Boeckh, Christian Friedrich von - Predigt am dritten Sonntag nach Epiphanias

Boeckh, Christian Friedrich von - Predigt am dritten Sonntag nach Epiphanias

von Decan Böckh in München.

Text Joh. 2, 1 -11.
1 Und am dritten Tag ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. 3 Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein. 4 Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt nach der Weise der jüdischen Reinigung, und ging in je einen zwei oder drei Maß. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpfet nun und bringet's dem Speisemeister! Und sie brachten's. 9 Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wußte nicht, woher er kam (die Diener aber wußten's, die das Wasser geschöpft hatten), ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Das heutige Evangelium ist eines der lieblichsten, welche das kirchliche Jahr zur Betrachtung darbietet. Nachdem der Herr, wie uns der Schluß des ersten Kapitels des Evangeliums Johannis erzählt, fünf Seiner Jünger gewählt hatte, zog Er mit diesen nach Cana, einem Städtlein, nur wenige Stunden vom See Genezareth entfernt, um dort einer Hochzeit, auf welche Er geladen war, beizuwohnen. Als Johannes der Täufer auszog, sein Heroldsamt zu beginnen, da begab er sich in die Wüste; dort lebte er als ein Gottgeweihter, in strenger Enthaltsamkeit, unter Gebet und Fasten; seine Kleidung war ein Mantel von Kameelshaaren, seine Nahrung waren Heuschrecken und wilder Honig. Da der Heiland auszog, Sein Amt unter den Menschen zu beginnen, da wählte Er nicht die Wüste; Er zog in den Städten und Gauen des jüdischen Landes umher, Er war bald in Judäa, bald in Galiläa, bald in Jerusalem, bald in Kapernaum zu sehen; Er läßt sich zu Gast laden von Seinen Jüngern; Er ißt mit den Zöllnern, Er erscheint auf der Hochzeit zu Cana. Seine Lebensweise war eine ganz andere, als die des Johannes. In diesem spiegelte sich der Ernst des Gesetzes, die Strenge der Buße ab; sein Wort und sein Wandel predigten Buße. In jenem, in Christo, zeigte sich das frohere, freiere Wesen des Evangeliums, die Lieblichkeit und Holdseligkeit der Gnade. Unter diesen Leuten, die in Cana versammelt sind, wo Christus der Mittelpunkt ist, der gemeinschaftliche Gegenstand ihrer Bewunderung und Liebe, wo Er freundlich redet mit ihnen, an ihrem Tische mit ihnen ißt, in ihrer Noth ihnen hilft, da ist es gar traulich und lieblich. Die Gnade, die Freundlichkeit und Leutseligkeit des Herrn, der Geist der Liebe, der Freude und des Friedens, der von ihm ausströmt auf die Uebrigen, macht diese Hochzeit über die Massen köstlich und herrlich.

Wie lieblich es ist auf der Hochzeit zu Cana, das wollen wir näher zeigen in dieser Stunde, und Gott bitten, daß er unsere Betrachtung seegnen möge mit seines Geistes Kraft und Gnade. Amen.

I.

