Baxter, Richard - Selbstverleugnung - Das XXXII. Capitel.

Baxter, Richard - Selbstverleugnung - Das XXXII. Capitel.

Unnoethige Wissenschafft / und Belustigung darinnen muß verlaeugnet werden.

Es belustiget sich auch das Fleisch weiter in unnoethiger Wissenschafft / und strebet offt sehr nach derselben. Diese Lust muß verlaeugnet werden. Diß ist die gemeine Suende fast aller Menschen; aber doch hat der eine mehr Lust daran / als der ander. Auch diejenigen / die da koennen hin leben und wissen nicht recht den Grund ihres Glaubens / zu geschweigen / daß sie solten Rechenschafft von demselben geben koennen / die sind doch begierig unnuetze Dinge zu wissen / und fragen viele thoerichte Fragen von Dingen / die uns nicht offenbahret sind / oder die sie nicht angehen / da sie unterdessen das uebersehen / daran ihre Seligkeit lieget: Allein die Gelehrten / und sonderlich die mit sonderlichem verschmitzten Verstande begabet sind / und die beym disputiren sind erzogen worden / sind am meisten geneiget zu dieser Suende: Ob diß nun schon ein schaendliches Laster ist / so bethoeret es doch den Menschen so / daß es von den meisten vor Tugend gerechnet wird.

GOtt kan man nicht zu viel erkennen / so kan auch kein Mnesch allzu sehr begehren zu haben das rechte Erkaentniß Gottes in Christo JEsu / ohne diese Wissenschafft ist das Gemuethe nimmer gut / noch das hertze geheiliget / noch der Mensch selig: So kan auch keiner zu viel wissen von dem Willen oder Worten Gottes / noch auch von seinen Wercken / in welchen er sich der Welt offenbahret: Allein die fleischliche Wissenschafft / welche muß verlaeugnet werden / ist einer andern Art / denn die heilige Wissenschafft der Glaeubigen und dieser Unterscheid ist zu ersehen in folgenden.

1. Diese Begierde zu wissen / welche in den Unheiligen ist / kommt theils allein her von ihrer Natur / theils auch von einer Unart in ihnen / welche gleich ist einem verdorbenen und hitzigen Appetit / der das begehret was ungesund ist / und ist dennoch so ueberaus begierig darauf. Allein die Begierde zu wissen in den Heiligen wird erwecket durch die Liebe GOttes / und durch die Liebe zu denen heiligen und himmlischen Dingen / die sie begehren zu wissen. Die Gottlosen werden nicht durch die Liebe GOttes zu ihrem Fleiß getrieben / sondern aus fleischlicher Begierde etwas zu wissen / welches denn erhellet aus ihrem Ende / denn

