Arnd, Johann - Passionspredigten - Zweiunddreißigste Predigt.

Arnd, Johann - Passionspredigten - Zweiunddreißigste Predigt.

Am ersten Sonntage in der Fasten, Invocavit. Matth. 4. 1-11.

Wir lesen 3. Mose 16, daß der allmächtige Gott den Kindern Israel ein sonderlich hohes Fest verordnet hatte, welches das Versöhnungsfest genannt wurde, und das heiligste Fest der Juden war. Dasselbe mußten sie aber mit einer solchen Ceremonie feiern: Der Priester hatte zween Böcke von dem Volk zu nehmen und das Loos über sie zu werfen. Welchen nun das Loos traf, den mußte er schlachten zum Brandopfer, und das Blut in das Allerheiligste tragen; den andern ledigen Bock mußte er herzubringen, und seine beiden Hände auf sein Haupt legen, und auf ihn bekennen alle Missethat der Kinder Israel, und alle ihre Uebertretung in allen ihren Sünden, und dieselben mußte er dem Bock auf's Haupt legen und ihn in die Wüste laufen lassen, auf daß der Bock alle ihre Sünde in die Wildniß trage, und darinnen bleibe; und die Kinder Israel mußten ihren Leib kasteien mit Fasten, und kein Werk thun. Denn es war das heiligste Fest, eine Versöhnung und Reinigung ihrer Sünde vor dem Herrn. Und das hat im Jahr einmal geschehen müssen, als der Hohepriester in's Allerheiligste eingegangen, nicht ohne Blut, Gott zu versöhnen.

Dies ist eine sehr wunderliche Ceremonie, in welcher das Geheimniß unsrer Versöhnung vorgebildet ist.

Und erstlich, so bedeuten die zween Böcke das Mittleramt Christi. Dazu gehören zwei Stücke: 1. Die Sünde auf sich, und vom Volke wegnehmen. 2. Gott mit seinem Tode versöhnen. Darum mußte das Loos dem Herrn und dem Volke geworfen werden; dem Herrn also, daß das Böcklein, welches das Loos traf, dem Herrn geopfert wurde; dem Volke also, daß auf das andre Böcklein die Sünde des Volks geleget würde. Das hat den Tod des Herrn Christi bedeutet, und die Frucht des Todes, nämlich die Wegnehmung der Sünde. Denn der eine Bock mußte geschlachtet und geopfert werden, bedeutet den heiligen Tod Christi. Der andere mußte lebendig bleiben, und die Sünde des Volks in die Wüste tragen, bedeutet die Wegnehmung der Sünde, und die Frucht des Todes Christi, Denn nicht allein die Bezahlung der Sünde hat geschehen müssen, sondern auch die Wegnehmung der Sünde.

2. Daß der Hohepriester das Loos über die Böcke werfen und dem einen seine Hände auf's Haupt legen mußte, hat bedeutet, daß Christus im Gesetz verheißen, und dazu auserwählet, abgesondert, verordnet und geheiligt ist, daß er unsre Sünde tragen sollte, aus Gottes Rath versehen, wie St. Petrus in der Apostelgeschichte spricht.

3. Daß der Hohepriester erstlich die Sünde des Volks öffentlich bekennen und darnach auf den ledigen Bock legen mußte, hat bedeutet, daß die Sünde nicht bezahlet und gebüßet werden kann, es nehme sie denn Gott von uns, und lege sie auf seinen lieben Sohn, als auf das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.

4. Daß aber der Bock in die Wüste laufen mußte, hat bedeutet, daß Christus ein Fluch für die Sünde der Welt werden sollte. Denn ein solches Opfer im alten Testament, auf welches die Sünde des ganzen Volks geleget wurde, das war ein Fluch, daher die Heiden ihre Fegopfer genommen. Denn weil sie gehört hatten, es würde ein Mensch kommen, der die Sünde der Welt hinwegnehmen und ein Fluch werden und alle Menschen Gott versöhnen würde, so haben sie in großen Landstrafen, wenn sie Gott versöhnen wollten, Menschen geopfert, die haben sie Fegopfer, einen Fluch genannt. Damit haben sie alles Unglück von ihren Landen und Leuten abwenden wollen, wie denn auch etliche israelitische Könige diesem Greuel nachgefolget sind nach dem Exempel der Heiden. Aber, o Gott, des großen Greuels! Der Fluch kann nicht weggenommen werden, denn durch einen Menschen, der unschuldig und ohne alle Sünde, ja, der der ewige Segen selbst ist, und den Fluch tilgen kann. Derselbe ist Christus, der ist dies Böcklein, auf welchen Gott die Sünde der Welt gelegt. Derselbe stehet da in seinem heiligen Leiden, in dem allervollkommensten und tiefsten Gehorsam, nimmt den Fluch auf sich und aller Welt Sünde. Denn wo aller Welt Sünde ist, da ist auch der Fluch. Tiefer hätte sich der Sohn Gottes nicht erniedrigen können.

5. Gleichwie nun das israelitische Böcklein in die Wüste laufen und in der Wildniß bleiben mußte, darum, daß er ein Fluch war, und demnach nicht unter die Leute kommen durfte, sondern weit vom Volke abgesondert bleiben mußte, auf daß das Land von dem Fluch gereiniget würde, also schrieen die Juden in der Passion des Herrn: Weg, weg mit dem, kreuzige ihn! Er ist nicht werth, daß er länger unter dem Volke bleiben soll; weg mit ihm, daß ihn kein Mensch mehr sehe! Das ist das Böcklein in der Wüste.

