Arndt, Friedrich - 44. Andachten zur Apostelgeschichte

Arndt, Friedrich - 44. Andachten zur Apostelgeschichte

Apg. 1.

Herr Christe, wir danken Dir, daß Du nach erhaltenem Sieg wider alle Deine und unsere Feinde Deine fröhliche Himmelfahrt mit großer Majestät, im Triumph und Jubel der heiligen Engel gehalten und Dich zur Rechten Deines himmlischen Vaters gesetzt hast, da du uns täglich in allen unsern Nöthen treulich vertrittst und für uns bittest. Also hat Dein Kreuz und Leiden ein seliges und gewünschtes Ende genommen, und bist als der himmlische Bahn- und Durchbrecher durch den Tod zu Deiner ewigen Herrlichkeit eingegangen, uns tröstlich zu lehren, daß wir hier in diesem Leben mit Dir leiden, auch der ewigen Herrlichkeit sollen wir theilhaftig werden. Lieber Heiland, Du bist am Ufer, wir sind noch auf dem wilden Meere; Du bist im Siege, wir sind noch im Streit. Gib uns Deine Gnade, daß wir Dir mit unserm Herzen und Gedanken fleißig nachsehen, auf daß unser Herz sie, wo unser Schatz ist. Laß uns alles Weltliche gering achten, damit wir uns zu Dir in die Höhe mit herzlichem Gebet und Seufzen, als mit den rechten Flügeln des wahren Glaubens, aufschwingen können. Wir glauben und trösten uns ja festiglich, weil Du gen Himmel gefahren als unser Haupt, du werdest uns als Deine lieben Glieder nicht hier im Elend lassen, sondern endlich, wenn wir unsern Lauf durch Deine Hülfe vollendet und im wahren Glauben beschlossen, auch zu Dir nehmen. Und weil Du nicht allein zu Deinem, sondern auch zu unserm Vater aufgefahren bist, so erfülle Deine tröstliche Zusage, liebster Erlöser, und hole uns bald zu Dir, denn uns verlanget von Herzen nach Dir. Wir wollten zwar jetzt bald lieber bei Dir in unserm himmlischen Vaterlande sein, als in dieser elenden Pilgerschaft länger wallen; wir wollten unsre irdische Hülle gern ablegen, denn wir sehnen uns nach unserer Behausung, die im Himmel ist; aber das wird doch nicht geschehen, bis Du uns nach Deinem Wohlgefallen im Frieden heimfahren lässest. Unterdessen wollen wir mit unserm Gemüthe in den Himmel dringen, und mit dem Verlangen bei Dir sein, durch den Beistand Deines heiligen Geistes, auf daß wir zwar mit dem Leibe hier auf Erden behalten werden, mit dem Herzen aber stets bei Dir im Himmel sein, der Du bist unseres Herzens Freude und Wonne, hochgelobet in Ewigkeit. Amen.

Apg. 2.

Komm, heiliger Geist, der Du einst am Pfingstfest dreitausend unsterbliche Seelen ergriffen und zum Leben in Christo erweckt hast, erfülle auch an diesem Pfingstfeste die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner himmlischen Liebe. Sind wir’s gleich nicht werth, daß Du kommst und uns erhörst, wir sind’s doch alle bedürftig, und Du willst ja nicht ansehen unsere Würdigkeit, sondern allein unsere Noth und Bedürftigkeit. Komm denn, und stille unsere Sehnsucht, taufe die Menschheit mit Deiner Alles durchdringenden Feuertaufe und erfülle mit Deinen himmlischen und unvergänglichen Gaben die ganze Christenheit. Komm zu den Millionen, die noch kein Pfingstfest feiern können, weil sie den süßesten aller Namen nicht auszusprechen wissen, und geleite zu ihnen die Füße der Boten, welche Frieden verkündigen. Komm zu den Millionen, die noch kein Pfingstfest feiern wollen, weil die Sünde sie abhält und die Lustgelage der Welt ihnen lieber sind als die Festtage in den Vorhöfen Deiner Tempel. Komm, Geist des Vaters und des Sohnes, und erwecke die Leichtsinnigen, daß sie sich besinnen und ihre unsterbliche Seele retten, begeistere die Trägen, befestige die Wankelmüthigen, erfreue mit Pfingsttrost die Traurigen und erquicke mit den Hoffnungen der ewigen Pfingsten alle, die im Sterben liegen und vielleicht heute noch davon müssen. Komm hernieder und segne uns Alle, und gehe Keinem mit Deinem Segen vorüber; rette, was sich retten läßt, und vollende das Werk Deiner Erbarmungen, das Du in uns angefangen hast, bis auf den Tag Deiner Zukunft. Erhöre unser Gebet und siehe nicht an den Tod unserer Herzen, sondern das Ja und Amen Deiner Verheißung; erneure unsere Wünsche, unsere Neigungen, unsere Gefühle, unsere Gedanken. Und einst, wenn die Tage des Wartens und Betens vorüber sind, dann sende Deine Schnitter, die heiligen Engel, und hole uns heim zu den ewigen Pfingsten, die nimmer wieder untergehen. Amen.

Apg. 3.

Aus dieser merkwürdigen Heils- und Wundergeschichte der beiden Apostel lerne ich, daß Jesu Werk nach seiner Himmelfahrt nicht stehen geblieben, sondern erst recht fortgegangen ist; daß es eine gewisse und köstliche Wahrheit ist, daß ich einen Heiland habe, der vom Kripplein bis zum Grabe, bis zum Thron, da man Ihn ehret, uns, den Sündern zugehöret; und daß, wenn Er auch selbst den Augen der Menschen entzogen ist, Er doch seinem Werke sich nicht entzogen hat, sondern zum Zeugnisse seines Lebens vor Freunden und Feinden es unaufhaltsam fortführt mit göttlicher Macht und Herrlichkeit. Er hat seine Gemeinde seitdem noch immer erhalten und ausgebreitet. Während Völker aufkamen und verschwanden, war Er ihrer Hülfe Schild und das Schwerdt ihres Sieges. Sein Volk stirbt nicht aus, sein Werk stockt nicht, des Herrn Vornehmen geht durch seine Hand fort, bis Allen das Evangelium gepredigt ist zu einem Zeugnisse über sie. So ist die Zeit des neuen Testaments eine Zeit des Suchens und Sammelns, und jeder neue Sieg im Reiche Gottes ein neuer Beweis, daß der Herr Jesus den Himmel eingenommen hat und auf Erden das Werk der Seelenrettung fortsetzt mit Macht und mit Liebe. O setze es auch bei mir fort, Herr Jesu; ermüde nicht, wenn ich Dir immer neue Mühe mache durch meine Verkehrtheiten; bin ich todt, so rufe mir, wie Petrus dem Lahmen, durch die Stimme Deines heiligen Evangeliums kräftig in’s Herz; stehe auf und wandle! bin ich aufgestanden, so stärke mich zu laufen den Weg Deiner Gebote nach dem vorgesteckten Ziele! bin ich endlich bis an’s Ende gelaufen und habe meinen Lauf vollendet, so hilf mir, in die selige Ewigkeit überzugehen! O habe ich dieses von Dir, Herr Jesu, was frage ich darnach, wenn ich kein Gold und Silber habe? Du bist ja wichtiger als Gold und Silber, Du bist mein Leben und meine Auferstehung für und für. Amen.

Apg. 4.

Barmherziger Gott und Vater, Dank sei Dir, daß Du uns die Beständigkeit der ersten Zeugen von dem einzigen Heil in dem Namen Deines lieben Sohnes hast aufzeichnen lassen. Es war Dein Werk, daß sie vor dem hohen Rathe in Jerusalem ein so herrliches Zeugniß von ihrem Heilande abgelegt, sich durch das Verbot der Vorsteher des jüdischen Volks von dem Gehorsam gegen Dich nicht haben abhalten lassen, sondern desto freudiger geworden sind, gegen alles Drohen der Feinde den Namen Jesu zu verkünden. War es gewiß traurig genug, daß die heiligen Apostel das Meiste von denen zu leiden hatten, die das Werk des Heils hätten am meisten schützen und fördern sollen, und ist es noch immer herzzerreißend, daß das Evangelium, das der Welt Gutes bringt, von ihr dafür Böses empfängt, und daß die Welt alles Predigen vertragen kann, nur nicht die Predigt von dem Gekreuzigten und das Heil in Seinem Namen, so ist es andererseits doch eine rechte Stärkung, daß alle Verfolgungen der Welt und aller Druck Deiner Feinde weder der heiligen Sache noch ihren Bekennern schaden, sondern jene allezeit fördern und ausbreiten, diese aber im Glauben an Dich und in der Liebe unter einander stärken und befestigen. O laß auch mich nie den Zweck der Bedrängnisse, die Du über Deine Kirche zulässest, aus den Augen verlieren. Laß Alles zu meiner Befestigung in der Gnade dienen, was etwa Widriges in der Nachfolge Jesu mir begegnet. Laß mich besonders festhalten, daß die beste Wehr und Waffe der Kirche in allen Nöthen und Verfolgungen das Gebet ist, und es immer treuer üben. Laß mich nach dem herrlichen Exempel der ersten Liebe Deiner Gläubigen von der Liebe zur Welt abgezogen, mit Allen, die Dich lieb haben, Ein Herz und Eine Seele sein. Amen.