2. Diese fleischliche Wissenschafft ist nur dem fleischlichen Sinn zu gefallen / damit derselbe habe / daran er sich moege ergoetzen / davon er moege reden / etc. Denn unser Verstand wird dadurch verbessert / so ist es auch von Natur angeheme etwas zu wissen / ueber deme so kommen darinnen vor neue und unterschiedliche Dinge / so macht es uns auch das Ansehen / daß wir weiser scheinen als andere Leute / und gibt uns an die Hand Materien / davon wir discuriren / und damit wir uns moegen sehen lassen / etc. Aus dieser und dergleichen Ursachen haben auch die aergesten eine Begierde etwas zu wissen. Aber dieses ist die Wissenschafft / die verlaeugnet werden muß / diejenige aber / darnach wir muessen streben / und die hoch zu achten ist / daß wir GOTT erkennen / damit wir ihn lieben / ehren / vertrauen / loben / preisen und geniessen moegen; daß wir erkennen Christum / damit wir moegen Gemeinschafft mit ihme haben: Daß wir erkennen das Wort / und die Wercke GOttes / daß wir in demselben ihn moegen lernen erkennen nach seinem Wesen / und nach seinem Willen / und in deme wir seinen Willen erkennen / ihme moegen dienen / und zu gefallen leben: Dieses muß der Zweck und Absehen seyn der Wissenschafft eines Christen. Es ist nichtes in der Welt von allem / was GOtt offenbahret hat / das wir nicht solten wissen moegen / und welches zu wissen Lust haben verboten waere in solcher Ordnung / daß wir nicht bekleben bleiben an der Creature / oder an dem Verstande der Worte / sondern gebrauchen ein jegliches Ding als ein Buch / oder als ein Spiegel / GOtt darinnen zu sehen: Wir lieben ein Buch nicht so sehr um der schoenen Buchstaben willen / als um der Sache willen / die darinnen enthalten sind: So lieben wir auch nicht ein Spiegel so sehr um sein selbst willen / als weiln wir uns darinnen bespiegeln koennen: Also wenn wir der Creaturen gebrauchen als ein Buch / darinnen wir den Willen GOttes lesen / und seine Natur und Wesen erkennen / und als ein Spiegel / darinnen wir die Herrlichkeit GOttes sehen koennen / so ist unser Fleiß und Wissenschafft Christlich und geheiliget: und solcher gestalt / wie Paulus nichtes begehret zu wissen / als CHristum den Gecreutzigten / soll ein jeglicher Christ sagen und gedencken / daß er nichtes begehret zu wissen als GOtt in CHristo. Denn ob wir schon viele tausend Dinge wissen / die an und vor ihnen selber schlecht und geringe sind / dennoch so lange wir dieselben begehren zu wissen / nicht um ihr selbst / sondern um GOttes willen / so bestehet unsere Wissenschafft nicht so sehr in dem / daß wir sie wissen / als daß wir GOtt in denselben erkennen / und ist diß alles also nur GOtt erkennen; Eben wie es eine Beschaffenheit hat in unserer Arbeit und Christlichen Pflicht / ob schon die Dinge / welche wir verrichten / an sich selbst viel und unterschiedlich sind / dennoch ist es alles nur Gott zu dienen / so lange wir es zu seinen Ehren thun. Diß ist der vornehmste Unterscheid unter einem unheiligen und gottseligen Gelehrten in allem ihren studieren. Der eine trachtet nur dahin seinen fleischlichen Sinn und vorwitzig Gemuethe zu ergetzen / und Lob / Ehr und Ruhm zu erjagen / oder gebrauchet seines studierens auf andere Art und Weise vor sich selbst: Der andere aber forschet und bemuehet sich zu erlernen das Wesen und Willen seines Schoepffers / und wie er alles sein Thun so moege einrichten / daß sein Schoepffer am meisten moege dadurch geehret und gelobet werden. Also wenn diese beyde eben dieselbe Buecher lesen / und eine Materie studieren / so kommt doch eines mit des andern Thun gar nicht ueberein / weil ihr Ende und Absehen in allen ihren Thun nicht uebereinstimmen; Der eine ist zu frieden mit blosser Speculation, und solchem Wissen welches aufblaehet; Der andere aber studieret darum / daß er moegen in seinem hertzen entzuenden ein heilig Feuer der Liebe / welches im Leiden erfrischen / und staercken moechte Gehorsam seinem GOtt zu leisten.