Wer ist geladen zu der Hochzeit in Cana, auf welcher der Herr Jesus erscheint? wer sind die Gäste? Vor Allem Er selbst mit Seinen fünf Jüngern, die Er eben erst gewählt hatte, mit Petrus, Andreas, Johannes, Philippus und Bartholomäus; weiter Maria, die Mutter des Herrn, und andere Gefreundte, deren Namen nicht besonders genannt wird; ferner die anwesenden Diener sammt dem Speisemeister, der die äusseren Anordnungen bei dem Feste zu treffen hatte; endlich das Brautpaar selbst, zu dessen Ehren die Gäste versammelt sind. Also zum größten Theil Menschen, welche die Wahrheit lieb hatten, welche den göttlichen Verheißungen glaubten und sich ihnen demüthig unterwarfen, fromme, gottesfürchtige Seelen, zu jenen Wenigen gehörend, die auf den Trost Israels warteten und den Herrn nicht verwarfen, da Er in Sein Eigenthum kam. Wie schön und lieblich mag es unter ihnen gewesen seyn! Etwa so, wie es war, da Abraham unter dem Feigenbaume saß zu Mamre und die drei Engel bewirthete; oder wie es war, da Elias bei der Wittwe zu Sarepta aus- und eingieng und an ihrem Tische aß eine Zeitlang; oder wie es später war, da Jesus in das Haus der beiden Jünger zu Emmaus gieng und bei ihnen blieb des Abends und das Brod mit ihnen brach. Jene Gemeinschaft, die so heilig und ehrwürdig ist, die wir mit Freuden bekennen nach dem dritten Glaubensartikel, die Gemeinschaft der Heiligen, war hier gleichsam verkörpert, im Kleinen vorgebildet und anschaulich gemacht. Denn es waren nicht blos äussere Bande des Blutes, oder der Freundschaft, wodurch diese Seelen mit einander verknüpft waren; die meisten unter ihnen fühlten sich eins in den höchsten und wesentlichsten Dingen; derselbe Glaube, dieselbe Liebe, dieselbe Hoffnung lebte in Allen; sie waren Brüder und Schwestern dem Geiste nach, sie gehörten zusammen nach ihrem innersten Denken, Streben und Verlangen. Und da ist es schön und lieblich zu seyn und zu wohnen, wo eine innere Verwandtschaft ist zwischen den Versammelten, wo Alle die Wahrheit von Herzen lieb haben, Alle trinken aus derselbigen Quelle des Heils, Alle einen Weg zur Seligkeit gehen und festhalten. David sagt im ersten der Psalmen: „Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen; sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetze Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er machet, das geräth wohl. Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreuet. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gerichte, noch der Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn der Herr kennet den Tag der Gerechten, aber der Gottlosen Tag vergehet.“ Und anderorts sagt David, er wolle lieber der Thürhüter in seines Gottes Hause seyn, denn lange wohnen in der Gottlosen Hütten. Wo Menschen zusammen kommen von böser, gottloser, leichtfertiger Gesinnung, wo die Pharisäer einen Rath halten, wo die Söhne Jacobs sich verschwören wider Joseph: da ist's übel seyn. Es ist auch eine Einigkeit, ein Zusammenstimmen unter ihnen; aber die Einigkeit der Hölle, das Zusammenstimmen der bösen Geister. In Cana aber da ists überaus lieblich und köstlich; denn hier ist eine Gemeinschaft innerlich verwandter frommer Seelen.

II.

