Blumhardt, Christoph - Andachten zum 2. Buch Mose

Blumhardt, Christoph - Andachten zum 2. Buch Mose

2. Mose 8, 16.

“So spricht der HErr: Lass Mein Volk, dass es Mir diene.“

Zu Pharao, dem Könige von Ägypten, hat's müssen Mose sagen: „Lass Mein Volk, dass es Mir diene.“ Das ist auch die Sprache, die Gott gegen alle Zwingherrn bis an's Ende der Welt führt, auch gegen den Fürsten der Finsternis: „Lass Mein Volk, dass es Mir diene.“ Denn Sein Volk, d. h. alle die, die es werden sollen, - Israel war's auch noch nicht, sondern wurde es im vollen Sinne erst nach dem Auszug, - ist von ältesten Zeiten her gebunden gewesen, und immer wieder in eine Knechtschaft geraten, darin es dem HErrn nicht dienen konnte. Auch wenn man in unsere Zeit hineinsieht, wie viele Zwingherrschaft ist noch allerwärts vorhanden, um deren willen das Volk dem HErrn nicht dienen kann, wenigstens nicht, wie es sollte!

In unsrer gegenwärtigen Zeit freilich ist das das Merkwürdige, dass es den Anschein hat, als ob mit besonderem Ernst der HErr zu allen Regenten angefangen habe zu sagen: „Lass Mein Volk, dass es Mir diene!“ Bis China und Japan hinein tönt diese Stimme. Es wird auch an Spanien noch kommen, und ist gekommen! An Italien ist ernstlich die Reihe gekommen; und auch Österreich und Russland fühlt etwas davon. Das ist der Character unsrer Zeit, dass es ist, als ob eine Mose-Stimme im Namen des HErrn, wenn auch nicht im Geiste des HErrn, aber doch unter Seiner verborgenen Leitung, an alle Regierungen kommen müsste: „Lass Mein Volk, dass es Mir diene; oder du sollst sehen, wie dir' s geht!“ Denn der HErr will endlich Seine Menschen frei haben, dass sie wenigstens können, wenn sie wollen; und dies wird noch aufs Vollkommenste in der ganzen Welt erfüllt werden. Gehts dann dem Ende zu, so tut sich's nicht, dass die, welche dem Gericht entfliehen sollen, so eingeknechtet seien, dass sie ihre Seelen, auch wenn sie wollten, nicht erretten können. Ich rechne Solches für das wichtigste Zeichen der Zeit, dass diese merkwürdige Richtung des Befreiens der Völker vom Gewissenszwang so überraschend zunimmt. „Dein Werk,“ wenn Er einmal ernstlich will, „kann Niemand hindern; Dein' Arbeit darf nicht ruh'n, Wenn Du, was Deinen Kindern Ersprießlich ist, willst tun.“ Freilich wird, wenn aller Gewissen frei geworden ist, der größte Gewissenszwang noch nachfolgen, durch den bekannten Antichristen, dessen Zukunft wir kommen sehen, dem aber der HErr zuletzt durch Sein Kommen vom Himmel unmittelbar sein Ziel setzen wird.

Zusatz: Groß ist noch die Zwingherrschaft über die Gewissen in vielen Ländern. Denken wir in Europa, auch an Länder, wo es schon dämmert, wie an ein Russland, an ein Italien von oben bis unten, auch an manche andere Staaten, in welchen wohl der Grundsatz der Gewissensfreiheit ausgesprochen, aber keineswegs in erwünschter Weise durchgeführt ist, - so ist noch entsetzlich viel Knechtschaft da, dass das Volk dem HErrn nicht recht dienen kann. Wenn es will, und etwa das Wort Gottes zur Hand nimmt, so steht nur zu oft, so zu sagen, Einer mit dem Stecken da, und sagt, gestützt auf bestehende Gesetze oder Gewohnheit, voll Zorns: „Was machst du da?“ Ihrer viele müssen vor Ketten und Banden zittern, wenn sie die geringste Miene machen, dem Evangelium näher zu kommen. Als nach dem letzten italienischen Kriege die Gefangenen Österreichs, hauptsächlich Ungarn, aus Frankreich herüber über Stuttgart, Göppingen und Ulm nach Hause transportiert wurden, gab man ihnen neben vielen andern Erquickungen auch Neue Testamente. Weiterhin bemerkte ein Offizier, dass Einer der Soldaten darin las. Da hieß es: „Wenn dir dein Rücken lieb ist, so bring' mir dein Testament nicht über die Grenze.“ Nun das war noch die Brutalität eines Einzelnen; aber das Arge ist eben das, dass man in dieser Weise noch brutal sein darf, ohne gegen geltende Maximen anzustoßen. Sehen wir, über Europa hinaus, nach Cuba, nach Brasilien und sonst hin, wehe dem, mitunter auch unter Christen, bei dem man eine Bibel sieht. Wie traurig sieht's sodann in der Türkei, - doch kommts da besser, - in Persien, und sonst in heidnischen Ländern aus! Überall ist eine Knechtschaft irgend welcher Art, wenn auch nicht immer von den Thronen herab, die es nicht erlaubt, dem HErrn zu dienen, wie es sein soll. Aber werden muss es doch noch, dass „die Erde wird voll werden von Erkenntnis der Ehre des HErrn, wie Wasser, das das Meer bedeckt“ (Hab. 3, 14).

