen ist, sind die Sakramente beider Bundesvölker gleich. Denn der einzige Mittler und Heiland, Christus, ist in beiden Fällen die Hauptsache und das eigentliche Wesen der Sakramente. Denn es ist ein Gott, und er ist in beiden Fällen ihr Stifter. Hier wie dort sind die Sakramente gegeben als Zeichen und Pfänder der Gnade und der Verheißungen Gottes, die die herrlichen Wohltaten Gottes in Erinnerung rufen und erneuern, damit die Gläubigen durch sie von allen anderen Religionen des Erdkreises geschieden würden. Sie sollen sie auf geistliche Weise durch den Glauben empfangen, und die Empfänger sollen dadurch an die Kirche gebunden werden und sich selbst ihrer Pflicht erinnern. Darin also und in ähnlichen Dingen sind die Sakramente beider Bundesvölker einander nicht ungleich, während sie sich allerdings in den Zeichen unterscheiden. Zwar stellen wir auch hierin einen großen Unterschied fest. Denn unsere Sakramente haben festeren Bestand und sind von längerer Dauer, wie sie denn auch bis ans Ende der Welt niemals werden geändert werden, sondern sie bezeugen, das Wesen und die Verheißung der Sakramente sei in Christus erfüllt und vollendet, wogegen jene nur bedeuteten, dass diese erfüllt werden solle. So sind unsere Sakramente auch einfacher, mit weniger Mühe und Aufwand verbunden und mit weniger Zeremonien belastet. Außerdem erstrecken sie sich auf ein größeres Volk, das auf dem ganzen Erdkreis verstreut ist, und da sie auch herrlicher sind und durch den Heiligen Geist auch einen größeren Glauben wirken, folgt daraus auch eine größere Fülle des Geistes. Ja, da uns der wahre Messias, Christus, gegeben und die Fülle der Gnade auf das Volk des Neuen Bundes ausgegossen ist, sind die Sakramente des alten Bundesvolkes durchaus aufgehoben und haben aufgehört, und an ihrer Stelle sind eingeführt die Zeichen des Neuen Bundes, statt der Beschneidung die Taufe, statt des Passahlammes und der Opfer das Abendmahl des Herrn. Wie aber einst die Sakramente aus dem Wort, dem Zeichen und der bezeichneten Sache bestanden, so erschöpfen sie sich heute noch in sozusagen den selben „Teilen“. Denn durch Gottes Wort wird etwas zum Sakrament, was es vorher nicht gewesen ist. Durch das Wort nämlich werden die Sakramente geweiht und als geheiligt erwiesen von dem, der sie eingesetzt hat. Heiligen und weihen heißt, ein Ding Gott widmen und heiligen Bräuchen, das heißt, es vom gewöhnlichen und weltlichen absondern und zum heiligen Gebrauch bestimmen. Die Zeichen beiden Sakramenten sind nämlich dem gewöhnlichen Gebrauch entnommen; es sind äußere und sichtbare Dinge. Denn bei der Taufe ist das Zeichen Wasser und jene sichtbare Abwaschung, die durch den Diener geschieht. Die bezeichnete Sache aber ist die Wiedergeburt oder Abwaschung der Sünden. Im Abendmahl des Herrn aber ist das Zeichen Brot und Nein, der dem gewöhnlichen Leben entnommene Gebrauch von Speise und Trank. Die bezeichnete Sache aber ist der dahin gegebene Leib des Herrn selbst und sein für uns vergossenes Blut oder die Gemeinschaft mit Leib und Blut des Herrn. Deshalb sind Wasser, Brot und Wein ihrer Natur nach und außerhalb der göttlichen Einsetzung und dem heiligen Gebrauch immer das, was ihr Name besagt und als was wir sie gewöhnlich empfinden. Wenn aber das Wort des Herrn dazukommt, unter Anrufung des Namens Gottes, mit der Wiederholung der ersten Einsetzung und der ersten Weihe, so werden diese Zeichen geweiht und als von Christus geheiligt erwiesen. Denn in der Kirche Gottes bleibt die erste Einsetzung und Weihe der Sakramente dauernd wirksam, so dass diejenigen, die sie nicht anders feiern, als der Herr sie am Anfang selber eingesetzt hat, auch jetzt jene herrlichste erste Weihe genießen. Deshalb werden auch bei der Feier der Sakramente die eigenen Worte Christi gesprochen. Weil wir nun aus dem Worte Gottes lernen, dass diese Zeichen vom Herrn zu einem anderen Zwecke eingesetzt seien, als wozu sie gewöhnlich dienen, so lehren wir, dass die Zeichen jetzt bei ihrem heiligen Gebrauch auch den Namen der bezeichneten Dinge annehmen, also nicht mehr bloß Wasser, Brot und Wein genannt werden, sondern auch Wiedergeburt oder Bad der Erneuerung, ferner Leib und Blut des Herrn, oder Zeichen oder Sakramente des Leibes und Blutes des Herrn. Nicht dass die Zeichen verwandelt würden in die bezeichneten Dinge, oder aufhörten, das zu sein, was sie von Natur sind. sonst wären sie ja nicht Sakramente; träten sie an Stelle der bezeichneten Sache, so wären sie eben nicht mehr Zeichen. Dagegen nehmen die Zeichen den Namen der Dinge an, weil sie geheimnisvolle Zeichen der heiligen Dinge sind und weil die Zeichen und die bezeichneten Dinge in heiliger Handlung miteinander verbunden werden, und zwar sind sie verbunden und vereinigt durch ihre geheimnisvolle Bedeutung und den Willen oder Ratschluss dessen, der die Sakramente gestiftet hat. Denn Wasser, Brot und Wein sind nicht gewöhnliche, sondern heilige Zeichen. Und der Stifter der Wassertaufe hat sie nicht in der Absicht und Meinung eingesetzt, dass die Gläubigen nur mit Taufwasser begossen werden sollten; und der befohlen hat, beim Abendmahl Brot zu essen und Wein zu trinken, wollte nicht, dass die Gläubigen nur Brot und Wein empfingen, ohne Geheimnis, wie sie zu Hause Brot essen, sondern dass sie in geistlicher Weise teil hätten an den bezeichneten Dingen und wirklich im Glauben von ihren Sünden rein gewaschen würden und an Christus Anteil bekämen.

Deshalb billigen wir keineswegs die Ansicht derer, die die Weihe der Sakramente weiß welchen Eigenschaften oder dem Hersagen oder der Kraft der von einem geweihten Priester ausgesprochenen Worte oder seiner Absicht zu weihen oder anderen zufälligen Dingen zuschreiben, die uns weder durch Christi noch der Apostel Wort und Beispiel überliefert sind. Wir billigen auch nicht die Lehre derer, die von den Sakramenten ebenso reden wie von gewöhnlichen und nicht heiligen oder wirksamen Zeichen. Ebenso wenig stimmen wir denen zu, die wegen des Unsichtbaren das Sichtbare in den Sakramenten verachten und glauben, die Zeichen seien für sie überflüssig, weil sie meinen, bereits im Genuss der Sache zu sein, wie es die Messalianer gehalten haben sollen. Auch die Lehre derer billigen wir nicht. die lehren, die Gnade und die bezeichneten Dinge würden so an die Zeichen gebunden und in sie eingeschlossen, dass, wer immer an den Sakramenten äußerlich teilnehme, auch innerlich an der Gnade und an den bezeichneten Dingen teilhabe, wer und welcher Art er auch sein möge.