Wer ist ihr Haupt? Um wen sammeln sich Alle? Auf wen sind Aller Blicke gerichtet? Wie die Zeder über die andern Bäume, wie der hohe Dom über die niedern Gebände, also raget Einer über alle Andern hervor. Christus, der Sohn Gottes, der Herr der Welt, der Meister in Israel, lässet sich herab, unter den Gästen zu Cana zu weilen. Sie wissen, wer Er ist; sie haben gehört von Seiner wunderbaren Geburt, von Seiner wunderbaren Taufe im Jordan. Maria kann erzählen, welche Worte von Ihm Zacharias und Simeon geweissagt, welche Worte von Ihm die Engel gesprochen; Johannes und Andreas können erzählen, wie ihr Meister Johannes gerufen: Siehe! das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde träget; Nathanael, Bartholomäus kann sagen, wie ihm Jesus in's Herz geblickt und seine geheimsten Gedanken geschaut. Voll Ehrfurcht, voll Bewunderung blicken sie alle auf Ihn. Was Er euch saget, das thut, - spricht Maria zu den Dienern und die Diener gehorchen Ihm auf's Wort, und hängen Alle an Seinen Blicken. Und wo Christus der Herr und Meister ist, wo Alle an Ihn glauben, Alle Ihm gehorchen, Alle nach Ihm sich richten; wo Sein Wort, Sein Wille herrscht, das oberste Gesetz, die höchste Richtschnur alles Thuns und Lassens ist: da ist's gut und lieblich wohnen, da möchte man mit Petrus sich Hütten bauen. Betrachtet ein Haus, eine Familie, eine Gemeinschaft, wo Christus nicht der Herr und Gebieter ist. Da gehen die Wünsche, die Bestrebungen alle aus einander; da will der Einzelne nur seinem Willen folgen, seine Meinung zum Gesetze für die Andern erheben; da ist Willkühr, und Unordnung, und Eigensinn, und Zwietracht, und Zersplitterung der besten Kräfte. Der Friede, die Einigkeit, die Herzens-Verbindung und Verknüpfung ist überall nur zu finden da, wo Christus von Allen als Herr und unsichtbares Haupt erkannt und geliebt wird. Wie schön ist's unter den drei Geschwistern zu Bethanien! Ihrer Natur, ihrem Temperamente nach waren sie sehr verschieden, aber ihr Einigungspunkt war Christus; den hat Lazarus und Martha und Maria, den haben alle drei Geschwister als ihren Herrn erkannt. Wie schön ist's im Hause des Hauptmanns Cornelius! Da waren gar verschiedene Glieder beisammen: Männer und Frauen, Aeltern und Kinder, Herren und Diener; aber im Gehorsam gegen Christus waren sie gleich; da blieb Keiner hinter dem Andern zurück. O meine Freunde! Wie wohl ists einer einzigen Seele, wenn sie erlöset ist vom Joch der Sünde und der Welt, vom Sclavenjoche des eigenen Fleisches, und hat ihren rechten Herrn gefunden, dem zu gehorchen ihr innerstes Verlangen, ihr geheimstes Sehnen ist! Und wenn mm eine ganze Gemeinschaft, eine ganze Schaar versammelter Seelen, Sinnen und Gedanken, Streben und Verlangen nach Einem Herrn, dem Herrn vom Himmel, richtet; o wie lieblich ist's da zu seyn; wie lieblich ist's auf der Hochzeit zu Cana, wo Christus aller Herr und Meister ist!

III.

Und die hier versammelt sind, wie lieben sie sich unter einander! Wie sind diese fünf Jünger, die der Herr mit sich bringt, so fest unter einander verkettet! Wie befolgen sie des Meisters Gebot: Daran wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seyd, so ihr Liebe habet unter einander! Wie schnell wendet sich Maria an den Herrn, da sie bemerkt, daß es an Wein gebricht, die Gäste zu bedienen; sie will der Noth abhelfen, ehe sie fühlbar und beschämend wird! Wie innig, zu einer Liebe, die nicht ein bloßer Rausch der Sinne, ein vorübergehender Taumel, sondern fest und dauerhaft ist, sind diese beiden Brautleute verknüpfet! Und Alle, die hier versammelt sind, wie durchweht und durchdringt sie der Geist jener Liebe, die ungefärbt ist und herzlich und brüderlich und theilnehmend und aufopfernd und treu! O meine Freunde! wir können es uns nicht oft genug sagen: durch das Haupt allein werden auch die Glieder des Leibes fest mit einander verbunden; durch Christum allein, der uns vor Gott angenehm gemacht hat, werden wir auch selber uns unter einander wahrhaft lieb und Werth; die Liebe zu dem höchsten Freunde allein schafft und bildet, pflegt und nährt unsere Liebe unter einander. Wo sich Menschen begegnen, die den Herrn Jesum kennen und lieben und Seine Kraft an ihren Herzen erfahren, da fühlen sie sich bald zusammengezogen; da reden sie mit einander, als wären sie schon Jahrelang bekannt und tauschen ihre innersten Gedanken gegen einander aus. Und wo die Liebe wohnet, da hat, soviel dieß seyn kann auf dieser armen Erde, der Himmel seine Wohnung aufgeschlagen, da weht uns eine Luft an aus einer andern Welt, da wird's uns wohl um das Herz, und wir spüren, was David spricht im 133. Psalm: „Siehe, wie fein und lieblich ist's, daß Brüder einträchtig bei einander wohnen! Wie der köstliche Balsam ist, der vom Haupte Aarons her abfleußt in sein Kleid, wie der Thau ist, der von Hermon herabfällt auf die Berge Zion; denn daselbst verheißet der Herr Segen und Leben immer und ewiglich.“ Es ist lieblich auf der Hochzeit zu Cana; denn hier ist eine innige und herzliche Bruderliebe unter Allen.