Mel. Nun danket All' und bringet.

HErr, wende das Gefängnis doch,
Wie Du einst trocknetest
Die Meereswasser, und das Joch
Ägyptens hast gelöst;
Auf dass, die jetzt mit Tränen sä'n,
Und müssen traurig sein,
Die weinend ihre Straße geh'n,
Mit Freuden ernten ein. (nach Ps. 126,4.5)

2. Mose 12,13.

Das Blut soll euer Zeichen sein an den Häusern, darin ihr seid, dass, wenn Ich das Blut sehe, Ich vor euch vorübergehe und euch nicht die Plage widerfahre, die euch verderbe.

Am letzten Abend vor dem Auszug aus Ägypten mussten die Israeliten das Osterlamm schlachten und in Reisekleidern essen, weil der Aufbruch den Morgen darauf erfolgen sollte. Es war ihnen gesagt, dass Gott nun zum Schluss eine Plage kommen lassen werde, die an Schrecklichkeit alle andern überbieten und welche die Ägypter nötigen werde, um jeden Preis sich nun selbst die Israeliten vom Halse zu schaffen. Es sollte nämlich in jener Nacht alle Erstgeburt in Ägypten geschlagen werden. Auch Israel konnte bedroht sein; und um nicht derselben Plage anheimzufallen, sollte jedes Haus mit dem Blut des geschlachteten Lammes bestrichen werden, damit, wenn dies geschehe, der Würgeengel schonend vorübergehe.

Es gehörte für das Volk viel dazu, so große Dinge fest zu glauben und daraufhin sich zu rüsten und auf einen Abmarsch sich bereitzuhalten; man konnte sich ja gar nicht denken, wie es sich machen werde! Das ganze Volk zählte über 600.000 Mann, Greise, Weiber und Kinder abgerechnet. Man überlege, wie schwer es ihnen sein musste, sich eine Abreise zu denken, ohne recht zu wissen, wohin es gehen würde, noch weniger, wovon sie leben sollten! Auch die angekündigte Plage und die Art, wie sie selbst verschont bleiben sollten, war eine nicht geringe Glaubensaufgabe für sie. Aber sie waren doch schon geübt im Glauben, opferten daher im Glauben, bestrichen ihre Türpfosten mit dem Blut im Glauben und feierten in Reisekleidern ihr Mahl im Glauben. Darum hat der Engel, der als Verderber über Ägypten kam, an allen vorübergehen können, die im Glauben das Geforderte getan hatten. Wie herrlich führte der HErr dann noch weiter über alle nachfolgenden Schwierigkeiten hinüber!

Wir nun haben auch ein Osterlamm und müssen immer denken, wir sind dem Verderber ausgesetzt, wenn wir an dieses „Lamm Gottes“ nicht glauben und nicht dadurch gleichsam mit Seinem Blute besprengt sind. Würde das Opfer Christi mehr vor unsrer Seele stehen, würden wir mehr unsre Hoffnung darauf gründen, dass Er um unsrer Sünden willen gestorben sei, und würden wir solches mehr mit gläubiger Zuversicht schätzen, so könnten wohl auch manche Plagen an uns vorübergehen, welche andere treffen; denn wir würden vor dem HErrn gelten als mit Seinem Blute besprengt!