Wie wir übrigens die Vollkommenheit der Sakramente nicht nach der Würdigkeit oder Unwürdigkeit der Diener einschätzen, so auch nicht nach der Haltung der Genießenden. Denn wir erkennen, dass die Vollkommenheit der Sakramente von der Treue oder Wahrhaftigkeit und von der einen Güte Gottes abhängt. So wie Gottes Wort wahres Wort Gottes bleibt, kraft dessen nicht bloß leere Worte hergesagt werden, wenn man predigt, sondern zugleich die von Gott mit den Worten bezeichneten oder verkündigten Dinge angeboten werden sofern aber Gottlose und Ungläubige die Worte hören und verstehen, genießen sie doch die bezeichneten Dinge nicht, weil sie sie nicht im Glauben annehmen , so bleiben die Sakramente, durch Wort, Zeichen und bezeichnete Dinge unwandelbar, wirkliche und vollkommene Sakramente, die nicht nur heilige Dinge bedeuten, sondern sie sind auch durch Gottes Angebot wirklich die bezeichneten Dinge selbst, auch wenn Ungläubige die angebotenen Dinge nicht empfangen. Das ist aber nicht der Fehler Gottes, der geben und anbieten will, sondern die Schuld derjenigen Menschen, die ungläubige und darum unberechtigte Empfänger sind; doch hebt ihr Unglaube Gottes Treue nicht auf (Röm. 3,3f.).

Da gleich am Anfang bei der Erklärung vom Wesen der Sakramente nebenbei auch erläutert wurde, wozu sie eingesetzt worden seien, ist es nicht nötig, den Leser mit der Wiederholung des schon einmal Gesagten zu ermüden. Folglich werden wir also nur noch von den Sakramenten des neuen Bundesvolkes einzeln reden.

XX. Kapitel: Die heilige Taufe

Die Taufe ist von Gott eingesetzt und geweiht, und als erster hat Johannes getauft, der Christus am Jordan ins Wasser eintauchte. Von ihm ging sie auf die Apostel über, die auch selbst mit Wasser getauft haben. Klar und deutlich hat ihnen der Herr befohlen, das Evangelium zu predigen und zu taufen „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt. 28,19). Und Petrus antwortete auf die Frage der Juden, was sie tun sollten: „Jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg. 2,37f.). Daher wurde von einigen die Taufe das Einweihungszeichen des Volkes Gottes genannt, weil sie dadurch Gott geweiht werden als Auserwählte Gottes. Daher gibt es nur eine Taufe in der Kirche Gottes, und es genügt, einmal getauft oder Gott geweiht zu werden. Denn die einmal empfangene Taufe dauert das ganze Leben hindurch an und ist das ewige Unterpfand unserer Annahme zu Kindern Gottes. Denn im Namen Christi getauft werden heißt: eingeschrieben, eingeweiht und aufgenommen werden in den Bund und in die Familie und somit zum Erbe der Kinder Gottes; ja es heißt jetzt schon nach dem Namen Gottes, das heißt Kind Gottes, genannt werden, desgleichen von den Befleckungen der Sünde gereinigt und durch die mannigfache Gnade Gottes beschenkt werden, damit wir ein neues und unschuldiges Leben führen. Deshalb hält die Taufe die Erinnerung an die unermessliche Wohltat Gottes, die er dem Geschlecht der Sterblichen erwiesen hat, fest und erneuert sie. Denn wir alle werden in den Befleckungen der Sünde geboren und sind Kinder des Zorns. Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, reinigt uns aus Gnade von den Sünden durch das Blut seines Sohnes, nimmt uns in ihm als Kinder an, verbindet uns mit sich durch seinen heiligen Bund und beschenkt uns mit mannigfaltigen Gaben, damit wir ein neues Leben führen können. Das alles wird durch die Taufe versiegelt. Denn inwendig werden wir wiedergeboren, gereinigt und von Gott erneuert durch den Heiligen Geist; äußerlich aber empfangen wir die Bekräftigung der herrlichen Gaben durch das Wasser, in dem auch jene herrlichen Gaben dargestellt und uns gleichsam augenscheinlich dargeboten werden. Deshalb werden wir getauft, das heißt abgewaschen oder mit sichtbarem Wasser besprengt. Denn das Wasser reinigt von Unsauberkeit, erquickt den matten und erhitzten Leib und erfrischt ihn. Die Gnade Gottes aber erweist diese Wohltat den Seelen, und zwar unsichtbar oder auf geistliche Weise. Gott unterscheidet uns nun auch durch das Zeichen der Taufe von allen fremden Religionen und Völkern und heiligt uns ihm zum Eigentum. Wenn wir also getauft werden, bekennen wir unsern Glauben, verpflichten uns Gott zum Gehorsam, zur Abtötung des Fleisches und zu einem neuen Leben und werden so in die heilige Streiterschar Christi eingeschrieben, dass wir während unseres ganzen Lebenslaufes wider Welt, Teufel und eigenes Fleisch streiten. Wir werden außerdem zu einem Leibe der Kirche getauft, damit wir mit allen Gliedern der Kirche in einem und demselben Glauben und in gegenseitiger Hilfeleistung wohl übereinstimmen.

Wir glauben, dass das die vollkommenste Form der Taufe sei, mit der Christus selbst getauft wurde und mit der die Apostel getauft haben. Wir halten deshalb zur Vollkommenheit der Taufe nicht für nötig, was durch menschliche Erfindung später hinzugefügt wurde oder was sich die Kirche angemaßt hat, zum Beispiel die Teufelsaustreibung, die Verwendung eines brennenden Lichtes, den Gebrauch von Öl, Salz, Speichel und ähnlichen Dingen, wie auch, dass die Taufe alle Jahre unter mancherlei Zeremonien zweimal gefeiert wird. Denn wir glauben, nur eine Taufe sei in der Kirche bei der ersten Einsetzung Gottes geheiligt und durch das Wort geweiht worden und sei noch jetzt wirksam wegen der ersten göttlichen Segnung.

Wir lehren, die Taufe solle in der Kirche nicht durch Frauen oder Hebammen vollzogen werden. Denn Paulus schließt die Frauen von kirchlichen Ämtern aus. Die Taufe aber gehört zu den kirchlichen Amtshandlungen. Wir wenden uns gegen die Wiedertäufer, die nicht zugeben, dass die neugeborenen Kindlein der Gläubigen getauft werden sollen. Denn nach der Lehre des Evangeliums ist „ihrer das Himmelreich“, und sie sind im Bunde Gottes. Warum also soll ihnen das Zeichen des Bundes Gottes nicht gegeben werden? Warum sollen sie nicht durch die heilige Taufe eingeweiht werden, wenn sie doch Eigentum und in der Kirche Gottes sind? Wir verwerfen auch alle anderen Lehren der Wiedertäufer. die entgegen Gottes Wort eigene Fündlein enthalten. Wir sind also nicht Wiedertäufer und haben mit ihnen rein nichts gemein.

XXI. Kapitel: Das Abendmahl des Herrn

Das Abendmahl des Herrn, das auch Tisch des Herrn oder Eucharistie, das heißt Danksagung, genannt wird, heißt deshalb allgemein Abendmahl, weil es von Christus bei jener letzten Abendmahlzeit eingesetzt wurde und diese noch jetzt darstellt, auch weil die Gläubigen dabei auf geistliche Weise gespeist und getränkt werden. Denn der Stifter des Herrenmahles ist nicht ein Engel oder irgendein Mensch, sondern Gottes Sohn selbst, unser Herr Jesus Christus, der es zuerst für seine Kirche geheiligt hat. Diese Weihe oder Segnung dauert aber bis heute an bei all denen, die kein anderes als das Mahl feiern, das der Herr eingesetzt hat, und die dabei die Einsetzungsworte des Herrn vorlesen und in allem mit wahrem Glauben einzig auf Christus schauen, aus dessen Händen sie gleichsam empfangen, was sie durch den Dienst der kirchlichen Diener bekommen. Durch diese heilige Handlung will der Herr seine dem Menschengeschlecht erwiesene herrliche Wohltat in frischer Erinnerung halten, nämlich dass er uns durch Gedächtnismahl seinen dahingegebenen Leib und sein vergossenes Blut alle unsere Sünden erlassen und uns vom ewigen Tod und von der Gewalt des Teufels erlöst hat, und dass er uns jetzt speist mit seinem Fleisch und tränkt mit seinem Blut, die uns nähren zum ewigen Leben, wenn wir sie im wahren Glauben auf geistliche Weise empfangen. Und diese große Wohltat erneuert er so oft, als das Abendmahl des Herrn gefeiert wird. Denn der Herr hat gesagt: „Das tut zu meinem Gedächtnis!“ So wird durch dieses heilige Mahl die Tatsache versiegelt, dass der Leib des Herrn wirklich für uns dahingegeben und sein Blut zur Vergebung unserer Sünden vergossen worden ist, damit unser Glaube nicht wanke. Und zwar wird mit diesem Sakrament sichtbar und äußerlich durch den Diener dargestellt und sozusagen augenscheinlich gemacht, was inwendig in der Seele durch den Heiligen Geist selbst unsichtbar verliehen wird. Äußerlich wird vom Diener Brot angeboten, und man hört die Worte des Herrn: „Nehmet, esset, das ist mein Leib; nehmet und teilt das unter euch; trinket aus diesem alle; das ist mein Blut.“ Deshalb empfangen die Gläubigen, was ihnen vom Diener des Herrn gegeben wird, essen das Brot des Herrn und trinken aus dem Kelche des Herrn; inwendig jedoch empfangen sie durch den Dienst Christi Fleisch und Blut des Herrn durch den Heiligen Geist und werden damit gespeist zum ewigen Leben. Denn Fleisch und Blut Christi sind wirklich Speise und Trank zum ewigen Leben; und Christus selber ist, da er für uns dahingegeben und unser Heiland ist, Grund und Wesen des Abendmahls, und wir lassen nichts anderes an seine Stelle setzen.

