Brenz, Johannes - Wie man sich in mittelmäßigen Stücken, als in Kirchenbräuchen, die man Ceremonien nennt, halten soll

Brenz, Johannes - Wie man sich in mittelmäßigen Stücken, als in Kirchenbräuchen, die man Ceremonien nennt, halten soll

Wann ein weltlicher Fürst tritt in die Fußstapfen des Pabsts und gebeut denjenigen, so das Evangelium eine lang Zeit gehört und bekannt, auch die Gebräuche der Kirche in ihren Flecken nach christlicher Wahrheit gebessert, daß sie von denselbigen Gebräuchen ab sollen stehen, und wiederum in die Mißordnung der Päbstischen Kirche treten: ist’s christlich, weltlicher Gewalt Gehorsam zu leisten oder stracks auf den Evangelischen Bräuchen zu bleiben?

Jedermann bekennt und weiß, daß viel Stück ohne allen Zusatz und Anhang in den Päbstlichen Gebräuchen mittelmäßig, weder bös noch gut seien, derohalber sie mit gutem Gewissen geschehen oder unterlassen mögen werden: als da ist ein Meßgewand anziehen – möchte doch Einer ein Narrenkappen aufsetzen; essen Fisch oder Fleisch, um die Kirch gehen – möchte doch Einer um die Stadt ganz gehen, was mag das gehen Schaden? Mit Wasser sprengen – möchte man doch einen ganz in Neckar tunken; lateinisch singen oder lesen – was liegt daran? Latein ist auch ein gute Sprach. Aber diese und dergleichen Stücke werden gut oder bös, geboten oder verboten, nachdem der Anhang oder Zusatz gut oder bös, geboten oder verboten ist. Demnach daß Niemand hierin fehl, so muß man nit das mittelmäßig Werk blos ohn allen Anhang oder Frucht ansehen, sondern das Urtheil schöpfen aus gutem oder bösem Anhang. Zum ersten, als das Evangelium anfing wiederum zu leuchten, und die Gewissen noch schwach waren, hat die christliche Lieb erheischt, mit den Kranken krank sein, aus welcher Krankheit der Kirche Genesung und große Gesundheit entstanden ist. Dazumal war es gut, ein Meßgewand anzustreifen, um die Kirchen gehen, lateinisch singen: denn sein Zusatz, Anhang oder Frucht, welche ist nit ärgern, mit den Schwachen schwach sein und durch Schwachheit zu der Gesundheit führen, war fast sehr gut und nutzbar. Dieweil aber nun das Evangelium leucht und die Schwachen so sehr gesund sind worden, daß sie es haben mögen leiden, unnützliche ja unchristliche Gebräuche in nütze gute Kirchengebräuche zu verwandeln, und daneben die Verstockten, sie seien gewältig oder ungewältig, wollen von dem gerechten in den alten Kirchengebrauch dringen und zwingen: will es in keinen Weg einem Christen gebüren, abzufallen und wiederum die alten Bräuch anfahen, handhaben oder sie fördern. Dann ob man wol fürgibt, man woll das Evangelium nit verbieten, aber keine Veränderung in Gottesdienst woll man gestatten: ist vielleicht der Welt nach weislich geredet, trägt aber auf ihm eine böse List Satanä. Die Welt entschuldigt sich damit, daß Niemand meine, sie woll wider das Evangelium oder Gottes Wort streben; aber der Satan kocht darunter seine Büberey; er vermeint, er woll damit dem Evangelium einen Stoß thun und groß Aergerniß anrichten. Und (das) geschehe auch freilich: denn so ein Evangelischer unter seinem Volk, darunter er wohnet, wiederum aus weltlichem Gewalt gedrungen anfinge Päbstliche unchristliche Gebräuch, würden sich alle Christen, so solches Thun hörten, daran stoßen und demnach achten, wie denn der Glaube in Vielen noch schwach ist, das Evangelium, dadurch christliche Ordnung angerichtet sei worden, wär falsch und erlogen, also daß hierin die Liebe und der Glaube Noth leidet, die Liebe wird geärgert, der Glaube geschwächt. Darum ob mag wol ein Meßgewand anziehen u.s.w. bloß angesehen für mittelmäßig geachtet werden; dieweil aber jetzt der Zeit, so man sie mit Gewalt will erzwingen, des Anhangs und der Frucht gar viel und von Art kein nütz ist, so ist es nit anders denn Christum und das Evangelium verleugnen. Denn gleichwie ein Christi Jünger außerhalb der Verfolgung und Versuchung allein an der Liebe erkannt wird, wie Joh. 13. geschrieben ist: also wird er in der Verfolgung und Versuchung an der Bekenntniß und Beständigkeit erkannt. Nun ist die Bekenntniß nit allein an dem gelegen, daß man sag und verjehe 1) vor der Welt, vor trutzigen Fürsten und Herren, das Evangelium sei wahr und recht; man muß auch bekennen, daß die Thaten, die aus dem Evangelio folgen, wahr und recht seien, auch auf denselbigen verharren, Gott geb’ es verdriest die Leut oder nit.