Apg. 5.

War es denn nicht anders möglich, als daß Jesus einen Verräther unter seinen Aposteln und die erste Kirche in ihrem Schoße einen Heuchler haben mußte? O fielen Ananias und sein Weib mitten unter den warmen und lebendigen Christen jener Zeit in die Stricke des Satans, wie groß ist unsere Gefahr in der gegenwärtigen Zeit, von so vielen lauen und warme Christen umgeben! wie leicht schleicht sich Unlauterkeit und Heuchelei ins Herz hinein, Geiz und Mißtrauen in Gottes Vorsehung! Bewahre mich, Herr, vor solcher Versuchung und laß das Beispiel der um ihrer Unreinheit und Untreue todt auf die Erde niedergestürzten Sünder mit allezeit warnend vor den Augen stehen, damit ich nie in eine gleiche greuliche Sünde falle und gleiche Strafe verdiene. – Von den Aposteln aber laß mich lernen den Muth und die Treue im Bekenntniß. Ach, Herr Jesu, ich bitte Dich, bekenne mich einst vor Deinem himmlischen Vater; und damit Du solches thun könnest, wirke und stärke in mir durch die Kraft Deines Geistes die lebendige Erkenntniß Deiner Wahrheit und den rechtschaffnen Glauben, damit, was durch denselben in dem Herzen ist, auch durch den Mund zum äußern Bekenntniß werde. Dämpfe dagegen in meinem Herzen alle Liebe zur Welt und alle Furcht vor Gefahr, worin ich durch das Bekenntniß gerathen möchte, durch Vorstellung der herrlichen Güter Deiner Wahrheit, die unsers Leidens mehr als würdig sind. Gib mir dabei aber auch die Weisheit, zu erkennen, wann, wo, wie mein Bekenntniß nöthig sei, damit ich weder zu viel noch zu wenig darin thue. Vor allen Dingen lehre mich mit heiligem Wandel Deinen Namen und Deine Lehre bekennen, und reinige mich vorn allen Sünden, womit ich bisher meinen Christenberuf befleckt und Dich verläugnet habe. Erwecke dazu auch in meinen Brüdern und Glaubensgenossen Kraft und Muth, daß Dich unser Aller Herz, Mund und Leben bekenne, hier in der Zeit unserer Unvollkommenheit, bis wir dort erkennen und preisen Deine uns erzeigte Gnade, rühmen Deine Treue, und Dir sammt dem Vater und dem heiligen Geiste für Alles danken in alle Ewigkeit. Amen.

Apg. 6.

Eine Frage fällt mir schwer auf’s Herz beim Lesen dieser Geschichte: bin auch ich ein Armenpfleger? und wenn ich auch kein Amt der Art bei der Kirche oder Stadt verwalte, nehme ich mich nach meinen Kräften und nach dem Vermögen, das Gott darreicht, der Armen in meiner Umgegend auf die rechte, gottgefällige Weise an? Jesus hat’s ja gesagt: „Arme habt ihr allezeit bei euch,“ und im alten Testamente heißt’s: „Wer dem Armen gibt, der leihet dem Herrn; derselbige wird ihm wieder vergelten.“ Es thut dabei aber nicht sowohl Noth, daß man den Armen Geld, als daß man ihnen Arbeit gebe, und nicht nur, daß man sie arbeiten, als daß man sie auch glauben und beten lehre; es ist nicht genug, daß die Empfänger der Gabe bedürftigsind, sondern sie müssen ihrer auch würdig sein, wie damals vorzugsweise die Witwen tägliche Handreichung empfingen; es ist nicht jeder dazu geeignet, sondern nur derjenige, welcher, wie Stephanus und seine Genosse, ein gutes Gerücht hat, voll heiligen Geistes und Weisheit ist, und seine Gabe demnach mit gottesfürchtigem Herzen spendet. Das Amt der Armenpflege ist kein Brodamt, kein Gewerbe, sondern ein Amt christlicher Liebe und thätigen Glaubens. Es will freundlich verwaltet werden. Mit der gebenden Hand muß das Herz treulich mitgeben, und zwar Lehre und Ermahnung, Warnung und Züchtigung, Trost und Ermuthigung in aller Freudigkeit. Wie? bin ich ein solcher Armenfreund und Armenpfleger? Herr, Du warst es, wie kein anderer; gib mir Deinen Geist, daß ich’s auch werde. Segne jedes Wort und Werk, das ich aus christlichem Herzen an meinen armen Mitbrüdern thue, und bedenke in Gnaden, daß auch ich selbst nichts bin, als eine arme, arme Seele, die Du pflegen und warten und erlösen wirst aus aller Noth der Sünde, wenn sie nicht verloren gehen soll. So segne, pflege, warte und erlöse mich, Herr! Amen.

Apg. 7.

Allgütiger Vater, Gott aller Hoffnung und alles Trostes, verleihe mir in allen Widerwärtigkeiten, die mich im Leben, insbesondere im Bekenntniß des Glaubens, treffen, den lebendig machenden Trost und die wahre Beruhigung der Seele. Eitel und vergeblich ist aller Trost der Welt; in Dir allein liegt die Stärke und Stütze meiner Seele. Es drückt mich die Last von mancherlei Unglück; aber durch Dein innerliches Zureden und Deinen Trost wird sie leichter gemacht. Keine Kreatur wird mich so traurig machen können, daß Du nicht vielmehr durch den Geist der Freude mich aufheitern könntest. Es bedrängt mich die Hitze von mancherlei Anfechtungen; aber das Kosten Deiner Süßigkeit gewährt mir eine angenehme Labung. Es träufeln aus den Augen die Thränenströme; aber Deine allgütige Hand wischt sie ab. Wie Du dem Stephanus mitten unter den Steinwürfen Dein freundliches Antlitz anzuschauen gabst, so wollest Du mir Elenden in allen Widerwärtigkeiten Deinen Trost zu genießen geben. Wie Du im traurigsten Todeskampf Deinem Sohne einen Engel zum Tröster sandtest, so wollest Du mir in jeder meiner Traurigkeit Deinen Geist zur Unterstützung senden. Ohne Deine Stärke falle ich unter die Last des Kreuzes hin. Vertilge in mir die Liebe zur Welt und zu den Kreaturen, denn wer diesen anhanget, wird niemals der wahren und ungetrübten Ruhe theilhaftig werden, denn alles Irdische ist dem beständigen Wechsel der Veränderung unterworfen. Sollte aber eine dürftige und schwache Kreatur die Ruhe der Seele stören können, welche ich in Dir, meinem Vater und Erlöser, gewiß und unbeweglich besitze? Sollten die Fluthen der Welt, jenes unruhigsten Meeres, den Felsen meines Herzens erschüttern können, den ich in Dir, dem höchsten und unveränderlichen Gute, unbeweglich fest habe? Ja, Dein Friede übertrifft alle Erkenntniß; derselbe wird auch den Angriff aller Widerwärtigkeiten überwinden. Um diesen innern Frieden bitte ich Dich, allgütiger Vater, mit demüthigem Seufzen, und wenn einst meine Todesstunde kommt, um den offenen Himmel über mir, um die Bitte: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf,“ in mir, und um das Amen Deiner Erhörung vor mir. Amen.

Apg. 8.