In der Christenheit aber nimmt der Glaube an den Versöhnungstod Christi als das Mittel zur Vergebung der Sünden vollends mehr und mehr ab; Zweifel und Bedenken werden allerwärts herrschend, und alles pocht mehr auf eigene Gerechtigkeit oder will sich halten an eine Vergebung der Sünden, die nur auf bloße „Liebe“ Gottes gegründet ist, nicht auch auf Seine (das stellvertretende Opfer Christi erfordernde) Gerechtigkeit.

Wenn das so ist: Können wir da als mit dem Blute Christi besprengt gelten? Und kann da der Verderber. wenn Gottes Zorn ihn aussendet, schonend an den durch Zweifelsucht verzagten Seelen vorübergehen?

Ach, dass wir doch wieder mehr Sinn und Verstand für den Heilsrat Gottes, wie er vor uns liegt, bekämen - zu unserer zeitlichen und ewigen Errettung!

2. Mose 15, 17

“Bringe sie hin und pflanze sie auf den Berg Deines Erbes, an die Stätte, die Du, HErr Dir zur Wohnung gemacht hast, zu Deinem Heiligtum, das Deine Hand bereitet hat.“

Die Losung ist aus dem Lied genommen, welches Miriam sang nach dem Auszug aus Ägypten und nach dem Untergang der Ägypter. Miriam wünscht den Geretteten glücklichen Einzug ins gelobte Land. Ihr Geist muss freilich da von den eben Geretteten gleichsam absehen, die ja wegen einer späteren großen Versündigung, so weit sie über 20 Jahre alt waren, zu ihrer Strafe nicht in das gelobte Land kamen, sondern in der Wüste sterben sollten. Der Hauptsache nach ging aber das Gebet doch in Erfüllung. Denn die Nachkommen wenigstens kamen wirklich ins Land, und zur Stätte Silo kam wirklich das Heiligtum; und wenn Miriam vom Berg des Erbes redet, dahin Israel verpflanzt werden sollte, so sieht ihr Geist weissagend auf Zion, wohin erst später, nach etwa 500 Jahren, das Heiligtum und der Tempel kam.

Uns aber kann es einen eigentümlichen Eindruck geben, wenn wir hören, wie Miriam so fröhlich singt, und alles Volk jauchzt und hofft, und doch gerade dieses Volkes Leiber fast alle in der Wüste verfielen. Sowohl im Hebräerbriefe (3,17), als auch im ersten Korintherbriefe (10,1ff.) wird das Schicksal des Volkes als eine Warnung für uns vorgestellt, die wir auch aus Ägypten, sozusagen, geführt sind und auf- und angenommen zum Volke Gottes, dass wir nicht durch Unglauben, Untreue, Widerspenstigkeit und Abfall uns um die Ruhe Gottes bringen, zu der wir berufen sind. Es braucht viel Betens und Kampfes, um im Angefangenen zu verbleiben. Denn wenn man schon große und schöne Erfahrungen gemacht hat, und glücklich geworden ist über den Gnaden, die der HErr geschenkt, braucht's doch fortwährende Wachsamkeit und Gebet, dass man nicht wieder zum Ungehorsam und zur Sünde sich wende, und damit verliere, was man gefunden hat und zur Letzte doch noch seines Zieles verfehle. Ein Nachlass im Ernst und Kampf kann großen Schaden bringen. Täglich und stündlich müssen wir's uns daher angelegen sein lassen, es nicht durch Torheit und Sünde zu verderben. Denn wenn wir auch noch so weit vorgerückt sind, so ist immer noch Gefahr da, alles zu verlieren. Ach, dass wir alle möchten eingebracht werden zur verheißenen Ruhe Gottes!

