Baxter, Richard - Selbstverleugnung - Das XXIII. Capitel.

Baxter, Richard - Selbstverleugnung - Das XXIII. Capitel.

Unnoethige und eitele Kurtzweil / und Zeit-Vertreib / muß verlaeugnet werden.

Ferner so ist ein fleischlich Werck / das verlaeugnet werden muß; Unnoethige und eitele Kurtzweil / Zeit-Vertreib / unnoethige Lust und Ergoetzung. Denn dieses ist auch eine von den Huren / dazu sich das Fleisch wendet / und nachlaeuffet / wenn es sich von GOtt kehret.

Recreationes und Ergoetzungen sind beydes erlaubet von GOtt / und sind auch nuetzlich / wenn sie folgender Gestalt beschaffen sind. 1. Wenn sie nicht suendlich sind / so daß einer seine Lust und Ergoetzung suchen wolte in einem Dinge / das GOtt der HErr absonderlich verboten: Denn es laesset sich nicht mit den Suenden spielen / oder schertzen. 2. Wenn man einen heiligen Zweck und Absehen darinnen hat / als nemlich das Gemueth und den Leib munterer und geschickter zu machen / zum Dienste Gottes / und daß nicht unser vornehmster Zweck ist unserm Fleische zu gefallen: wenn man ohne Heucheley sagen kan: Ich wolt diese Lust nicht begehren / wenn ich wueste / daß ich ohne dieselbe mein Gemueth und meinen Leib staercken und geschickt machen koente / zum Dienste Gottes. 3. Wenn man nicht unnoethige Ergoetzung all zu sehr liebet / und bleibet auch nicht laenger in denenselben / denn sie sich schicken mag / zu obgemeldem Zweck / und daß man nicht die herrliche Zeit vergeblich darinnen zubringet. 4. Wenn die Ergoetzung nicht ungebuehrlich / zu viel oder zu groß / zu kostbar / oder durch dergleichen Zufaelle unzulaeßig gemachet wird. 5. Wenn sie nicht mehr veranlassen / zu Laster und zum Boesen / als zum Guten / daß sie etwa Anlaß geben zu Geitz / Unzucht / irrdischem Sinn / etc. 6. Wenn sie nicht denen / die bey uns sind / an der Seelen mehr schaden / als sie uns nuetzen moechten / daß wir etwan die Schwachen / die solche Ergoetzung unzulaeßig achten moechten / nicht aergern. 7. Wenn sie zu rechter Zeit gebrauchet werden / daß sie uns nicht von noethigen und wichtigen Sachen abhalten. 8. Wenn wir derselben uns nicht gebrauchen unter solcher Gesellschafft / die uns nicht anstehet. 9. Endlich wenn wir einen Unterscheid machen unter denen Ergetzungen / und wenn wir die Wahl haben von unterschiedlichen / die Beste aussuchen / da das geringste Ergernues moege mit gegeben werden / die nicht sehr kostbar sey / und welche am besten befoerdere die Gesundheit unserrs Leibes.

Wenn man diese Regeln in acht nimmt / so sind die Ergetzungen eben so zulaeßig / als Schlaff / Essen und Trincken / oder Artzney.