Je demüthigender Simon der Zauberer erscheint, desto lieblicher und erwecklicher der Kämmerer der Königin Candace aus Mohrenland. Es ist an sich schon etwas Erhebendes, wenn ein Mensch, dem es an keinem irdischen Gute fehlt, die höheren, himmlischen Güter sucht, wenn die Seele alle jene Schranken, welche die Welt um sie gezogen hat, durchbricht, um das zu erlangen, was die Welt nicht geben kann; aber besonders erhebend ist es, wenn es so ernst und eifrig geschieht, wie bei ihm. Was lehrt mich seine Geschichte? Sie lehrt mich dreierlei vor allem; 1) wer in der Irre geht, der suche die Schuld nicht im Herrn, sondern in sich selbst; denn Er sucht jeden, Er gibt jedem sein Wort, Er führt auch jedem Gelegenheit zu, es kennen und verstehen zu lernen; jeder Kämmerer hat seinen Philippus. 2) wem das Heil angeboten wird, der eile und nehme es an. Es wird aber Allen angeboten, Gottes Gnade ist eine allgemeine Gnade. Namentlich gibt es fünf Stufen auf dem Wege des Heils: Gott führt uns aus dem Weltgeräusch in die Stille, in der Stille zur Bibel, in der Bibel nach Golgatha, von Golgatha zum Bekenntniß, und vom Bekenntniß zur Entsagung. Alles wie beim Kämmerer. 3) wen Er nach der Heimath ruft, der ziehe seine Straße fröhlich. Die Heimath ist der Himmel und die Seligkeit; wohl dir, wenn du ihrer im Glauben und Gemeinschaft mit Christo bist gewiß geworden! Der findet dort Freude und liebliches Wesen zur Rechten Gottes immer und ewiglich: wie sollte er im Glauben nicht Schon Vorfreude genießen auf jenes Schauen? Herr, laß mich Dich denn suchen! Laß mich Dich finden! Führe mich die Straße nach der Heimath zu, und auf ihr fort bis zum Ziele! Laß mich weder rechts noch links wegsehen, und halte meine Augen helle und meine Füße munter, daß ich keinen Fehltritt thue, und endlich auch in der dunkeln Kluft des Todes nichts als Licht und Gnade sehe.

Treuer Jesu, bleib bei mir;
Geh’ voran, ich folge Dir. Amen.

Apg. 9.

Gott meines Lebens, wie schlecht genutzt, wie fruchtlos dahin geschwunden ist die Zeit, welche Du mir gabest, Deinen Willen zu thun! Wie lange Jahre, wie viele Tage und Stunden sind mir verloren gegangen, in denen ich ohne Gewinn vor Dir gelebt habe! Wie werde ich vor Deinem Gerichte bestehen? Wie werde ich meine Augen erheben können zu Deinem Antlitz bei jener großen Prüfung, wo Du mir in’s Gedächtniß zurückrufest alle meine Sünden und Schanden? Gnädigster Vater, erbarme Dich über mich, wie Du Dich über Saulus erbarmt hast, und vergib meine verlorne, ach leider so lange Zeit! Und nun entbrennet, alle meine Wünsche und lenket euch zum Herrn Jesu hin; laufet, denn ihr habet lange genug gezögert; eilet, wohin ihr gehet; suchet, den ihr suchet. Ihr suchet Jesum von Nazareth den Gekreuzigten; denn um Seinetwillen allein sollt ihr da sein. Er ist aufgefahren gen Himmel, Er ist nicht hier. Er ist nicht, wo Er sein edles Haupt nicht betten konnte. Er ist nicht, wo Er stand, um von Pilatus gerichtet zu werden. Er ist nicht, wo Er angespieen und gegeißelt ward, wo Er verwundet mitten unter Verbrechern hing. Er ist nicht, wo Er vom Steine verschlossen und von der Wache verwahrt lag. Hoch über die Himmel, über alle Herrlichkeit der Engel ist Er mächtig emporgestiegen zur Rechten des Vaters. Von da aus ergreift Er jeden Sünder mit seiner Gnade und fragt ihn: Saul, Saul, was verfolgest du mich? Wer noch klagen will, daß Er ihn nicht geweckt habe, der muß fester schlafen als die Siebenschläfer, der muß die Decke der Sünde und Verblendung bis über die Ohren heraufgezogen haben. Von da aus hast Du auch mich gerufen, Herr Jesu, o wie oft seit meiner Geburt an! O hilf, daß ich höre und nicht wider den Stachel ausschlage, damit ich auch ein Paulus werde, mit Deiner wahren Gemeinde Frieden habe und Trost des heiligen Geistes, und wie Tabea aus dem Tode erweckt werde, und Deine Herrlichkeit sehe. Amen.

Apg. 10.

In diesem Kapitel steht ein oft mißverstandenes, oft gemißbrauchtes Wort: “In allerlei Volk, wer Gott fürchtet und recht thut, der ist Ihm angenehm.“ Soll das wirklich heißen, wie man es auslegt: es sei ganz gleich, welcher Religion und Confession man angehöre, ob man Jude oder Türke sei, wenn man nur ein ehrlich Mann ist und seinen Nachbarn ungeschoren läßt, so werde man selig? Soll dem religiösen Indifferentismus damit das Wort geredet und der flachste aller Grundsätze bestätigt werden: fürchte Gott, thue Recht, scheue Niemand? Nimmermehr. Wenn Petrus es so gemeint hätte, so hätte er sich nicht brauchen auf den Weg zu machen, um den heidnischen Hauptmann Cornelius Christo zuzuführen, sondern konnte ihn ruhig bleiben lassen, was er war. Petrus meint gerade das Gegentheil, er lehrt, daß Gott das Heil in Christo keinem Volke, keiner Familie, keinem Einzelnen vorenthalte, daß alle Ihm angenehm und willkommen sind, wenn sie durch die enge Thür eingehen wollen, daß es aber nur einen Weg zum ewigen Heile gebe, den Glauben an Jesum Christum. Durch seine frühere strenge Gesetzlichkeit war Cornelius bloss vorbereitet auf Christum, und erst die Predigt von dem Gekreuzigten gab jenem Hauptmann den Lebensstoß. Es gibt nämlich eine doppelte Werkgerechtigkeit: die eine, wenn sie sich selbst genügt, zieht von Christo ab und ist Zunder auf dem Wege zur Hölle; die andere, wenn sie immer tiefer geht und erkennt, wie sie in sich selber keine Frieden findet, bereitet Christo den Weg. Die Erfahrung, in welche Cornelius durch die Gnade Gottes und die Predigt Petri eingeleitet wurde, war die: Christus ist des Gesetzes Ende, wer an Den glaubt, der ist gerecht. Luther sagt: „Da stehet ja eben diese Historie wie die schöne Sonne uns vor Augen, wer es nur sehen und die Augen will aufthun, daß Cornelius, er sei so fromm er wolle, soll er die Hoffnung des ewigen Lebens haben, so muß er Petrum hören und von ihm sich taufen lassen.“ Ich danke Dir daher, Herr, daß ich ein Christ bin; möge ich es immer mehr werden; Christus ist mein einziger Trost im Leben und im Sterben. Amen.

Apg. 11.

Wie sie doch wächst, die Gemeinde des Herrn! Schon sind nicht bloß die berufenen Genossen des Volks Israel, sondern auch die Samariter und große Schaaren von Heiden in dieselbe eingegangen; schon ist der Name „Christen“ zum Unterschiede von den Juden in Antiochien aufgekommen, und ein großes Volk dem Herrn Jesu zugethan. Ja, weil Israel das Wort des Lebens verstößt, wendet es sich mit Macht an die Heiden, und wird jenen ein Geruch des Todes zum Tode, diesen ein Geruch des Lebens zum Leben. Und die Apostel sind froh über die Gnade Gottes und ermahnen die Neubekehrten, daß sie mit festem Herzen an dem Herrn bleiben wollten. Wohl ist die Kirche Jesu Christi seitdem nach außen hin noch weit mehr gewachsen, ganz Europa bekennt sich zum Kreuze des Herrn, und die Gemeinde zählt nicht nach Hunderten, sondern nach Millionen; aber wo ist die Gestalt der apostolischen Kirche geblieben? Wie haben die Heiligen abgenommen, wie ist der Gläubigen so wenig geworden auf Erden! Die Erndte ist wohl groß und das Feld weiß zur Erndte; aber der Arbeiter sind wenige. Ach, Herr, gieße Deinen heiligen Geist aus über Deine Kirche und die Gemeinden, die Du gesammelt hast, daß sie nicht mehr nur, was irdisch ist, denken, wie jetzt geschieht, sondern wie die erste Gemeinde ihre Freude darin finden, Dein Werk zu treiben, erst unter sich selbst, dann aber auch unter denen, die noch ferne sind von Gott, und rüste Du Diener aus, wie Barnabas, voll heiligen Glaubens, rechte Arbeiter, und segne ihre Arbeit, auf daß sie sich mit einander freuen, die da gesandt werden und die da senden. Insbesondere treibe Dein Werk bei mir, daß alle die köstlichen Namen, welche Deine Jünger in der heiligen Schrift führen: „Fromme, Gerechte, Heilige, Kinder Gottes, Christen“ an mir lauter Wirklichkeiten und Wahrheiten werden, und vollende, was Du angefangen hast, bis auf den Tag Jesu Christi. Amen.

Apg. 12.

