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Gerlach, Otto von - Vorrede.

Gerlach, Otto von - Vorrede.

Vor nunmehr fast vier Jahren wurde der erste Versuch gemacht, eine von Richard Baxters Schriften, welche im Anfange des vorigen Jahrhunderts in Deutschland vielfach übersetzt und verbreitet worden waren, in einer neuen Gestalt wieder unter uns zu verpflanzen; und die große Theilnahme, mit der die neue Uebersetzung des “evangelischen Geistlichen“ aufgenommen wurde, diente zur Ermunterung, Baxter’s “Ruhe der Heiligen“ bald auf sie folgen zu lassen. Damals war es weder des Uebersetzers noch des Verlegers Plan, eine umfassendere Sammlung der Schriften jenes ausgezeichneten, von Gott gelehrten Mannes folgen zu lassen. Erst die beharrliche, immer weiter sich verbreitende Nachfrage nach diesen edlen Ueberresten der reich gesegneten Zeit, welche der Kirche in England in der Mitte des 17ten Jahrhunderts geschenkt worden war, hat im vorigen Jahre den Wunsch rege gemacht, eine umfassende Sammlung von Baxter’schen Schriften der Gemeine des Herrn in Deutschland zu überreichen.

Das Ausgezeichnete aller dieser Schriften, die einen Vorzug vor den meisten ähnlichen in unserm Vaterlande haben, ist zunächst ein gewaltiger, ergreifender Ernst, dem das heilige Ziel, welches Gottes Berufung in Christo uns vorgesteckt hat, so wie die Gefahr, es zu verfehlen, stets gegenwärtig ist. Dieser geht hervor aus Baxter’s reiner, schriftgemäßer Lehre von der Seligkeit und Verdammniß; er hat nicht nur keine Ahnung von den unter uns jetzt so weit verbreiteten Verfälschungen derselben durch die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge, der endlichen Seligkeit auch derer, die im Unglauben bis an’s Ende beharrt haben, sondern die unendliche Herrlichkeit der ewigen Güter, welche jenseits den Streiter Christi lohnen, so wie das unbeschreibliche Elend derer, welche ihrer verlustig gehen, ist ihm immer lebendig gegenwärtig; flößt ihm das innigste, herzlichste Erbarmen und Mitleiden ein gegen die Verirrten und Unbekehrten, und durchdringt seine Worte und Ermahnungen mit den Kräften der zukünftigen Welt.

Demnächst zeichnet diese Schriften eine höchste einfache, populäre, und dabei doch gedanken- und geistreiche Sprache aus. Sie sind sich in dieser Hinsicht zwar nicht gleich; mehreren merkt man in ihrer losen Form, und manchen Wiederholungen, die darin vorkommen, die Störungen an, unter welchen der Verfasser in seinem vielbewegten Leben sie schrieb. Dennoch finden sich in allen helle Blitze des Geistes, schöne, ergreifende Bilder, und eine rührende, bewegende Herzlichkeit des Ausdrucks. Es ist für die Verbreitung christlicher Volksschriften in Deutschland ein höchst beklagenswertes Hinderniß gewesen, daß dem neu erwachten Leben in der evangelischen Kirche seit der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts der dreißigjährige Krieg vorangegangen war, welcher die deutsche Cultur auf so lange Zeit fast gänzlich niedertraat. Daher die unleidliche Geschmacklosigkeit und Breite, und die tiefe Verderbniß der Sprache, vermöge deren wir jetzt manche Schriften von Spener, ja selbst noch von dem schon weit vorgeschrittenen Franke und dessen Zeitgenossen, ohne Ueberwindung nicht mehr lesen können. Insbesondere fehlt den Schriften dieser Männer – die von Scriver ausgenommen – meistens eine lebendig ansprechende Popularität; ohne Bearbeitung möchten sich schwerlich noch einen verbreiteten Eingang finden. In England war es dagegen anders; selbst in den stürmischen Zeiten der Mitte des 17. Jahrhunderts ging die Volksbildung keineswegs zurück; die Puritanische und Republikanische Partei machte sich während der Zeit ihrer Oberherrschaft die Beförderung theologischer und allgemeiner Bildung zur eifrigsten Angelegenheit, und Milton ging aus ihrer Mitte hervor. Wenn daher auch in den christlichen Volksschriften Englands aus dieser Zeit, und so namentlich auch bei Baxter, eine gewisse Schwerfälligkeit, Weitläufigkeit, ermüdende Beweisführungen u. dergl. vorkommen, so zeichnen sie sich doch sehr vor den deutschen Schriften jener Zeit aus, und mit weit geringeren Bearbeitungen oder Aenderungen lassen sie sich noch jetzt unter uns mit Erquickung lesen. Je mehr es nun unter uns noch an lebendigen in das Einzelnde eingehenden, populären christlichen Schriften über die wichtigsten Gegenstände des inneren und äußeren religiösen Lebens fehlte, desto mehr empfehlen sich diese Blüthen der christlichen Literatur Englands zu einer Verbreitung unter uns. Die Uebersetzung ist nur zum Theil von mir verfaßt; ich glaube aber versprechen zu können, daß die Liebhaber dieser Schriften bei vielen derselben dadurch nur gewinnen werden. Ueber die Reihenfolge der Schriften läßt sich jetzt noch nichts mit völliger Gewißheit sagen. Die ersten beiden Bändchen umfassen die Haupt-Schriften Baxters, welche von der Bekehrung handeln. Im dritten werden zwei folgen „über den Umgang mit Gott“, an welche ähnliche über einzelne Gegenstände oder Seiten des christlichen Lebens sich anschließen werden. Wenn mir Gott Kraft und Zeit schenkt, wird das Ganze mit einer ausführlichen Bearbeitung von Baxters Leben beschlossen werden. Er, der zu jedem guten Werke Segen und Gedeihen geben muß, möge auch diese zu seiner Ehre unternommene Arbeit krönen.

Berlin, im März 1837.
Otto von Gerlach.

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