Aber leider! die fleischliche und gottlose Welt gebrauchet derselben weit anderst. Bißweilen ergetzen sie sich mit der Suende selbst / durch Mißbrauch des Namens GOttes / seiner Diener / seiner Creaturen: Fressen und Sauffen / und irrdisch gesinnet seyn / ist etlicher Leute hoechste Lust. Und ob schon die Obrigkeit durch ihr Gesetze und Ordnungen ihnen solche Ergetzungen verbeut / und GOtt will / daß man der Obrigkeit / so lange ihre Ordnungen nicht wider sein Wort sind / gehorchen soll / so machen sie ihnen davon kein Gewissen. Ja es mag die Ergetzung so zulaeßig seyn / wie sie wollen / so machen sie eine gottlose Ergoetzung daraus / weil sie einen gottlosen und fleischlichen Zweck haben. Sie ergoetzen sich nicht in der Intention, daß sie dadurch sich moechten geschickt machen / zum Dienste Gottes / zum heiligen und gottseligen Leben und Wandel; sondern nur allein / weil es ihrem Fleische wol behaget: Eben wie die Saeuffer / Fresser / Hurer / etc. die nur allein auf ihre Lust sehen / und wenn sie gefraget werden / warum sie in solchen Suenden leben / nichts anders antworten koennen / als weil sie Lust und Ergoetzlichkeit daran haben; Also ist es auch mit Luestlingen / und der Wollust ergebenen Leuten. Wie wenig unter viel tausend solte man wol finden / die mit Karten oder Bretspiel sich ergoetzen / die in der Warheit sagen koennen / sie wolten dieses nicht thun / wenn es nicht waere / daß sie sich dadurch geschickt macheten zum Dienste Gottes? ich meines theils wueste keinen: Vielleicht in andern Ergoetzungen moechte man finden / die mit Warheit koenten solche Antwort geben / aber nicht in dieser. Ach! es ist diese Suende nicht so geringe als viele Unbußfertige und durch Betrug der Suenden verstockte Seelen dafuer halten. Es ist eine mit von den schreyenden Suenden / und wie ich davor halte / eine Suende die neben andern / den letzten Krieg ueber uns rieff / und ist doch noch nicht halb abgethan. Die vornehmsten im Lande / die da solten aufferzogen seyn / in der Furcht Gottes und andern guten Kuensten und Sprachen / und solten dem gemeinen Volck mit Maeßigkeit und heiligem Leben vorgehen / die waren schaendlich und bestialisch ersoffen in diesem Stuecke der fleischlichen Lust. An statt daß sie solten neben ihrem Gesinde eiferig zu GOtt beten / heilige Unterredungen pflegen / ihre Hausgenossen unterrichten in den Wegen des Herren / so ward die Zeit zu Karten- und Bretspiel angewandt / dabey viel Fluchen und Schweren vorgieng / die Kinder und Dienstboten lerneten diß / und machten es eben also. Sie wandten mehr Zeit an diß / und ein Jagen / Vogel fangen / Comoedien / und dergleichen / als an ihren Gottes-Dienst / ja mehr als an ihre rechtmaeßige und von GOtt befohlene Beruffs-Geschaeffte: Sie lebten / als ob sie keinen Beruff haetten / oder nichtes vor sie zu thun waere / denn all ihre Arbeit war fast / daß sie auffstunden / zogen sich denn an / schmuecketen sich / complementirten die um sie waren / darauf zu Tisch / nach der Mahlzeit nahmen sie vor ihre Ergoetzung / entweder daheim oder bey andern / biß daß es wieder Zeit war zum Abend-Essen / da legten sie denn ihre Ergoetzung ueber / oder hatten andere unnuetze Geschwaetz / und so dann wieder zu Bette: das gieng so fort / von einer Zeit zur andern; Sie setzten sich nieder zu essen und zu trincken / und stunden auf zu spielen / Exod. 32/ 6. 1. Cor. 10/ 7. Sie lebeten in der Suende Sodoms / Hoffart und alles Vollauff / Ezech. 16/ 49. Sie traten in die Fußstapffen dessen / von deme CHristus ihnen gesaget hatte / daß er vergebens bete / um einen Tropffen Wasser seine Zunge zu kuehlen / Luc. 16/ 19. waren praechtig gekleidet / und lebeten alle Tage herrlich und in Freuden. Ihr gantzes Leben wurde aufgeopffert ihrem Fleisch / ihren Bauch / und ihrer Lust. Biß daß GOtt in seinem Zorn auf sie hereinbrach / und gab ihnen etwas anders zu schaffen / hieng ihnen den Brodkorb etwas hoeher entzog ihnen die uebrigen Gueter / die Gelegenheit der Suenden / und schuettet Verachtung / Sorge und Spott ueber sie; Dennoch ist diese Suende noch so gemein auf den heutigen Tag / unangesehen der erschroecklichen Worte / Esa. 5. 11/12/13. Wehe denen die des Morgens auf sind / des Sauffens sich zu befleißigen / und sitzen biß in die Nacht / daß sie der Wein erhitze / und haben Harpffen / Psalter / Paucken / Pfeiffen und Wein in ihrem Wolleben / und sehen nicht auf das Werck des HErrn / und schauen nicht auf die Geschaeffte seiner Haende / darum wird mein Volck muessen weggefuehret werden unversehens / und werden seine herrlichen Hunger und sein Poebel Durst leiden; Darum hat die Hoelle die Seele weit auffgesperret / und den Rachen auffgethan ohn alle Masse / daß hinunter faharen / beyde ihre Herrlichen und ihr Poebel / beyde ihre Reichen und Froelichen / Amos. 6/ 1.4.5.6.7. Wehe den Stoltzen zu Zion / die ihr schlaffet auf Elffenbeinen Lagern / und treibet Uberfluß mit euren Boten / ihr esset die Laemmer aus der Heerde / und die gemaesteten Kaelber / und spielet auf dem Psalter / und erdichtet euch Lieder wie David / und trincket Wein aus den Schalen / und salbet euch mit Balsam / und bekuemmert euch nichts um den Schaden Josephs; Darum sollen sie nun vornen an gehen / unter denen die gefangen weggefuehret werden / und soll das Schlemmen der Prager auffhoeren.