In einem Lobgesange des. Alten Testaments heißt es von einer großen Errettung: „Die Elenden sehen’s und freuen sich, und die Gott suchen, denen wird das Herz leben. Denn der Herr höret die Armen, und verachtet seine Gefangenen nicht. Es lob Ihn Himmel, Erde, Meer und Alles, was sich darinnen reget.“ Dies Wort gilt recht buchstäblich von der verlesenen Geschichte. Eine furchtbare Verfolgung war nach der Zeit der Erquickung über die Gemeinde ausgebrochen, der König der Juden, Herodes Agrippa, wollte sie vertilgen, und griff die Sache sehr klüglich an, indem er gegen die Säulen der Kirche seine Angriffe richtete, Jacobum tödtete und Petrum in den Kerker warf. Am andern Morgen sollte auch dieser Knecht des Herrn hingerichtet werden. Bis zu dieser fast hoffnungslosen Höhe stieg die Noth. Die Feinde Gottes triumphierten schon, seine Diener, seine Kinder trauerten. Aber die Gemeinde hörte nicht auf zu beten für den theuern Apostel, und wunderbar ward er gerettet. Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit, bewies es, daß er lebt und stärker ist als alle Pforten der Hölle. Selig, wer der Gemeinde des Herrn angehört, und unter Ketten und ehernen Thüren beten kann wie sie! An allen Verheißungen, die ihr im Ganzen gegeben sind, hat er seinen besonderen Antheil. Die Augen des Herrn sind ohne Unterlaß auf ihn gerichtet und seine Kämpfe enden mit einem herrlichen Siege. Ja, mein Herr und Gott, Du bist und bleibst ein Gott, der Gebet erhöret. Das ist Dein Name, und Du machst ihn wahr. Hilf mir denn beten und glauben, und laß keine Noth mein Gebet hemmen und hindern, sondern vielmehr fördern, so wirst Du hülfreiche Engel senden und verschlossene Thüren öffnen, alle Hindernisse meines Heils aus dem Weg räumen und meine Feinde vollends zu Schanden machen. Vor allem aber bewahre mich vor Hochmuth; denn hohe Augen sind Dir ein Gräuel, und Hochmuth kommt vor dem Fall. Gottlob: je näher der Teufel, je näher bist Du auch, und wer sich zu Dir nahet, zu dem nahest Du Dich. Amen.

Apg. 13.

Was Jesus vorhergesagt hatte, daß das Reich Gottes würde den Juden genommen und den Heiden gegeben werden, damit sie seine Früchte brächten, das erfüllt sich jetzt mehr und mehr. Statt sich zu freuen, daß die Heiden in Antiochien auch Hunger und Durst fühlten nach dem Worte des Lebens, wurden die Juden neidisch, widersprachen und lästerten, und zwangen dadurch den heiligen Apostel, sich ausschließlich mit seiner Freudenbotschaft an die Heiden zu wenden. Wenn das Wasser von dem harten Felsen und dem hochmüthigen Berge abtrieft, dann fließt es hinter in’s Thal; dort wässert es Wiesen und Auen, daß sie dastehen im lieblichen Gottesschmucke. So floß es hier von den Juden ab, und floß hinüber zu den Heiden. – Wie das Evangelium vor den Juden vorbeigewandert ist durch ihre eigne Schuld, so kann es auch von uns fortwandern. Durch die Sünden der Völker ist das Wort Gottes geworden wie eine Wandertaube. Luther sagt einmal: „Erst haben es die Juden gehabt, jetzt haben sie den Mammon; dann haben es die Griechen gehabt, jetzt haben sie den Türken; dann haben es die Römer gehabt, jetzt haben sie den Pabst.“ Dann warnt er das deutsche Volk, daß es nicht meinen solle, es müsse immer so bleiben, daß die Gnadenbotschaft wie ein reicher Regen auf dasselbe niederströme; die Friedenstaube kann eben so weiter fliegen wie von jenen Völkern. Und was von den Völkern gilt, gilt nicht minder von den einzelnen Herzen. Wenn man nur erst hinein ist in den Widerspruch, dann setzt sich das Herz täglich fester; und ein feindlicher Mensch ist sieben mal schwerer zu gewinnen, denn ein todter Herr, bewahre mich vor solchem Abfall, laß mich arbeiten an meiner eignen Seligkeit, und mitnehmen, wenn ich weiß und kann. Amen.

Apg. 14.

Nachdem Paulus jämmerlich mit Schlägen war zugerichtet worden, daß man ihn für todt hielt, und zwar nicht lange nach der unnatürlichen Vergötterung, stand er auf und ging mit Barnabas in die Stadt Derben, und predigte daselbst das Evangelium mit dem Vermelden, daß man durch viel Trübsal in’s Reich Gottes eingehen müsse. Gott hat einmal diese Ordnung gemacht: durch Leiden zur Freude; dabei bleibt es, und um meinetwillen ändert sie Gott gewiß nicht. Weil es aber also von Dir verordnet ist, o Gott, so gib Gnade, daß ich mich auch gern darein schicke, damit es nicht ein gezwungenes Muß, sondern ein freiwilliges Wollen sei. ich klage Dir mein verzärteltes Fleisch und Blut, welches einen so großen Widerwillen gegen die Trübsale hat; vergib mir, lieber Heiland, um Deines bittern Leidens willen, und bereite mein Herz, wie mit einem willigen Geiste, so mit genugsamer Stärke und Kraft, alle Trübsale anzutreten und zu überstehen! Du bist mir ja selbst mit Deinem gesegneten Beispiele vorangegangen; ergreife mich, daß ich Dir in Deinen blutigen Fußtapfen mit Geduld, Verläugnung, Gehorsam, Glauben und Hoffnung nachfolge. Der erste Eintritt in Dein gnadenreich hat es mir gleich im voraus gesagt, ich müßte das Kreuz auf mich nehmen und Dir nachfolgen; dazu habe ich mich auch verpflichtet in der heiligen Taufe, als worin ich unter Deiner Blutfahne geschworen. Wenn mir nun aber dies Gelübde in der wirklichen Uebung will zu schwer werden, und ich vor den drei Glaubensartikeln des inwendigen Menschen: Selbstverläugnung, Kreuzesübernahme und Nachfolge Jesu, zurückbebe, so richte mir Augen, Herz und Gedanken nur nach Deinem himmlischen Reiche, wo alle Trübsale nicht nur ein Ende haben sollen, sondern in ewige Freude und Seligkeit werden verwandelt werden. Dahin verhilf mir um Deiner selbst willen. Amen.

Apg. 15.

Das war die erste Kirchenversammlung der christlichen Gemeinde. Wie herrliche wurde da der Streit zwischen den Juden- und Heidenchristen geschlichtet! Wie tapfer, wie brüderlich, wie demüthig kämpften die Apostel gegen einander den großen Streit aus und entschieden die Lebensfrage aller Zeiten, ob Christus oder Gesetz! Wie sind alle einverstanden, daß auch die Heidenchristen ihre Brüder sind! Wie behandelten sich Ueberwinder wie Ueberwundene gegenseitig als Brüder! Die Einen rühmen sich nicht, die Andern sind nicht erbittert; Keiner hatte das Seine gesucht, sondern Jeder die Ehre des Herrn und die Wahrheit. O möchte es doch auf allen Kirchenversammlungen so zugehen, in jeder Streitsache ein Petrus und Jacobus die Leitung in der Hand haben, und Alle sich eben so still beugen unter das theure Wort Gottes, wie jene es thaten! Möchte insbesondere von keinem Christen, auch von uns nicht, der Grund alles Christenthums je verlassen werden: „Wir glauben durch die Gnade des Herrn Jesu Christi selig zu werden, gleicher Weise wie auch sie!“ Diese Wahrheit ist auch Kern und Mittelpunkt unserer evangelischen Kirche, sie ist die Vereinigung aller evangelischen Christen zu einer Gemeinde; sie ist der gute Baum, den wir in’s Herz pflanzen müssen, und der dann auch seine guten Früchte von selber trägt. So wollen wir mit den Aposteln in Jerusalem Eins sein in der Lehre, daß nichts als Jesu Christi Gnade uns vor Gott gerecht machen kann; aber auch darin mit ihnen Eins, daß wir zunehmen müssen, nicht allein in der Erfahrung seiner Gnade, sondern auch in der Erkenntniß seines heiligen Wortes und im Wandel nach seinem Vorbilde, und es vor der Welt beweisen, daß Niemand heiliger ist als ein Sünder, der Gnade hat. Dazu verhelfe uns der Herr! Amen.

Apg. 16.