IV.

Es ist ein Fest der Freude, zu welchem wir die Gäste in Cana versammelt sehen; es ist eine Hochzeit, bei welcher sie zusammensitzen und fröhlich sind. Sie haben etwa erbauliche Gespräche geführt, sie haben gebetet, sie haben an Gottes Wort, an dem gegenwärtigen Heiland sich ergötzet; aber sie haben auch die irdischen Gaben Gottes mit Danksagung und frohem Muthe empfangen und genossen. Sie sind nicht traurig, nicht finster, nicht mißmuthig gewesen; es war eine große Fröhlichkeit unter Allen, nicht die Fröhlichkeit der Mitmenschen, nicht die ausgelassene Lust der Leichtsinnige, nicht die Ueppigkeit des reichen Mannes, nicht die Schwelgerei der Sadducäer, es war eine stille, genügsame, harmlose Fröhlichkeit unter ihnen. Ueberfluß hatten sie nicht; diese beiden Eheleute scheinen fast arm gewesen zu seyn; wenigstens ist der Mangel bald genug eingetreten. Aber die in Cana versammelt sind, können auch bei Wenigem sich genügen lassen; und der gottselige, genügsame Mensch genießt Alles viel froher, als ein Anderer; wie ein Kind nimmt er mit Dankbarkeit und Freude Alles an aus der Hand Gottes, und versteht die große Kunst, auch der kleinsten Gabe sich zu erfreuen, auch, was täglich wiederkehrt, neu und lieblich zu finden. Und wenn es drückend und unheimlich ist, unter Menschen zu seyn, deren Inneres von finsterer, murrender Unzufriedenheit erfüllt ist, die an Allem, was sie besitzen, nicht genug haben, sondern ihre Hände nach immer neuen Gütern ausstrecken; wenn das Haus eines ungenügsamen, nimmer satten Menschen von den finstern Geistern der Undankbarkeit, des Neides, der ruhelosen Begierde heimgesucht ist: so ist es da gar köstlich zu seyn und zu wohnen, wo eine kindliche, dankbare Freude ist an allen Geschöpfen und Gaben Gottes, wo zur Fröhlichkeit nur Weniges erfordert wird, wo man sich beschränken, sich etwas versagen kann, ohne die Zufriedenheit zu verlieren, und also mit Paulus spricht: „Ich habe gelernt, bei welchem ich bin, mir genügen lassen; ich kann niedrig seyn, und kann hoch seyn; ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beide satt seyn und hungern, beide übrig haben und Mangel leiden; ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ O wo sie also sprechen, da sind sie reich ohne Silber und Gold, vergnügt ohne Ueberfluß, froh ohne Fülle; der Segen Gottes wohnt unter ihnen, der sichtbare, Alles begleitende, Alles erfreuende Segen Gottes! O wie lieblich ist's auf der Hochzeit zu Cana; hier herrscht eine stille, kindliche, dankbare Fröhlichkeit; hier ist der Segen gottseliger Genügsamkeit!

V.