Darum ist auch der Herr Jesus nach seiner Taufe vom Geist in die Wüste geführt, sobald er in seiner heiligen Taufe verwilligt hatte, ein Fluch und Opfer zu werden für die Sünde der Welt. Denn darum ist der Herr getauft worden, auf daß er öffentlich bezeugete, daß er verwilligte in den Tod zu gehen, die Sünde der Welt und den Fluch auf sich zu nehmen, und seinem Vater gehorsam zu sein bis zum Tode des Kreuzes. Denn es stehet geschrieben: Verflucht sei, der am Holze stirbet. Sobald er nun die Sünde der Welt durch das öffentliche Zeichen der Taufe auf sich zu nehmen verwilliget, ist er in die Wüste gesandt, nach dem Vorbilde des alten Testaments, anzudeuten, er wäre das rechte Versöhnungsopfer, welches den Fluch der Welt in die Wüste tragen, das ist, tilgen sollte, daß er nimmer wieder über das Volk käme.

Wollen nun zween Theile handeln:

1. Von des Herrn Versuchung insgemein; warum er hat wollen versucht werden. Welch ein großes, schweres, wichtiges Werk diese Versuchung gewesen. Und warum er den leiblichen Hunger leiden wollte. 2. Von den drei Versuchungen insonderheit, die unser Spiegel sind; daß alle Menschen mit diesen drei Versuchungen vom Teufel angefochten werden, und daß kein Mensch davor sicher sei.

I. Von des Herrn Versuchung insgemein.

Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, sagt St. Matthäus am 4. St. Lucas am 4. spricht: Jesus voll heiligen Geistes, kam vom Jordan, und ward vom Geist in die Wüste geführt. St. Marcus am 1.: Der Geist trieb ihn, daß er in die Wüste ging. Daselbst, schreibt St. Lucas, hat ihn der Satan vierzig Tage lang versucht. Daraus sehen wir, daß dies eine langwierige Versuchung gewesen, so die ganzen vierzig Tage über gewähret habe; und daß dies Werk der Versuchung kein geringes, sondern ein hohes Werk ist, überaus wichtig und viel daran gelegen. Denn der Herr hat alle Anfechtung des Satans im höchsten Grade innerlich und äußerlich für uns gelitten und ausgestanden, und ist ein solches Werk, welches zur Passion und zu unsrer Erlösung gehöret, da der Sohn Gottes ganzer vierzig Tage lang mit dem Satan hat kämpfen und streiten müssen, seine feurigen Pfeile versuchen, dieselben zu nichte und kraftlos machen, seine große Tyrannei, Gewalt und List erfahren, und Alles für uns und um unsertwillen ausstehen müssen, was der Teufel mit aller seiner Macht und List, seinen Schrecken und Anfechtungen auszurichten vermag. Darum sollen wir dies Werk nicht für ein gering Werk, sondern für ein wichtiges, hohes Werk achten, welches allen Menschen unerträglich gewesen, und unmöglich auszustehen. Deß sollen wir uns trösten, wie der Herr sagt: Siehe, es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir.

Dabei haben wir auch zu lernen, daß die Anfechtung angeht, sobald in der Taufe des Herrn offenbar geworden, daß Christus Gottes Sohn ist. So geht's allen wahren Christen; wollen sie rechtschaffene Kinder sein, so müssen sie sich zur Anfechtung schicken. Das lernen wir an dem Exempel des Herrn. Denn, sobald der Herr in sein Amt getreten, von Gott durch die heilige Taufe zum Hirten und Bischof unsrer Seele, zum Hohenpriester, zum Könige und Fürsten des Lebens gesalbet, von Gott öffentlich für seinen lieben Sohn erkläret und ausgerufen war, sobald gehet die Anfechtung an und der Kampf des Satans wider ihn. Denn darum war's zu thun: Der ewige Sohn Gottes sollte Gottes Reich erbauen und des Teufels Reich zerstören; darum legt sich der Teufel mit Gewalt wider ihn. So wird's Allen denen auch gehen, die dem Reich des Teufels Abbruch thun, und dem gottlosen Leben und falscher Lehre widersprechen wollen. Er greift aber ihn als unser Haupt am heftigsten an, in der Meinung, den Herrn zu überwinden; denn wenn er ihn als unser Haupt überwunden, so wäre das ganze menschliche Geschlecht verloren und hätte ewig in des Teufels Reich und Gewalt bleiben müssen. Darum versuchet er ihn ganzer vierzig Tage, und versucht alle seine Macht, List und Kunst an ihm. Der Satan meinet, es sollte ihm auch gelingen, wie mit unsern ersten Eltern, da er dieselben überwunden und sie in's Teufels Gewalt gerathen; aber weil Christus nun überwunden hat, so haben wir Alle in Christo obgesiegt und überwunden.

Bedenket aber hier, was das für eine greuliche und schreckliche Anfechtung gewesen sein muß, darin der Teufel alle seine Macht bewiesen.

Es sind zweierlei Anfechtungen des Satans: Eine innerliche und äußerliche, oder eine geistliche und leibliche, wie St. Paulus dieselbe unterscheidet, da er spricht: Es haben euch noch keine, denn leibliche Versuchung betreten. Weil nun Christus alle Versuchung ausstehen mußte, ist leicht zu denken, daß ihn der Satan mit den schwersten sinnlichen Anfechtungen geplagt haben wird.