Die herrliche Zeit / die diese Leute verwuesten in ihrem Mueßiggang und Ergoetzungen / ist mehr werth / denn alle ihre Gueter / und wenn nichts mehr waere / als eben diß / das ihre Suende groß machet / so bekenne ich doch meines theils / ich halte es fuer eine weit groessere Suende / als die ist / darum Diebe an den Galgen gehaencket werden! Was? Daß Leute die mehr von GOTT empfangen / denen GOtt mehr vertrauet / als andern / und sind ihme deswegen mehr verbunden / und koennen ihme viel vortrefflicher Dienste thun / daß solche Leute sollen leben / als Epicurer! Und da sie eylen zu einem Leben / das ewig wehren wird / und kein Ende haben / daß sie ihre meiste / ja fast alle Zeit anwenden / ihrem suendlichen Fleisch zu gefallen. Ich halte dieses fuer eine der groessesten Suenden von der Welt! Dannenhero auch kein Wunder ist / daß Christus / da er einen Verdammten wil vorstellen / einen beschreibet / der so gelebet habe / Luc. 16. und dafern sie nicht durch wahre Buß und Bekehrung anderst werden / und neue Menschen / so haben sich seine Brueder nichtes anders zu versehen als ihme wiederfahren ist / und keine andere / als diese Antwort zu vermuthen: Gedencke Sohn / daß du dein Gutes empfangen in deinem Leben / da hingegen Lazarus hat Boeses empfangen: aber nun wird er getroestet / und du wirst gepeiniget.

Viel unter ihnen wandten auf einen Falcken oder Hund so viel und mehr / damit sich mancher armer Mensch lange haette behelffen moegen: Und setzten grosse Summen Geldes auf in Karten- oder Wuerffelspiel / Wette rennen / etc. unziemlichen Uberfluß / Zorn / Fluchen / Schweren / das waren die gemeinesten Tugenden bey ihrer Ergoetzlichkeit / in diesem musten andere ihnen Gesellschaft leisten / damit sie ja nicht alleine verdammet wuerden. Und eben in ihrer Ergoetzung sind sie unbarmhertzig und ungerecht / indeme sie armer Leute Zaeune und Korn niederreissen / begehren ihnen nichtes wieder zu erstatten / ja sie wollen nicht einmal leiden / daß sie darum angesprochen und gebeten werden. Sie haben an keiner Gesellschafft mehr Belieben / als die am besten fluchen / und die leichtfertigste Possen und Reden hervor bringen koennen: Fragen auch nichts darnach / weme es auch verdriesse / sondern wo einer nicht darff / oder nicht wil so mit machen wie sie / der muß ihre Kurtzweil vermehren / und sich von ihnen verlachen und bespotten lassen. Diß alles thun sie / da sie doch viel ehrliche / wolfeile und Christliche Erquickungen und Ergetzlichkeiten haben koenten / dadurch sie geschickter gemachet wuerden zum Gottesdienst.