Die Gemeinde zu Philippi ist die erste Christengemeinde in Europa, welche die Apostel gegründet haben; eine Gemeinde, an die noch ein Brief des Apostels Paulus vorhanden ist und die er darin seine Freude und seine Krone nennt. Mit Widerstand und unter Verfolgung seiner ersten Zeugen fing das Christenthum in Europa an. So hat es sich auch bisher durchgekämpft. Oft verfolgt, aber niemals vernichtet und ausgerottet, von der ganzen Macht des kaiserlichen und päbstlichen Roms angefallen, vermochte es keine Macht zu unterdrücken; selbst im Gefängnisse gewann es noch Siege. Sein Gang durch ganz Europa und durch alle Jahrhunderte bis zu dem Scheiterhaufen des Johann Huß, bis in die Rathhaussäle von Worms und Augsburg, und von da bis auf unsere Zeit, ist eine fortgehende Bestätigung des großen Wortes des Erlösers: „Die Pforten der Hölle sollen meine Gemeinde nicht überwältigen.“ Was ihr aber am meisten geschadet hat, ist nicht die Feindschaft ihrer Gegner, sondern die Lauigkeit ihrer eignen Bekenner gewesen; jene Lauigkeit, der es ganz gleich ist, ob und was sie glaubt, die nichts mehr fürchtet als Entschiedenheit und Eifer, die gern Frieden hält mit Jedermann, selbst auf die Gefahr, darüber ewig verloren zu gehen, die um äußern Vortheils willen jeden Augenblick der Seelen Seligkeit auf’s Spiel setzt. Vor dieser Lauigkeit bewahre uns, o Herr, sie ist der Tod des innern Lebens; gib aber, ach, mehre in uns den lebendigen Glauben, der in gründlicher Buße geboren, Dich zuversichtlich ergreift und in wahrhaftigem und unermüdetem Fleiße der Heiligung sich geschäftig erzeigt. Bewahre uns vor Selbstbetrug, vor falschem Verstandes- und Lippenglaubens, und wirke Du selbst den rechten, lebendigen Herzensglauben in uns, der Christum auf Gnade und Ungnade ergreift, Ihm sein böses Gewissen bringt, sich von Ihm überwinden läßt und aus seiner Fülle lebt, damit wir das Ende des Glaubens, der Seelen Seligkeit, sicher und freudig davonbringen. Amen.

Apg. 17.

In Athen standen viele Götzenbilder und unter ihnen ein Altar mit der Inschrift: „dem unbekannten Gott:“ – welche Götzenbilder stehen in meinem Herzen? und wie heißen sie? Etwa Zorn, oder Hochmuth, Wollust, Geiz, Trägheit, Ehre bei den Menschen? Oder muß ich antworten: mein Gott ist das Leben, die Wissenschaft, die Kunst, das Geld, die Freude, mein Bräutigam, meine Braut, Weib oder Kinder, und andere Güter dieser Welt? Muß ich nicht Ja antworten? Und dahinten in einem Winkelchen, in dem bangen Schlagen des Gewissens, steht ein Altar, mit der Inschrift: „dem unbekannten Gott,“ d.h. dem Gotte, auf dessen Namen ich getauft und confirmiert bin, dem ich mich verlobt habe, der mich hält und trägt mit seiner Barmherzigkeit, mit dem ich aber in keinem lebendigen Umgang stehe, dessen Gebote ich nach Belieben übertrete. O Paulus, tritt auf, und lehre mich den unbekannten Gott nicht nur kennen, sondern mit Ihm in Gemeinschaft treten. Ueberführe mich von meiner Unwissenheit und meinem Verderben, von Gottes Regierung und Gnadenführung, von Christi Erlösung und Gericht, wie Du es in Athen gethan, damit ich mich auch von der Wahrheit erleuchten, strafen, erziehen und heiligen lasse, die Götzen insgesamt im Herzen stürze und dem lebendigen Gott in Christo allein diene und mit Dionysius und Damaris mich mit ganzer Seele und fürs ganze Leben dem Herrn weihe, immer treuer und voller, der mich mit seinem Herzblute erkauft hat zu seinem Eigenthum und um mich selig zu machen, meine Sünden getragen hat und niedriger geworden ist denn ein Knecht, ja, ein Schächer am Kreuz. Baue Dir selbst in meinem Herzen einen Tempel mit Deinen heiligen Gotteshänden, und alle Tage werde Dir dargebracht ein neues Opfer meiner Lippen und meines Herzens. Amen.

Apg. 17,28

Gott, Teufel, Welt und All's will in mein Herz hinein:
Es muß ja wunderschön und großen Adels sein.

In Ihm leben, weben und sind wir; als auch etliche Poeten gesagt haben: wir sind seines Geschlechts. Apg. 17,28

Daß wir göttlichen Geschlechts sind, lehrt uns keine Begebenheit deutlicher und anschaulicher, als die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Feuer und Wasser vertragen sich nicht. Mische du Schnee und Glut, beide bestehen nicht mit einander, es wird ein laues Wasser daraus. Eisen und Gold können nicht zusammengeschmelzt werden. Gott und Teufel können nicht zu Einer Person zusammenwachsen; - aber Gott und Mensch, das verträgt sich. Das lernen wir aus Christi, des Gottessohnes, menschlicher Geburt: daß Gott und Mensch nicht sich hassen, wie Finsternis und Licht, sondern daß sie Beide Eins sind in ihrem Grunde. Große, heilige Wahrheit! Vor Christi Erscheinung war sie unbekannt. Die Heiden redeten wohl von Göttern, die in Menschengestalt erscheinen; aber diese Götter haben auch keine Göttlichkeit mehr, sie sind allen menschlichen Leidenschaften, Schwächen, sogar Sünden ausgesetzt, ja, es ist sündige Liebe zu menschlicher Schönheit, was sie vom Himmel herabzieht. Dem Juden aber thronte Gott in unermeßlicher Ferne, hoch über der Erde; man kann Ihn ehren und fürchten, aber recht menschlich lieben, wie wir einen Vater lieb haben, und einen Freund, das kann man nicht. Christus mußte kommen, um durch die göttliche und menschliche Natur, die Er in sich vereinigt, zu zeigen, daß beide Naturen nicht verschieden sind. Jetzt verstehen wir erst, was das Wort in der Schöpfungsgeschichte sagt: Gott blies dem Menschen einen lebendigen Odem in seine Nase. Nicht formte Er seine Seele aus irdischen Stoffen, wie seinen Leib; auch nicht durch ein bloßes Werde rief Er sie hervor, sondern seinen Hauch blies Er ihm ein, sein eignes Leben strömte Er in den toten Leib, und der Geist des Menschen ist Ausfluß der Gottheit. Dasselbe Leben, das im ewigen Worte war, wurde Licht der Menschen, so lehrt uns Johannes im Anfange seines Evangeliums. Und in seinem ersten Briefe gibt er uns Aussicht, daß wir einst Christo gleich werden sollen. Jetzt wissen wir, was unser Ziel ist: wir sollen wieder Teil haben an der göttlichen Natur. Wir sollen lernen, von unserer Bestimmung wieder recht hoch zu denken denn Gottes Kinder sollen wir hinfort sein, und als Kinder gleicher Natur werden mit dem Vater, vollkommen wie Er. Sind wir erniedrigt worden durch die Sünde, wir können wieder erhöhet werden Hat uns die Erde gefangen mit ihrem Reiz: wir wissen, daß wir nur Pilger sind auf der Erde, und unser Geist nur ein Fremdling hienieden ist, der einen bessern Ursprung hat als die Kreatur, der wir dienstbar geworden sind.

Ich bin im Himmel angeschrieben
und Gottes Kindern zugezählt;
mich hatte schon Sein brünstig Lieben
von Ewigkeit dazu erwählt.
Nun ruhe ich in Seinen Armen;
mein Vater blickt mich freundlich an.
Ich weiß von nichts als von Erbarmen,
dadurch ich Ihm gefallen kann.

Das danke ich dem guten Hirten,
so selig hat Er mich gemacht.
Mit Schmerzen sucht' Er mich Verirrten
und gab auf meine Wege Acht.
Komm, Schäflein! hieß es, kehre wieder!
Ich hörte es und kehrte um,
warf mich mit Tränen vor Ihm nieder
und gab mich Ihm zum Eigentum.

Nun bin ich noch bei Ihm in Gnaden,
nichts raubt mir meines Jesu Huld;
mein Elend kann mir selbst nicht schaden,
denn Er hat göttliche Geduld.
Je mehr ich meine Ohnmacht sehe,
je mehr wird mir die Gnade groß,
und wenn ich dann nur brünstig flehe,
so wird mein Herz des Kummers los.

So geht es hier durch tiefe Wege
nach jenen Zions-Höhen zu,
und nur auf diesem schmalen Stege
gelange ich zur Sabbats-Ruh!
Dann soll man in den obern Chören
mein Loblied bis in Ewigkeit
aus dem verklärten Munde hören.
Herr, mache mich dazu bereit!