Die innerliche Anfechtung an der Seele des Herrn ist nicht beschrieben; denn sie ist nicht auszureden, sondern die äußerliche. Denn eine solche innerliche Anfechtung, wie der Herr erlitten, kann kein pur lauter Mensch ausstehen, nicht eine Stunde lang, geschweige vierzig Tage. Denn das ist eine solche unerträgliche Angst und Qual der Seele, darüber der Mensch verzweifeln muß; und zu dem Ende gehen alle Anfechtungen des Satans. Und damit ihr ein wenig diese hohe Anfechtung verstehen lernet, so nehmet ein Exempel vom heiligen Hiob, wie derselbe klaget, winselt, heult, seufzet, ringet kämpfet, und sich genug zu wehren hat wider seine Freunde, die ihn quälen und Plagen, inwendig und auswendig; ja wie er endlich den Tag seiner Geburt verflucht und erhängt zu sein wünscht. Ja, besehet den 88. Psalm, da solche innerliche Seelenangst beschrieben ist, auch den 16. und 18. Psalm. Sehet den Herrn Jesum am Oelberge, da er mit dem Tode rang und blutigen Schweiß schwitzte, wie er trauert, zittert, zaget! Also sind die geistlichen, innerlichen, hohen Anfechtungen nichts anders, denn ein solcher Kampf und Streit, dadurch der Satan uns von Gott abzureißen und in Verzweiflung zu stürzen sich unterstehet. Das ist die Angst der Seele, Unruhe, Ungeduld, Zittern und Zagen und Schrecken des Herzens, dadurch die Seele dermaßen geängstet und gequälet wird, daß die allerhöchsten Leibesschmerzen denselben nicht zu vergleichen sind, wie an Franziskus Spiera zu sehen. Da er verzweifelte, hat er gesagt, er wollte die größte Marter an seinem Leibe gern etliche Tausend Jahre leiden, wenn er der Seelenangst los werden könnte, und darin vornämlich der Höllenpein, die ihn in unaufhörlicher Angst der Seele, in steter, immerwährender, ewiger Furcht, Zittern und Zagen, Heulen und Wehklagen marterte.

Summa: Seelenangst ist Höllenangst, und übertrifft alles Leiden und Elend der Welt. Denn je zarter und besser die Seele ist, denn der Leib, je höher sind auch die Anfechtungen der Seele, denn die des Leibes. Christus hat an Leib und Seele die Anfechtung erlitten.

Das hat der Herr Christus erfahren in seinem Leiden im Garten, da er angefangen zu trauren, zittern und zagen, und da er blutigen Schweiß geschwitzet und am Kreuz geschrieen: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Darum hat er müssen eingeweihet werden durch die vierzigtägige Versuchung in der Wüste, und hat dadurch also einen Vorschmack seines Leidens und die Erfüllung desselben überkommen.

Zum Andern haben wir nun hier die Ursachen zu betrachten, warum der Herr hat versucht werden müssen.

1. Uns zur Lehre. Daß wir lernen sollen, wozu Christus eigentlich gekommen sei, nämlich daß er allen menschlichen Jammer und alles Elend, das wir ewig hätten leiden müssen, und an Leib und Seele inwendig und auswendig tragen sollten, büße und hinwegnehme, und den ganzen Menschen heile. Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, daß er die Werke des Satans zerstöre.

2. Uns zum Exempel. Denn wie er versucht ist, so werden auch wir versucht werden. Das wird nicht ausbleiben, keiner lasse sich so köstlich dünken, ja auch zu fromm. Denn die Frömmsten versucht der Teufel am meisten, auf daß er desto größeren Sieg davon bringe. Er ist ein freveldürstiger, hoffärtiger Geist, und hat im Himmel den Streit anfangen dürfen, und weiß doch, daß er verstoßen ist, doch untersteht er sich, auf Erden mit Gottes Sohn zu streiten, wie vielmehr mit den armen Menschen. Wir mögen wohl nüchtern sein, wachen und beten, wie St. Petrus spricht, denn unser Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge. Nun er im Himmel nicht hat siegen können, kommt er auf Erden, und hat einen großen Zorn, und weiß, daß er wenig Zeit hat. Darum schicke dich nicht auf gute Tage, sondern auf viel Leiden und auf viel Geduld.

3. Uns zum Trost. Daß keiner verzagen soll, wenn er versucht wird, denn unser Seligmacher ist auch versucht. Und gleichwie das ganze menschliche Geschlecht vom Teufel überwunden war, da Adam im Paradies überwunden war, also haben wir Alle in Christo den Sieg über den Teufel erhalten, da er dem Teufel in der Wüste obsieget; denn der Sieg ist unser.

4. Daß der Herr selbst erfahre, wie geschwind und heftig des Teufels Anfechtung sei, auf daß er uns nicht über Vermögen versuchen ließe, sondern uns zu Hülfe käme, 1 Cor. 10. 2. Daß er in allen Dingen versucht werde, wie wir, und uns helfe, indem wir versucht werden, und ein herzlich Mitleiden mit uns haben möge, wie Hebr. 4 stehet: Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte Mitleiden haben mit unsrer Schwachheit, sondern einen, der versucht ist allenthalben wie wir, doch ohne Sünde, auf daß er uns mit seinem Exempel lehrete, wie wir die Anfechtung mit Fasten, Beten, und mit dem Worte Gottes überwinden sollen.