Damit man aber besser und deutlicher versteht, wieso Fleisch und Blut Christi Speise und Trank der Gläubigen sei und von ihnen zum ewigen Leben empfangen werde, wollen wir einiges Wenige beifügen. Es gibt nicht nur einerlei Art zu essen. Es gibt ein leibliches Essen, wobei man die Speise in den Mund nimmt, mit den Zähnen zerbeißt und hinunterschluckt. Auf diese Art haben einst die Kapernaiten das Fleisch des Herrn gemeint essen zu müssen, werden aber von ihm selbst widerlegt in Joh. 6,63. Denn wie das Fleisch Christi nicht leiblich gegessen werden kann ohne Frevel und greuliche Roheit, so ist es auch nicht eine Speise für den Bauch. Das müssen doch alle eingestehen. Wir missbilligen deshalb in den Dekreten der Päpste den hierher gehörigen Kanon: „Ich Berengar …“ im Abschnitt 2 über „Die Weihen“. Denn weder die Frommen der alten Kirche noch wir glauben, dass der Leib Christi mit dem leiblichen Munde körperlich oder wirklich gegessen werde.

Es gibt aber ein geistliches Essen des Leibes Christi, nicht so allerdings, dass wir annähmen, die Speise selber verwandle sich in Geist, sondern so, dass Leib und Blut des Herrn ihr Wesen und ihre Eigenart behalten und dass sie uns geistlich mitgeteilt werden, nämlich nicht auf leibliche, sondern auf geistliche Weise durch den Heiligen Geist, der uns eben das, was durch das für uns in den Tod dahin gegebene Fleisch und Blut des Herrn erworben wurde, nämlich die Vergebung der Sünden, die Erlösung und das ewige Leben, verschafft und zu eigen macht, so dass Christus in uns lebt und wir in ihm leben. Er bewirkt auch, dass wir ihn so selbst als unsere geistliche Speise und unseren geistlichen Trank, das heißt als unser Leben, im wahren Glauben empfangen. So wie nämlich die leibliche Speise und der leibliche Trank unseren Leib nicht bloß erquickt und stärkt, sondern ihn auch am Leben erhält, so erquickt und stärkt das für uns dahingegebene Fleisch und das für uns vergossene Blut Christi unsere Seele nicht bloß, sondern erhält sie auch am Leben, allerdings nicht, weil Brot und Wein leiblich gegessen und getrunken werden, sondern darum, weil sie uns auf geistliche Weise vom Geiste Gottes mitgeteilt werden. Denn der Herr spricht: „Das Brot, das ich geben werde, ist zugleich mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt“ (Joh. 6,51). Ebenso: „Das Fleisch natürlich leiblich genossen hilft nichts, der Geist ist es, der lebendig macht.“ Und: „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh. 6,63). Und wie wir die Speise durch das Essen in uns selbst aufnehmen müssen, damit sie in uns wirke und ihre Kraft entfalte, da es uns nichts nützt. wenn sie neben uns liegt, so ist es auch notwendig, dass wir Christus im Glauben aufnehmen, damit er unser werde, in uns lebe und wir in ihm. Denn er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.“ Ebenso: „Wer mich isst, wird leben, weil ich lebe“, und: „… der bleibt in mir und ich in ihm.“ Aus alledem geht klar hervor, dass wir unter geistlicher Speise keineswegs weiß was für eine Scheinspeise verstehen, sondern den Leib des Herrn selbst, der für uns dahingegeben wurde, der aber immerhin von den Gläubigen nicht leiblich, sondern geistlich durch den Glauben genossen wird. Darin folgen wir durchaus der Lehre Christi, unseres Herrn und Heilandes selbst, nach Johannes im 6. Kapitel. Und dieses Essen des Fleisches und Trinken des Blutes des Herrn ist so nötig zum Heil, dass ohne dieses Essen und Trinken niemand selig werden kann. Dieses geistliche Essen und Trinken aber vollzieht sich auch außerhalb des Abendmahls, so oft und wo immer ein Mensch an Christus glaubt. Darauf bezieht sich vielleicht das Wort Augustinus „Was rüstest du Zahn und Bauch? Glaube, so hast du gegessen!“

Außer dem höheren geistlichen Genießen gibt es aber auch ein sakramentales Essen des Leibes des Herrn, durch das der Gläubige nicht bloß geistlich und innerlich teil hat am wahren Leib und Blut des Herrn, sondern er empfängt, wenn er zum Tische des Herrn tritt, auch äußerlich sichtbar das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn. So hat der Gläubige zwar schon vorher, so lange er geglaubt hat, die lebenspendende Speise empfangen und genießt sie bis jetzt, empfängt aber doch etwas, wenn er nun noch das Sakrament nimmt. Denn durch die ständige Gemeinschaft des Leibes und Blutes des Herrn macht er Fortschritte, und sein Glaube wird so mehr und mehr entzündet, wächst und wird stark von dieser geistlichen Nahrung. Denn so lange wir leben, wächst der Glaube beständig. Und wer im wahren Glauben das Sakrament äußerlich empfängt, der empfängt nicht nur das Zeichen, sondern genießt, wie gesagt, die Sache selbst. Außerdem gehorcht er der Anordnung und dem Befehl des Herrn, dankt mit fröhlichem Herzen für seine und der ganzen Menschheit Erlösung, begeht das gläubige Gedächtnis vom Tode des Herrn und bezeugt vor der Gemeinde, welches Leibes Glied er sei. So wird denen, die das Sakrament empfangen, die Tatsache versiegelt, dass der Leib des Herrn dahingegeben und sein Blut vergossen worden sei nicht bloß im allgemeinen für die Menschen, sondern dass sie im besonderen Speise und Trank zum ewigen Leben seien für jeden einzelnen Gläubigen, der das Abendmahl genießt.