Ich habe mir schon als Knabe meine Gedanken gemacht, wenn ich in Cannstatt war auf dem Volksfest, das dort alle Jahr gefeiert wird. Da wurden damals hohe Stangen aufgerichtet, und oben herum ein Kranz gehängt mit allerlei Sachen dran, von welchen der, welcher hinaufkletterte, etwas abrupfen durfte. Da habe ich denn die Knaben hinaufklettern sehen. Im Anfang kamen sie schnell vorwärts. Allein bei Manchen bemerkte ich, dass sie, wenn sie fast oben waren, nicht mehr weiter kamen; und ehe sie mit der Hand etwas erreichen konnten, rutschten sie wieder herab. Da war dann alle ihre Anstrengung umsonst; und mich dauerten die Knaben sehr. „Ringet danach,” fiel mir aber auch ein, „dass ihr durch die enge Pforte eingehet; denn viel werden, das sage ich euch, danach trachten, wie sie hinein kommen, und werden's nicht tun können.” (Luk. 13,24). So ist's aber, - wenn man schon fast am Ziele ist, so ist's noch gar nichts; erst wenn ich am Ziel bin, ist's gewonnen. Wenn ich's beinahe erreicht habe, und gehe dann zurück, so ist alles verloren. Darum darf man nie sicher sein. - Ebenso war's beim Rennen mit Pferden. Da ist Mancher weit vorgekommen, und hat die andern alle hinter sich gelassen, und meinte des Sieges gewiss zu sein. Aber nach und nach blieb er hinter den andern zurück, und hat's doch noch verspielt. So dürfen auch wir nie sagen: „Jetzt hab ich's!” und gleichsam aufs Ruhekissen uns legen; sondern wir müssen immer auf der Hut bleiben und immer fortkämpfen wider die Sünde. So war's denn auch bei jenen Israeliten. Die waren aus Ägypten befreit und waren durchs rote Meer geführt worden; was hatten sie doch da alles gewonnen? Und doch war's, gegen das Ende betrachtet, nichts. Denn jetzt kam die Wüste und kamen die Versündigungen und Untreuen auf dem Gang durch die Wüste und alle Alten starben hinweg, ohne das Ziel zu sehen. Gebe der Herr, dass wir nicht untreu werden, nicht in Ungeduld murren, nicht von sündlichem Gelüste uns einnehmen lassen, auch nichts versäumen, um die Kräfte, deren wir bedürfen, uns zu sichern. So lange freilich der gute Wille da ist, macht sich alles; denn der Herr hilft. Im Geistlichen geht es nicht, wie bei jenen Knaben, denen ohne ihre Schuld die Kraft ausgegangen ist. Gehen uns die Kräfte aus, so sind wir schuld daran. Denn nur Untreue macht uns kraftlos.

Mel. Alles ist an Gottes Segen.

JEsu, hilf, lass all mein Sehnen
Unter glaubensvollen Tränen
Nur nach Deiner Wohnung geh'n .
Wo wir lauter reine Freuden,
Lauter lichte Ewigkeiten,
Und bei Dir uns selig seh'n.

2. Mose 20, 8.

Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.

Den Sabbat heiligen, heißt ihn aussondern von den andern Tagen als einen Ruhetag im Gegensatz zu den Arbeitstagen. Das soll geschehen, nicht nur um von den leiblichen Anstrengungen auszuruhen, sondern auch zur Ehre Gottes, um Gottes und Seiner Sache in Ruhe zu gedenken, also auch geistliche Erquickung zu bekommen. Dessen, so sagt der HErr, sollte Israel eingedenk bleiben. Und wie für Israel, so sollte es auch für uns eine dauernde Pflicht sein, den Tag zu heiligen, weil wir so auch Gott selber heiligen. Ernstlich hat's Gott mit diesem Gebot gemeint, da dasselbe oft und mit vielen Worten und Auslegungen in der mosaischen Gesetzgebung und in den Propheten ausgesprochen wird. Und man sieht es deutlich, dass Gott damit des Menschen leibliches und geistliches Wohlergehen im Auge hatte, wie auch unser Heiland sagt, „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht“ (Mark. 2, 27). Es ist auch wirklich der Erfahrung gemäß, dass der Sonntag als Ruhetag eine außerordentliche Wohltat für den Menschen ist - und wer ihn missachtet, hat lauter Schaden davon.

Es sind aber zwei Gefahren zu vermeiden.

Die erste ist die, -dass man leicht ein Gesetzeswerk daraus macht, wie wenn alles getan wäre, wenn man nur strenge Sabbatregeln hielte! Es gibt christliche Länder, in denen man gar zu streng und übermäßig den Sonntag - welcher jetzt für den Sabbat gilt - hält; und man hat ihm Gesetze angehängt, die ganz den „Aufsätzen der Ältesten“ gleichen, die der HErr so sehr tadelt (Mark. 7, 3). Auf diese Weise macht man sich das, was Gott uns hat zu einer Erquickung gönnen wollen, zu einer Last, die unter Umständen sehr drückend, fast unerträglich werden und leiblich und geistlich schaden kann. Geistlich schadet's hauptsächlich auch darum, weil man nur gar zu leicht Verdienstliches darin findet - und um so mehr, je peinlicher man's ausführt! Der HErr aber will nur die gewohnten Erwerbsgeschäfte und die eigentliche Arbeit eingestellt wissen, wie sie sich nur zu Wochentagen eignet. Er will aber für die Tagesbedürfnisse, die auch der Sonntag hat, alle Freiheit lassen.