Auf diese Weis’ schrieb auch Tertullianus, gar ein feiner alter Lehrer, daß zu seiner Zeit ganz für unrecht erzählt wurde, wann ein Christ ein Kränzlein auf seinem Haupt trug oder mit den Heiden Weihrauch in das Feuer warf. Warum? Er sagt selbst: er mache zu Zeiten auch einen Rauch in seinem Haus mit Weihrauch, dieweil aber von Heiden darin gehängt ward die Bekenntniß der Götzen, so urtheilt man es unter den Christen für unrecht.

Man spricht aber: die weltlichen Fürsten gebieten solch Ding und nit die geistlichen, so wollen wir’s für ein weltlich Satzung annehmen, dieweil es doch auf ein äußerlich Ding gehet und doch darneben das Gewissen frei mocht bleiben? Nein, lieber Gesell, es ist nit also: wie kann sich ein Gewissen freuen in solchen Werken, daraus Aergerniß und des Evangeliums Schmach entstehet. Auch so die Fürsten solch Ding gebieten, so nit ihrer Herrschaft zugestanden, thun sie nit anders, denn eben als die geistlichen Bischöfe gethan haben, derohalben sie allein 2) das gebieten und nit ihrer gemeinen Landschaft halben. Auch wird es je von keinem Weltlichen geboten, es wäre denn ihm die Hand von dem Geistlichen gereicht. (Folgt das Beispiel der drei Judenknaben in Babel und Daniels) Der König Darius gebot, es sollt in dreißig Tagen Niemand nichts weder von einem Gott noch von einem Menschen begehren, denn allein von dem König. Als solches Daniel hörte, ging er heim, sperret sein Fenster auf und kniet nieder gen Jerusalem und betet an den König Israel, wider des Königs Gebot. Der König mochte auch gesagt haben: Lieber Daniel, ich verbeut dir nit deinen Gott anzubeten, sondern ich will haben, daß du in dreißig Tagen Nichts begehrest von Gott oder von den Menschen, das ist Nichts veränderst jetzt zwischen dem Reichstag oder Concilio. Dazu möchte Daniel in seinem Haus im Herzen Gott angerufen haben; er thäts aber nit, sondern da die Ehr seines Gottes aus dem Verbot des Königes wollt abgehen, thät er die Fenster weit auf, daß Jedermann sehe, wie er wider das Verbot des Königs handelt. Er ward darum in die Lach 3) der Löwen geworfen.

Aber wie viel größere Ehr ist dem Gott Israel bei dem König entstanden aus dem, als Daniel erlöst ward von dem Löwen? Kürzlich: also hoch das Evangelium verlästert wird, wann man die christliche Freiheit frech braucht, den Schwachen zu Aergerniß: also hoch wird es verlästert, wann man der christlichen Freiheit in den Nöthen verläugnet, verschweigt und aus Furcht des Adams verläßt. Gottes Ehr und die Glorie seines Worts zu retten, ist Jedermann geboten; das wird aber nit anders zu wege bracht dann mit Bekenntniß, Beständigkeit und mit Leiden, wie Daniel thät. Er bekennt öffentlich mit der That seinen Gott Israel und leidet darnach; er widerstrebt nit, daß man ihn warf in das Betzen- 4) loch. Der Herr wie er das Leiden seines Sohns Jesu Christi zu hohen Ehren gebracht hat, also wird er eines jeglichen Christen Leiden ohn Zweifel hoch aufmutzen 5) und dagegen ewige Freud verleihen. Amen.

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3)
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Bären-
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