Aber wie es ist in dem Leben aller Menschen, so war es auch hier. In stiller, harmloser Freude sitzen sie auf der Hochzeit zu Cana beisammen; da offenbaret sich nach kurzer Zeit Noth und Mangel. Zwar was hier den Hochzeitleuten Widriges begegnet, ist eben nicht von besonderer Art; es mangelt ja nur das irdische Getränk für die Gäste. Aber es war doch beschämend und peinlich für sie, die versammelten Freunde nicht mehr bewirthen zu können. Das fühlte auch Maria, darum wendet sie sich an den Herrn und spricht: „Sie haben nicht Wein.“ Sie hofft, Er werde dem Mangel abhelfen, Seine göttliche Macht und Weisheit werde das rechte Auskunftsmittel zu treffen wissen. Und daran hatte sie vollkommen Recht; es ist keine Noth, groß oder klein, für welche der Herr nicht die rechte Hülfe bereit hätte. Aber es will sich nicht ziemen, Zeit und Stunde der Hülfe Ihm vorschreiben zu wollen; darum weist Er Maria zurecht mit den Worten: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht kommen.“ Er weist sie zurecht, nicht mit harten Worten; denn der Ausdruck: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen,“ lautet etwas hart und auffallend nur in unserer Sprache; aber Er weist sie doch entschieden zurecht, und kann es; denn Jesus ist auch seiner Mutter Gott und Heiland, ihr Haupt und Herr. Darum unterwirft sie sich auch gerne Seinem Ausspruch, sagt zu den Dienern: „Was Er euch saget, das thut,“ und harrt nun mit allen Andern, die zugegen sind und erwartungsvoll auf Jesum blicken, demüthig und geduldig der ersehnten Hülfe, die nicht ausbleibt, sondern auf wunderbare und herrliche Weise vor ihren Augen sich entwickelt.

Und wo nun in einem Hause oder in einer Gemeinschaft in Zeiten der Noth und der gemeinschaftlichen Sorge die, welche heimgesucht werden, nicht rathlos hin und her irren, nicht in Kleinmuth, in Kraftlosigkeit oder Verzweiflung gerathen, sondern die rechte Hülfe zu suchen und zu erwarten wissen; wo ein entschiedener Glaube, eine willige Ergebung, ein freudiges Vertrauen, ein geduldiges Warten sich kundgibt mitten in der Trübsal; wo die Herzen, anstatt zu murren und zu klagen, zu weinen und zu seufzen, lieber beten und die Hoffnung fest halten, Gott werde helfen zu rechter Zeit und nach dem Ungewitter die Sonne wieder scheinen lassen: da ist ein recht christliches, geistliches Leben, da ist's gut seyn und wohnen, da verklären sich auch die dunkelsten Stunden, da leuchtet mitten durch die Nacht die Freude des Heiligen Geistes, da erfüllt sich des Propheten Wort: „Es ist ein köstlich Ding, geduldig seyn und auf die Hülfe des Herrn hoffen.“ O wie lieblich, wie schön ist's auf der Hochzeit zu Cana; hier ist ein gläubiges, geduldiges Warten auf die Hülfe des Herrn.

VI.

Und als der Herr geholfen, als Er durch ein Wunder Seiner Allmacht das Wasser in Wein verwandelt hatte, da staunten sie Alle und blickten Ihn an voll Ehrfurcht und Bewunderung, voll Liebe und innerer Anbetung. Seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit, trat ihnen in dieser ausserordentlichen That entgegen, in diesem ersten Wunder, das der Herr verrichtete. Seine Jünger glaubten an Ihn; den höchsten Segen, den seligsten Gewinn, den ein Mensch für die Ewigkeit empfangen kann, nahmen sie mit hinweg von der Hochzeit zu Cana; sie glaubten an den Sohn Gottes, und empfingen das Leben durch den Glauben an Seinen Namen. Unvergeßlich war ihnen die Stunde, da die ersten Strahlen der Herrlichkeit Christi ihnen entgegenleuchteten, da sie in eigener Erfahrung sahen und hörten, welche Macht und Liebe Ihm von dem Vater gegeben sey! In der Ewigkeit noch haben sie diese Stunde gepriesen; sie ist der Anfang ihrer himmlischen Geburt, ihres geistlichen Lebens, ihres Glaubenslebens gewesen. O gesegnet, meine Geliebten, gesegnet sind alle die Stunden, wo eine Anregung, eine Erweckung für das Einzig nothwendige in uns geschieht; wo die Herrlichkeit Christi, des Sohnes Gottes, uns nahe gelegt wird; wo der Glaube an Ihn erwacht, der Eifer für Sein Reich, für die heilige Sache des Evangeliums zum erstenmale sich kund gibt! Geseegnet ist das Haus, von welchem Kräfte des geistlichen Lebens strömen, in welchem Christus also geglaubt und bekannt wird, daß Andere gestärkt werden durch Seinen Glauben und Sein Bekenntniß, und etwas mit sich nehmen können für die Ewigkeit. Geseegnet sind alle Versammlungen, alle Freundschaften, alle Verhältnisse, alle Gespräche, die hinausgehen über das gewöhnliche, alltägliche Thun und Treiben, die mehr bieten, als vergänglichen Genuß und flüchtige Freude, die nach der Regel des Apostels geordnet sind: „Mich verlanget, euch zu sehen, auf daß ich euch mittheile etwas geistlicher Gabe, euch zu stärken, das ist, daß ich sammt euch getröstet werde, durch euren und meinen Glauben, den wir unter einander haben!“ O wie lieblich, wie köstlich ist's auf der Hochzeit zu Cana; hierhaben alle einen Segen mit sich genommen für die Ewigkeit.