Indem man aber dieser Gefahr ausweichen will, geraten viele in die andere, insofern als sie doch glauben, manche Geschäfte mit unterlaufen lassen zu dürfen, die nicht taugen. „Nur ein wenig“ wollen sie tun - kommen aber immer weiter, bis der Ruhetag nicht mehr zu sehen ist! Mit solcher Nachsicht ist's bei vielen soweit gekommen, dass ihnen der Sonntag fast wie ein Werktag geworden ist. Es ist, wie wenn sie meinen würden, es sei schade, dass ihnen der Tag für den Erwerb verlorengehe! Die es so machen, müssen es mit der Zeit schwer büßen. Denn sie verkümmern sich damit ihr Leben, kommen immer mehr von Kräften, werden namentlich gerne aufgeregt und hitzig. Und sie ziehen sich nur gar zu häufig Krankheiten, wohl auch einen frühzeitigen Tod zu. Groß ist der Schaden ohnehin nach der Seite, dass man so gar nie zu einer inneren Sammlung kommt, was der ganzen Familie bezüglich ihrer Haltung zum Christentum ein Unsegen ist. Es rächt sich somit von selbst an Leib und Seele die Missachtung des gnädigen Willens Gottes, der so klar und deutlich und annehmbar mit offenbarem Wohlwollen von Gott ausgesprochen worden ist.

Ohne den Sonntag wäre der Christen ganzes Wesen bald wieder ein heidnisches - und man kann das sehen, wenn man drauf achtet.

2. Mose 20,17.

“Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Hauses, lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes, noch seines Knechts, noch seiner Magd, noch seines Ochsen, noch seines Esels, noch alles, was dein Nächster hat.“

Der Tag ist gekommen, an welchem die lieben Verlobten in unserer Mitte auf Zeit und Ewigkeit verbunden werden sollen. Wir wünschen, dass es ein gesegneter Freudentag für sie werde, auch für uns alle. Betrachten wir, was auf diesen Tag uns hingerichtet ist, und lassen wir's uns gefallen, wie es nun lautet. Ihr habt die Losungsworte gehört. diese bringen uns das 9. und 10. Gebot in Erinnerung.

Mit diesen Geboten wollte Gott durch Mosen uns hauptsächlich die feinere Art des Diebstahls und Ehebruchs verbieten, indem man nämlich nicht mit Gewalt, sondern mit List und geheimen Ränken, immer unter dem Schein des Rechts, sich das Eigentum des Nächsten zuzueignen sucht. Da kann jemand ein Gelüste haben nach dem, was des Andern ist, selbst nach dessen Weib, und Pläne schmieden, wie er's anzugreifen hätte, damit es sein Eigentum werde. und mit scheinbaren Ehren ihm zufalle. Solches ist ein großer Gräuel vor Gott. Unsäglich viel wird nach dieser Seite gesündigt, dabei die Leute ehrlich bleiben. Sie zahlen, wie sie es denn vielleicht auch vermögen, bis auf den Heller hinaus, wenn das Zahlen Not tut, sind sogar auch dem Anschein großmütig dabei; und doch ist eben dem Nächsten, was ihm lieb, ja nötig war, genommen. Mancher, der so das Opfer der Gelüste Anderer geworden ist, hat schon sein ganzes Lebensglück eingebüßt und ist bis an den Rand der Verzweiflung gekommen, während der Andere sich seiner List und seines guten Fangs oft auch schadenfroh freute. Wir begreifen es, wie der HErr auch auf dieses Gebot hin sagen konnte (5. Mose 27,26): „Verflucht sei, wer nicht alle Worte des Gesetzes erfüllet, dass er danach tue.“ Denn die verborgenen Tränen und Seufzer, welche von den Beeinträchtigten zum Himmel aufsteigen, haben ein schweres Gewicht.