Wer aber ohne Glauben zum heiligen Tisch des Herrn tritt, der genießt das Sakrament nur äußerlich, empfängt aber nicht das Wesentliche des Sakramentes, woraus das Leben und das Heil kommt. Solche Menschen essen unwürdig am Tische des Herrn. Die aber unwürdig vom Brote des Herrn essen und von seinem Kelche trinken, werden schuldig am Leib und Blut des Herrn und essen und trinken sich selbst zum Gericht. Denn wer nicht mit wahrem Glauben hinzutritt, der schmäht den Tod Christi, und deshalb isst und trinkt er sich selber zur Verdammnis. Wir bringen deshalb den Leib des Herrn und sein Blut mit Brot und Wein nicht so in Verbindung, dass wir sagten, das Brot sei selber der Leib Christi, außer im sakramentalen Sinn, oder: unter dem Brot sei der Leib Christi körperlich verborgen, so dass er in der Gestalt des Brotes angebetet werden müsse, oder: wer das Zeichen empfange, der empfange unbedingt die Sache selbst. Der Leib Christi ist im Himmel zur Rechten des Vaters. Darum muss man die Herzen emporheben und darf nicht am Brot hängen bleiben und den Herrn nicht im Brot anbeten. Und doch ist der Herr nicht abwesend, wenn seine Gemeinde das Abendmahl feiert. Die Sonne ist ja auch weit weg am Himmel und trotzdem ist sie mit ihrer Kraft bei uns. Wie viel mehr ist Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, obwohl dem Leibe nach abwesend im Himmel, doch bei uns, zwar nicht leiblich, sondern geistlich durch sein lebenspendendes Wirken, wie er selbst bei seinem letzten Mahl erklärt hat, dass er bei uns sein werde (Joh. 14. 15. 16). Daraus folgt, dass wir nicht ohne Christus Abendmahl halten und doch ein „unblutiges und geheimnisvolles Mahl“ feiern, wie die ganze alte Kirche es nannte. Andere Zwecke Ferner werden wir durch die Feier des Herrenmahles des Abendmahls ermahnt, daran zu denken, welches Leibes Glieder wir geworden sind und deshalb eines Sinnes mit allen Brüdern zu sein, damit wir heilig leben und uns nicht beflecken mit Lastern und fremden Religionen, sondern im wahren Glauben verharren bis ans Lebensende, und darnach trachten, mit einem heiligen Lebenswandel voranzuleuchten. Deshalb ziemt sich, dass wir uns vor dem Gang zum Abendmahl nach der Anweisung des Apostels selber prüfen, vor allem, mit was für einem Glauben wir ausgerüstet seien, ob wir glauben, dass Christus gekommen sei, Sünder selig zu machen und zur Buße zu rufen, und ob jeder für sich glaube, dass auch er zur Zahl derer gehöre, die durch Christus erlöst und selig gemacht werden, und ob er sich vorgenommen habe, sein verkehrtes Leben zu ändern und heilig zu leben, und unter dem Beistand des Herrn im wahren Glauben zu verharren und in Eintracht mit den Brüdern Gott für die Erlösung würdigen Dank darzubringen usw..

Was die heilige Handlung, nämlich die Art und Weise oder die Form des Abendmahls betrifft, so halten wir dafür, dass die am einfachsten und besten sei, die der ersten Anordnung des Herrn und der Lehre der Apostel am nächsten kommt. Sie besteht nämlich in der Verkündigung des Wortes Gottes, in frommen Gebeten, in der Handlung des Herrn selbst und ihrer Wiederholung, im Essen des Leibes und im Trinken des Blutes des Herrn, im Gedenken an den heilbringenden Tod des Herrn, in der gläubigen Danksagung und in der heiligen Vereinigung mit allen Gliedern der christlichen Gemeinde. Wir missbilligen daher die Ansicht derer, die den Gläubigen die eine Gestalt des Sakramentes, nämlich den Kelch des Herrn, entzogen haben. Denn diese versündigen sich schwer gegen die Anordnung des Herrn, der sagt: „Trinket aus diesem alle!“, was er beim Brot nicht so ausdrücklich gesagt hat.

Wie es mit der Messe bei den Alten gewesen ist, ob sie erlaubt war oder nicht, darüber streiten wir jetzt nicht. Nur das sagen wir frei heraus, dass die Messe, die heute in der ganzen römischen Kirche gebräuchlich ist, in unseren Kirchen aus zahlreichen und höchst triftigen Gründen abgeschafft ist, die wir jetzt der Kürze halber nicht einzeln erwähnen können. Keinesfalls konnten wir es billigen, dass aus der heilbringenden Handlung ein leeres Schauspiel und eine Verdienstquelle gemacht wurde, oder dass sie gegen Bezahlung gefeiert wird, ferner, dass man sagt, der Priester „mache“ dabei den wahren Leib Christi und opfere ihn wirklich zur Vergebung der Sünden, für Lebende und Tote, dazu etwa noch zur Ehre oder zur Feier oder zum Gedächtnis der Heiligen im Himmel und so weiter.

XXII. Kapitel: Die Gemeindegottesdienste und der Kirchgang

Obwohl es allen erlaubt ist, die Heiligen Schriften zu Hause für sich zu lesen und einander gegenseitig durch Belehrung im wahren Glauben zu erbauen, sind heilige Versammlungen oder kirchliche Zusammenkünfte dennoch durchaus nötig, um dem Volke das Wort Gottes ordnungsgemäß zu verkündigen, um öffentlich Bitte und Gebet zu tun, die Sakramente ordnungsgemäß zu feiern und für die Armen, für alle nötigen Aufwendungen der Kirche und zur Aufrechterhaltung der gebräuchlichen kirchlichen Tätigkeit Beiträge zu sammeln. Denn es steht fest, dass in der apostolischen Urgemeinde Versammlungen dieser Art von allen Frommen häufig besucht wurden. So oft man diese gering schätzt und sich davon absondert, verachtet man den wahren Glauben. Solche Leute müssen von den Hirten (Pfarrern) und den gottesfürchtigen Behörden dringend ermahnt werden, dass sie nicht fortfahren, sich hartnäckig abzusondern und die heiligen Versammlungen zu verlassen. Die kirchlichen Versammlungen sollen aber nicht verborgen und heimlich, sondern öffentlich und regelmäßig abgehalten werden, sofern nicht eine Verfolgung durch die Feinde Christi und seiner Kirche es hindert, dass sie öffentlich stattfinden. Denn wir wissen, wie einst die Versammlungen der ersten Gemeinden unter der Gewaltherrschaft der römischen Kaiser an verborgenen Orten stattfanden. Die Stätten, an denen die Gläubigen zusammenkommen, sollen aber würdig und der Kirche Gottes in jeder Hinsicht angemessen sein. Dafür sind geräumige Gebäude und Kirchen zu wählen. Sie sind jedoch rein zu halten von allen Dingen, die der Kirche nicht wohl anstehen. Es soll aber auch alles angeordnet werden. was zur Schicklichkeit, zum notwendigen Bedarf und zum frommen Anstand gehört, damit nichts fehle, was man für die gottesdienstlichen Handlungen und die kirchliche Tätigkeit überhaupt benötigt. Wie wir aber glauben, dass Gott nicht wohne „in Tempeln von Händen gemacht“ so wissen wir doch aus Gottes Wort und aus den heiligen Gebräuchen, dass die Gott und seiner Anbetung gewidmeten Stätten nicht gewöhnliche, sondern heilige Orte sind, und wer sich darin aufhält, soll sich ehrerbietig und geziemend benehmen, da er ja an heiligem Orte ist, vor Gottes und seiner heiligen Engel Angesicht. Daher ist von den Kirchen und Bethäusern der Christen jede Kleiderpracht, alle Hoffart und alles, was christliche Demut, Zucht und Bescheidenheit verletzt, durchaus fernzuhalten. Der wahre Schmuck der Kirchen besteht auch nicht in Elfenbein, Gold und Edelsteinen, sondern in der Einfachheit, Frömmigkeit und den Tugenden derer, die im Gotteshaus weilen. Alles aber geschehe in der Kirche anständig und ordentlich, alles diene schließlich der Erbauung. Fort also mit den fremden Sprachen in den Gottesdiensten! Alles soll vorgetragen werden in der Volkssprache, die am Orte selbst von den Leuten in der Versammlung verstanden wird.