Aber nicht allein der Adelstand / sondern auch was die Jungen und viele andere betrifft unter den gemeinen Leuten / sind eben so gesinnet / wie diese Epicurer / und machens eben so / so weit als ihre Gueter zustrecken wollen. Man sihets ja / wenn sie nur kommen koennen zu sauffen / spielen / etc. wie sie nichts an sich ermangeln lassen / und wie sie darinn mehr Ergetzlichkeit finden als im Gebet / oder Lobe GOttes / oder gottseligen Unterrichtungen / etc. Ach elende Leute! Rennet die Zeit mit solcher Geschwindigkeit vorbey / und muesset ihr eilen zu dem erschrecklichen Gerichte GOttes / und ihr habet noch nicht genug Zeit-Vertreib? Habet ihr ein so grosses und wichtiges Werck zu thun / und ist eure Zeit so kurtz / und so ungewiß / und muesset ihr noch allenthalben euch umthun nach etwas / damit ihr die Zeit vertreiben koennet? Muß es euch so gehen in Ewigkeit / entweder im Himmel oder in der Hoelle / wie ihr diese geschwind-lauffende / und Spannenlange Zeit zugebracht habet / und habet ihr noch Tage oder Stunden uebrig zu unnoethigen Ergetzungen? Was ist es doch / das euch so gar eurer Vernunfft und Verstand berauben oder blenden kan? Da euch doch alle eure Vernunfft und Verstand nur ist gegeben diß eine Ding / wie ihr wollet ewig wol seyn / zu lernen. Ja wir koennen kaum die elende verblendete Seelen ueberreden / daß sie unrecht hieran thun. Was / sagen sie / kan das schaden in Karten oder Brete zu spielen / zu jagen / zu rennen / oder dergleichen Ergetzlichkeit / wie koennen wir leben ohne Ergetzung? Aber / mein Freund / kan es nicht schaden / wenn einer / der nicht weiß / welchen Augenblick er in die Ewigkeit soll versetzet werden / und demnach alle Augenblicke wachen soll / wenn der ohne Noth nach dem Willen seines Fleisches lebet / nur damit man thue was das Fleisch (unser Feind) gerne wil: daß man so viel herrliche Zeit verleuret / darinnen er solte nachjagen nach dem vorgestreckten Ziel / auf daß er es oechte ergreiffen? Daß einer doch so fragen mag! Gesetzet / eure Ergetzung waeren an und vor sich selbst die allerrechtmaeßigsten / und wol zulaeßig / kan wol eine groessere Suende seyn / als wenn ihr denn woltet euer Hertz daran haengen / und machen sie zum Gott / und viel herrliche Zeit damit verderben / indeme ihr derselben ohne Noth gebrauchet? Ergoetzung ist eine Artzney / aber man muß sie nicht gebrauchen wie Speise / als ob man allein davon leben mueste: Sie ist wie das Wetzen / das ein Maeher thut an seiner Sichel / die wetzet er nicht / es sey denn noethig; die meiste Zeit mit unnoethigem Wetzen hinzubringen / wuerde schlechten Lohn setzen. Ach! daß ihr nun wuestet / was fuer ein Werck ihr zu verrichten habet / und wie wenig Zeit ihr dazu habet / ihr wuerdet die Zeit besser in acht nehmen / und wuerdet eure Geschaeffte so austheilen / daß ihr durch unnoethige Ergoetzung nicht viel Zeit verlieret. Denn ihr seyd entweder in solchem Beruff / daß ihr mit dem Gemuethe oder Kopffe arbeiten muesset / wie die Studierenden / oder aber daß ihr mit dem Leibe oder Hand Arbeit verrichten muesset. Ist euer Beruff zu studieren / so habet ihr keine andere Ergoetzungen noethig als des Leibes / denn die unterschiedlichen Materien im studieren sind die besten Ergoetzungen und Erquickungen des Gemuethes: Und zwey Stunde des Tages spatzieren zu gehen ist gnugsame Ergoetzlichkeit des Leibes einem solchen / der sonsten gesund ist / und so beschaffen / daß er arbeiten kan. Seyd ihr aber in solchem Beruff / darinnen ihr mit dem Leibe arbeiten muesset 7 und etwan Hand-Arbeit / oder sonsten Geschaeffte zu verrichten habet / dadurch der Leib beweget wird / so habet ihr keiner Ergoetzung des Leibes noethig / nur allein Ergoetzungen des Gemuethes: Wenn ihr denn nun GOtt und sein Wort liebet / was koentet ihr fuer bessere Ergoetzungen begehren / denn was ist lieblicher / denn zu betrachten die Liebe GOttes in Christo / und zu gedencken an das Gesetz des HErrn Tag und Nacht / Psal. 1/ 2. und Ihn anzuruffen / sich zu freuen in seinem Lob und Preiß / und in der Gemeinschafft der Heiligen? Ist nicht ein Tag in seinen Vorhoefen besser / denn sonst tausend? wie David durch den Geist GOttes getrieben saget / Psal. 85/ 11. Aber / was soll man sagen / es ist das ungetoedtete und widerspenstige Fleisch / das euch so verblendet / daß ihr nicht sehen koennet / noch glauben der Warheit / denn sonsten wuerde dieses so hell und klar seyn als die lichte Sonne.

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