5. Daß aber der Herr auch den leiblichen Hunger erleidet, ist darum geschehen, daß der Herr bezeuge, er sei ein wahrer Mensch, und seinen Brüdern in Allem gleich, ausgenommen die Sünde. Und zwar hätte er seinethalben diesen Hunger nicht leiden dürfen; es ist aber um unsertwillen geschehen, daß er unsre Sünde büßte an seinem heiligen Leibe, und sonderlich die böse Lust und den schädlichen und tödtlichen Apfelbiß unsrer ersten Eltern, ja, daß er allen menschlichen Jammer schmeckte, auch die Hungersnoth erkennete, an uns in großer Armuth gedächte und den Hunger aller armen Leute an seinem heiligen Leibe empfände, heiligte und segnete, ja, uns von dem ewigen Hunger und Durst erlösete, und das Brot des Lebens würde, wie wir Joh. 6 lesen: Ich bin das Brot des Lebens, wer an mich glaubet, den wird nicht hungern, und wer zu mir kommt, den wird nimmermehr dürften.

II. Von den dreien geschwinden Versuchungen insonderheit.

1. Die erste Anfechtung.

Bist du Gottes Sohn, so sprich, daß diese Steine Brot werden. Mit dieser Anfechtung hat der Satan den Herrn vom Glauben und Vertrauen auf Gott abweisen wollen. Als wollte er sagen: 1. Du bist neulich in deiner Taufe für Gottes Sohn vom Himmel ausgerufen; daß aber dasselbe nichts sei, das stehest du jetzt an deinem Hunger, und an deiner Armuth. 2. Ist's wahr, so beweise deine Gottheit, und sprich, daß diese Steine Brot werden. Denn, wenn Gott spricht, so muß es geschehen; Gott schaffet Alles durch Sprechen. Bist du nun Gott, so sprich auch also, daß es geschehe. Ist eine grausame, spöttische Versuchung; aber der Herr antwortet ihm recht aus 5. Mose 8: Der Mensch lebet nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes gehet. Als wollte er sagen: Du willst, ich soll durch Sprechen und durch ein Wort meine Allmacht beweisen. Wohlan, so ist da mein Wort, davon der Mensch lebet; das ist das rechte Brot, dadurch der Mensch erhalten wird, wenn kein leiblich Brot da ist. Es ist zweierlei Brot, ein leiblich oder sichtbar Brot, und ein geistlich oder unsichtbar Brot, das ist Gottes Wort, das aus Gottes Munde gehet, davon lebet der Mensch. Dies ist eine sehr tröstliche Widerlegung der ersten Anfechtung, damit uns der Satan plaget in leiblicher Armuth und Dürftigkeit, wenn Mangel der Nahrung vorfällt. Ach, dann wird Fleisch und Blut kleinmüthig und verzagt, da feiert dann der Teufel auch nicht mit seinen feurigen Pfeilen: Bist du ein Christ und Gottes Kind, und leidest solche Armuth? Thut denn Gott seinen Kindern also? Manchen plagen diese Gedanken so sehr, daß er darüber verzweifelt, sich entweder dem Satan ergiebt, oder selbst ums Leben bringt. Und indem er meinet, dem zeitlichen Hunger und der zeitlichen Armuth zu entfliehen, geräth er in den ewigen Hunger. Darum sollst du sprechen: Höre, Teufel, dein Schluß ist nicht recht. So schließest du: Du bist arm, leidest Hunger, bist elend und verlassen, darum bist du nicht Gottes Kind. Dazu sagt Gottes Wort anders: Den Sohn, den der Vater lieb hat, züchtiget er; er hat Macht gegeben Gottes Kinder zu werden, die an seinen lieben Sohn glauben. Mein himmlischer Vater weiß alle meine Trübsal und Armuth, ja, mein Herr Christus fühlt meinen Hunger und meine Armuth an seinem heiligen Leibe, aber ich muß also seinem Bilde ähnlich werden, ich muß ihm helfen sein Kreuz tragen, er wird mich in meiner Armuth wunderlich speisen und erhalten. Ob ich gleich im Kreuz und in Armuth bin, so glaube ich doch, daß ich sein liebes Kind bin, wie mein Herr Christus darum nicht aufhörte Gottes Sohn zu sein, ob er gleich in Hunger und Armuth gerieth. Denn er spricht, er habe seine Gläubigen so lieb als seine eigne Seele; er bewahret sie wie einen Augapfel im Auge. Darum glaube ich, er sei doch mein lieber Gott und Vater, auch mitten im Kreuz und in meiner Armuth. Haben doch auch die Heiligen solche Anfechtungen erleiden müssen, daß man zu ihnen gesagt: Wo ist nun dein Gott? Ps. 42. Ps. 3: Viele sprechen zu meiner Seele, sie hat keine Hülfe bei Gott! Ja, es ist mit den Heiligen dahin gekommen, daß sich ihre Seele nicht hat wollen trösten lassen, Ps. 77. Gott hat ihnen seinen Trost entzogen, oder verborgen, dennoch sind sie seine Kinder geblieben, dennoch hat er sie nicht verlassen, noch verstoßen. Darum glaube ich, er werde solche Barmherzigkeit auch an mir thun; denn er ist getreu. Das Kreuz ist kein Zeichen der Ungnade und hebt die Kindschaft Gottes nicht auf, Röm. 8: Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit? Aber in dem Allen überwinden wir weit, um des willen, der uns geliebet hat. Denn ich bin gewiß, daß weder Tod, noch Leben, weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes, noch Tiefes, noch keine andere Creatur uns scheiden mag von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn.