XXIII. Kapitel: Die Kirchengebete, der Gesang und die sieben Gebetszeiten (die kanonischen Stunden)

Natürlich ist es erlaubt, für sich allein in jeder Sprache, die man versteht, zu beten; aber die öffentlichen Gebete im Gottesdienst sollen in der gewöhnlichen oder allen Leuten verständlichen Sprache gehalten werden. Jedes Gebet der Gläubigen soll sich aus Glauben und Liebe durch die alleinige Mittlerschaft Christi allein an Gott richten. Die Heiligen im Himmel anzurufen oder sie als Fürbitter in Anspruch zu nehmen, verbietet das Priestertum des Herrn Christus und der wahre Glaube. Man muss auch für die Obrigkeit, „für Könige und alle, die in Volkssprache obrigkeitlicher Stellung sind“, für die Diener der Kirche und alle Bedürfnisse der Gemeinden Fürbitte tun. Bei Heimsuchungen aber, und besonders bei solchen der Kirche, soll man ohne Unterlass zu Hause und öffentlich beten. Das Gebet geschehe freiwillig, nicht gezwungen, und ohne jedes Entgelt. Es gehört sich auch nicht, dass das Gebet abergläubisch an eine bestimmte Stätte gebunden wird, als ob man nicht auch anderswo als in der Kirche beten dürfte. Es ist nicht nötig, dass die öffentlichen Gebete nach Form und Zeit in allen Gemeinden gleich seien. Die Gemeinden mögen da nur alle von ihrer Freiheit Gebrauch machen. Sokrates sagt in seinem Kirchengeschichtswerk: „Man kann durchwegs in allen Gegenden nicht zwei Gemeinschaften finden, die im Beten genau übereinstimmen.“ Die Urheber dieser Verschiedenheit waren jeweilen, wie ich glaube, die derzeitigen Vorsteher der Gemeinden. Wenn sie aber einmal übereinstimmen, so erscheint uns das sehr empfehlenswert und nachahmenswert für andere.

Es schickt sich aber auch in den öffentlichen Gebeten, wie in jeder Sache, Maß zu halten, dass sie Weise des öffentlichen Gebetes nicht zu lang und damit lästig werden. Den größten Teil der Zeit verwende man im Gottesdienst deshalb auf die Lehre des Evangeliums und hüte sich wohl, im Gottesdienst das Volk durch zu lange Gebete zu ermüden. so dass die Leute, wenn man dann die Predigt des Evangeliums anhören sollte, entweder wünschen, die Versammlung zu verlassen oder wegen Ermüdung überhaupt ihr Ende herbeisehnen. Solchen kommt dann in der Predigt auch das noch zu lang vor, was sonst kurz genug gefasst ist. Auch für die Prediger gehört es sich, dass sie Maß halten. So soll man auch den Gesang im Gottesdienst mit Maß gebrauchen, wo er üblich ist. Der sogenannte gregorianische Kirchengesang hat viel Ungereimtes an sich; deshalb ist er mit Grund von unseren und zahlreichen Gemeinden abgeschafft worden. Gibt es etwa Gemeinden, die das gläubige und ordnungsgemäße Gebet pflegen, aber keinen Gesang haben, so soll man ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Denn nicht alle Gemeinden sind aufs Singen eingerichtet. Aus den Zeugnissen der alten Kirche geht übrigens bestimmt hervor, dass der Gesang, wie er ein uralter Brauch war in den morgenländischen Gemeinden, so später auch von den abendländischen übernommen wurde.

Die kanonischen Stunden die sieben Gebetszeiten -Gebetszeiten das heißt die auf bestimmte Stunden des Tages festgelegten, von den Päpstlichen gesungenen und gelesenen Gebete, hat die alte Kirche nicht gekannt. Dies kann aus den Stundengebeten selbst und mit zahlreichen Gründen bewiesen werden. Sie enthalten aber viel Abgeschmacktes um es nicht schärfer auszudrücken ; deshalb unterlässt man sie mit Recht in den Gemeinden, die an ihre Stelle etwas setzen, was der ganzen Gemeinde Gottes heilsam ist.

XXIV. Kapitel: Die Feiertage, das Fasten und die Auswahl der Speisen

Obwohl die Religion an keine Zeit gebunden ist. So kann sie doch nicht ohne rechte Einteilung oder Ordnung der Zeit gepflanzt und geübt werden. Deshalb wählte jede Gemeinde für sich eine bestimmte Zeit zum öffentlichen Gebet, zur Predigt des Evangeliums und zur Feier der Sakramente. Es ist aber nicht jedem erlaubt, nach Belieben diese Ordnung der Gemeinde umzustürzen. Und wenn keine rechte Muße zur Ausübung der äußeren Glaubenspflichten eingeräumt wird, lassen sich die Menschen bestimmt durch ihre Geschäfte davon abziehen. Daher sehen wir in den altchristlichen Gemeinden nicht nur, dass bestimmte Stunden in der Woche für die Versammlungen festgesetzt waren, sondern dass der Sonntag selbst von der apostolischen Zeit an jenen Versammlungen und der heiligen Ruhe geweiht war. Das wird auch jetzt noch um des Gottesdienstes und um der Liebe willen so gehalten von unseren Gemeinden. Doch lassen wir keine jüdische Gesetzlichkeit und abergläubische Sitten zu. Denn wir glauben nicht, dass ein Tag heiliger sei als der andere, und meinen Aberglauben nicht, dass das Nichtstun an sich Gott schon gefalle, sondern wir feiern und halten darum in freier Weise den Sonntag (Herrentag) und nicht den Sabbat.

Wir sind außerdem auch sehr damit einverstanden, wenn die Gemeinden gemäß der christlichen Freiheit das Gedächtnis an die Geburt des Herrn, seine Beschneidung. sein Leiden und seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und die Ausgießung des Heiligen Geistes über die Jünger in frommer Weise feiern. Doch billigen wir nicht Feste zu Ehren von Menschen oder Heiligen. Natürlich gehören die Feiertage zu den Geboten der ersten Gesetzestafel und gebühren Gott allein Die Heiligenfeste, die wir abgeschafft haben, enthalten ja zudem sehr viel Abgeschmacktes, Unnützes und völlig Unerträgliches. Indessen geben wir zu, dass es nicht unnütz ist, zu gegebener Zeit und am rechten Ort in frommen Predigten dem Volke das Gedenken an die Heiligen zu empfehlen und ihm das fromme Vorbild der Heiligen vor Augen zu stellen.

Je mehr aber die Kirche Christi zu klagen hat über Schwelgerei und Trunksucht, über allerlei Wollust und Unmäßigkeit, um so eifriger empfiehlt sie uns christliches Fasten. Fasten ist nämlich nichts anderes als die Enthaltsamkeit und Mäßigkeit der Frommen, die Zucht, Wachsamkeit und Bestrafung unseres Fleisches, der wir uns je nach der jeweiligen Notwendigkeit unterziehen und wodurch wir uns vor Gott demütigen und die entzündliche Gier des Fleisches mindern, damit es um so leichter und lieber dem Geist gehorche. Deshalb fasten diejenigen gar nicht, die dem nicht Rechnung tragen, sondern zu fasten meinen, wenn sie nur einmal am Tage den Bauch vollstopfen und sich dann zu bestimmter und vorgeschriebener Zeit gewisser Speisen enthalten, in der Meinung, dass sie schon durch die Vollbringung dieses Werkes Gott gefielen und damit ein gutes Werk täten. Das Fasten ist vielmehr nur eine kleine Beihilfe zum Gebet der Heiligen (Gläubigen) und zu jeglicher Tugend. Jenes Fasten gefiel Gott nicht wie man in den Büchern der Propheten sehen kann , bei dem sich die Juden wohl der Speisen. nicht aber der Laster enthielten.

Es gibt ein öffentliches und ein privates Fasten. Öffentliche Fastenzeiten feierte man einst in Zeiten der Heimsuchung und Anfechtung der Kirche. Da enthielt man sich überhaupt der Speise bis zum Abend. Diese ganze Zeit aber lag man heiligen Gebeten ob, sowie dem Gottesdienst und der Buße. Dies war nicht viel anderes als eine Äußerung der Trauer. und bei den Propheten wird solches häufig erwähnt. besonders bei Joel im Kapitel 2,12ff. Ein Fasten solcher Art soll auch heute in Notzeiten der Kirche gefeiert werden. Für sich selber aber kann jeder von uns ein Fasten auf sich nehmen, je nachdem er fühlt, dass sein Geist ermattet. Dann entzieht er eben seinem Fleisch die entzündliche Gier.