Apg. 18.

Da die Apostel unter einer unmittelbaren Regierung des Geistes Gottes standen, so war es nur Gehorsam gegen den heiligen Geist, daß Paulus von Athen nach der großen, reichen und weltlichen Handelsstadt Korinth ging. Hier kam er aber an einen Ort, wo er keinen kannte, wo auch keine Gläubigen waren und wo er sich lange aufhalten sollte. Man sollte denken, daß er hier nicht das geringste Gute finden würde; dennoch fand er ein Paar Eheleute seiner Nation, seines Handwerks und seines Glaubens, die durch Gottes Fügung von Rom nach Korinth gezogen waren und jetzt seinen Aufenthalt befördern mußten; und wenn auch die Juden widerstrebten, so fand er dafür desto mehr Eingang bei vielen heidnischen Korinthern und ward in seiner apostolischen Thätigkeit gestärkt durch eine göttliche Ermunterung, fortzufahren, wie er angefangen, der Herr wolle mit ihm sein und habe ein großes Volk in dieser Stadt, von dem Er schon vorhersehe, daß sie noch Christen werden würden. Schon eine Seele ist es ja werth, wie viel mehr eine ganze Stadt! Und wenn in dem weltlichen, lasterhaften Korinth, wo es Niemand gesucht hätte, der Herr sein Werk hatte, wie viel mehr wird Er es haben in der ganzen Welt! Der Haufe seiner Gläubigen ist so klein nichts als wir oft denken. Sie sind freilich nicht in einem Hause beisammen, noch in einer Kirche oder einem Lande, sie sind zerstreut in allen Ländern und Kirchen und n allen Ständen vom höchsten bis zum niedrigsten. Wer sie sehen will, muß geistliche Augen haben, damit er auch die Nicodemusseelen herausfinde, die erst in der Nacht Ihn suchen, die Frager und Forscher, welche nicht mehr fern sind vom Reiche Gottes, die liebethätigen Gemüther, welche nicht wider den Herrn und darum für Ihn sind, die Corneliusse, welche um ihrer Gebete und Almosen willen dem Herrn willkommen und angenehm sind, daß sie vollends den Heiland erfassen. Gebe uns denn der Herr immer die rechten Augen, die Spuren seines Werks in Andern wahrzunehmen und sie als werdende oder gewordene Brüder in Christo zu lieben! Gebe Er uns selbst den rechten Muth, nicht zu verzagen, wenn wir mit unserm leisen, schüchternen, matten Christenthum sehr unzufrieden sein müssen: von Korinth schrieb Paulus später sehr anerkennend 1. Kor. 1,4-9. Amen.

Apg. 19.

Ein Doppelbild rollt die Geschichte in Ephesus auf, auf der einen Seite das der Einwohner der Stadt, auf der andern das des Apostels Paulus und seiner Gefährten. Jene schrieen wie toll: Groß ist die Diana der Epheser! volle zwei Stunden; ein Geschrei um nichts; denn wir wissen, daß ein Götze nichts ist in der Welt. Das Nichtswürdige, Nichtshelfende, Nichtsseiende, dessen so viel in der Welt ist, wird aber meist am lautesten erhoben und ausposaunt; dagegen Gott, den Allerhöchsten, lobt man in der Stille zu Zion. Und doch müssen zuletzt alle Götzen fallen, seien sie von Gold oder Silber, von Holz oder Stein, von Papier oder Ideen, oder von Fleisch; denn Gott hat seinen König eingesetzt auf seinem heiligen Berg Zion; der ist der einzige Souverän; dem müssen unterthan werden alle Könige, Fürsten und Völker, wenn sie nicht zerschmissen werden wollen wie Töpfe. Wo ist die hölzerne Diana, wo ihr herrlicher Marmortempel, wo die prächtige, reiche Stadt Ephesus geblieben? Es ist oder Alles zusammen geworfen wie ein Topf. Andere Zeiten, andere Götzen; aber das Geschrei und der Götzendienst dauern fort; darum kann auch das Zerschmeißen nicht aufhören und die eiserne Ruthe wird kommen müssen; denn an Töpfen fehlt es nicht. – Und Paulus – dem Toben gegenüber? Er schmeichelt nicht dem Nationalstolze der Epheser, er redet nicht ihrem Volkswahn das Wort, er trachtet nicht nach Volksgunst, er liebt die Wahrheit wie Gott, und läßt sein Herz nie so klein sein, sie aus Menschenfurcht zu verschweigen, oder aus Heuchelei zu verdrehen, oder aus Parteigeist zu verstümmeln; er fürchtet Gott, darum scheut er Niemand; er ist ein ächter Hirt und Volksführer: darum sucht er auf Buße und Sinnesänderung zu wirken. Hätte das Volk weinen gelernt über sich selbst, so hätte es gesiegt.

Herr, ich danke Dir, daß Du in mir gesiegt und mich überwunden hast. Hilf mir nun, daß ich mich auch selbst täglich besiege und überwinde. Amen.

Apg. 20.

Herr, unser Heiland, gib Deiner Kirche allezeit solche Prediger, die an Erkenntniß, Eifer, Liebe und Treue rechte Pauli sind, Hirten nach Deinem Herzen, welche Deiner Gemeinde nichts vorenthalten, das da nützlich ist, ihr allen Rath Gottes verkündigen und ihr öffentlich und sonderlich bezeugen die Buße zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesum Christum. Gib ihr Vorsteher, welche Acht haben auf sich selbst und auf die ganze Heerde, unter welche sie der heilige Geist gesetzt hat zu Aeltesten, zu weiden die Gemeinde, die Du Dir mit Deinem Blute erworben hast. Hilf, daß sie gute Tage nicht suchen und Deine Wort bedenken, daß Geben seliger ist denn Nehmen. Stärke sie, daß sie nicht ablassen, Tag und Nacht einen Jeden mit Thränen zu vermahnen. Gib aber auch, daß wir ihr Wort im Glauben annehmen, keine Schuld auf sie bringen, sie lieben und verehren, während der Predigt Deines Wortes weder leiblich noch geistlich schlafen, und wenn der heilige Geist bezeuget, daß Trübsal unserer wartet, so laß uns doch der keines achten, auch unser Leben selbst nicht theuer halten, auf daß wir vollenden unsern Lauf mit Freuden und das Amt, das wir von Dir empfangen haben. Laß uns befohlen sein Dir und dem Wort Deiner Gnade, das da mächtig ist uns zu erbauen und zu geben das Erbe unter allen, die geheiligt werden, damit, wenn wir in den Todesschlaf verfallen, wir dereinst lebendig wiedergebracht und ewiglich getröstet werden. Wahrlich, eine starke Erweckung zur Treue, wenn wir bedenken, Gott habe uns mit dem Blute seines Sohnes erkauft! und eine dringende Ermunterung zum Gebet für die Kirche und ihre Diener, wenn wir an die Wölfe denken, welche die Heerde zerreißen wollen, und an die verkehrten Lehren, welche der Zeitgeist aufgebracht hat. Herr, hilf uns wachen und beten, mache uns fest und einig: durch Eintracht und Liebe wachsen die kleinen, durch Zwietracht zerfallen die großen Dinge. Amen.

Apg. 21.

Pilger sind wir auch. Unsere Väter sind’s gewesen, wir sind’s auch wie Paulus. Daß unsere Pilgerfahrt doch auch so in dem Herrn wäre, wie die seine! und wir mit diesem Helden ausriefen: „Des Herrn Wille geschehe!“ Unbekannt ist dieser Wille Keinem; meist ist sein Zug so stark, daß wir uns gar nicht zu besinnen brauchen; zuweilen muß man freilich auch recht darauf achten und horchen, daß man nicht fehl greife, aber knien wir nur nieder zum Gebet und lesen uns nach unserer Tagesordnung in die Schrift hinein, so erfahren wir bald, was der Herr von uns fordert. – Wenn nun der Wille Gottes unsern Wünschen entgegenläuft, dann treten zwei gegen denselben auf, der eine ist unser Fleisch, der andere sind unsere Freunde; gerade wie hier bei Paulus. Wohl uns, wenn wir wie Paulus fest stehen und in die Schule der Selbstverläugnung willig eingehen! So lange wir eignen Willen haben, haben wir Unruhe; so viel wie in Gottes Rath stehen, haben wir Frieden. Es reist sich nur gut durch das Leben mit dem Gebete: „Vater, nicht mein, sondern Dein Wille geschehe.“ – Wie schwer ist es uns aber, o Gott, unsern Willen in Deinen Willen einzusenken und Dir gänzlich in Liebe und Leid zu übergeben! Wir beten so oft die dritte Bitte im Vater Unser, wir wollen Nachfolger sein Deines Sohnes, der am harten Oelberge sprach: nicht wie ich will, sondern wie Du willst; wir wissen aus der Erfahrung, daß unseren Herzen niemals besser und ruhiger ist, als wenn wir Deinen Willen unsern Willen sein lassen. Dennoch widersetzt sich unser Eigenwille beständig Deinem Willen. Vergib uns diese schwere Sünde, regiere aber unser Herz und unsern Willen durch Deinen heiligen Geist, daß wir eingedenk seien, Dein Wille ist allein gut und weise und allmächtig, der unsrige aber böse, thöricht und schwach, und dabei bleiben: Lieber Gott, in Allem geschehe Dein Wille, und der meine nimmermehr. Amen.