Ja, spricht der Satan, du hast gleichwohl kein Brot, ja, wenn die Steine wollten Brot werden, oder wenn du könntest Steine essen? Ei, höre Teufel, wenn Alles am Brot gelegen wäre, und Gott ohne dasselbe nicht erhalten könnte, so sollst du dennoch wissen, daß es Gott gar leicht ist, aus Steinen Brot zu machen. Ich muß dir für deinen Spott wieder einen Spott geben: Weißt du nicht, wie Gott aus dir, der du ein Engel warest, einen Teufel gemacht hat? Wie sollte er nicht aus Steinen Brot machen? Weißt du nicht, daß Gott Himmel und Erde aus nichts gemacht hat? Das ist ja mehr denn aus Steinen Brot machen. Weißt du nicht, daß Gott aus der Finsterniß Licht gemacht hat? Aus der Erde einen lebendigen Menschen? Das Alles ist mehr, denn aus Steinen Brot machen. Woraus hat Gott das Himmelsbrot gemacht, damit er die Juden in der Wüste speisete? Aus seinem Worte. Wo kam das Wasser her, das aus dem Felsen sprang? Aus Gottes Wort, und ist im Himmelsbrot vorgebildet das Vertrauen auf Gott. Denn die Juden mußten, was einen Tag gefallen war, Alles aufessen? Damit lehret sie Gott der Herr, daß sie allein von seiner Gnade leben, und aus seinem Munde und Worte gespeiset werden, nicht aber auf's Brot, sondern auf sein Wort sehen sollten. Spricht doch der heilige Täufer Johannes: Gott kann aus Steinen Kinder Abrahams erwecken. Ja, so leicht ist's Gott aus Steinen Brot zu machen, so leicht es dem Herrn Christo ist, aus Wasser Wein zu machen. Darum, wenn's ja eben Brot sein müßte, davon der Mensch leben muß, und Gott sonst keinen andern Rath wüßte, wohlan, so wäre es ihm eine leichte Kunst, aus Steinen Brot zu machen. Aber, der Mensch lebet nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet. Siehe, das ist Gottes Wort! Hätte der Herr bessere Waffen wider den Teufel gewußt, so würde er's uns wohl gelehrt haben. Wenn es die Meinung hätte, daß der Mensch vom Brot allein lebte, so stürben die nicht, die Brot's genug haben. Davon lebet man nicht, spricht der Herr, daß einer viel Güter hat. Was hilft's jenem Reichen Luc. 12, der zu seiner Seele sprach: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrath auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Muth. Was sprach aber der Herr? Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Also wird's Allen denen gehen, die nicht reich in Gott sind, das ist, die ihr Leben allein im Brot und in ihrem Vorrath suchen, und nicht im Wort und in der Verheißung Gottes. Siehe, des Herrn Auge siehet auf die, so ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen, daß er ihre Seele vom Tode errette, und ernähre sie in der Theurung. Und Psalm 37: Der Herr kennet die Tage der Frommen, und ihr Gut wird ewiglich bleiben. Sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit, und in der Theurung werden sie genug haben. Sprüche 10: Der Herr läset die Seele der Gerechten nicht Hunger leiden. Ps. 36: Er hilft beide Menschen und Vieh. Ps. 145: Er erbarmet sich aller seiner Werke, er erfüllet Alles, was lebet, mit Wohlgefallen. Dasselbe thut er entweder durch Mittel, oder ohne Mittel, wie es ihm gefällt. Siehe, das Wort Gottes ist dein Leben, und nicht allein das Brot. Das glaube nur, so wirst du nicht Hungers sterben.

Merket aber, wie der Mensch aus und vom Worte Gottes lebe. Erstlich wird unser Seelenleben und Gesundheit durch Gottes Wort erhalten; denn Christus ist das lebendige und wesentliche Wort Gottes, Joh. 1. Er wird aber im Wort vorgetragen und ausgetheilet; derhalben, wer das Wort fasset und glaubet, der hat Christum, das Leben selbst, und also befindet sichs nun, daß der Mensch geistlich aus dem Worte Gottes lebet. Zum Andern, so lebet auch der Mensch leiblich aus dem Worte Gottes. Denn woher hat das Brot die Kraft, daß es dich speiset? Aus dem Wort und der Ordnung Gottes. Das Brot thuts aus sich selbst nicht, deshalb nähret dich weder deine Arbeit, noch deine Sorge, sondern das Wort Gottes, das aller Dinge, Kraft ist. Darum die Epistel an die Hebr. am 1. sagt: Gott hält und trägt Alles durch sein kräftiges Wort. Siehe, Teufel, wie stehest du nun mit deinen Steinen? Auf Gott trauen, beten, und seines Berufs warten, lässet keinen Menschen Hungers sterben.