Alles Fasten soll aus freiem, bereitwilligem und gedemütigtem Geiste hervorgehen und nicht auferlegt sein, um den Beifall oder die Gunst von Menschen zu erlangen, noch viel weniger dazu, dass der Mensch sich dadurch verdienstliche Gerechtigkeit erwerben will. Jeder faste aber zu dem Zweck, dass er seinem Fleisch die entzündliche Gier entziehe und Gott um so inbrünstiger diene.

Das vierzigtägige Fasten vor Ostern ist wohl in der alten Kirche bezeugt, jedoch kein einziges Mal in den Schriften der Apostel; also soll und darf es den Gläubigen nicht auferlegt werden. Sicher ist, dass es einst verschiedene Formen und Bräuche dieses Fastens gab. Daher sagt schon der sehr alte Schriftsteller Irenäus: „Die einen glauben, das Fasten nur an einem Tage beobachten zu müssen, andere an zwei, wieder andere an mehreren, einige sogar an vierzig Tagen.“ Diese Verschiedenheit in der Beobachtung des Fastens hat also nicht erst in unseren Tagen angefangen, sondern lange vor uns bei jenen, die, wie ich glaube, nicht einfach festhielten, was von Anfang an überliefert war, sondern entweder infolge Nachlässigkeit oder Unkenntnis später in eine andere Sitte verfielen. Auch der Kirchengeschichtsschreiber Sokrates sagt: „Weil darüber keine einzige alte Nachricht zu finden ist, glaube ich, dass die Apostel dies der Entscheidung der einzelnen überließen, so dass jeder ohne Furcht und Zwang das tut, was gut ist.“

Was nun die Auswahl der Speisen betrifft, glauben wir, dass man beim Fasten dem Fleisch all das entziehen soll, wodurch es unbändiger wird, woran es sich allzu maßlos ergötzt und wovon eben die entzündliche Gier des Fleisches kommt, seien es Fische. Fleisch, Gewürze, Leckerbissen oder starke Weine. Sonst wissen wir, dass alle Geschöpfe Gottes geschaffen sind zum Gebrauch und Dienst der Menschen (1. Mose 2,15). Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut (1. Mose 1,31) und ohne Unterschied, jedoch in der Furcht Gottes und mit rechtem Maß zu gebrauchen. Denn der Apostel sagt: „Den Reinen ist alles rein“ (Tit. 1,15). Ebenso: „Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, esset, ohne um des Gewissens willen etwas zu untersuchen“ (1. Kor. 10,25). Derselbe Apostel nennt die Lehre derer, die „gebieten, sich von Speisen zu enthalten“ … „eine Lehre von Dämonen“. Denn die Speisen habe Gott für die, welche gläubig sind und die Wahrheit erkannt haben, geschaffen, „damit sie mit Danksagung genossen werden. Denn alles von Gott Geschaffene ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird“ usw. (1. Tim. 4,1ff.). Ebenso tadelt er im Kolosserbrief diejenigen, die sich durch übertriebene Enthaltsamkeit das Ansehen besonderer Heiligkeit geben wollen (Kol. 2,18ff.). Wir verwerfen daher gänzlich die Lehre der Tatianer und Enkratiten sowie aller Schüler des Eustachius, gegen die die Synode von Gangra einberufen wurde.

XXV. Kapitel: Der Jugendunterricht und die Krankenseelsorge

Der Herr hat seinem alten Bundesvolke auf die Seele gebunden. der rechten Unterweisung der Jugend von früher Kindheit an größte Sorgfalt zu widmen. und hat in seinem Gesetz verschiedentlich befohlen, die Kinder zu unterrichten und ihnen die Geheimnisse der Sakramente zu erklären. Da aber aus den evangelischen und apostolischen Schriften bestimmt hervorgeht. dass Gott nicht weniger an die Jugend seines neuen Bundesvolkes denkt, da er öffentlich bezeugt und sagt: „Lasset die Kinder zu mir kommen … denn solchen gehört das Reich Gottes“ (Mk. 10,14), tun die Hirten der Gemeinden sehr wohl daran, wenn sie die Jugend frühzeitig und fleißig unterweisen, indem sie die ersten Grundlagen des Glaubens legen und die Hauptstücke unserer Religion treulich lehren, nämlich durch Erklärung der Zehn Gebote Gottes, des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, des Herrengebetes, der Bedeutung der Sakramente sowie anderer derartiger Anfangsgründe und wichtigster Hauptpunkte unserer Religion. Die Gemeinde beweise aber ihre Treue und Sorgfalt darin, dass sie die Kinder zur Unterweisung anhält, muss sie doch wünschen und sich darüber freuen, wenn die Kinder recht unterwiesen werden.

Da aber die Menschen niemals schwereren Anfechtungen ausgesetzt sind, als wenn sie durch Schwäche geplagt oder krank sind. bedrückt an Seele und Leib. 'laben die Hirten der Gemeinden eigentlich nie sorgfältiger über das Heil ihrer Herde zu wachen. als bei derartigen Krankheiten und Schwächezuständen. Sie sollen deshalb die Kranken bald besuchen, sollen aber auch von den Kranken rechtzeitig gerufen werden sofern es ihr Zustand erfordert. Sie sollen jene trösten. im wahren Glauben stärken und sie wappnen gegen die verderblichen Einflüsterungen des Teufels. Sie sollen auch beim Kranken häusliche Gebete anordnen und, wenn`s nötig ist, sollen sie für das Heil des Kranken auch öffentlich im Gottesdienst beten und sorgen, dass er selig aus dieser Welt abscheide. Doch den papistischen Krankenbesuch mit seiner letzten Ölung können wir, wie bereits gesagt, nicht gutheißen, weil er viel Abgeschmacktes an sich hat und von der Heiligen Schrift nicht gebilligt und uns nicht überliefert wird.

XXVI. Kapitel: Das Begräbnis der Gläubigen, die Fürsorge für die Toten, das Fegfeuer und die Erscheinung von Geistern

Die Heilige Schrift befiehlt, die Leiber der Gläubigen. weil sie Tempel des Heiligen Geistes sind und man mit Recht an ihre Auferstehung am jüngsten Tage glaubt, schicklich und ohne Aberglauben der Erde zu übergeben, aber auch der Gläubigen ehrend zu gedenken, die im Herrn selig entschlafen sind, und ihren Hinterlassenen, wie Witwen und Waisen, alle Dienste christlicher Bruderliebe zu erweisen. Darüber hinaus gibt es nach unserer Lehre nichts für die Toten zu sorgen. Wir missbilligen deshalb aufs schärfste die Zyniker, die die Leiber der Toten vernachlässigen oder sie völlig gleichgültig und verächtlich in eine Grube werfen, oder die niemals ein gutes Wort über die Verstorbenen sagen oder sich um ihre Hinterlassenen nicht im Geringsten bekümmern. Wir missbilligen aber andererseits auch die Leute, die sich in übertriebener und verkehrter Weise um ihre Toten sorgen und wie die Heiden ihre Toten beklagen eine mäßige Trauer, wie sie der Apostel 1. Thess. 4,13 zulässt, tadeln wir nicht, indem wir es geradezu unmenschlich fänden, überhaupt nicht zu trauern , die also für die Toten opfern, bestimmte Gebete, und zwar gegen Bezahlung, dahermurmeln, in der Absicht, ihre Angehörigen durch Dienste dieser Art aus den Qualen, in die sie durch den Tod hineingeraten sind, zu befreien, und meinen, sie könnten durch solche Totenklagen daraus tatsächlich befreit werden. Denn wir glauben, dass die Gläubigen nach dem Tode des Leibes geradewegs zu Christus gehen und deshalb weder der Unterstützung noch der Fürbitte der Lebenden, noch all ihrer Dienste irgendwie bedürfen. Ebenso glauben wir, dass die Ungläubigen geradewegs in die Hölle gestürzt werden, aus der man den Gottlosen durch keinerlei Dienste der Lebenden einen Ausgang schafft.