Der HErr möge allen, die nach Ihm fragen, den Sinn geben, immer lieber dem Nächsten, was ihm zugehört und zu seiner Erhaltung dient, zu gönnen, ja ihm lieber zu helfen, wenn er in Gefahr steht, sein Notwendigstes zu verlieren, dass er es behalte, denn dass wir's an uns ziehen, und das peinliche Bewusstsein dann haben, dass es dem Andern der größte Kummer und Schaden sei, es entbehren und missen zu müssen. Bis ins Kleinste hinein ist das wichtig, weswegen vom HErrn nicht nur Haus und Weib, sondern auch Knecht und Magd, Ochse und Esel, ja alles, was der Nächste hat, in den Ausdruck des Gebots aufgenommen ist. Solches lehrt uns mit großem Ernst auch im Kleinen treu sein.

Eine prosaische Ermahnung auf den heutigen Tag, könnten viele unter uns meinen. Aber der Text ist gegeben. Wir sprechen darüber; und wer nachdenkt, wird finden, dass es gut ist, auch bei solchen Gelegenheiten sich ganz unter das Gesetz Gottes zu stellen. Denn „das ist meine Freude,“ sagt David (Ps. 73,28), „dass ich mich zu Gott halte,“ und wiederum Ps. 119,56): „Das ist mein Schatz, dass ich Deine Befehle halte.“ Ein Hochzeitsfest währet nur einen Tag, das Leben mit seinen ernsten Forderungen länger.

Mel. Ach, bleib' mit deiner Gnade.

Lass mich der Lüge Pfaden
Entgeh'n, wend' sie von mir;
Und gönne mir aus Gnaden,
HErr, das Gesetz von Dir.
Ich habe mir erwählet
Der Wahrheit richt'gen Weg,
Dein Recht mir nicht verhehlet,
Danach ich wandeln mög'.

2. Mose 33, 11

“Der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet.“

So glücklich sind wir freilich nicht, als es Mose gewesen ist, der mit dem HErrn reden durfte von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet. Das war doch etwas Großes und Wunderbares und sonst Unerhörtes, wie es auch am Schlusse der Bücher Mosis heißt (5. Mos. 34,10), es sei weder vor ihm, noch nach ihm ein gleicher Prophet aufgestanden, den der HErr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht. Eben darum konnte gerade dieser Mose, auf Christum hindeutend, sagen (5 Mos. 18, 15): „Einen Propheten wie mich wird der HErr, dein Gott, dir erwecken.“ Bei dem Heiland war's auch so, und in höherem, ja höchstem Grad (vergl. 23, b). Der konnte mit Seinem Vater reden, und tat dieses insbesondere, wenn Er betete, wie Ihm auch im Garten Gethsemane noch ein Engel begegnete, der Ihn tröstete, eigentlich, können wir sagen, Sein Vater selbst; denn der Engel kommt nicht aus eigener Macht, nach eigener Person, sondern ist für den HErrn der Vater selbst. So haben wir's uns auch bei Mose durch einen Engel zu denken.

Aber ein großer Trost liegt für uns darin, dass wenigstens mit Einem von uns Menschen, - und sei's auch nur Einer, - der HErr reden mochte. Uns gilt's dafür, wie wenn Er mit uns selber redete. Denn das Gespräch mit Mose hatte immer Beziehung auf alle. Es war kein Gespräch, das persönlich Ihm allein galt. So war's auch mit dem HErrn, unserem größten Bruder, JEsus. Nicht für Seine Person stand Er vor Seinem Vater; sondern es galt allen, wie bei Mose dem ganzen Volk, so bei dem HErrn JEsu der ganzen Welt. Alle Worte, die zwischen JEsu und dem Vater fielen, bezogen sich auf alle Menschen und deren Rettung und Erlösung. Somit können wir's, was so Gott mit Propheten und Seinem Sohne verhandelte, als eine besondere uns wiederfahrende Gnade nehmen. Darum müssen wir jetzt nur kindlich glauben.