2. Die andere Anfechtung.

Da nun der Satan auf der einen Seite, nämlich durch Armuth den Herrn versuchet, und nichts schassen kann, greift er's auf der andern Seite an, und versucht ihn durch Reichthum, wie St. Luc. am 4. diese Ordnung hält. Denn durch Armuth und Reichthum, durch Glück und Unglück versucht uns der Satan, auf daß kein Mensch, weder arm, noch reich, vor ihm sicher sei. Und ist erstlich hier zu merken die große Geduld des Sohnes Gottes, daß er dem Teufel so viel nachgegeben, daß dieser ihn mit sich auf einen sehr hohen Berg führete. Bedenket die Person, die Gott und Mensch ist, und hat gleichwohl dem Teufel so viel erlaubt. Das ist über unsern Verstand. Es war die Zeit seiner Erniedrigung, da er sich seiner göttlichen Gewalt entäußert und sich unter alle Creaturen erniedriget hatte. Darum hat ers geschehen lassen, daß der Satan seine große Macht an ihm versuchet, auf daß er an ihm kraftlos werde. Und ist unser Spiegel. Führet manchen der böse Feind nicht leiblich, so führet er ihn doch geistlich in seinem Sinn und Gedanken; darum sehe sich ein jeder wohl vor. Daß es aber der Sohn Gottes also geschehen lässet, daß er umhergeführt wird, lehret er uns damit, daß wir die Anfechtungen geduldig leiden sollen, weil wirs nicht ändern können. Aber wir sollten in keine Anfechtung, des Satans verwilligen, solches will uns der Herr mit seinem Exempel lehren; ja, er will uns hiermit lehren, daß wir den Feind mit keinem Dinge besser und eher von uns jagen und treiben können, denn so wir ihm in keinem Dinge Statt geben und verwilligen. Auf solche Weise thust du dem bösen Feinde den härtesten Widerstand, und du wirst sehen, daß er endlich weichen muß, Jac. 4: Widerstehet dem Satan, so fliehet er von euch. Ob es der Teufel noch so listig und geschwinde angreift, so kann er dir nichts thun, wenn du nicht darein verwilligst. Der Wille des Menschen ist der ganze Mensch, wo du dich mit deinem Willen hingiebst, da hast du dich ganz hingegeben. Der Teufel kann nichts thun ohne des Menschen Einwilligung. Darum stehet er als ein Bettler und bettelt um des Menschen Einwilligung, der Mensch soll sich ihm ergeben. Daraus sollte billig der bekehrte Mensch seine Hoheit erkennen, daß sein Wille höher ist, denn alle Gewalt des Satans. Und da stehest du und verstehest du deine geistliche Freiheit, daß dich Christus vom Teufel erlöset hat. Darum kommt der Bettelhund und will dir deine Freiheit wiedernehmen, und will deinen Willen haben, daß du dich ihm wieder ergeben sollst. O hüte dich, er kann dir nicht ein Härlein krümmen, wenn du nicht willst.

Für's Andre ist zu merken, daß St. Lucas spricht, der Teufel habe dem Herrn alle Reiche der ganzen Welt und ihre Macht und Herrlichkeit in einem Augenblicke gezeigt. Ist auch über unsern Verstand und wohl zu gedenken, daß, wie der Satan durch das Umherführen seine größte Stärke, seinen Muthwillen und höchsten Frevel geübt, daß er auch in dem seine höchste Kunst an ihm bewiesen, indem er ihm alle Herrlichkeit der Welt in einem Augenblick zeigt, uns zur Warnung, daß er gleichfalls an uns seinen höchsten Frevel, Gewalt und List üben würde, wo ihm Christus unser Herr nicht steuerte, und wenn der Herr durch seine erlittene Anfechtung des Satans Versuchung nicht kraftlos gemacht hätte.

Für's Dritte ist hier zu merken die unverschämte Vermessenheit, Hoffart und Lüge des Satans. Denn er spricht zum Herrn, wie St. Lucas schreibt: Diese Reiche der Welt, ihre Macht und Herrlichkeit, sind mir alle übergeben, und sind alle mein, und ich gebe sie, wem ich will, wer mich darum bittet. So du nun niederfallen und mich anbeten willst, so will ich dir Alles geben. Hier begehet der Teufel zwei schändliche Laster. Erstlich eine stinkende Lüge, daß man ja den Vogel an seinem Gesange kennen kann, daß er ein Lügner ist. Denn wer hat ihm die Reiche der Welt gegeben? Was kann doch ein Verdammter und Verfluchter haben? Er hat nicht einer Sau Macht, darein zu fahren, ohne Erlaubniß Gottes, und will Königreiche vergeben? Darum bettelt er immer etwas, wenn er aus einem Menschen getrieben wird, daß er etwas mitnehmen möge, und hat nicht über einen Strohhalm Macht, wenn's ihm Gott und Mensch nicht erlaubt. Man soll ihm nichts erlauben, denn er thut Schaden damit. Und daß der höllische Bettler so bettelt, damit bezeugt er, daß Gott den Menschen zum Herrn gesetzt hat über die Creaturen; man soll ihm aber nichts geben, denn er mißbraucht es. Höllisch Feuer ist sein eigen, da mag er sich mit behelfen.

Siehe aber, wie gern der Satan Gott oder Gottes Sohn sein wollte! Vom Sohn Gottes stehet geschrieben, der Vater hat ihm Alles in seine Hände gegeben und Alles unter seine Füße gethan. Diese Ehre stiehlt der Satan dem Sohne Gottes, er wollte gern auf seinem Stuhle sitzen. Das andere Laster ist stinkende Hoffart, daß er angebetet sein will, er wollte gern Gott sein und auf Gottes Stuhl sitzen.

Das hat ihm im Himmel nicht wollen angehn unter den Engeln, und ist darüber aus dem Himmel verstoßen worden. Nun ihn aber kein Engel für Gott anbeten wollte, nun versucht ers auf Erden an den Menschen. Sehet hier abermal, wie der Satan Christo nach seiner Krone gegriffen. Von Christo stehet geschrieben, es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten, in seinem Namen sollen sich alle Knie beugen, im Himmel und auf Erden. Diese Ehre wollte der Satan auch gern haben, und will Gottes Sohn gleich sein.

Was antwortet ihm aber der Herr, womit schlägt er ihn? Du sollst anbeten Gott deinen Herrn.