Was aber gewisse Leute vom Fegfeuer berichten, widerspricht dem Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an die Vergebung der Sünden und an ein ewiges Leben“ und einer völligen Reinigung durch Christus, sowie den folgenden Aussprüchen des Herrn Christus: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben. und in ein Gericht kommt er nicht, sondern er ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen“ (Joh. 5,24); ebenso: „Wer gebadet ist, hat nichts anderes nötig, als die Füße zu waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein …“ (Joh. 13,10).

Was man nun schon berichtet über Geister und Seelen von Verstorbenen, die gelegentlich den Lebenden erscheinen und von ihnen Dienste begehren zu ihrer Erlösung, so halten wir diese Erscheinungen für Spott, List und Betrug des Teufels, der, wie er sich in einen Engel des Lichts verwandeln kann, so sich auch alle Mühe gibt, den wahren Glauben zu zerstören oder in Zweifel zu ziehen. Der Herr hat schon im Alten Testament verboten, von den Toten die Wahrheit zu erforschen und irgendwelchen Verkehr mit den Geistern zu pflegen (5. Mose 18,11). Dem reichen Mann aber, da er in der Hölle Pein litt, wird die Rückkehr zu seinen Brüdern verweigert, wie das untrügliche Evangelium erzählt, indem die göttliche Stimme ausdrücklich verkündigt: „Sie haben Mose und die Propheten; sie sollen auf sie hören! … Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht gewinnen lassen. wenn einer von den Toten aufersteht“ (Luk. 16,29ff.).

XXVII. Kapitel: Die Gebräuche, die Zeremonien und die Mitteldinge

Dem alten Bundesvolke wurden einst Zeremonien als eine Art Zuchtmittel gegeben, denen, die unter dem Gesetze wie unter einem Erzieher und Vormund gehalten wurden; aber seit dem Erscheinen des Erlösers Christus und nach Aufhebung des Gesetzes und als Gläubige sind wir nicht mehr unter dem Gesetz (Röm. 6,14) und die Zeremonien sind verschwunden. Die Apostel wollten diese eben unter keinen Umständen in der Kirche Christi behalten oder erneuern, wie sie öffentlich bezeugt haben. dass sie der Kirche keinerlei Last auflegen wollten (Apg. 15,28.10). Deshalb würde es aussehen, als ob wir das Judentum wieder einführen und neuerdings aufrichten wollten, wenn wir in der Kirche Christi nach der Art der alten Kirche die Zeremonien und Gebräuche vermehrten. Und darum billigen wir keineswegs die Meinung derer, die finden, die Kirche Christi müsse durch mancherlei verschiedene Zeremonien gleichsam unter Kinderzucht gehalten werden. Denn wenn die Apostel dem christlichen Volke die Zeremonien und Gebräuche göttlichen Ursprungs nicht auferlegen wollten, wer mit gesundem Menschenverstand, bitte, wird ihm zufällige Fündlein von Menschen aufzwingen wollen? Je mehr Gebräuche sich in der Kirche anhäufen, desto mehr wird nicht nur der christlichen Freiheit, sondern auch Christus selbst und dem Glauben an ihn Abbruch getan, da das Volk dann das, was es durch den Glauben allein bei Gottes Sohn, Jesus Christus, suchen sollte, bei den Gebräuchen sucht. Es genügen darum den Frommen die wenigen bescheidenen, einfachen und dem Worte Gottes nicht widersprechenden Gebräuche.

Finden sich nun in den Gemeinden unterschiedliche Gebräuche, so halte niemand die Gemeinden deshalb für uneins. Sokrates sagt: „Es wäre unmöglich gewesen, alle Gebräuche der Gemeinden in Städten und Ländern zu beschreiben. Keine Religion beobachtet überall dieselben Gebräuche, mag sie auch darüber dasselbe lehren. Auch diejenigen also, die den gleichen Glauben haben, unterscheiden sich voneinander in den Gebräuchen.“ So weit Sokrates. Heute nun haben wir in unseren Kirchen verschiedene Gebräuche bei der Feier des Heiligen Abendmahls und in einigen anderen Dingen; jedoch in der Lehre weichen wir deshalb nicht voneinander ab, und weder die Einheit noch die Gemeinschaft unserer Kirchen wird dadurch zerrissen. Immer aber haben sich die Kirchen bei derartigen Gebräuchen, weil es Mitteldinge sind, der Freiheit bedient. Und so halten wir es auch heute.

Wir warnen indessen davor, zu den Mitteldingen etwas zu rechnen, was in Wirklichkeit nicht zu den Mitteldingen gehört, wie einige die Messe und den Gebrauch von Bildern in der Kirche für Mitteldinge zu halten pflegen. „Gleichgültig“ hat Hieronymus zu Augustin gesagt „ist das, was weder gut noch böse ist, so dass man weder Gerechtigkeit übt, noch ein Unrecht begeht, ob man es tue oder nicht.“ Wenn deshalb Mitteldinge mit dem Glaubensbekenntnis verquickt „erden, so hören sie auf, frei zu sein. So zeigt Paulus, man dürfe Fleisch essen, wenn niemand daran erinnere, dass es den Götzen geweiht sei, sonst sei es unerlaubt, weil der, der es esse, schon durch dessen Genuss den Götzendienst zu billigen scheine (1. Kor. 8,9ff.; 10,25ff.).

XXVIII. Kapitel: Das Kirchengut

Die Güter der Kirche haben ihren Ursprung in den Vergabungen von Fürsten und in der Freigebigkeit der Gläubigen. die ihr Vermögen der Kirche geschenkt haben. Denn die Kirche hat Mittel nötig und besaß von altersher Vermögen zur Befriedigung der kirchlichen Bedürfnisse. Der richtige Gebrauch der Kirchengüter bestand einst und besteht heute noch in der Erhaltung der Lehre in Schulen und heiligen Versammlungen sowie des Gottesdienstes, der kirchlichen Gebräuche und des Kirchengebäudes, ferner in der Erhaltung der Lehrer, Schüler und Diener sowie anderer notwendiger Dinge, vor allem in der Unterstützung und im Unterhalt der Armen. Darum soll man gottesfürchtige, weise und in der Vermögensverwaltung kundige Männer wählen, die das Kirchengut ordnungsgemäß verwalten. Wenn aber die Kirchengüter wegen der Unbill der Zeit oder durch Gewalttat, Unwissenheit oder Habsucht gewisser Leute in Missbrauch geraten sind. sollen sie von frommen und weisen Männern wieder ihrem heiligen Gebrauch zugeführt werden. Denn gegen solch kirchenschänderischen Missbrauch darf man nicht nachsichtig sein. Daher lehren wir, man müsse Schulen und Stifte, die in Lehre, Gottesdienst Lind Sitten ausgeartet sind, umgestalten und die Armenpflege gottesfürchtig, in guten Treuen und mit weiser Vorsicht handhaben.

XXIX. Kapitel: Der ledige Stand, die Ehe und der Hausstand

Wer vom Himmel die Gabe der Ehelosigkeit hat. so dass er von Herzen und von ganzem Gemüt rein und enthaltsam ist und nicht von brennender Begierde geplagt wird, der möge in diesem Beruf Gott dienen. solange er sich mit diesem göttlichen Geschenk begabt fühlt. und er erhebe sich nicht über die andern. sondern diene dem Herrn ständig in Einfalt und Demut. Diese Leute aber eignen sich besser dazu. göttliche Dinge zu besorgen. als solche, die durch private Familienpflichten abgelenkt werden. Würde ihnen aber diese Gabe wieder entzogen und würden sie eine ständige Begierde verspüren, so mögen sie des Apostelwortes gedenken: „Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren“ (1. Kor. 7,9).