Apg. 22.

Pauli Verantwortung vor seinen Feinden bestand in der Erzählung von seiner Bekehrung und wunderbaren Berufung zum Apostelamte. Noch stärker, als im 9. Kapitel es Lucas gethan, suchte er es darzulegen, daß der Vorsatz, ein Apostel der Heiden zu werden, nicht in seinem Fleisch und Blut entstanden sei, daß erst eine gründliche Veränderung seiner ganzen früheren jüdischen Denkweise vorgehen mußte, ja, daß er auch dann selbst sich nicht zum Dienst des Evangelii unter den Heiden entschlossen hätte, wenn ihm nicht dieser als ein ausdrücklicher Auftrag des Herrn deutlich geworden wäre. Kaum aber hat er den letzten Punkt berührt, der freilich die Verwerfung Israels von Seiten Gottes voraussetzte, so brach der Sturm gegen ihn los. Der unbußfertige Mensch will einmal nichts von Buße und Strafe, Gericht und Hölle hören. Schon war es nahe daran, daß der Apostel wäre gegeißelt worden. Da macht er die Vorzüge, die er durch seine Geburt hat, geltend; denn es galt jetzt die Ehre Gottes und die Bewahrung der unwissenden heidnischen Obrigkeit vor Versündigung und Verantwortung! Und – Gott leitet das Herz des Oberhauptmanns, daß er dem Apostel kein Leid anthun durfte, daß er vielmehr durch seine Unentschiedenheit und Weitläufigkeit beitragen mußte, daß nun auch Paulus vor Felix und Agrippa herrliche Zeugnisse ablegen konnte. Wunderbares Regieren unseres Gottes! Wie müssen wir es bewundern und preisen! Wie ist es hier doch wieder augenscheinlich, daß ohne Deinen Willen kein Haar vom Haupt der Deinen fällt! Alle Dinge, alle Menschen sind Deine Engel, welche Deine Befehle für sie ausrichten müssen. Laß diesen Glauben auch meinen Hort und Stab sein, womit ich allen Feinden trotzen und alle Wetter getrost kann über mich gehen lassen. Zu Dir breite auch ich jetzt meine Hände aus: komm zu mir wie ein Spätregen, der das Land befeuchtet. Schütze mich in dieser Nacht, daß mir kein Uebel widerfahre, und wecke mich zu rechter Zeit und laß mich dann wieder hören Freude und Wonne aus Deinem Worte. Amen.

Apg. 23.

Daß Paulus hier, aufgebracht durch die gröbliche Verletzung der Gerechtigkeit, den Hohenpriester: „übertünchte Wand,“ d.h. gottloser Heuchler schalt, war nicht leidenschaftliche persönliche Uebereilung, sondern prophetische Bestrafung: Gott schlug den habsüchtigen und grausamen Ananias wirklich in der Folge, denn er ward nebst seinem Bruder jämmerlich ermordet, und die Vergleichung war um so treffender, als der Hohepriester ganz weiß gekleidet zu sein pflegte. Doch bekannte er sich gleich nachher zu dem Grundsatz, daß man verpflichtet sei, den Mann um seines Kleides willen zu ehren und sich, wenn nicht vor seiner Person, doch vor seinem Amte zu beugen. Indem der Apostel sodann einsah, daß es keinen Nutzen schaffen würde, sich als Christ vor diesen ungerechten Richtern zu vertheidigen, verband er mit der Taubeneinfalt Schlangenklugheit und benutzte den Zwiespalt unter seinen Richtern, um sei von seiner Person abzulenken, und sich dem Evangelio zu erhalten. Es war dies kein unredliches Mittel, denn die Hoffnung der Auferstehung, welche er mit den Pharisäern theilte, war seine Ueberzeugung, und seine ganze Predigt gründete sich auf Christi Auferstehung. Die Folge rechtfertigte auch sein Verfahren. Die Pharisäer selbst mußten jetzt für ihn zeugen und Gott rettete ihn aus der doppelten großen Noth durch Helfer und Fürsprecher, an welche er gar nicht hatte denken können. Wie viel Mühe geben sich doch die Menschen für’s Böse, und wie wenig Ernst entfalten sie im Guten! Zum Bösen findet man zehn Gehülfen, zum Guten kaum einen. Beweist das nicht wiederum, daß die Welt im Argen liegt? daß es gilt, Erlösung aus der argen Welt? Bruch mit derselben? und alleinige, völlige Hingabe an Christum? und daß, je offner wir Ihm die Ehre geben, wir desto fester auf den allmächtigen Schutz unseres Gottes auch rechnen dürfen in jeder Gefahr? Herr, Du bist allezeit unser und wir können Dein gewiß sein, wenn wir nur auch Dein sind und Dir angehören. Amen.

Apg. 24.

Felix hatte in seinem Herzen und Gewissen gute Rührungen und Bewegungen von der Predigt Pauli empfangen, er erschrak, er fühlte sich getroffen wegen seiner Sünden, und wurde angst und bange wegen des zukünftigen Gerichts; aber leider unterdrückte er diese guten Eindrücke gar bald wieder, indem er Paulum schweigen und fortgehen hieß und auf eine gelegenere Zeit ihn vertröstete, die aber nie wieder kam. O wie wahr ist’s doch, daß der Weg zur Hülle mit lauter guten Bewegungen und Vorsätzen gepflastert ist, und daß Viele in der Hölle sitzen, die in ihrem Leben manche Rührungen und Eindrücke des göttlichen Worts gehabt, aber sie entweder gleich unterdrückt, oder nicht haben zum Durchbruch kommen lassen! Ach, behüte mich davor in Gnaden und laß mir alle guten Bewegungen vielmehr zum Segen und zur Seligkeit gedeihen. Wie oft hast Du mich schon durch Dein Wort oder die Schicksale Deiner Hand ergriffen und mächtig gerührt; und wie oft habe ich diese guten Eindrücke selbst wieder erstickt oder vergessen oder verschoben auf gelegene Zeit oder durch die Zerstreuungen der Welt betäubt und vernichtet! Herr, gehe nicht mit mir in’s Gericht; ziehe Deine Hand nicht von mir zurück; warne mich stärker, dringender, unwiderstehlicher, gib mich nur nicht hin wie die Heiden in einen verkehrten Sinn, zu thun, das nicht taugt. Laß mich insbesondere die Gnadenzeiten gewissenhafter benutzen, ehe sie vorübergehen; sie möchten am Ende nicht wiederkehren. Für Felix kamen sie nicht wieder; er wurde später von den Juden verklagt, vom Kaiser Nero abgesetzt und starb unbekehrt in seinen Sünden. Ach, es ist höchst gefährlich für diese und jene Welt, die Gewissensrührungen zu unterdrücken. Laß mich hören und folgen, und Buße thun, weil es noch heute heißt. Amen.

Apg. 25.