3. Ferner / so sind auch insgemein die Materien unterschiedlich: welche sie begehren zu wissen; denn obschon nichtes ist / das ein Gottloser nicht so wol wissen kan als ein Gottseliger / und auch wenig Dinge sind / die er nicht moechte um einig selbstisch Ende begehren zu wissen; So ist doch gemeiniglich ein fleischlich Hertz mehr geneiget andere Wissenschafft zu haben / als in geistlichen Sachen sich zu ueben / oder kommt er zu geistlichen Sachen / so hat er die meiste Lust an streitigen Puncten / und solchen Sachen / die nicht so sehr dahin gehen das Hertze zu bessern / als nur mit Fragen den Verstand zu ueben: Ein geheiligter Mensch aber hat die meiste Lust recht zu erkennen das Geheimniß der Erloesung / den Reichthum der Gnaden / die Herrlichkeit darauf erhoffet / das Wesen und Willen GOttes / was von ihme erfodert werde zu thun / und wie er dasselbe verrichten moege / die Versuchungen die ihme im Wege stehen / und die Gefahr darinn ihn dieselbe fuehren / wie er denen entgehen moege / und dergleichen / dadurch er und sein Neben-Mensch mag erbauet werden. Der eine hat seine Lust nur am Winde und Spreu der Worte; Der ander aber gehet um mit den nothwendigen / geistlichen und himmlischen Puncten / ja es ist nicht so sehr / daß er moege verstehen / ex. gr. den Verstand oder Meynung der Schrifft / als daß er darinnen mag finden / und lieben / und geniessen / und sich ergoetzen an dem GOtt / an dem Heyland / an dem Geist und an dem Leben / welches die Schrifft offenbahret hat: Aber eines Heuchlers Wissenschafft ist meistentheils nur Grammatica & superficialis, die nur beym Buchstaben bleibet und sich nicht bemuehet die offenbahrte Sachen in seiner Seelen zu empfinden und zu fuehlen.

4. Weiter: so ziehet solche fleischliche Begierde zur Wissenschafft die Seele von GOtt ab zur Creatur; Ein fleischlicher Mensch suchet nur sich selbst und die Creatur in seiner Wissenschafft / dannenhero je mehr solche Wissenschafft er erlanget / je weiter er von GOtt abkommt. Dieses war Adams Versuchung und Suende / daß er selber wolte wissen / was gut oder boese waere / auf daß er destoweniger GOttes moechte beduerffen / alles von Ihme zu haben / was ihme gut oder boese waere / auf daß er moechte sein Vertrauen auf sich selber setzen / und so viel besser ihme selber leben koente. Geistliche und geheiligte Wissenschafft aber / die fuehret uns ab von uns selbst.

5. Fleischliche Wissenschafft wolte gerne GOttes Gesetze Graentzen und Ziel uebertreten / und das wissen / welches GOTt nicht offenbahret / und gucken in die Geheimnisse GOttes: Ein fleischlich Hertz bildet ihme ein / es wolle weiter gehen / als ein Mensch gehen kan / da es unterdessen wissentlich versaeumet und nicht wil verstehen lernen / das jenige / welches ihme diese Thorheit benehmen moechte. Es ist so unverstaendig / daß es nicht kan begreiffen die geringste und schlechteste Creatur GOttes / und dennoch hat es so stoltze Einbildungen die hoechste Geheimnissen zu erreichen; und ob es schon durch seine Unwissenheit nicht verstehet dasjenige / welches es wissen moechte / und kan nicht sehen dasjenige / welches ein weiser und erleuchteter Mensch sehen kan / dennoch so zancket es vielmehr mit dem Licht als mit seinem Auge / und hat vielmehr das Wort GOttes und andere klare Gruende in Verdacht / als seine eigene Blindheit. Aber geistliche und geheiligte Wissenschafft haelt maeßig von sich / ist demuethig und gehorsam / begehret auch nicht hoeher zu steigen als die Leiter ist / auf daß nicht durch den einen Tritt / der allzuhoch seyn solte / mehr verlohren werde / als durch alle Muehe zuvor erjaget war. Ein solcher findet genug zu thun dasjenige zu erlernen / was GOTt in seinem Worte ihme befohlen hat / und hat derowegen nicht Zeit darum sich zu bemuehen / was GOtt vor ihme verborgen hat. Das Absehen und Zweck seiner Wissenschafft ist / daß er dieselbe in seinem Christenthum gebrauchen moege / darum achtet er das nicht groß / welches keinen Nutzen hat; so weiß er auch / daß GOtt am besten ihme sagen kan / was ihme am dienlichsten sey zu wissen / darum haelt er das vors beste / was GOtt ihme hat in seinem Wort vorgeschrieben.