Diesen Spruch setzt der Herr der Anfechtung vom Reichthum dieser Welt entgegen. Wirst du Gott fleißig anrufen und ihm dienen, so wird er dir das Zeitliche nicht versagen, sondern dich reichlich ernähren, und darfst darum den Teufel nicht anbeten. Wirst du Gott dienen, so wird auch Gott dich ehren; denn wer mich ehret, den will ich ehren, und wer mir dienet, den wird mein Vater ehren, spricht der Herr. Darfst darum um zeitlicher Ehre willen dem Teufel nicht dienen, Ps. 84: Der Herr giebt Gnade und Ehre, er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen. Ps. 91: Ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen. Ps. 112: Sein Horn wird erhöhet mit Ehren. Hier ist uns vorgebildet, wie der Satan geistlicherweise versuchet mit dem leidigen Geiz, mit der Hoffart, Ehre und Herrlichkeit dieser Welt. Diese Anfechtung ist so geschwind, daß sie der tausendste Mensch nicht merket und für keine Sünde hält. Wenn man nach großem Reichthum, nach Ehre und Herrlichkeit dieser Welt trachtet, so hat der Teufel einen auf den hohen Berg geführt. Ach, was ist jetzt aller Welt Leben, Dichten und Trachten, denn Reichthum, Ehre und Herrlichkeit dieser Welt? Da ist, sage ich, unter tausend Menschen nicht einer, der diese Anfechtung versteht, und wenn er damit geplaget wird, daß er mit Christo sage: Hebe dich weg von mir, Satan! Denn freilich ist der große Geiz, Hoffart und Begierde großer Herrlichkeit, vom Teufel selbst, und wer solchen großen Reichthum, Ehre und Herrlichkeit dieser Welt lieb hat, der betet den Teufel an. Denn wo das ist, da ist die Liebe des Vaters nicht, sagt St. Johannes. Warum liebst und betest du nicht vielmehr Gott, deinen Herrn an, der dein ewiger Reichthum, deine ewige Ehre und Herrlichkeit ist?

Hüte dich, lieber Christ! Lerne hier, wie der Satan manchen Menschen mit sich auf den hohen Berg seines stolzen Muthes führet, und ihm in seinen Sinnen und Gedanken dieser Welt Herrlichkeit zeiget. Die beliebt ihm, die bildet er sich so ein, daß er Tag und Nacht darnach trachtet, wie er in der Welt hoch werde. Derselbe elende Mensch weiß dann nicht, daß er vom Teufel in den hohen Muth geführt ist, daß er sich von Gott abgewandt und dem Teufel anhanget und folget. Wie mancher Mensch thut wider sein Gewissen und wider seinen Glauben um Geldes willen! Das heißt den Teufel angebetet.

Summa: Dieser Welt Herrlichkeit ist das Netz, damit der Teufel die Seelen der armen Menschen sähet; und alle Verheißung des Teufels, wie jener sagt, ein gleißendes, wohlscheinendes Elend. Im Laufe der Bosheit ist die Bahn kurz, aber der Fall langwierig. Der Teufel giebt für kurze Freude die ewige Qual. Davor hüte dich!

3. Die dritte Anfechtung.

Gleichwie die vorigen zwei Anfechtungen leiblich sind, also ist diese geistlich, und bedeutet die Zinne des Tempels die hohen, überaus großen geistlichen Anfechtungen von unserer Seelen Seligkeit; da uns der Satan Gottes Wort und den Glauben, ja Christum selbst aus dem Herzen reißen und uns in die ewige Verzweiflung stürzen, oder zum wenigsten aus unserm Beruf in Vermessenheit führen will. Dies ist nun die allergeschwindeste Anfechtung, wenn der Satan Gottes Wort wider uns braucht; das ist eine hohe Zinne des Tempels. Hier sollst du, lieber Christ, eine sonderliche Art der Anfechtung merken, wenn der Satan die heilige Schrift wider uns gebraucht. Ja, oft die allertröstlichsten Sprüche deutet er wider uns und quält oft die Seelen der Menschen damit. Aber es ist eitel Schalkheit und große List. Denn sehet, hier führet der Teufel einen tröstlichen Spruch an aus dem 91. Psalm: Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen, daß sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. Gewißlich stehet's also geschrieben, und wir danken Gott, daß wir solchen Trost von den heiligen Engeln wissen. Es hat aber die Meinung gar nicht, die der böse Feind sucht. Denn Gott hat uns nicht darum die heiligen Engel zugeordnet, daß wir uns ohne Noth in Gefahr begeben sollen. Darum führet er die Schrift nicht recht und geht betrüglich damit um. Es ist nicht genug, daß einer die Schrift führe, er muß ihr auch den rechten Verstand lassen. Das thut aber der Satan nicht, sondern läßt etwas aus, nämlich: Auf deinen Wegen, und was hernach folgt: Auf Löwen und Ottern wirst du gehen und treten auf den jungen Löwen und Drachen.