Der neue Landpfleger Festus war kein Aufschieber wie der leichtsinnige Felix. Er that sich viel zu Gute auf sein rasches Handeln und Römerthum. Er will den Juden sich gefällig beweisen und verhört den Apostel; Paulus aber durchschaute die Arglist und Mordpläne seiner Feinde, und da beide Landpfleger seiner erkannten Unschuld doch nicht Recht verschafften, wie es ihre Pflicht war, und der Heiland ihm selbst 23,11. angedeutet hatte, er solle zu Rom von Ihm zeugen, so machte er Gebrauch von seinem Recht als römischer Bürger und appellierte an den Entscheid des Kaisers. So hatte denn der Herr die Umstände so geleitet, daß der große Heidenapostel, ohne den geringsten eigenmächtigen Schritt gethan zu haben, nach der Hauptstadt der Welt, nach Rom, kam. Doch eben war Agrippa II., der Urenkel Herodes des Großen, und der letzte König aus diesem Hause, mit seiner Schwester nach Cäsarea gekommen, um dem neuen Landpfleger bei seiner Ankunft in Palästina ihren Antrittsbesuch zu machen; und da Festus über den nach Rom zu schickenden Gefangenen einen Bericht an den Kaiser aufsetzen mußte und nicht recht wußte, was er schreiben sollte, wünschte er darüber ein Gutachten von Agrippa. Dadurch erhielt Paulus eine Gelegenheit, seine Unschuld recht öffentlich zu erweisen und die Kunde vom Evangelium weit auszubreiten. In seinem Gesuch betrachtet der stolze Heide Judenthum wie Christenthum als bloße Religionsmeinungen, als leeren Aberglauben, und bezeugt seine Unwissenheit wie seine Gleichgültigkeit in dem Stück. Ganz wie die Welt, besonders die vornehme Welt, noch heut zu Tage thut. Einen todten, vor 1800 Jahren auf Erden gelebt habenden, geschichtlichen Christus läßt sie sich allenfalls gefallen, nur keinen noch lebenden, er auf sie Einfluß haben könnte, mit dem es ein Verhältniß gebe, sei es ein freundliches oder feindliches, und der einmal nach diesem Verhältniß über alle Menschen richten werde. Wer das behauptet, über den regnet es Schmach und Spott, Haß und Verfolgung. Immerhin, wer hier nicht wird verhöhnt, wird dort auch nicht gekrönt! wer hier nicht mit zu Grabe geht, auch dort nicht herrlich aufersteht! Gekreuzigter Jesu, lebe denn fort und fort in mir, aus mir, durch mich in Ewigkeit. Amen.

Apg. 26.

„Es fehlt nicht viel, Du überredest mich, daß ich ein Christ würde,“ sprach Agrippa zu Paulus nach seiner herzandringenden Rede. Da hat man den Beinahe-Christen, der so viele Brüder, so großen Anhang hat in unsern Tagen, daß ihre Zahl Legion ist. Halbe Treu ist keine Treu, halbes Christenthum kein Christenthum. „Wer sich nur halb an Gott will geben, der führt ein rechtes Jammerleben; brich durch, es koste, was es will; sonst wird dein armes Herz nicht still.“ Er war aber doch redlich und gestand seine Halbheit, der arme König; das ist besser, als das Halbe für’s Ganze und das Beinahe für’s Nahe und Nächste ausgeben und gehalten wissen wollen. Er meinte, es fehle nicht viel. Ja, freilich, nur Eins fehlte dem Halben, wie jenem reichen Jüngling, nämlich, daß er Christ geworden und alles, ja, sich selbst daran gegeben hätte. Und das ist doch dem natürlichen Menschen nicht wenig, sondern viel zu viel. Ueberzeugt war Agrippa, er wollte wohl, aber ihm fehlte das Vollbringen. – Paulus war mit dieser Halbheit nicht zufrieden, er wollte entschiedene, ganze Christen haben. Wie er ganz war, so sollten es auch seine Zuhörer werden. Auch Christus ist mit der Halbheit nicht zufrieden und will uns lieber warm oder kalt, nur nicht laut; denn wer auf halbem Wege stehen bleibt, kommt nie zum Ziele. – Ach, wie es heut zu Tage der spöttischen und verachtenden Festusse gar viele gibt, so gibt es auch der halbherzigen Agrippas nur zu viele, die beinahe wiedergeboren, aber in der Geburt erstickt werden, die beinahe überredet, aber nicht überzeugt und entschieden gläubig, also ungläubig und todt sind. Herr, bin ich’s etwa auch? und warum? Erbarme Dich meiner und hilf mir durch zum wahren Leben aus Gott, zur innigsten, treuesten Gemeinschaft mit Jesu. Amen.

Apg. 27.

Ein Reisender verliert nicht gern die Zeit: hier bist du ein Reisender, wie Paulus auf dem Wege nach Rom; die Zeit deiner Wallfahrt ist siebenzig, wenn’s hoch kommt, achtzig Jahre. Diese Reise geht nach der Ewigkeit. Die Zeit flieht schnell, die Ewigkeit nähert sich mit jedem Augenblick. Eine Minute versäumt, ist gefährlich; an jeder hängt die Ewigkeit. Ach, daß du vorsichtiglich wandeltest und dich in die Zeit schicktest! Das Jahr hat achttausend siebenhundert sechs und sechzig Stunden! begehst du jede Stunde nur eine Sünde, erwäge, was du schon für Verantwortung hast! Wie viele Jahre hast du nun zurückgelegt? Und das sind nur Stundensünden; nun sündigst du aber fast alle Augenblicke: wer will die Zahl deiner Sünden ausrechnen? – Zeit! Zeit! wie ungewiß, wie gefährlich und verantwortlich bist du! Sünder, nimm ihrer doch besser wahr. Zeitverlust, der größte Verlust. Geldverlust wird oft mit heißen Thränen beweint; was ist er aber gegen Zeitverlust? man malt die Zeiger an der Schlaguhr nicht umsonst mit Gold. Die Zeit ist dem Golde gleich. Die verstrichene kann mit Gold nicht wieder erkauft werden. Das bedenke. Tag und Nacht halten sich in vier und zwanzig Stunden; höre, wie fein du diese eintheilen kannst. Wende an vier Stunden zum Gebet, drei zum Essen und Trinken, zehn zu deiner Berufsarbeit, und sieben zum Schlaf: so hast du Tag und Nacht wohl angewandt. – Zeit! Zeit! Du liegst mir stets im Sinn. Wo ich stehe und gehe, dünkt mich, Paulus rufe mir zu: „Schicke dich in die Zeit.“ Gott, meine Zeit steht in Deinen Händen. Ob sie heute oder morgen, ist mir verborgen. Daß ich sie wohl anwende, dafür will ich sorgen. Ach, gib, daß ich so lebe in der Zeit, daß mich’s nicht reue dort in der Ewigkeit.

Apg. 28.

So ist denn Paulus nach Gottes Führung in der Hauptstadt der Welt angekommen. Auch hier hat er sich zuerst an die Juden gewendet, aber da sie das Heil wie überall ausschlugen und das gerechte Gericht der Verstockung auf sich luden, predigte er darauf um so lauter und erfolgreicher das Heil in Christo an die Heiden. Die Entscheidung des Kaisers verzögerte sich offenbar aus höheren Gründen, damit in der Hauptstadt des Weltreichs das Reich Gottes recht ausgerufen würde. Hier hat das apostolische Zeugniß an die Welt ihren Höhepunkt erreicht. Von den lieben Christen in Philippi (4,10-19) unterstützt, hielt Paulus in seiner Wohnung stille Hausgottesdienste und Versammlungen, und erhielt viel Besuche; so wurden namentlich auch vornehme Römer gewonnen. Wahrscheinlich war Theophilus, dem Lucas seine Bücher schrieb, einer von ihnen. Selbst unter seinen Richtern (Phil. 1,13) und im Palast des Kaisers (Phil. 4,22) fand er treue Schüler. Außerdem waren theils mit ihm, theils nachher auf Besuch zu ihm gekommen Timotheus, Epaphras, Lucas, Aristarch, Markus, Justus, Tychicus, Onesimus, der von Paulus in der Gefangenschaft bekehrte und ihm so lieb gewordene Sclave des Colossers Philemon. Es ist ihm da manchmal eine Todesahnung durch die Seele gegangen (Phil. 1,29); aber im Ganzen hatte er die sichere Hoffnung, wieder loszukommen; - was denn auch geschah. während dieser seiner ersten römischen Gefangenschaft schrieb er die Briefe an die Epheser, Philipper, Colosser und Philemon. – Lucas aber schließt hier, im Jahre 63 nach Christo, seine Apostelgeschichte; das Buch hatte ja sein Ziel erreicht, nämlich die Gründung der christlichen Kirche unter den Juden und Heiden zu beschreiben. Die vier Evangelien zeigen uns den gottmenschlichen Bräutigam von vier verschiedenen Seiten, die Apostelgeschichte aber malt uns die erste schöne Jugend seiner Braut in ihrer ganzen Frische vor Augen. Hier ist das wahre Bild der Kirche Christi auf Erden, und ihre innere wie ihre äußere Seite geschichtlich und lebendig dargestellt, die unsichtbare wie die sichtbare Gemeinde des Herrn. Herr Jesu, mache auch mich zu einem lebendigen Gliede Deiner unsichtbaren Gemeinde! Amen.

Es eilet diese Lebenszeit,
Der Tod und das Gericht wird plötzlich kommen,
Ich hab’ es schon aus Jesu Mund vernommen;
Mein Herz, mach dich dazu bereit.
Verlaß die schnöden Sündenthaten,
So du willst deiner Seele rathen,
Und meide deine Sicherheit;
Es eilet diese Lebenszeit. Amen.

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