6. Fleischliche Gemuether lernen was sie wissen wollen nach ihrem Willen / und nach ihrem Kopff: Aber Geistliche lernen es in dem Wege und Ordnung / der von GOtt vorgeschrieben ist / das ist / 1. in seiner Kirchen / welche ist die Schule / 2. aus seinem Worte / welches das Buch ist / so uns zu lernen befohlen / 3. durch seine Prediger / welche Er geordnet hat uns zu lehren / 4. in Gehorsam gegen seinem Geist / der alles in uns wuercken muß / 5. in eiferigem und andaechtigen Gebet um diesen Geist und dessen Segen. Dieses ist GOttes Weg / darinnen er die Menschen zum seligmachenden Erkaentnueß und Wissenschafft will bringen.

7. Fleischliche Gemuether nehmen gemeiniglich nicht in Acht die Ordnung in ihrem studieren / die GOtt erfordert; sondern sie fangen an / an dem welches sich am besten mit ihrem fleischlichen Sinn reimet / ddas dem alten Adam nicht zuwider ist / sie suchen hie ein wenig / und da einw enig aus / und machen daraus was sie wollen / zwingen es / daß es mit ihrem fleischlichem Gemuethe muß ueberein kommen / und das bekraefftigen / welches sie am liebsten wollen. Aber ein geistlicher Mensch der faenget an vom Grunde / und lernet erstlich dasjenige / was zum Wesen der Christlichen Religion gehoeret / und solche Stuecke / daran das ewige Leben hanget / und so faehret er ordentlich fort / wie ein Punct vor dem andern nuetzlich oder noethig ist / so erwehlet er denselben.

8. So ist auch ein grosser Unterschied quoad Modum, oder in der Art und Weise dieser Wissenschafft: Ein fleischlicher Mensch der gehet derwegen fort / und mit sonderlichen Einbildungen / ohne Ehrerbietung / und so redet er auch von GOtt und goettlichen Dingen / richtet und urtheilet dieselbe / da er vielmehr sich selbst / und seine Thaten nach demselben richten solte / ziehet und drehet das Wort GOttes / wie es ihme am beste gefaellt; Ein Geistlicher aber forschet mit Furcht und Ehrerbietigkeit / haelt sich selbst verdaechtig in Ansehen seines grossen Unverstandes und Blindheit / ist aber unterdessen willig und bereit sich von dem Licht leiten und fuehren zu lassen in seinem gantzen Leben.

Nachdeme nun in diesem angezeiget / was fleischliche Wissenschafft ist / so hat ein jeder dahin sich zu bearbeiten / selbige zu verlaeugnen. Zaeumet und bezwinget eure allzueiferige Begierde zu lernen / wie ihr waerdet bezwingen euren freßigen Appetit: Wo ihr ein solches Gemuethe habet / das hoeher und weiter gehen wolte / als GOtt in seinem Wort euch offenbaret hat / oder ein Gemueth / das endlich will / oder muß die Ursach wissen / von allen Wercken und Gerichten Gottes / und welches murret / wenn alle seine Zweiffel ihme nicht benommen werden / so gedencket / daß dieses ist Selbst / welches muß verlaeugnet werden / und wo einer weise ist in seinen Augen / daß er muß ein Narr werden / auf daß er weise werde / 1 Cor. 3/ 18. und daß ihr muesset kommen zu Christi Schule wie die kleinen Kinder / wo ihr wollet seine Juenger seyn: Bedencket auch / daß diese Luesternheit des Verstandes / diese Verwegenheit und Einbildung eures fleischlichen Gemuethes in gewissen Respect eine groessere und gefaehrlicher Suende sey / als oeffentliche schandbare Laster; und daß ihr eure Seele so wohl betriegen und ins Verderben stuertzen koennet bey einem sittsamen und erbaren Leben / indeme ihr Selbst in seiner curiositaet den Willen lasset / als wenn ihr in groben und schaendlichen Luesten des Fleisches lebet.

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