VII.

Auf der irdischen Hochzeit ist Christus mit Seinen Jüngern versammelt, Er ißt und trinkt mit ihnen und theilt ihre Fröhlichkeit. Aber das ist doch nur ein schwaches Bild, eine flüchtige Abschattung jener unvergleichlichen, ewigen Freude, die sie einst mit Ihm haben werden im Himmel, von jenem Abendmahl in den Wohnungen des Vaters, von jener Hochzeit, die Er halten wird mit Seinen Gläubigen, davon der Seher des neuen Bundes eine große Schaar rühmen höret mit lauter Stimme: Hallelujah, denn der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen; lasset uns freuen und fröhlich seyn, denn die Hochzeit des Lammes ist kommen und Sein Weib hat sich bereitet. Was der Herr hienieden an den Seinen thut, ist groß und herrlich: Er nimmt sich ihrer treulich an in allen Nöthen, Er grüßt sie mit dem Gruß des Friedens, Er gießet Seinen Trost in ihre Herzen, Er läßt die Kraft Seines Wortes sie empfinden, Er erquickt sie in Seinem Abendmahl, Er antwortet ihnen im Gebet, Seine Stimme dringt ihnen belebend, erfrischend durch Mark und Bein; so können die Hochzeitleute in Cana sich nicht geliebt haben, als der Herr die Seinen liebt, so lange sie in der Welt sind. Aber was ist dieß Alles gegen das, was Er Seinen Auserwählten geben wird beim himmlischen Hochzeitmahle, bei jenem Mahle, wo sie alle trunken werden von den reichen Gütern Seines Hauses, wo Freude ist die Fülle und liebliches Wesen zu Seiner Rechten ewiglich! O wahrlich, dieser fröhliche Gang, den die Junger mit dem Herrn nach Cana thun, was ist er gegen jenen Gang, den sie nach manchen dunklen Stunden zuletzt mit ihm gehen werden in den Himmel, in das verheißene Land der Seligkeit, in welchem sie Ihn sehen werden, wie Er ist, und sich freuen werden mit Ihm in unaussprechlicher, herrlicher Freude durch alle Ewigkeit! Es ist schön und lieblich auf der Hochzeit zu Cana, denn hier ahnet der gläubige Geist, wohin er zuletzt mit dem Herrn noch gehen werde, nämlich in Seine Herrlichkeit, und wie nun die Wege seyn mögen, die wir hienieden mit dem Herrn noch zu gehen haben, wir wissen doch, das Ende dieser Wege ist die ewige Seligkeit. Amen.

Quelle: Dr. Christian Friedrich Schmid/ Wilhelm Hofacker - Zeugnisse evangelischer Wahrheit, Bd. 3

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