Wenn denn schon in so alter Zeit solcher Verkehr mit Gott Statt fand, so lehrt uns das glauben und erkennen, wie schon damals es bei dem Vater ausgemacht war, dass es mit allen, die zu Ihm kommen wollten, ausgehen müsste zu ihrer Erlösung und Seligkeit. Es ist eine beschlossene, eine fest abgemachte Sache, die zu ihrem Ziel kommen muss, wenn auch noch so viele Schwierigkeiten sich erheben, noch so viele Rätsel erfolgen, noch so viele Dunkelheiten eintreten, in welchen sich der HErr ganz und gar ferne zu stellen scheint. Da müssen wir's festhalten, wie nahe Er sich zu Zeiten gemacht hat, um daraus den festen Schluss zu ziehen, dass unsre und aller, die glauben, Rettung und Seligkeit eine festbeschlossene Sache sei, die nur ihren Verlauf brauche, bis sie werde, dass wir also nur glauben und uns gedulden müssen, bis Eins ums Andere werde, und es nach Vollendung des Kampfes das ist, da es heißt (Offenb. 21,3): „Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.“

Zusatz: Übrigens erleben wir auch in unseren Tagen, da sich der HErr gar verborgen zu haben scheint, doch gar manches Tröstliche und Freundliche, das uns zeigt, dass Er nicht zu ferne ist, wohl auch eben jetzt wieder näher zu kommen vor hat. Beachten wir Solches, und haben wir unsre stille Freude und Stärkung daran. So bin ich gestern Abend wunderbar getröstet und gestärkt worden. Ich öffnete einen Brief, der mir von der Reise her liegen geblieben war. Der kam aus Rheinbaiern, von wo im vorigen Jahre Leute auf dem Disibodenberg, oberhalb Kreuznach, gewesen sind. Auf diesem Disibodenberge, innerhalb der ganz offenen Ruinen eines ehemalig gen großen Klosters des heiligen Disibodus, wurde im vorigen Sommer ein Missionsfest gefeiert. Ich war auch zu diesem Feste berufen und sprach im Freien von einem großen Mauersteine herab zu vielen Menschen aus allerlei Provinzen. Denn der Berg liegt so, dass viele Provinzen gegen ihn herausreichen. dazwischen hinein kamen seitwärts zwei schwer Kranke, zur Arbeit völlig untüchtige Frauen aus Rheinbaiern zu mir, die mit bekümmertem Herzen mir ihre Not und Krankheit klagten, die sie zu allem Geschäft untüchtig machte. Ich empfand großes Mitleiden mit ihnen, sprach ihnen freundlich zu, wies sie zum HErrn, dessen Verheißungen noch nicht erloschen seien, und reichte ihnen betend und zum HErrn seufzend die Hand. Sie schienen getröstet, und wir schieden von einander. Gestern nun las ich jenen Brief, der von einem Pfarrvikar war, welcher mir auch wieder einen Kranken in die Fürbitte anbefiehlt. Er beginnt damit, dass er aus Auftrag von jenen Frauen zu schreiben habe, wie sie von jenem Augenblick an sich wohler, ja sogar gesund gefühlt hätten, und seitdem zu aller Arbeit tüchtig seien. Ihr könnet euch denken, wie mich das gerührt hat.

Der HErr ist also doch noch zu haben; und wenn auch in andern Fällen Andere trotz ihres Glaubens und Bittens fortleiden müssen, also, dass es mit ihren Leiden keinen Rucker, wie man sagt, bei ihnen tun will, so ist doch das auch für diese tröstlich, wenn sie vernehmen, dass je und je Andern kann wunderbar geholfen werden, auf Gebet und Fürbitte hin. Wie viel leichter können sie dann das Ihre wieder tragen. Hoffen aber dürfen wir's alle, dass der HErr aller Welt werde noch einmal viel näher kommen, damit die ganze Welt, wie einst das ganze Volk Israel (3 Mos. 9,23), die Herrlichkeit Gottes sehe (Jes. 40,5).

Mel. Sieh, hier bin ich.

Tief in Nöten Hilf mir beten,
Kindlich beten, HErr, zu Dir.
Ach, erscheine, Wann ich meine,
mit Deiner Hilfe mir!
Lass Dich finden, Lass Dich finden;
Denn mein Herz verlangt nach Dir.

2. Mose 33, 20.

“Der HErr sprach zu Mose: Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der Mich siehet.“

Es gehörte doch bei einem Mose viel dazu, außerordentlich viel Kindlichkeit und Einfalt, so Kühnes vom HErrn zu fordern, Er möge ihn Sein Angesicht sehen lassen. Natürlich in der Selbstgefälligkeit und Anmaßung kann es auch heutzutage manchem einfallen, - wie denn viele meinen, sie müssten es erzwingen, - dass sie den Heiland sehen wollten. Aber in der Einfalt und Demut das begehren, und hauptsächlich um des Grundes willen, den Mose dabei hatte, damit er versichert würde, dass seinen Millionen Schafen, die er in der Wüste umherführte, möchte nach dem Abfall wieder volle Barmherzigkeit werden, das ist etwas Seltenes. Wir haben gar keine Vorstellung von der Tiefe eines solchen menschlichen Gemüts, wie sich's da bei Mose offenbarte; und je elender und erbärmlicher wir uns fühlen, desto wohler tut's uns, einen aus unserer Mitte, - denn das war immerhin Mose, - zu wissen, der doch noch so viel Kindlichkeit, Liebe und Gottvertrauen in sich besaß.