Darum antwortet ihm der Herr: Du sollst Gott nicht versuchen. Der versucht aber Gott, der ordentliche Mittel hat und will sie nicht brauchen, und begiebt sich ohne Ursach in Gefahr. Die Schrift lehret uns, daß wir in Gefährlichkeit getrost zu Gott rufen sollen, so wolle er uns helfen durch heilige Engel. Ohne Ursach aber sollen wir uns nicht in Gefährlichkeit stürzen. Also unterstehet sich der Satan auch manchen Menschen von den Mitteln abzuführen, die Gott zu unserer Seligkeit verordnet hat, nämlich, von Gottes Wort, daß sich mancher Mensch mit den Gedanken von seiner Seligkeit plagen muß, und hat doch solche herrliche Verheißung in Gotte? Wort. Da sagt der Satan: Gott erhört die Sünder nicht, was willst du beten? Ziehest du doch auch, daß aus deinem Gebet nichts wird? Du erlangest ja nichts damit, ist ja Alles vergeblich. Solche feurige Pfeile schießt der Satan nicht ohne Ursach manchem ins Herz. Der stehet wahrlich auf der hohen Zinne, denselben hat der böse Feind bald gestürzt und überwunden. O, der Teufel ist damit ein Tausendkünstler, daß er erstlich das Gebet verhindere, einen davon abhalte, einem das Gebet verleide, desselben überdrüssig, und einem endlich dasselbe gar zuwider mache. Darin ist er ein Meister. Denn wer sich vom Gebet abwenden läßt, ist gleich einem verzagten Kriegsmann, dem sein Schwert in seiner Hand erstirbt, der ist leicht geschlagen. So listig ist der Teufel, er will uns erst unsere Wehr und unser Schwert nehmen, damit wir ihn schlagen können. Ein solcher Mensch ohne Gebet ist wie eine Stadt ohne Mauern; denn der Name des Herrn ist ein festes Schloß. Darauf muß nun ein Christ antworten lernen: Höre, Teufel, es stehet wohl geschrieben: Gott erhöret die Sünder nicht. Wiederum stehet auch geschrieben: So oft der Sünder seufzet, soll er erhöret werden. Und der Herr Jesus spricht: Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen, und nicht die Gerechten; und Alle, die den Namen des Herrn anrufen, sollen selig werden. Ja, der Herr spricht selbst: Betet ohne Unterlaß, und werdet nicht müde. Deswegen, so kann ja am Gebet nicht so wenig gelegen sein.

Eine solche hohe Zinne ist auch die Anfechtung von der ewigen Gnadenwahl: Bist du von Gott versehen, so wirst du selig, wo nicht, so hilft's nicht, wenn du gleich täglich zur Kirche gehst und die Sacramente brauchst. Wider solche Anfechtung ist uns zum Trost gegeben: i. Gottes Verheißungen sind allgemein, wenn sich der Sünder bekehret, Hesek. 33. Da ist Niemand ausgeschlossen. 2. Der allgemeine Beruf: Kommt her zu mir Alle. Prediget das Evangelium aller Creatur. 3. So ist Christi Verdienst allgemein. Er hat sein Leben gegeben zur Bezahlung für Alle. 4. Die allgemeine Buße. Gott hat befohlen allen Menschen Buße zu thun.

5. Bei Gott gilt kein Ansehn der Person. So ist Gott reich von Barmherzigkeit über Alle, die seinen Namen anrufen. Es ist hier kein Unterschied, sagt St. Paulus, Gott hat Alles beschlossen unter die Sünde, auf daß er sich Aller erbarme.

6. So sind die Mittel, die Gott zur Seligkeit verordnet hat, allgemein und niemand versagt, Wort und Sacrament, dadurch Gott den Glauben wirken will, Siehe, da hast du die Stufen, auf welchen du von dieser grausamen hohen Zinne des Tempels herabsteigen kannst. Das Mittel brauche, auf daß du Gott nicht versuchest und dich in den Abgrund der Verzweiflung stürzest. Bleibe in Gottes Wegen und in Gottes Wort, in deinem Beruf, so werden dich die Engel behüten. Die ohne Christum und Gottes Wort zu hoch steigen, die müssen auch ohne Christum herunterfallen. Willst du gen Himmel, so mußt du an der rechten Himmelsleiter, an dem Herrn Jesu Christo hinaufsteigen. Steigest du an ihm hinauf, so kannst du an ihm wieder herabsteigen als ein Engel Gottes.

Manchen führet der Teufel in seinen Sünden so hoch, daß ihm dünket, sie seien höher und größer, denn daß sie ihm vergeben werden könnten, und reichen bis an den Himmel. Da stehet ein armer Sünder auf der Zinne, davon Kam und Judas sich in der Verzweiflung herabgestürzet haben. Aber, höre mein lieber Bruder, verzweifle nicht an Gottes Gnade, stürze dich nicht in den Abgrund der Verzweiflung, sondern steige an der Himmelsleiter, an dem Herrn Jesus Christus, nieder aus der Höhe des gestrengen Gerichts Gottes, und höre die Stimme deines Erlösers, der da sagt: Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben, und kommt nicht ins Gericht. Siehe, die Himmelsleiter steht auf der Erde, es ist Christi Leiden und Sterben, Wunden und Tod; daran halte dich, seine Gnade ist höher, denn der Himmel, tiefer denn die Hölle, die wird dich aus der Höhe und Tiefe deiner Sünden erretten.

Wie bestehest du nun, Teufel, mit deinen Versuchungen? Willst du noch haben, wir sollen aus Steinen Brot machen in unserer Armuth? Nein, es ist nicht noth, wir haben noch ein ander Brot, davon wir leben; und heißet Gottes Wort. Willst du aber auch noch für einen Gott angebetet sein? Ei, ei, schöner Gott, deß Haus die äußerste Finsterniß ist, und deine Herrlichkeit Heulen und Zähnklappen. Willst du aber noch haben, wir sollen uns von der Zinne des Tempels stürzen, das ist, in den finstern Abgrund der Verzweiflung? Nein, Gott hat uns eine Himmelsleiter gebauet, die reicht von der Erde bis in den Himmel; daran können wir auf- und absteigen als Engel Gottes. Darum hebe dich weg von uns, Satan, du verfluchter Geist, und kommt her, ihr lieben Engel, mit euch wollen wir zum Beschluß den 91. Psalm beten. -

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