Die Ehe nämlich ein Heilmittel für die Unenthaltsamkeit und selber Enthaltsamkeit ist von Gott, dem Herrn, selber eingesetzt, der sie reichlich gesegnet hat und wollte, dass Mann und Weib einander gegenseitig unzertrennlich anhangen und in höchster Liebe und Eintracht zusammenleben (Mt. 19,4ff.).Wissen wir doch auch, dass der Apostel gesagt hat: „Die Ehe sei in Ehren bei allen und das Ehebett unbefleckt“ (Hebr. 13,4), und: „Wenn die Jungfrau heiratet, so sündigt sie nicht“ (1. Kor. 7,28). Wir verwerfen aber die Vielweiberei und die Ansicht derjenigen, die die zweite Ehe verpönen. Wir lehren, die Ehe sei ordnungsgemäß zu schließen in der Furcht Gottes und nicht im Widerspruch zu den Gesetzen, die einige Verwandtschaftsgrade verbieten. damit keine blutschänderische Ehe entstehe. Die Ehe soll geschlossen werden im Einverständnis mit den Eltern oder ihren Stellvertretern, und zwar hauptsächlich zu jenem Zweck, zu dem der Herr die Ehe gestiftet hat, und soll öffentlich in der Kirche mit Gebet und Einsegnung bestätigt werden. Endlich soll man sie heilig halten in unverbrüchlicher Gattentreue, Anhänglichkeit, Liebe und Reinheit. Man hüte sich vor Streit. Zwietracht. Lüsten und Ehebruch. Es sollen daher in der Kirche ordnungsgemäße Gerichte und fromme Richter bestellt werden. welche die Ehen schützen und jede Unkeuschheit und Schamlosigkeit abstellen, und von denen Ehestreitigkeiten zu schlichten sind.

Die Kinder sollen von den Eltern in der Furcht des Herrn erzogen werden. Ebenso sollen die Eltern für die Kinder sorgen, eingedenk des Apostelwortes: „Wenn aber jemand für die Seinigen und besonders für die Hausgenossen nicht sorgt, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger“ (1. Tim. 5,8). Besonders aber sollen sie ihre Kinder einen ehrbaren Beruf lernen lassen, mit dem sie ihr Brot verdienen können, sollen sie dem Müßiggang entziehen und ihnen in alledem wahres Gottvertrauen einpflanzen, damit sie weder durch Misstrauen noch durch Vertrauensseligkeit oder aus hässlicher Habgier auf Abwege kommen und keine rechten Früchte zeitigen.

Und ganz gewiss sind jene Werke, die Eltern im wahren Glauben tun, in Erfüllung der ehelichen und häuslichen Pflichten, vor Gott heilig und wahrhaft gut und gefallen Gott nicht weniger als Gebete, Fasten und Almosen. So hat der Apostel Paulus auch in seinen Briefen, besonders im 1. Timotheus und im Titusbrief gelehrt. Wir rechnen aber mit diesem Apostel zu den Lehren des Satans die Lehre jener, die die Ehe verbieten oder öffentlich tadeln oder heimlich verdächtigen, als ob sie nicht heilig und rein sei. Wir verabscheuen aber die unreine Ehelosigkeit. Gier und verborgene und offenbare Hurerei der Heuchler, die Enthaltsamkeit vortäuschen und doch am allerwenigsten enthaltsam sind. Diese alle wird Gott richten. Reichtum und Reiche. sofern sie fromm sind und ihren Reichtum recht gebrauchen, verwerfen wir nicht. Dagegen verwerfen wir die Sekte der Apostoliker und ihresgleichen.

XXX. Kapitel: Die Obrigkeit

Jede Art von Obrigkeit ist von Gott selbst eingesetzt zu Frieden und Ruhe des menschlichen Geschlechtes, und zwar so, dass sie in der Welt die oberste Stellung inne hat. Ist sie der Kirche feindlich gesinnt, so kann sie diese schwer hindern und stören. Ist sie ihr aber freundlich gesinnt und sogar ein Glied der Kirche, so ist sie ein höchst nützliches und hervorragendes Glied der Kirche, weil sie ihr sehr viele Vorteile bieten und ihr schließlich auch aufs allerbeste helfen kann.

Vornehmste Aufgabe der Obrigkeit ist es, für den Frieden und die öffentliche Ruhe zu sorgen und sie zu erhalten. Das kann sie natürlich niemals auf glücklichere Weise tun, als wenn sie wahrhaft gottesfürchtig und fromm ist, das heißt nach dem Vorbild der allerheiligsten Könige und Fürsten des Gottesvolkes die Predigt der Wahrheit und den reinen Glauben fördert, Lügen und jeden Aberglauben, samt aller Gottlosigkeit und allem Götzendienst, ausrottet und die Kirche schützt. Also lehren wir, dass einer christlichen Obrigkeit die Sorge für die Religion in erster Linie obliege.

Sie soll selbst Gottes Wort zur Hand haben und dafür sorgen, dass nichts ihm Widersprechendes gelehrt werde. Sie regiere ferner das Volk, das ihr von Gott anvertraut ist. mit guten, dem Worte Gottes entsprechenden Gesetzen, und halte es in Zucht. Pflicht und Gehorsam. Die Rechtsprechung übe sie gerecht aus. sehe nicht die Person an und nehme keine Geschenke entgegen; Witwen. Waisen und Bedrängten stehe sie bei; Ungerechte, Betrüger und Gewalttätige halte sie in Schranken und rotte sie sogar aus. Denn nicht umsonst hat sie von Gott das Schwert empfangen (Röm. 13,4). Sie ziehe deshalb dieses Schwert Gottes gegen alle Verbrecher. Aufrührer, Räuber und Mörder, Bedrücker, Gotteslästerer, Meineidigen und gegen alle die, die Gott zu bestrafen und sogar zu töten befohlen hat. Sie halte in Schranken auch die unbelehrbaren Irrgläubigen die wirklich Irrgläubige sind, wenn sie nicht aufhören, Gottes Majestät zu lästern und die Kirche Gottes zu verwirren. ja zugrunde zu richten. Und falls es nötig ist. sogar durch einen Krieg das Wohl des Volkes wahrzunehmen, so unternehme sie in Gottes Namen den Krieg, sofern sie vorher auf jede Weise den Frieden gesucht hat und nicht anders als durch einen Krieg ihr Volk retten kann. Und wenn die Obrigkeit dies im Glauben tut, dient sie Gott mit alledem als mit wahrhaft guten Werken und empfängt Segen vom Herrn. Wir verwerfen die Lehre der Wiedertäufer, die behaupten, ein Christ dürfe kein obrigkeitliches Amt bekleiden und niemand dürfe von der Obrigkeit mit Recht hingerichtet werden, oder die Obrigkeit dürfe keinen Krieg führen, oder man dürfe der Obrigkeit keinen Eid leisten und dergleichen mehr.

Wie also Gott will. dass das Wohl seines Volkes Pflichten der durch die Obrigkeit gewahrt werde, die er der Welt Untertanen gleichsam wie einen Vater gegeben hat. so ist auch allen Untertanen befohlen, die in der Obrigkeit liegende Guttat Gottes anzuerkennen. Man soll die Obrigkeit deshalb achten und ehren als Dienerin Gottes; man soll sie lieben, ihr ergeben sein, auch für sie wie für einen Vater beten; man soll all ihren gerechten und billigen Befehlen gehorchen und Steuern. Abgaben und was derartige Schuldigkeiten sind. treulich und willig bezahlen. Und wenn es das öffentliche Wohl des Vaterlandes oder die Gerechtigkeit erfordert, und die Obrigkeit notgedrungen einen Krieg unternimmt, soll man auch das Leben dahingeben und sein Blut für das gemeine Wohl und die Obrigkeit vergießen, und zwar in Gottes Namen, willig, tapfer und frohgemut. Wer sich aber der Obrigkeit widersetzt, der fordert Gottes schweren Zorn gegen sich heraus.

Wir verwerfen deshalb alle Verächter der Obrigkeit: Rebellen, Staatsfeinde, aufrührerische Taugenichtse und alle, die sich je und je offen oder auf Umwegen weigern, ihren schuldigen Pflichten zu genügen.

Wir bitten Gott,

unseren gütigsten Vater im Himmel. dass er die Häupter des Volkes. auch uns und sein ganzes Volk segne durch Jesus Christus, unseren einzigen Herrn und Heiland; ihm sei Lob und Ehre und Dank von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Amen.

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