Der HErr aber weist denn den Mose mit seiner Bitte nicht derb ab, sondern sagt nur: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; das erträgst du nimmermehr,“ verheißt ihm jedoch, Ihm hintennach sehen zu dürfen. Das Sehen Gottes ist freilich sehr verschieden, bis es zu der höchsten Klarheit kommt, welche nach der Vollendung aller Dinge eintreten wird. So sahen die Ältesten von Israel Gott auf dem Berge Sinai (2. Mos. 24,10). Das war anders, als wenn jetzt Mose das Angesicht des HErrn sehen will, auch anders, als wenn er selbst bisher Gott gesehen, und wieder anders, als wenn er dem HErrn nun hintennach sehen sollte. Ebenfalls anders war's, wenn Propheten, wie Jesajas, Hesekiel, Daniel, auch Johannes in der Offenbarung, in einem Gesichte den HErrn sehen durften. Wenn endlich das Schauen Gottes in der Seligkeit uns in Aussicht gestellt wird, ist's das Höchste, das wir erreichen können.

Gott tut offenbar bei Mose ein Übriges, wenn Er ihm verspricht, Ihm hintennach sehen zu dürfen. Da wird dann erzählt (2. Mos. 34,10), wie der HErr an Mose vorüberging, und erst, wie Er vorüber war, ihm Mose nachsehen durfte. Was dieser sah, und wie er's sah, steht nicht geschrieben; aber es war ihm genug geschenkt. Denn im Vorbeigehen hatte der HErr gerufen: „Barmherzig, gnädig, geduldig, und von großer Güte und Treue ist der HErr!“ Er predigte hiermit von Seinem Namen. Da hat ein Mose genug gehabt, um fernerhin Mut zu behalten, sein angefangenes Werk fortzusetzen und seine Scharen zu weiden, bis sie im gelobten Lande wären.

Zusatz. Betrachten wir, was von Mose uns oben gesagt ist, von dem Standpunkte aus, dass sich's darum handelte, eine feste Grundlage zu bekommen, auf welcher die Erlösung, schließlich der ganzen Welt, sollte auf- und fortgebaut werden. Diese Grundlegung mit dem Bestehen eines Volkes Gottes war nichts Leichtes, und konnte nur durch einen großen Glaubensmut eines für so ein Volk warmschlagenden Herzens gesichert werden. So werden uns die außerordentlichen Dinge in der Geschichte Moses und des Volkes Gottes immerhin begreiflich, und auch für uns noch in hohem Grade wichtig erscheinen. Das Sehen Gottes auf Erden, um noch etwas darüber zu sagen, ist immer so, dass es sich mit dem bestimmten Schriftwort vertragen muss: „Niemand hat Gott jemals gesehen“ (Joh. 1,18; 1. Joh. 4,12.), oder mit dem, was Paulus sagt: „Den kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann“ (1. Tim. 6,16). Deutlich machts vielleicht die Stelle im Propheten Jesajas (63,9), wenn wörtlich übersetzt, wo vom Engel des Angesichts des Herrn die Rede ist, der Israel half. Hiernach scheint auch das Angesicht Gottes, wie sonst Gott überhaupt, durch einen Engel vertreten gewesen zu sein, wiewohl auch diesen, wenn er so hoch gestellt erscheint, in der ganzen Herrlichkeit Gottes, geradezu zu sehen, dem Menschen nicht möglich war, ohne zu sterben. Deswegen sagt bei Moses der Herr: „Aber du sollst Mir hintennach sehen.“

Mel. Himmelan, nur himmelan.

Halleluja Himmelan
Steig dein Dank schon hier!
Einst wirst du mit Scharen nah'n,
Und Gott naht zu dir
In Ewigkeit.
Aller Jammer ist vorbei,
Alles jauchzt, verklärt und neu,
In Ewigkeit!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/blumhardt_d_a/blumhardt-2._buch_mose.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain