Andreä, Jacob - Eine christliche Predigt am Tage der heiligen Dreifaltigkeit über das Evangelium Joh. 3. von der Wiedergeburt des Menschen.

Andreä, Jacob - Eine christliche Predigt am Tage der heiligen Dreifaltigkeit über das Evangelium Joh. 3. von der Wiedergeburt des Menschen.

Gethan zu Leipzig zu St. Thomas

(Einzeln Eisleben 1579. 4. (Sammt Erzählung der Reformation und Ordnung, wie es hinfürder Beides in Kirchen und Schulen des churf. sächsischen Kreises soll gehalten werden)).

Text: Evangelium Joh. Cap. 3 (v. 1-15).

Den heutigen Tag, Geliebte im Herrn Jesu, nennt man das Fest der heiligen Dreifaltigkeit, darum, dass das gemeine Volk erinnert und gelehrt wird, wie sie einfältig nach Anleitung Gottesworts von dem Herrn gläuben und halten sollen. Denn obwohl die Türken, Juden und Heiden sich auch rühmen, dass sie an Gott gläuben, so ist doch im Grunde Nichts denn Unglaube. Denn die Heiden haben gelehret und gehalten, dass viele Götter seien. Nun aber lehret Gottes Wort, dass nur ein einiger Gott sei. So folget hieraus, dass, wer gläubet, dass viele Götter seien, Der gläubet keinen Gott, wie denn der Apostel Paulus von Heiden geschrieben: Ihr waret weiland ohne Gott, Atheos, die keinen Gott haben.

Die Türken rühmen sich, wie auch die Juden, sie gläuben an den Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; aber es ist nicht wahr; denn sie gläuben nicht an den Sohn Gottes, Jesum Christum. Wer nun den Sohn Gottes nicht kennet, sagt Christus, Der gläubet auch nicht an den Vater. Der Teufel, spricht er, ist euer Vater. Und abermals: Der Heiden Götter sind Götzen, und also auch der Juden, die auf heidnische Weise haben dem allmächtigen Gott dienen wollen. Allein die Christen haben ein rechtes, wahrhaftiges Erkenntniss und Glauben an Gott. Denn nach Anleitung der heiligen Schrift gläuben sie, dass ein einiger Gott sei, und also redet Gott selber: Höre Israel, der Herr dein Gott ist ein einiger Gott, im 5. Buch Mosis am 6. Capitel. Und abermals: Ich bin der Erste und bin der Letzte; ausserhalb bei mir ist kein Gott. Jes. 44.

Darnach gläuben die Christen, dass in dem einigen göttlichen Wesen drei unterschiedene Personen sein: Gott der Vater, Gott der Sohn, Gott der heilige Geist, nicht drei Götter, sondern ein einiger Gott, einig im Wesen und dreifach in den Personen. Denn also hat sich der Vater im Himmel geoffenbaret mit einer Stimme: Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Lucä 3. Matth. 17.

Der Sohn hat sich geoffenbaret in menschlicher Natur, ist Fleisch worden, der heilige Geist kommt in der Gestalt einer sichtbaren Taube vom Himmel auf den Herrn Christum, und so Viel redet die heilige Schrift von diesem Geheimniss, dass der Sohn vom Vater geboren und der heilige Geist von ihnen Beiden, vom Vater und vom Sohne, ausgeht. So Viel sollen wir auch gläuben; denn verstehen können wir’s nicht, mit der Vernunft lässt sich’s nicht begreifen, gläuben sollen wir’s; denn sobald wir anfangen zu grübeln, so verlieren wir Glauben, Gott und Alles, was Gott hat, und Keiner gläubet sicherer, denn das einfältige Völklein, die einfältigen Weiber, die einfältigen Kinder, einfältige Handwerksleute, die gläuben dem einfältigen Worte Gottes und grübeln nicht genau.

Aber daran ist uns am höchsten gelegen, da sollen wir fragen und nicht aufhören, bis wir wissen, was der Weg sei, wie man zu dem Gott kommen möge, dass man bei ihm ewig selig sei. Denn hier auf Erden haben wir keine bleibende Statt, es räumet Einer dem Andern die Herberge und tritt je Einer dem Andern die Schuhe aus. Es muss geschieden sein von der Welt. Aber wohl Dem, der da kommt zu heiligen Dreifaltigkeit, den unser Herr Jesus Christus in seinen Schooss aufnimmt, und den der heilige Geist mit seinen Flügeln deckt, selig und aber selig ist Der. Weil denn davon und von diesem Wege von Anfang der Welt her ein grosser Streit unter den Leuten gewesen ist und noch, und solcher Streit bleiben wir bis an den jüngsten tag, so hat der heilige Geist in diesem heutigen verlesenen Evangelio uns zween Doctores der heiligen Schrift vorgestellt, die mit einander ob diesen Weg disputiren, einen Abschied und Beschluss gemacht, darnach sich die ganze Welt richten soll. Wenn sich Einer nach diesem Evangelio hält, soll er keinen Zweifel haben, er hat den richtigen Weg zum ewigen Leben, und wird ihm so Wenig fehlen, als ihm Gott lügen kann. Es ist das Gespräch wohl klein, aber wir wollen auf’s kürzeste handeln und also erklären, mit der Gnade Gottes, dass es einfältige Leute verstehen und greifen können.

Der erste Doctor hat geheissen Nicodemus, Der kommt zu unserm Herrn Jesu Christo in der Nacht; denn öffentlich durfte er’s nicht thun vor seinen Brüdern in seiner Facultät. Sie waren Christo feind, lästerten seine Lehre und Person. Aber er ist überzeugt in seinem Gewissen und merkt, dass seine Brüder in seiner Facultät Unrecht hätten und fragt den Herrn Christum, doch mit solchen Worten, dass man gesehen hat, wie er sich geschämt hat vor dem Herrn Christo. Meister, spricht er, Meister, Rabbi, was wir bei uns nennen einen Doctor der heiligen Schrift, wir wissen, sagt er, dass du bist ein Lehrer, von Gott ausgegangen; als wollte er sagen: Ob’s wohl meine Gesellen in meiner Facultät nicht gläuben, so gläube doch ich’s, und sie wissen’s auch, allein sie wollen’s nicht wissen. Woher hat’s Nicodemus? „Denn Niemand kann die Zeichen thun, die du thust, es sei denn Gott mit ihm.“ Es ist nicht allein die Lehre gewaltig bei dir; denn er redet nicht kühl warme Dinge, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer; wenn Christus predigte und eine Lection in den Schulen that, so hatte es Kraft, es durchdrang die Herzen, es munterte die Leute vom Schlafe auf, es schläferte die Leute nicht in seiner Lection und Predigt. Aber das Grösste sind die Zeichen und Wunder. Es ist unmöglich, will er sagen, dass ein Mensch Solches könnte thun und ausrichten, wenn nicht Gott mit ihm wäre, und will ihm so Viel zu verstehen geben, er könnte sich noch in seine Lehre nicht schicken; ich zweifele nicht, du seist von Gott ausgegangen, aber ich kann’s noch nicht merken; und will ihm zu verstehen geben, er wolle mit ihm treulich eine Disputation oder ein Gespräch halten.

Nicodemus lehrt uns mit seinem Exempel, dass sich Niemand soll zu gelehrt bedünken, dass auch Niemand zu alt sei zu lernen. Wir sollen lernen wahr reden, und wenn wir Etwas nicht wissen, sollen wir uns nicht schämen, sonderlich aber, wenn Einer Zweifel im Glauben hat. Denn wenn Einer zweifelig ist und darf’s Niemand sagen und frisst so in sich, bis er sterben soll, so kann er sich selbst nicht trösten und nimmt keinen Trost an, und ist solchen Leuten eben als Denjenigen, die mit den Franzosen am Leibe sind angestossen und dürfen’s Niemand sagen und schweigen still, bis die Krankheit den ganzen Leib durchfrisst, und ihnen die Nase wegfault, und ihm Niemand rathen noch helfen kann. Das soll kein Christ thun. Wenn er den geringsten Zweifel hat, soll er fragen, wie er Das gläube; Lieber, berichte mich, ich muss einen gewissen Grund haben, wenn mich Gott angreift, dass ich kann nach seiner Gnade greifen. Das heisst: Ich glaube, darum rede ich. Wenn Einer einen Glauben hat, so redet er gewiss; aber wenn Einem das Maul abgehauen ist und darf nicht reden, entweder er schweiget gar still, oder wenn er gefragt wird, sagt er: Es ist mir zu hoch, ich kann von solchen hohen Dingen Nichts reden. Das sind Leute, die die geistlichen Franzosen haben und können ihnen selbst nicht helfen. Wenn du etwas Gewisses weißt, warum sagest du es nicht? Das thut hier Nicodemus.

Was thut Christus? Er siehet, dass es ein frommer Mann ist, und dass er gern lernen wollte. Darum lehret er ihn und sagt so: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, es sei denn, dass ein Mensch von neuem geboren werde, so kann er nicht sehen das Reich Gottes. Der Herr Christus giebt dem Nicodemus nicht allein einen feinen Bescheid, sondern er betheuert auch seine Rede mit einem Eid, und dass man nicht denke, es sei eine Vergessenheit oder Leichtfertigkeit, so hat er ihm zum dritten Male einen Eid geschworen. Drei Mal wahrlich, wahrlich, wahrlich, wahrlich, wahrlich, wahrlich, das sind wohl sechs Mal. Denn sechs Mal thut er ihn Nicodemo. Warum? Darum, dass er merkt, dass Nicodemus ein grober Doctor in seiner Facultät war, und dass er ihm würde sagen solche Dinge, die er nicht gläuben und begreifen konnte. Damit er nun wissen konnte, dass es ihm ein Ernst sei, so schwört er zum sechsten Mal; denn wenn Christus sagt: Wahrlich, so ist’s so Viel, als wenn ich sage: So wahr Gott ist, als mir Gott helfe. Warum? Er ist selbst die Wahrheit; darum kann er nicht höher schwören, als bei ihm selber, der die ewige Wahrheit ist und bezeuget also Nicodemo, dass er habe eine Lehre vor sich, die er glauben soll; es sei wahr; werde er’s nicht thun, so werde es ihm nicht gut sein.

Was ist’s denn? Es sei denn, dass Jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen; auf Deutsch: Es sei denn, dass Einer ein neuer Mensch, ein anderer Mensch werde; denn wie Einer auf die Welt geboren und von den Menschen kann gewiesen und gelehret werden, aus menschlicher Vernunft und Weisheit, kann er nicht selig werden, und stösst der Herr Christus alle Weisheit der Welt hiemit auf einen Haufen, alle Frömmigkeit dieser Welt, Einer sei so gelehrt wie er wolle, wie fromm, wie unschuldig und heilig er sei, so heisst’s hie: Er gehört nirgend anders hin, denn zum Teufel, wenn er kein Christi ist, wenn er nicht ein neuer Mensch wird. Das war eine harte Rede, und sollten wir Das darum wohl merken, wenn wir in der blinden Heiden Büchern lesen, dass wir nicht das Licht der Erkenntniss Gottes daraus suchen und die nicht überheben über oder neben Gottes Wort. Wir haben auch dabei zu merken, wenn ein christlicher Lehrer seine Lehre betheuert mit dem Eide, mit dem Namen Gottes, dass es keine Leichtfertigkeit sei, sondern eine Nothdurft, fürnehmlich aber bei solchen Leuten, die das Widerspiel aus Gottes Wort halten von reinen und treuen Lehren, Das ist von Nöthen, dass ein Prediger bezeuget mit Gottes Wort und Wahrheit, die er auch betheuert mit dem ausgedrückten Worte Gottes, und nachmals, wenn solche Leute nicht gläuben wollen, dass sie am jüngsten Tage keine Entschuldigung haben, dass sie nicht sagen dürfen: Ich habe es nicht gewusst, man hat mir’s nicht ernstlich gesagt. Ja, ja, man hat dir das Wort Gottes gesagt, man hat dir’s mit einem Eide betheuert, der Herr Christus selbst. Darum hast du keine Entschuldigung deiner Verdammniss, es geschieht dir recht. Nun, der Herr Christus hat Nicodemum zum ersten Mal abgefertigt. Was sagt aber Nicodemus darauf? Er spricht so: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?

Das mag mir wohl ein grobes Hölzlein sein von einem Doctor in der theologischen Facultät. Wäre er ein gemeiner Professor gewesen und hätte Grammaticam gelesen, so wäre es zu leiden gewesen. Aber der Tölpel fährt so grob heraus und giebt mit seinem Exempel Christo Zeugniss, dass es wahr sei, was er zuvor gesagt hat. Es sei denn, dass Jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. Er ist noch nicht recht deponirt; man muss den Doctor noch einmal deponiren. Der Herr Christus deponirt ihn erst, wie wir hören werden. Er weiss von keiner andern Geburt, denn von der leiblichen Geburt, und wenn der Herr Christus redet von seiner Wiedergeburt, welche geschieht durch das Wasser und Geist, so denkt er, es müsse Einer ein Mal, zehn Mal oder dreissig Mal wieder von seiner Mutter geboren werden. Daher haben wir abermals zu lernen, was des Menschen Verstand und Kräfte vermögen in geistlichen Sachen, die unsere Seligkeit anlangen.

Der Nicodemus ist nicht ein Heide gewesen, er war ein Jude und Glied des Volkes Gottes. Wenn ein Heide so hätte geredet, hätte man gesagt: Es ist kein Wunder, er hat Nichts in der Bibel gelesen. Das ist ein Jude und Glied vom Volke Gottes und rühmt sich, er habe wahre Erkenntniss Gottes, ist ein Doctor der heiligen Schrift, lehret die Leute und kann selbst Nichts, der grobe Doctor so tölpisch ist. Dabei lernet eure Liebe, dass menschliche Vernunft und Weisheit Nichts vermag in göttlichen Sachen, und bestätiget so Nicodemus die Rede des Herrn Christi, dass auch gelehrte Leute müssen neu geboren werden, wenn sie wollen das Reich Gottes sehen. Ja, wie ich oft gesagt habe, gelehrten Leuten wird es Viel saurer, selig zu werden, denn einfältigen Handwerksleuten; denn gelehrte Leute wollen nicht Narren sein und Alles verstehen, ein Handwerksmann aber ist so sicher und disputiret nicht, aber doch begehret er’s zu lernen. Der Herr Christus giebt ihm andern Bescheid und sagt also: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, als wollte er sagen, es sei in seinem Kopfe so ungereimt wie es wolle, so ist’s doch die Wahrheit, dass ein Mensch muss noch einmal geboren werden, aber auf diese Weise nicht, dass er von seiner Mutter geboren werde, sondern aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

Damit bezeuget der Herr Christus nicht allein seine vorgehende Rede, sondern weiset auch Nicodemo, wie es zugehe mit dieser Geburt. Es müsse geschehen aus Wasser und Geist; ist eben so Viel, als wenn man sagt auf unser gut Deutsch, er müsse getauft werden. Denn die heilige Taufe die ist Wasser und Geist, da wird man neu geboren, da werden neue Menschen. Er setzt auch gleich die Ursache darauf, warum? Denn was aus dem Fleisch geboren wird, Das ist Fleisch. Fleisch aber heisst hier anders Nichts, denn die verderbte menschliche Natur, gut deutsch. Und will Christus so Viel sagen: Lieber Nicodeme, wenn du von deiner Mutter gleich zehn, zwanzig, dreissig, ja hundert Mal geboren würdest, so wärest du eben so ein grosser Tölpel dein Lebelang; denn was vom Fleisch geboren wird, Das ist Fleisch; denn Fleisch ist Fleisch, es wird nicht besser, denn die Art ist. Was ist Fleisch? In der ersten Epistel an die Corinther steht: Der natürliche Mensch vernimmt Nichts vom Geiste Gottes; es ist ihm Alles eine Thorheit, und kann es nicht erkennen, wenn er wird von geistlichen Sachen gefragt. Hilf Gott, wenn unsere Gelehrten den Spruch so wohl lernten decliniren und conjugiren und verstehen und merken, wie hier der heilige Geist redet, wie viel Zank und Ärgerniss würde in Kirchen und Schulen überhoben sein!

Der natürliche Mensch, sagt er, wie hier stehet, Fleisch, Vernunft, des Menschen höchster Verstand, Kunst und Weisheit, wenn’s am schärfsten ist, verstehet Nichts (eure Liebe merke es wohl um Gottes willen) in Gottes Sachen. Es ginge hin, dass er’s nicht verstände, wenn er’s bleiben liesse. Man findet Narren, wenn man ihnen Etwas sagt und sie verstehen’s nicht, gehen sie davon, fragen Nichts weiter darnach. Darnach sind sie doppelte Narren, denen muss man drei Narrenkappen aufsetzen. Dieselbigen meinen, sie verstehen’s und lästern die Wahrheit. Es ist ihnen nur Thorheit, sagt Paulus. Der Herr Christus muss ihnen ein Narr sein, wie ihr am Pfingsttage gehört habt, sie wären voll süssen Weins. Die Apostel werden etwa früh zum Branntwein gewesen sein, dass sich die Sprache verkehret hat. So muss sich der heilige Geist lästern lassen. Das ist Fleisch und Blut; denn fleischlich gesinnet sein, wie Paulus sagt zu den Römern am Achten, ist eine Feindschaft wider Gott. Wenn Einer fleischlich wird geboren, so ist er Gottes Feind und liebet Gott nicht, hasset sein Gesetz und hat keine Lust dazu. Das ist Fleisch und Blut. Darum hilft die Geburt nicht, die aus dem Fleisch geschieht, sondern es muss geschehen aus dem Geist; „es sei denn, dass Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist.“ Wo empfähet man denselben Geist? Am Pfingsttage. Wann ist unser Pfingsttag? Wenn man ein Kind zur Taufe bringt, das ist der Pfingsttag des Kindleins, da wird das Kindlein getauft im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Das Kindlein wird neu geboren und erneuert durch den heiligen Geist, wird ein neu Kindlein. Sprichst du: Wie sehe ich denn, dass die Wehemutter hat das Kindlein hereingebracht, es wird mit ihm da in der Kirche gehandelt, es wird getauft, es ist ein Kind wie vor, ich sehe nicht, dass es anders worden ist. Da kommt der Herr Christus und degradirt den Doctor und machet wieder einen halben Magister, wo nicht gar einen Baccalaureum und will ihn wieder in die Physica bringen. Er soll wieder in der Physica studiren. Der Herr sagt: Wenn ein Wind gehet, so höret man sein Sausen wohl, weiss aber nicht, woher er kommt und wohin er fähret, will so Viel sagen: Nicodeme, du bist nicht per saltum promovirt worden, du hast Physicam nicht recht studirt. Wo kommt der Wind her? Hast du Nichts im Aristotele davon gelesen, du sollst ja da Etwas davon finden. Wo kommt der Wind her? Ich weiss nicht. Wo fährt der Wind hin? Ich weiss nicht. Hast du denn diene Physicam so wohl studirt? Kannst du Physicam noch nicht und willst ein Doctor der heiligen Schrift sein? Du hörst sein Brausen wohl und weisst nicht, von wannen er kommt und wohin er fähret. Also ist ein Jeder, spricht er, der aus dem Geist geboren wird. Die Kraft kann man nicht sehen, der heilige Geist lässt sich auch nicht sehen. Er hat sich einmal in der Gestalt einer Taube offenbaret, jetzt sieht man ihn nicht mehr. Da ist er, und wenn das Kindlein getauft wird, da höret man ein Sausen und Brausen, man hört das Wasser fallen über das Kind und hört den Prediger da reden: Ich taufe dich im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Das ist ein Brausen. Aber die Kraft und das Werk, wie das zugehe bei der Taufe, das siehet man nicht und höret es nicht, wie es im Menschen zugehe, es ist Gottes heimliches Werk und Kraft. Wenn auf einer Heide ein Baum oder hundert liegen, die der Wind niedergerissen, da fragt man, wie es ist zugegangen? Der Wind hat’s gethan; so fragt man weiter: Woher ist er? und wo ist er hinkommen? Ich weiss nicht. Sausen und Brausen habe ich gehört, sonst nicht mehr gesehen. Also ist ein Jeder, der aus dem Geist geboren ist. Da werden andere Leute daraus, dass sie anders thun, anders reden und anders leben, denn zuvor, ehe sie neugeboren waren aus dem Wasser und Geist. Also hat der Herr Christus dem Nicodemo Bericht gegeben von der Wiedergeburt des Menschen.

Zum Dritten, was sagt Nicodemus? Er spricht: Herr, wie muss Das geschehen? Der Herr lies’t ihm einen Levitenrock, das ist, giebt ihm einen Filz, er giebt ihm ein Gutes und sagt: Bist du ein Meister in Israel und weißt Das nicht? Als wollte er sagen: Wenn du ein gemeiner Mann wärest, so ginge es wohl hin, denn es ginge allein über deine Seele. Aber du bist ein Rath, ein Doctor, bist ein Professor auf der hohen Schule zu Jerusalem, du lehrest viele Jünger, die lehren andere Jünger und verführst also die Leute. Wie willst du es gegen Gott immer mehr verantworten am jüngsten Tage?

Was wir wissen, Das reden wir und zeugen, das wir gesehen haben; aber ihr nehmet unser Zeugniss nicht an. Nun hie hat der Herr Christus dem Nicodemo ein wenig hart an sein Doctorhäublein gegriffen. Es ist aber eine Narrenkappe gewesen eigentlich, die er hat aufgehoben; denn er war zu frühe Doctor geworden. Sollst du ein Doctor sein und die Leute so schändlich verführen? Es soll aber allen Doctoribus der heiligen Schrift gesagt sein. Ich rede aber nicht von Doctoribus in den hohen Schulen. Ein jeder Pfarrherr auf dem Dorf ist ein Doctor; denn Doctor heisst Lehrer. Bist du ein Doctor auf der hohen Schule zu Jerusalem und weisst Das nicht?

Hiebei ist zu lernen erstlich, dass man Niemand das Lehramt soll befehlen, es sei denn auch der Mann danach. Denn am jüngsten Tage werden Die müssen dafür antworten, die narren auf die Dörfer setzen und den armen Leuten so jämmerlich vorstehen. Wenn die Pfarrherren Nichts können, Nichts wissen, was sollen sie denn Andern lehren? Es wird auch am jüngsten Tage unser Herr Gott aller Derer Blut, die verführet, von dieser Leute Händen fordern, die sie dazu gefördert haben. Und im Fall, dass man Einen wollte fördern, und er weiss, dass er dazu untüchtig ist, soll er so vernünftig sein und sagen: Ich will’s nicht thun. Soll ich mich eines Handwerks unterstehen, das ich nicht kann? Wenn ich ein Schneider wäre, ich wollte nicht gerne Einem ein Tuch verderben zu einem Paar Hosen, ich geschweige, dass ich dem geringsten Bauern seine Seele verderben und verführen sollte. Ich wollte lieber ein Stallbube bleiben oder ein Sauhirte lieber werden, ehe ich mich wollte überwinden Andere zu lehren und könnte es nicht.

Die hohen Leute haben es nicht gethan, wir haben den heiligen Propheten Jesaiam, und da ihn Gott zum Predigtamt wollte berufen, sagt er: Herr, ich bin von unreinen Lippen. Moses sagt zum Herrn: Ich habe eine schwere Zunge, kann nicht reden, mit den Haaren muss man sie dazu ziehen, dass sie reden. Aber jetzt, wenn Einer verdorben ist in allen Handwerken, soll er gut zum Pfaffen sein. Er ist gut für die Bauern, denen darf man nicht viel Besonderes predigen, gleich als wenn die Bauern auch nicht Leute wären und so wohl eine Seele hätten wie der Kaiser. Es ist Gott so Viel an der Seele eines Bauern und eines ärmsten Bettlers gelegen, als an eines grossen Herrn. Das ist Nichts. Es geht so übel zu, man soll sehen, dass Kirchen mit rechtschaffenen Leuten versorget werden.

Darum hat Nicodemus einen guten, langen Levitenrock davon gebracht, einen guten Filz im Winter, dass er in seinem Gewissen wird gedacht haben: O wie viel Seelen habe ich verführt, die nicht können wiedergebracht werden. Es sollte doch wohl Einem der Schweiss vergehen, wenn er Solches im Gewissen hätte. Christus sagt: Was wir wissen, das reden wir und zeugen, das wir gesehen haben, und ihr nehmt unser Zeugniss nicht an und gläubet mir nicht. Wenn ich euch von irdischen Dingen sage, was würdet ihr gläuben, wenn ich euch von himmlischen sagte, und will so Viel sagen: Nicodeme, verstehest du Physicam noch nicht, bist noch nicht ein Magister, bist nur ein Baccalaureus, und willst deinen Gott im Himmel meistern? Es ist zu grob, ein grobes Holz zu einem Doctor, und fertigt ihn so ab. Man muss auch unsern Herrn Gott bitten, dass er solche Leute giebt, die ihm zu Ehren dienen; denn wenn er strafen will, so giebt er solche Lehrer, die der christlichen Kirche grossen Schaden thun.

Zum Beschluss sagt er: Niemand fähret gen Himmel, denn der vom Himmel herniederkommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist. Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muss des Menschen Sohn erhöhet werden, auf dass Alle, die an ihn gläuben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Dies ist der Beschluss des heutigen Evangelii, da der Herr Christus dem Nicodemo fein Alles in ein Büschlein bindet und sagt’s ihm fein auf einen Haufen und will so Viel sagen: Niemand fähret gen Himmel, denn der vom Himmel kommen ist. Er will so Viel sagen: Von Rechtswegen gehört der Himmel Niemand zu; der Himmel wäre uns Allen zu hoch, es könnte unser Keiner hineinsteigen weder mit seiner Frömmigkeit noch Geschicklichkeit (merket’s wohl). Der Himmel ist zu hoch, unser Keiner könnte ihn ersteigen, weder mit seiner Vernunft noch Frömmigkeit, müssen Alle hinunter in die Hölle.

Wer kann ihn denn ersteigen? Es stehet da: Niemand fähret gen Himmel, denn der vom Himmel herniederkommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist. Wer ist des Menschen Sohn? Es ist der Mann, der mit Nicodemo redet, der heisst Jesus Christus, dem ist der Himmel nicht zu hoch. Warum? Er ist im Himmel. Er sagt nicht, allererst am Tage der Himmelfahrt soll er gen Himmel fahren; da er jetzt steht bei Nicodemo, der ist im Himmel.

Von dem Spruch habe ich heute drei Jahr ausdrücklich gesagt und gepredigt, wie euer Superintendent mit meinem Gebet ist eingesetzt worden, und ist nicht Noth Solches zu wiederholen; aber allein so Viel zur Erinnerung, dass ihr wisset, dass es eine andere Gestalt hat mit Christo, denn mit anderen Menschen. Denn Christus ist nicht allein Mensch, sondern auch Gott und Mensch, da er ist empfangen von der Jungfrau Maria und auf Erden gewandelt vor seiner Himmelfahrt, ist höher gewesen, denn alle Himmel. Warum? Denn Gott ist höher gewesen denn alle Himmel; er ist der Allerhöchste und heisst altissimus, und ist menschliche Natur mit Gott eine Person worden, darum ist er höher, denn alle Himmel.

Wo ist er? Zur rechten Hand Gottes. Wo ist die rechte Hand Gottes? Allenthalben, das ist, der Herr Christus. Das lehrt uns unser christlicher Glaube, und heisst hier nicht: auffahren wollen, denn unser glaube sagt: Er sitzt zur Rechten Gottes. Wo Zween oder Drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen, sie sind gleich hier oder zu Wittenberg, zu Dresden, zu Rom, zu Nürnberg, zu Augsburg, zu Constantinopel, in India, in Africa, er ist bei einem Jeden. Wie kann Das sein? Ein christliches Herz aber spricht so: Dass ich’s sehen solle, ich kann’s nicht, ich gläube es, ein Artikel des Glauben ist’s. Daher ist’s kommen, dass die Sacramentirer solche Lästerung daraus spinnen und es dahin ziehen, dass sie schändlich fürgeben und sagen und dürfen öffentlich schreiben, er sei allenthalben, derwegen sei er auch in seinem (mit Ehren zu melden) Kothe und anderen unfläthigen Orten. Dafür werden sie dem Herrn Christo am jüngsten Tage mit dem tölpischen Nicodemo müssen Rechenschaft geben. Es heisst also, wenn ich Christum an einem Ort suchen will, so muss ich einen Ort haben, da ich ihn finden werde.

Wo hat er mich hinbeschieden, dass ich ihn finden soll? In seiner Predigt, im Sacrament, in allen meinen Nöthen, wo ich bin, da soll ich ihn suchen, und da ist Christus. Jenes aber, das sie lästerlich reden, Das wird Gott an ihnen schwerlich strafen, und wird sie endlich lassen so verstockt werden und bleiben, dass sie darnach jämmerlich daran sterben werden. Einmal ist’s wahr, da Christus sagt: Des Menschen Sohn fähret gen Himmel. Der im Himmel ist, Der hat ein doppelt Recht im Himmel, erstlich, dass er den Himmel gemacht, und der Himmel hat ihn nicht eingenommen, sondern er hat den Himmel eingenommen, und ist über alle Himmel gefahren. Warum? Auf dass er Alles erfüllt, Das ist unser höchster Trost. Darnach hat er den Himmel erworben mit seinem bitteren Leiden und Sterben. Darum, als wir aus dem Himmel sollten geschlossen sein, da hat er uns den Himmel geöffnet und hat bezahlet, was wir für Schuldigen gemacht, und er ist Nichts ärmer worden. Er ist noch der Sohn Gottes, er hat sich seiner Majestät geäussert eine Zeit lang, aber dieselbige nicht verloren, und uns erzeiget die Huld und Gnade Gottes, dass er bei uns sein will, uns nicht verlassen, wenn wir von hinnen abscheiden sollen, dass wir mit dem heiligen Stephano sagen dürfen: Herr Jesu, nimm meinen Geist auf. So sollen wir wissen, dass uns der Himmel nicht zu hoch ist, er wird bei uns sein und uns zu sich nehmen in den Himmel, da er ist, nämlich in das ewige Leben, und erkläret Solches mit einer Historia aus Moses, da die Kinder Israel sich hatten an Gott versündiget, richtete Moses aus Befehl Gottes eine eherne Schlange auf; welche nun wurden von Schlangen gebissen, sollten dieselbige ansehen und gesund werden. Da möchte auch ein Physicus aus Nicodemi Baccalaureen-Schule kommen sein und gesprochen: Wie kann Das sein, wenn ich eine todte Schlange ansehe, dass ich kann gesund werden? Es wird nicht sein.

Es sind ohne Zweifel solche Verräther da gewesen, die auch also in ihren Sünden dahin gestorben. Aber fromme Leute die haben nicht gefraget, wie es zugehe, sondern auf das Wort gesehen, das ihnen Moses sagte, und haben demselbigen geglaubt und sind gesund worden.

Also hat auch Gott die Welt geliebt, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Also muss auch des Menschen Sohn erhöhet werden, auf dass Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Ist Das nicht ein kurzer, einfältiger Beschluss eines solchen herrlichen Gesprächs und so einfältig, dass es ein Jeder verstehen kann? Warum? Es ist nichts Anderes, als unser Katechismus; als wenn ich gesagt hätte: Wenn Einer will ein neuer Mensch geboren werden, so muss man ihn in die Kirche zum Taufstein tragen; darnach, wenn er in den Himmel kommen will, so soll er lernen den anderen Artikel des christlichen Glaubens: Ich glaube an Jesum Christum. Das ist unser christlicher Glaube, den hat Nicodemus nicht gekonnt, und ist ein Doctor gewesen, hat gemeint, er sei ein gelehrter Mann. Aber darinnen ist er gelehrt, dass er sich weisen lässt und lässt sich deponiren und will wieder lernen und unten anfahen, will nicht oben aus und nirgends an, und wie die Apostel daheim sassen in einem Hause bei einander und fürchteten sich, will keiner herfür, da kommt Nicodemus zum Pilato, begehrt den Leib des Herrn Christi und heisst ihn begraben frei rund und achtet nicht des Pilati Ungnade und der Hohenpriester in seiner Facultät, er fragt Nichts darnach, hilft zu des Herrn Christi Begräbniss, da er von Jedermann verlassen war.

So geht’s, wenn man Gott die Ehre giebt und lässt sich reformiren, wenn der Herr Christus kommt und sagt: Das ist nicht recht, dass wir’s erkennen, wir sollten’s billig gethan haben, haben’s aber nicht gethan. Wenn man aber das Widerspiel thut, so giebt’s ein böses Ende.

Das wäre das Evangelium, da ihr höret ausdrücklich einen feinen richtigen Weg zur Seligkeit.


Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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